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13. Das Idealbild einer Ehe

Einleitung

Jedes Jahr werden wir Zeuge der Krönung einer neuen Miss Amerika. Für Millionen von kleinen Mädchen und jungen Damen ist Miss Amerika das Idealbild einer Frau. Bert Parks sang: „Da ist sie, Miss Amerika, da ist sie, dein Ideal...“. Für Viele ist also die ideale Frau jung, unverheiratet, sexy und gepflegt. Die ideale Frau in Sprüche 31 ist allerdings ganz anders. Sie ist verheiratet, und wir erfahren nichts darüber, wie alt sie ist oder ob sie hübsch ist. Die entscheidende Eigenschaft der idealen Frau besteht darin, dass sie fromm ist.

Die Frau in Sprüche 31 ist wirklich bemerkenswert. Sie macht Alles gut. Tatsächlich kommt es mir so vor, als mache sie Alles sogar zu gut, und sie kommt einem weiblichen Workaholic manchmal gefährlich nahe. Ich fürchte, wenn ein Mann seine zukünftige Frau mit dem Maßstab von Sprüche 31 messen will, wird er wohl niemals heiraten. Und Frauen, die sich mit der Frau in Sprüche 31 vergleichen, könnten leicht von Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühlen übermannt werden. Damit das nicht geschieht, sollen die folgenden Bemerkungen uns bei unserem Studium weiterhelfen.

Erstens: Diese Beschreibung einer Frau in Sprüche 31 wurde sorgfältig zusammengestellt. Sie wurde sicher nicht von einem Ehemann geschrieben, dem gerade noch rechtzeitig einfällt, dass Muttertag ist und der daraufhin hastig ein paar lobende Worte zu Papier bringt und an der Straßenecke ein Dutzend Rosen dazu kauft. Es handelt sich vielmehr um ein Stück hebräischer Poesie, das in Form eines Akrostichons geschrieben ist, als ein Gedicht also, bei dem die Anfangsbuchstaben der Verse das hebräische Alphabet bilden. Ein weiteres Akrostichon, bei dem diese Eigenschaft auch im englischen Text deutlich wird, ist Psalm 119, bei dem alle Zeilen innerhalb eines Abschnitts mit dem gleichen Buchstaben des hebräischen Alphabets (aleph, beth, gimel, etc.) beginnen. In beiden Fällen, in Sprüche 31 und Psalm 119, stellt der Text ein literarisches Meisterwerk dar und wurde sehr sorfältig konstruiert.

Zweitens: Die beschriebene Frau stellt ein Idealbild dar und ist nicht unbedingt als Zielvorstellung für jede Frau gedacht. Ein Vorbild soll man nachahmen, doch ein Ideal bleibt immer unerreicht. Das bedeutet, dass die Frau in Sprüche 31 nicht unbedingt der Maßstab sein sollte, an dem ein Mann seine zukünftige Frau misst. Genauso wenig ist diese Frau das Vorbild, das jede Frau nachahmen sollte. Sie ist eine Frau von gottgemäßem Charakter, und in dieser Hinsicht sollten sowohl Männer als auch Frauen ihrem Beispiel nacheifern. Aber darüber hinaus ist sie auch noch eine Frau von vielerlei Fähigkeiten. Sie ist Ehefrau, Mutter, Geschäftsfrau, Investorin, Landwirtin, Handwerkerin, und Anderes mehr. Ich kenne kaum eine Frau – und übrigens auch kaum einen Mann –, die oder der alle diese Dinge gut beherrscht; und ich bezweifle auch, dass der Schreiber wollte, dass wir all diese Unternehmungen mit Erfolg nachzumachen versuchen. Auf keinen Fall sollten wir uns schuldig fühlen, wenn uns nicht Alles so gut gelingt wie dieser Frau.

Drittens: Dieses poetische Werk wurde nicht primär für Frauen geschrieben, sondern für Männer. Es ist kein Gedicht, das ein Ehemann für seine Frau geschrieben hat, sondern ein an die Männer adressiertes Gedicht über die gottgemäße Frau. Diese Textstelle kann zwar auch als Anleitung für junge Männer dienen, die eine gottgemäße Ehefrau suchen; hauptsächlich aber soll sie verheiratete Männer dazu ermahnen, den Wert ihrer Ehefrauen anzuerkennen und diesen die Freiheit zu gewähren, die sie brauchen, um gemäß ihren Gaben und Talenten und in Übereinstimmung mit ihrer gottgegebenen Rolle als Ehefrau wirken zu können. Und diese Rolle ist, glaube ich, viel umfassender, als es Männer gewöhnlich akzeptieren.

Das heißt also, dass diese Textstelle eher geschrieben wurde, um Männer darin anzuleiten, wie sie bessere Ehemänner werden können, als dazu, Frauen zu helfen, bessere Ehefrauen zu werden. Sicherlich finden wir darin auch ein Beispiel, an das Frauen sich halten können; noch mehr aber finden wir eine Anleitung für den Mann, der ein gottgemäßerer Ehemann werden möchte. Wie wir sehen, gibt es hier also sowohl für Ehemänner als auch für Ehefrauen etwas zu lernen. Wir werden nicht nur etwas über den Charakter der gottgefälligen Ehefrau erfahren, sondern auch etwas über die Verantwortung des gottgefälligen Ehemannes dafür, dass er seiner Frau ermöglicht, ihr ganzes Potenzial als Frau zu verwirklichen. Niemand von uns wird hoffentlich noch Derselbe sein, wenn wir diesen spannenden und herausfordernden Text bearbeitet haben.

Charaktereigenschaften einer idealen Ehefrau

Bei der Betrachtung der Eigenschaften eines gottgefälligen Ehepartners in der vorhergehenden Lektion habe ich mich bewusst noch nicht ausführlich mit dieser eigentlich naheliegenden Textstelle befasst. Dem Charakter einer gottgefälligen Frau haben wir dort bereits gründlich Aufmerksamkeit geschenkt; daher möchte ich die Eigenschaften der idealen Ehefrau, wie sie uns in dieser Textstelle gezeigt werden, einfach noch einmal kurz darstellen:

1. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE FROMME FRAU. Diese Frau wird nicht ihres Charmes oder ihrer Schönheit wegen gelobt, sondern wegen ihrer Gottesfürchtigkeit (Vers 30).

2. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE FRAU VON AUSSERORDENTLICHEM CHARAKTER. Sie wird in Vers 10 als eine „hervorragende“ Frau beschrieben (NASB). In der NIV wird sie als „Frau von edlem Charakter“ bezeichnet. Außerdem wird sie als „mit Stärke und Würde gekleidet“ bezeichnet (Vers 25, NIV). Vers 10 drückt aus, dass eine Frau mit ihren Eigenschaften selten zu finden ist. Und da Frauen mit ihren Eigenschaften so knapp sind, muss ein Mann fleißig suchen, bis er eine solche Ehefrau findet.

3. DIE IDEALE EHEFRAU IST UNBEDINGT VERTRAUENSWÜRDIG. Vers 11 sagt uns, dass ihr Ehemann seiner Frau vollständig vertraut. Sie schadet ihm nie, sondern ist seine Hilfe und bringt ihm nur Gutes (Vers 12).

4. DIE IDEALE EHEFRAU IST FLEISSIG UND ARBEITET HART. Diese Frau gehört nicht zu den Faulen. Mehrfach wird ihre Stärke und ihr Fleiß hervorgehoben. Sie arbeitet mit ihren Händen (Vers 13). Sie steht früh auf und geht spät zu Bett (Vers 15 und 18). Im Gegensatz zum Faulen (6:6-11) trifft sie Vorsorge für die Zukunft (Vers 21, 25). Auf unsere Gesellschaft bezogen würde eine solche Frau nicht zu Hause herumsitzen und eine Serie nach der anderen im Fernsehen anschauen, denn sie hat keine Zeit für Müßiggang (Vers27).

5. DIE IDEALE EHEFRAU IST WEISE. Die tugendhafte Frau spricht mit Weisheit (Vers 26). Darüber hinaus besitzt sie auch praktische Weisheit, denn sie ist in der Lage, ihren Besitz weise zu investieren (Vers 16, 18).

6. DIE IDEALE EHEFRAU ZEICHNET SICH DURCH GROSSZÜGIGKEIT AUS. Diese Frau denkt an die Armen und Bedürftigen und gibt von ihren Einkünften ab, um deren Bedürfnisse zu befriedigen (Vers 20).

7. DIE IDEALE EHEFRAU SPRICHT MIT LIEBENSWÜRDIGKEIT. Beachten Sie, dass in Vers 26 die Lehren dieser Frau als „Gesetz der Güte“ bezeichnet werden. Ich verstehe das so, dass sie ihre Anweisungen auf freundliche Art gibt und dass ihre Lehren ermutigend und aufbauend sind.

Das also sind einige der Charaktereigenschaften einer idealen Ehefrau. Sie alle sind uns schon früher in den Sprüchen begegnet, denn es sind die gleichen Eigenschaften, die jeden Weisen auszeichnen sollten, ob Mann oder Frau, Ehemann, Ehefrau oder alleinstehende Person, Erwachsenen oder Kind. Die ideale Ehefrau ist eine Frau von Weisheit, eine Frau, die Gott fürchtet und deren Taten Ausdruck ihrer Frömmigkeit sind.

Der Verantwortungsbereich der idealen Ehefrau

Manche Frauen (und noch mehr Männer) scheinen der Auffassung zu sein, dass eine Ehefrau in einer sehr kleinen Welt lebt, die sich weitgehend auf Windeln und schmutziges Geschirr beschränkt. Es überrascht daher nicht allzu sehr, dass viele Ehefrauen in ihrer Rolle als Frau und Mutter unzufrieden sind. Beschränkt sich ihr Aufgabenbereich tatsächlich darauf, die Hausarbeit zu erledigen? Ist ihre Welt durch die Wände ihres Hauses begrenzt? Sprüche 31 zeigt ein deutlich breiteres Spektrum dessen, was eine gottgemäße Ehefrau und Mutter tun kann, sofern sie Willens und fähig dazu ist. Lassen Sie uns einige der Tätigkeitsbereiche betrachten, in denen sich die ideale Ehefrau frei und mit Zuversicht bewegt.

1. DIE IDEALE EHEFRAU ERLEDIGT ALLE EINKÄUFE FÜR DIE FAMILIE.

Sie schaut aus nach Wolle und Leinen Und arbeitet freudig mit ihren Händen. Sie ist gleich den Schiffen eines Kaufmanns, Sie bringt Nahrung von fern herbei (Vers 13-14).

Wir wissen alle, wie viel eine Familie so verbraucht. Die ideale Ehefrau trägt zum Wohl der Familie bei, indem sie alles Notwendige einkauft. Sie sucht, nehme ich an, nach der besten Qualität zum niedrigstmöglichen Preis. Sie kauft Lebensmittel nicht spontan im Supermarkt an der nächsten Ecke, sondern sucht mit Sorgfalt die besten Waren aus und nimmt, wenn nötig, für Qualität und Sparsamkeit auch längere Wege in Kauf.

2. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE MANAGERIN. Sie ist fähig zu führen und zu verwalten.

Auch steht sie auf, während es noch Nacht ist, Und gibt ihrer Hausgemeinschaft Speise, Und ihren Anteil (oder die anstehenden Aufgaben, Randnotiz NASB) ihren Mägden (Vers 15).

Sie gibt auf die Vorgänge in ihrem Haushalt wohl Acht, Und das Brot der Faulheit isst sie nicht (Vers 27).

3. DIE IDEALE EHEFRAU TRÄGT ZUM EINKOMMEN DER FAMILIE BEI. Zahlreiche Witze kursieren über die Ehefrau, die nach der Brieftasche ihres Mannes schnappt, sobald der Zahltag herangekommen ist. Auch die ideale Ehefrau mag nach der Brieftasche ihres Mannes greifen, doch nicht um etwas herauszunehmen, sondern um etwas hineinzutun. Diese Frau trägt zum finanziellen Wohlstand der Famlie bei.

Sie zieht ein Feld in Betracht und kauft es; Von ihren Einkünften pflanzt sie einen Weinberg (Vers 16).

Sie empfindet, dass ihr Gewinn gut sein wird; Ihre Lampe geht bei Nacht nicht aus (Vers 18).

Ich nehme an, dass die Bedürfnisse der Familie zumindest zum Teil aus dem Einkommen der Frau erfüllt werden. Beispielsweise kauft sie Stoffe und versorgt ihre Familie mit Kleidung, die sowohl praktisch (warm, haltbar) als auch geschmackvoll ist und dem, der sie trägt, gut zu Gesicht steht.

Sie hat für ihre Hausgemeinschaft keine Angst vor dem Schnee, Denn alle ihre Hausgenossen sind in Scharlachrot gekleidet (Vers 21).

Der Ausdruck „Scharlachrot” an dieser Stelle ist etwas umstritten.33 Wenn der Ausdruck vom Verfasser tatsächlich so gemeint ist, würde er die Kostbarkeit der Kleidung hervorheben. Wenn dagegen ein Wort gemeint ist, das in Etwa die Bedeutung „doppelt” hat, so liegt die Betonung mehr auf der Wärme der Kleidung. Ich neige zu der Auffassung, dass die Kleidung, die diese Frau ihrer Familie bereitet, wohl beides ist: kleidsam und elegant wie auch funktionell und warm.

Sie kleidet nicht nur ihre Familie, sondern stellt auch für sich selbst feine Gewänder her. Ich denke, dass sie damit weniger sich selbst etwas Gutes tun als vielmehr das Ansehen ihres Ehemannes erhöhen möchte. Ihre Kleidung soll ausdrücken, dass die Familie wohlhabend und der Mann in der Gemeinde einflussreich ist.

Sie macht sich Decken; Ihre Kleidung ist aus feinem Leinen und purpurroter Wolle (Vers 22).

Die NIV übersetzt den ersten Teil von Vers 22: „Sie macht Decken für ihr Bett.” Diese Deutung ist die Wahrscheinlichste34 und beschränkt den Verweis auf die persönliche Kleidung auf den zweiten Teil des Verses.

4. DIE IDEALE EHEFRAU INVESTIERT. Diese hervorragende Frau trägt nicht nur durch Produktion zum Einkommen der Familie bei, sondern sie investiert auch einen Teil dieses Geldes, um weitere Gewinne zu machen.

Sie zieht ein Feld in Betracht und kauft es; Von ihren Einkünften pflanzt sie einen Weinberg (Vers 16).

Das gängige Klischee ist das des hübschen kleinen Weibchens, das kaum genug Grips hat für Geschäfte. Wie könnte so eine Frau je die Börse verstehen oder eine Vorstellung davon haben, ob und warum man Gold oder besser Immobilien erwerben sollte? Diese Frau aber investiert, und sie ist offensichtlich erfolgreich damit.

5. DIE IDEALE EHEFRAU PRODUZIERT UND STELLT WAREN HER.

Sie stellt Gewänder her und verkauft sie, Und sie beliefert die Händler mit Gürteln (Vers 24).

Es ist schon möglich, dass sie all das selber herstellt, was sie an die Händler verkauft, aber ich neige mehr zu der Auffassung, dass ihre Geschäfte wohl so weit gediehen sind, dass sie Angestellte in einem Unternehmen beschäftigt. In diesem Falle könnte was als kleine Firma begonnen hat, inzwischen zu einem größeren Unternehmen geworden sein, das von dieser unglaublichen Frau geleitet wird.

6. DIE IDEALE EHEFRAU IST WOHLTÄTIG. Das Einkommen der gottgefälligen Ehefrau wird für die verschiedensten Zwecke eingesetzt. Einiges wird wieder investiert, Vieles wird für die Bedürfnisse der Familie ausgegeben, aber ein großzügig bemessener Teil wird auch für die Armen gegeben.

Sie reicht ihre Hand dem Armen, Und sie streckt die Arme aus zu dem Bedürftigen (Vers 20).

7. DIE IDEALE EHEFRAU LEHRT ANDERE MENSCHEN.

Sie tut ihren Mund mit Weisheit auf, Und die Lehre der Güte ist auf ihrer Zunge (Vers 26).

Viele, vielleicht sogar die meisten Lehren der idealen Ehefrau sind an ihre Kinder gerichtet. Ein Beispiel dafür stellen die ersten neun Verse von Kapitel 31 dar. Hier belehrt die fromme Mutter von König Lemuel (Vers 1) ihren Sohn über die Dinge, die einer gottgefälligen Regentschaft im Wege stehen können. Aber die Lehren der idealen Ehefrau können auch über ihren eigenen Haushalt hinaus reichen, so dass vor Allem andere Frauen in der Gemeinschaft von ihrer Weisheit profitieren können.35

8. DIE IDEALE EHEFRAU FÖRDERT ANSEHEN UND AUTORITÄT IHRES MANNES IN DER GESELLSCHAFT.

Ihr Ehemann ist bekannt in den Toren, Wenn er sich bei den Ältesten des Landes niedersetzt (Vers 23).

Der Mann hinter der idealen Ehefrau:
Der ideale Ehemann

Meines Wissens lesen nur sehr wenige Menschen Sprüche 31 im Hinblick darauf, was es einen Ehemann lehrt. Darf ich Sie aber daran erinnern, dass sich dieser Abschnitt – wie das gesamte Buch der Sprüche – nicht an Frauen, sondern an Männer richtet. Der Verfasser sagt häufig „mein Sohn“, aber nicht „meine Tochter“. Ich möchte also bei der Betrachtung dieses Kapitels die Absicht des Buches erfüllen und die Aufmerksamkeit auf den richten, den meiner Meinung nach auch der Schreiber im Auge hatte – auf den Mann.

Für eine Frau im Altertum gab es keine Möglichkeit, jemals so viel Freiheit und Verantwortlichkeit zu erleben, wenn sie nicht die Unterstützung und Ermutigung ihres Mannes hatte. Ihren Charakter verdankt die gottgefällige Ehefrau sich selbst und der Gnade Gottes in ihrem Leben. Aber die Freiheiten, die sie genoss, um in so vieler Hinsicht wirken zu können, sind das Verdienst ihres Ehemannes. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nun darauf richten, was für ein Mensch dieser „ideale Ehemann“ sein musste, damit seine ideale Ehefrau so sein konnte, wie sie beschrieben wird.

1. DER IDEALE EHEMANN BRINGT SEINER FRAU AUFRICHTIGE WERTSCHÄTZUNG ENTGEGEN.

Eine tüchtige Frau, wer kann [sie] finden? Denn ihr Wert übersteigt den von Juwelen bei Weitem (Vers 10).

Diese Worte sind nicht zynisch oder skeptisch gemeint. Der Verfasser sagt nicht: „Eine Frau von Charakter findet man nicht“, sondern „Eine Frau mit dem Charakter meiner Frau findet man selten.“ Sprüche 31:10-31 beginnt und endet mit dem Lobpreis der seltenen Qualitäten einer gottgemäßen Ehefrau. Wir können nicht davon ausgehen, ein guter Ehemann zu sein, so lange wir nicht die Qualitäten der Frau, die Gott uns gegeben hat, zu schätzen wissen.

2. DER IDEALE EHEMANN VERTRAUT DER TREUE UND DER KOMPETENZ SEINER FRAU VOLLSTÄNDIG.

Auf sie vertraut das Herz ihres Ehemannes, Und es wird ihm nicht an Gewinn fehlen (Vers 11).

Ein Mann mag vollkommenes Vertrauen auf die Keuschheit seiner Frau haben und doch daran zweifeln, dass sie ihm Gewinn bringt. Dieser Vers bezieht sich nicht auf das Vertrauen des Ehemannes auf die moralische Reinheit seiner Frau, sondern auf ihre Kompetenzen als Geldverdienerin und Geschäftsfrau.36 Ihr Ehemann könnte den Erwerb eines Grundstücks in ihre Hände legen, ohne ihr dabei ständig über die Schulter sehen zu müssen.

3. DER IDEALE EHEMANN VERLEIHT SEINEM GLAUBEN AN DIE FÄHIGKEITEN SEINER FRAU AUSDRUCK, INDEM ER IHR DIE FREIHEIT GIBT ZU WIRKEN UND IHR DABEI KEINE UNNÖTIGEN HINDERNISSE IN DEN WEG LEGT. Ich finde es schon erstaunlich, wie Männer über die Unmengen von staatlichen Vorschriften schimpfen können, durch die Industrie und Handel heutzutage geplagt werden, und gleichzeitig ihre eigene Ehefrau mit so vielen Regeln und Vorschriften belasten, dass es für diese praktisch unmöglich wird, irgendetwas richtig zu machen. Das Vertrauen des idealen Ehemannes, wie es in Vers 11 beschrieben wird, drückt sich in dem Grad an Freiheit aus, die er seiner Ehefrau bei der Erledigung ihrer Geschäfte zugesteht, ohne sie ständig zu überwachen oder unnötig einzuschränken. Glauben drückt sich in Freiheit aus. Das ist, nebenbei gesagt, der Grund, warum das christliche Leben, das Leben im Glauben, nicht durch zahllose Vorschriften reguliert werden muss.

4. DER IDEALE EHEMANN SCHÄTZT NICHT NUR DEN WERT SEINER FRAU, SONDERN ER ÄUSSERT AUCH DAS LOB, DAS SIE VERDIENT.

Ihre Kinder stehen auf und segnen sie; Und auch ihr Ehemann preist sie und sagt: „Viele Töchter haben sich als tüchtig gezeigt, Du aber übertriffst sie alle.“ Anmut ist Trug und Schönheit ist nichtig, Aber eine Frau, die den Herrn fürchtet, soll gepriesen sein. Gebt ihr den Ertrag ihrer Hände Und lasst sie in den Toren durch ihre Werke gepriesen sein (Vers 28-31).

Vers 31 weist den Ehemann an, seiner Frau das Lob zukommen zu lassen, das sie verdient. Ihre Werke sollen sie in den Toren preisen. Aber wer, frage ich, ist in den Stadttoren? Natürlich ihr Ehemann (Vers 23). Der gottgemäße Ehemann sitzt im Stadttor, und zu einem guten Teil deswegen, weil seine Frau hinter ihm steht. Dort im Stadttor, in der Öffentlichkeit, soll der gottgefällige Ehemann seine Frau preisen.

Schlussfolgerung

An den Beginn dieser Schlussfolgerungen möchte ich eine Warnung stellen: Ich fürchte immer Diejenigen, die nur hören, was sie hören wollen, und damit dann ihre sündhaften Taten rechtfertigen. Und ich sehe gleich mehrere Möglichkeiten, wie dieses Kapitel missbraucht werden kann. Deshalb möchte ich Sie im Voraus davor warnen. Die erste Möglichkeit ist die, dass unzufriedene Frauen den Text dazu missbrauchen, die Unabhängigkeit ihrer Einstellungen und Handlungen zu rechtfertigen. Eine Frau, die diesen Text fehldeutet, wird sich nur auf die Freiheiten konzentrieren, die der Ehefrau hier gewährt werden. Sie wird sich bestätigt sehen, wenn sie tut, was immer ihr gefällt, ohne ihren Ehemann um Rat zu fragen oder sich darum zu kümmern, was er davon hält. Die ideale Ehefrau in Sprüche 31 aber geht ihren Aktivitäten engagiert nach, weil ihr Mann ihr die Freiheit dazu gab, und nicht, weil sie selber gegen ihren eigenen Mann die Dinge in die Hand genommen hätte. Der Text schreibt einer Frau nicht vor, dass sie all diese Verantwortlichkeiten übernehmen muss, noch lobt er die Frau, die dies gegen den Willen ihres Mannes tut. Der Text mahnt Ehemänner, ihren Frauen mehr Freiheiten zu gewähren, aber er lehrt nicht, dass eine Ehefrau sich diese Freiheiten herausnehmen soll, wenn sie ihr nicht eingeräumt werden.

Wo die erste Warnung mit der übereifrigen Ehefrau zu tun hat, richtet sich die Zweite an den passiven Ehemann, der liebend gerne all seine Verpflichtungen von seiner Frau wahrnehmen lassen würde. Solche Männer bürden ihren Frauen all die Pflichten auf, die ihnen selbst zu viel werden, so dass sie ohne viele Sorgen durchs Leben gehen können. Zugegebenermaßen stört mich die Tatsache etwas, dass der Ehemann hier anscheinend im Stadttor sitzt und das Leben von der leichten Seite nimmt, während sich seine Frau die Finger wund arbeitet, um für die Familie zu sorgen. Ich glaube, viele Männer hätten es durchaus gerne, wenn ihre Frauen die ganze Last der Versorgung der Familie übernehmen würden, so dass sie selbst ohne Sorge das Amt der Führung übernehmen könnten. Das aber ist, denke ich, nicht biblisch. Die Ehefrau half ihrem Mann zwar in vieler Hinsicht, aber sie übernahm nicht seine Aufgaben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Ehemann ein bequemes Leben führte und an den Stadttoren philosophierte, während seine Frau sich mit geschäftlichen Entscheidungen und Ähnlichem abplagte.37 Sie war ihrem Ehemann eine Hilfe, aber sie tat nicht die Arbeit für ihn. Lassen Sie uns als Männer diese Textstelle nicht dazu benutzen, um unsere eigene Faulheit zu rechtfertigen, unseren Frauen all unsere Pflichten zu übertragen und selbst ein bequemes Leben zu führen.

Die dritte Warnung betrifft die Unverheirateten. Diese Textstelle beschäftigt sich mit der idealen Ehefrau, aber nicht unbedingt mit der idealen Frau im Allgemeinen. Sicher war die Ehe die Norm in den Tagen, als die Sprüche geschrieben wurden, aber ich möchte Sie an die Worte des Paulus in 1.Korinther 7 erinnern. Dort mahnt er alleinstehende Frauen, unverheiratet zu bleiben und alle Kraft, die sie sonst zur Befriedigug der Bedürfnisse ihres Ehemannes und ihrer Familie aufbringen müssten, allein dem Herrn zu widmen. Meiner Meinung nach steht es der alleinstehenden Frau in gleicher Weise frei, dem Herrn zu dienen, wie es der Frau in Sprüche 31 steht, ihrem Mann und ihrer Familie zu dienen. Nach Paulus’ Ansicht ist sie sogar noch freier (1.Kor 7:34-35). Alleinstehende Christen sollten aus Sprüche 31 etwas über ihre Freiheit lernen, Gott zu dienen, ohne sich dadurch, dass sie nicht verheiratet sind, als irgendwie zweitklassige Bürger in Gottes Reich zu fühlen.

Dieses Kapitel der Sprüche enthält für jeden Gläubigen eine Botschaft. Als Eltern mahnt es uns, dass wir unseren Kindern kein realistisches Ziel vorgeben, wenn wir ihnen Puppen mit makellosem Körperbau und schönen Gesichtern zum Spielen geben. Unterschwellig betonen wir damit die Ausstrahlung, nicht den Charakter, und wir vermitteln ihnen, dass sie Erfüllung finden könnten, wenn sie ihre eigenen Interessen verfolgen und familiäre Verpflichtungen und persönliche Opfer ablehnen. Lassen Sie uns stets darauf achten, dass die Eigenschaften der gottgemäßen Ehefrau das Ziel darstellen, auf das unsere Töchter hinstreben. Und wollen wir unsere Söhne lehren, dass es diese Art von Frauen ist, die das Eheleben zu einem Segen machen.

Ihr Ehemänner, lasst uns offen sein für eine radikale Änderung unserer Ansichten über die Eigenschaften des idealen Ehemannes. Ich kenne viele Frauen, die in ihrer Rolle als Frau und Mutter keine Befriedigung finden, und das großenteils deshalb, weil ihre Männer ihren Aufgaben in der Ehe nicht nachkommen. In vielen Fällen sehen Frauen wohl zu Recht, dass es ihre Ehemänner sind, die sie daran hindern, ihre Gaben und Fähigkeiten wirklich zu nutzen. Oft liegt das daran, dass sich ein Mann durch die Fähigkeiten seiner Ehefrau bedroht fühlt. Er fürchtet den Gedanken, dass seine Frau Manches besser kann als er selber, und so riegelt er diese Gebiete sorgfältig ab, auch wenn seine Frau ihm bei den entsprechenden Aufgaben gerne dienen und sie zudem besser erledigen würde. Wenn Sprüche 31 uns irgendetwas lehrt, dann die Tatsache, dass die ideale Ehefrau viel mehr Freiheiten hat, als die meisten Ehemänner ihrer Frau je zugestehen würden. Wir müssen unsere Rolle als Manager noch einmal gut überdenken, denn ein guter Manager nutzt stets die Fähigkeiten Anderer, soweit es irgend möglich ist.

Dieser Text hat meine Vorstellungen verändert, denn er hat mich dazu gebracht zu erkennen, dass der Tätigkeitsbereich einer Frau nahezu Alles umfasst, was ihr Ehemann tut. Auch die Aufgaben, die ich immer als typisch männliche angesehen hatte, sind dies nicht unbedingt. Die ideale Ehefrau verdiente Geld und hatte auch weitgehend die Kontrolle darüber, wofür es ausgegeben wurde. Sie wagte sich frei in die Geschäftswelt hinaus und war dort sehr erfolgreich. Und sie diente als Managerin ihres Haushalts.

Inzwischen sehe ich den Hauptunterschied zwischen Ehemännern und –frauen nicht mehr darin, dass manche Dinge von Männern getan werden und Andere (üblicherweise vielleicht die, die Männer nicht tun wollen) von Frauen, sondern vielmehr darin, dass eine Frau die Dinge, die sie tut, unter der Autorität ihres Ehemannes tut. Wenn die Frau Managerin ist, managt sie unter der Autorität ihres Ehemannes. Sie hat selbst viele Freiheiten und große Autorität, doch ihre Freiheit wird immer begrenzt durch die Autorität des Ehemannes, der ihr Oberhaupt ist.

Trifft das nicht auch auf unser geistliches Leben zu? Christus ist unser Oberhaupt, aber er hat uns viel Freiheit und Verantwortung übertragen. So wie Gott uns nicht in allen Einzelheiten reglementiert, sondern uns durch Grundsätze anleitet, so sollte auch der Ehemann die Autorität über seine Frau ausüben. Unsere Ehefrauen sollten durch unsere Führung nicht mehr bedrückt werden als wir selbst es unter der Führung Christi sind.

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit verheirateter Frauen liegt darin, dass sie oft Vieles gut machen, aber wenig oder keine Wertschätzung dafür erhalten. Was sie für die Familie beitragen, wird nicht anerkannt, und deshalb fühlen sie sich unbefriedigt. Die Sprüche sagen deutlich, was dagegen zu tun ist – wir sollen unsere Ehefrauen in aller Öffentlichkeit loben für all das, was sie gut machen. Lassen Sie uns auf diesem wichtigen Gebiet niemals nachlässig werden. Eine Frau sollte niemals selbst nach Ruhm streben – doch wir wollen sie stets dankbar und aufrichtig rühmen.

Nachdem ich die Freiheiten herausgestellt habe, die der idealen Ehefrau in Sprüche 31 gewährt wurden, möchte ich Sie aber auch darauf hinweisen, dass es trotz Allem Grenzen gab. Zuerst einmal war es der Ehemann, der eine öffentliche Führungsrolle in den Toren der Stadt innehatte (Vers 23), und nicht die Ehefrau. Die Ehefrau unterstützte durch ihre Rolle die Führerschaft ihres Mannes sehr, aber sie übernahm nicht die Führung an seiner Stelle. Zweitens wird die Rolle der Frau nicht so dargestellt, als umfasse sie auch die Autorität im Bereich der religiösen Anbetung in Israel. Frauen im Alten Testament hatten kein Priesteramt inne, noch konnten sie bei öffentlichen Gottesdiensten die Führung von Männern übernehmen. So sehr wir also bereit sein müssen, die Freiheiten der gottgemäßen Frau anzuerkennen, so aufrichtig müssen wir doch auch sagen, dass es Bereiche gibt, die den Männern vorbehalten sind – nicht weil Frauen unfähig zur Führung wären, sondern aufgrund der göttlichen Prinzipien bei der Gestaltung der Rolle von Männern und Frauen in der geistlichen Führerschaft.

Wenngleich aber bestimmte Einschränkungen für Frauen bestehen, bedeutet das doch nicht, dass eine Frau nicht in der Lage wäre, ihren Beitrag zu leisten. Beispielsweise regiert zwar der Ehemann im Stadttor, aber in Sprüche 31:1-9 ist es die gottgefällige Mutter, die durch ihre Erziehung die Taten ihres Sohnes bei seiner zukünftigen Regentschaft beeinflusst. Jede Mutter, die ein Kind wiegt, formt damit die Welt, wie Jemand einmal gesagt hat. Das ist, denke ich, der Sinn dessen, was Paulus in 1.Timotheus 2:15 lehrte. Die Frau mag wohl selbst keine öffentliche Führung in der Gemeinde übernehmen, aber sie kann fromme Kinder aufziehen, die die zukünftigen gottgemäßen Führer werden.

Mancher wird sich sicher fragen, was diese Textstelle für eine berufstätige Frau bedeuten mag. Wir sollten aus diesem Text lernen, dass es nicht falsch ist, wenn eine Frau Geld verdient und so zum Einkommen der Familie beiträgt; noch ist es falsch, wenn sie sich an einem Unternehmen beteiligt. Ich glaube, ein wichtiger Grundsatz, der in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommt, ist der, dass die Anstrengungen der Frau unter allen Umständen so geartet sein sollen, dass sie zum Wohlergehen der Familie beitragen. Jegliche Berufstätigkeit einer Ehefrau, die dem geistlichen und moralischen Wohlergehen der Familie abträglich ist, wäre in meinen Augen falsch. Dieser Grundsatz trifft aber ebenso auf den Ehemann zu wie auf die Ehefrau.

Zu behaupten, dass es unter allen Umständen falsch ist, wenn eine Frau arbeiten geht, wäre ein Schlag ins Gesicht dieses Textes. Auch die Behauptung, dass sämtliche Arbeiten dieser Frau auf ihr Heim beschränkt waren, würde den Text überstrapazieren.38 Zu arbeiten für die materielle Versorgung der Kinder, aber auf Kosten von deren geistlichem Wachstum stünde im Gegensatz zu biblischen Grundsätzen. Die Kinder dieser frommen Frau wurden, wie auch ihr Ehemann, durch ihre Arbeit gesegnet. Wir haben gehört, dass sie für ihre gütigen Lehren bekannt war (Vers 26). Alles, was diese Frau tat, war ein Akt des Gehorsams Gott gegenüber und aufopferungsvoller Dienst ihrer Familie gegenüber. Sie fand ihre Erfüllung darin, Gott und ihrer Familie zu dienen, und nicht darin, ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

Lassen Sie uns alle danach streben, Gott und unseren Mitmenschen zu dienen, und uns selbst dabei hingeben, sei es als Ehefrau, als Ehemann oder als alleinstehender Gläubiger. Und lassen Sie uns das stets zum Ruhme Gottes und Seiner Gnade tun


33 „Scharlach: Wenn dies die richtige Übersetzung ist, so drückt das vor Allem den hohen Preis aus. Sie kann sich das Beste und folglich auch das vollkommen Zufriedenstellende leisten. Aber das Wort hat eine Plural-Endung, die für „Scharlach“ ungewöhnlich ist; daher sind Zweifel an der Wortform wie an der Bedeutung angebracht. Die Konsonanten lassen auch die Lesart „doppelt“ zu (Avmg), d.h. doppelt dick, und diese Lesart wird durch die Vulgata wie auch durch die Septuaginta unterstützt (die Letztere ordnet den Ausdruck dabei dem folgenden Vers zu).“ Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche], Chicago: Inter-Varsity Press, 1964, S. 184.

34 Das Wort „Decken” aus Sprüche 31:22 findet man so nur noch einmal in Kapitel 7:16, wo es das Bett der Ehebrecherin bezeichnet. Das unterstützt wohl die Übersetzung der NIV eher als die der NASB. Mir scheint, dass man aus Vers 22 eine sehr wichtige Lektion lernen kann: Wenn der weise Ehemann mit der Frau seiner Jugend Freude haben und in ihrer Liebe gefangen bleiben soll (Spr 5:19), warum sollte die weise Ehefrau ihren Mann dabei nicht unterstützen, indem sie ihr Schlafzimmer genauso attraktiv macht, wie die Hure es tut? Hier, mein Freund, kann man einmal „Verschwendung“ üben, die sich auszahlt.

35 Gütige Lehre, wörtlich ‘die Lehre der Güte’ (RV: ‘das Gesetz der Güte’) ist die Unterweisung ihrer Kinder, ihrer Diener und Freunde, die aus einem gütigen, freundlichen Herzen entspringt: Obwohl sie mit fester Hand verwaltet, wie sie es als Geschäftsfrau gelernt hat, ist sie doch niemals herrisch oder unfreundlich.“ C. H. Toy, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Proverbs [Kritik und Exegese zum Buch der Sprüche], Edinburgh: T & T Clark, 1959, S. 547.

36 „…bezieht sich nicht auf die Zuneigung des Ehemannes, sondern auf sein Vertrauen auf sie als Managerin der Haushaltsgeschäfte.“ Ibid., S. 543.

37 Toy scheint darauf aber abzuheben, denn er schreibt: „Der Ehemann nimmt an der häuslichen Verwaltung nicht Teil – er ist mit öffentlichen Aufgaben beschäftigt.” Ibid., S. 542.

38 Mancher wird sich sicherlich auch fragen, was die Lehren in 1.Timotheus 5:14 und Titus 2:5 zur Frage der berufstätigen Ehefrau sagen. In 1.Timotheus 5:14 fordert Paulus jüngere Witwen auf zu heiraten, Kinder zu bekommen und ‚ihr Haus zu verwalten’ (NIV). Die Übertragung der NASB als ‚Haushalten’ ist eher vage und lässt die Vorstellung zu, dass die Frau zu Hause bleiben und sich mit Hausarbeit als ihrer primären Pflicht beschäftigen solle. Die KJV stimmt mit der NIV überein und gibt diesen Ausdruck mit ‚das Haus führen’ wieder. Die Vorstellung ist dabei die, dass die Frau sich den Pflichten des häuslichen Betriebes widmen soll. Dabei ist nicht Hausarbeit das Thema, sondern die Verwaltung eines Hauses. Das ist ganz offenbar die Bedeutung des Wortes oikodespoteo.

Die zweite Stelle, Titus 2:5, wird wiedergegeben mit ‚sich zu Hause beschäftigen’ (NIV), ‚das Haus hüten’ (KJV) oder ‚zu Hause arbeiten’ (NASB). Die Schwierigkeit dieser Textstelle liegt darin, dass die verschiedenen griechischen Texte hier jeweils ein unterschiedliches Wort gebrauchen. Eine Möglichkeit ist oikourgos, das sich zusammensetzt aus oikos, Haus, und ergos, Arbeit. Dieser Begriff sollte am Ehesten mit ‚zu Hause arbeiten’ übersetzt werden. Die zweite Möglichkeit ist das griechische Wort oikouros, das ‘zu Hause bleiben’ bedeutet. In jedem Fall müssen wir darauf achten, den Text im Lichte der kulturellen Gegebenheiten jener Tage und nicht der der heutigen Zeit zu interpretieren. Zu jener Zeit arbeitete keine Frau außer Hauses, es sei denn, sie war eine Prostituierte. Denken Sie daran, wie Paulus die Witwen mahnte, nicht aus Mangel an Beschäftigung von Haus zu Haus zu laufen und sich überall einzumischen (1.Tim 5:13). Da Frauen bei der Arbeit nicht aus dem Haus kamen, konnten sie in Versuchung geraten, ihre Zeit damit zu vergeuden, dass sie bei den Frauen in anderen Häusern herumhingen, Klatsch verbreiteten und wenig Gutes taten. Das Gebot ‚zu Hause zu bleiben’ oder ‚zu Hause zu arbeiten’ ist in diesem Zusammenhang zu sehen: Ein Mittel gegen Müßiggang und Klatsch war es, zu Hause zu bleiben, sich den Pflichten zum Unterhalt der Familie zu widmen und sein Haus wohl zu bestellen.

Mir scheint daher, dass wir uns vorsehen müssen, diese beiden Textstellen nicht zu voreilig oder zu uneingeschränkt auf das Thema der berufstätigen Ehefrau anzuwenden. Sie mögen prinzipiell gültig sein, aber sie dürfen nicht so aus dem Zusammenhang gerissen werden, wie ich es früher selbst einmal getan habe und Mancher es noch immer gerne tut.

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14. Weisheit und Kindererziehung (Teil I)

Wer ist verantwortlich für den Charakter eines Kindes?

Einleitung

Als meine Frau und ich vor einigen Monaten an einer Geschenkeparty für ein neugeborenes Baby teilnahmen, entdeckten wir die folgende Bemerkung in einem Notizbuch. Sie spiegelt meine Gefühle nahezu perfekt wider, wenn ich jetzt dieses Thema angehe:

„Früher hatte ich keine Kinder, aber sechs Theorien über Kindererziehung.
Jetzt habe ich sechs Kinder, aber keine Theorie über Kindererziehung.“

Meine Frau und ich haben sechs Kinder, von denen Eines beim Herrn ist. Es ist schon erstaunlich, wie sehr fünf Kinder zu haben den Dogmatismus aufgeweicht hat, mit dem ich früher über Kindererziehung gesprochen habe. Persönlich würde ich es eigentlich vorziehen, gar nicht mehr über dieses Thema zu sprechen, und das noch viele Jahre lang. Aber die Sprüche haben zu dem Thema so Vieles zu sagen. Außerdem haben Viele von Ihnen kleine Kinder und empfinden das Thema als eines der dringendsten Anliegen in ihrem Leben.

Bevor wir mit dem Studium beginnen, möchte ich Sie vorwarnen, dass Niemand je vollkommen objektiv auf diesem Gebiet ist, noch gibt es Irgendjemanden, der wirklich in jeder Hinsicht kompetent dafür wäre. Kinder können selbst sicher nicht objektiv sein, denn sie sind diejenigen, die den Prozess der Kindererziehung erleiden. Einige sehr autoritäre Worte zum Thema habe ich schon von Menschen gehört, die selber keine Kinder haben, ja noch nicht einmal verheiratet sind. Sie können zwar mit uns die Schriften zu diesem Thema interpretieren, aber sie können nicht aus eigener Erfahrung heraus sprechen. In den Sprüchen aber entsteht Weisheit niemals aus der Begegnung mit der Wahrheit am Grünen Tisch, sondern aus der Fähigkeit zu ihrer praktischen Umsetzung.

Falls Sie aber denken, dass ich damit sagen will, ich sei eine Autorität auf dem Gebiet der Kindererziehung, nur weil ich selber fünf Kinder haben – dann bin ich der Erste, der Ihnen widerspricht. Wenn es nur darauf ankäme, viele Kinder zu haben, um ein Experte für Kindererziehung zu werden, dann könnten wir uns an Jedermann mit einer großen Familie um einen fachmännischen Rat wenden. Aber um ehrlich zu sein, wir könnten wohl etwas darüber sagen, wie man Kinder kriegt, aber nicht darüber, wie man sie aufzieht. Ich möchte Ihnen gleich zu Anfang bekennen, dass ich nicht annähernd so viel von Kindererziehung verstehe, wie ich sollte; und einen Großteil dessen, was ich weiß, setze ich nicht so um, wie ich es sollte.

Auch die, deren Kinder schon erwachsen sind, sind nicht immer anerkannte Fachleute auf dem Gebiet. Wer das Glück hatte, dass aus allen seinen Kindern etwas geworden ist, mag geneigt sein, dieses Ergebnis sich selbst zuzuschreiben. Aber es gibt nicht ein Elternpaar, das tatsächlich die volle Anerkennung dafür akzeptieren dürfte, wenn seine Kinder zu gottgefälligen Menschen heranwachsen, denn das liegt allein in der Gnade Gottes. Jeder Erfolg in unserem Familienleben tritt eigentlich trotz vieler Fehler vonseiten der Eltern ein.

Die andere Seite ist die, dass es durchaus auch fromme Eltern gibt, deren Kinder sie enttäuscht und verletzt haben. Sie wüssten vielleicht trotzdem Wertvolles über die Erziehung von Kindern zu sagen, haben aber Hemmungen den Mund aufzumachen – und noch mehr widerstrebt es uns, auf sie zu hören. Wir wollen von den Erfolgreichen lernen und nicht von denen, die die bittere Medizin eines törichten Sohnes oder einer törichten Tochter zu schlucken hatten. Wenn Sie diese Einstellung haben, können Sie aber ebenso gut hier aufhören zu lesen, denn Salomo, der ja das Meiste zum Buch der Sprüche beigetragen hat, versagte selber doch offenbar kläglich darin, seinen Sohn Rehabeam zu einem weisen Mann zu erziehen (vgl. 1.Kö 12).

Die Frage, die ich hier aufwerfen möchte, ist die: „Wer ist verantwortlich für den Charakter unserer Kinder?” Ich habe die Meinung ja schon angedeutet, dass Eltern vielleicht gar nicht so viel Kontrolle über das Leben ihrer Kinder haben, wie mancher Lehrer behauptet. Es gibt hier, wie in jedem Bereich der biblischen Lehre, zwei Extreme, die man vertreten kann: Einerseits könnten wir der Meinung sein, dass das spirituelle Leben eines Kindes vollkommen in der Verantwortung seiner Eltern liegt. Das ist nicht nur unbiblisch, sondern stellt auch die Gegebenheiten einer Elternschaft ziemlich verzerrt dar. Andererseits könnten wir dem entgegengesetzten Extrem des Fatalismus anheim fallen und die Schlussfolgerung ziehen, dass wir für das geistliche Leben unserer Kinder gar Nichts können. Das würde zu Untätigkeit und ins Unglück führen. Meine Absicht ist es, das Thema der Verantwortlichkeit von Eltern und ihren Kindern aus der Sicht der Sprüche und der gesamten biblischen Offenbarung Gottes anzugehen. Ich denke, dass wir dann die Wahrheit zwischen den beiden beschriebenen Extremen finden werden und dass unsere Studien uns einerseits viel Frustration und Schuldgefühle nehmen, auf der anderen Seite aber auch zu mehr Sorgfalt und Gebet inspirieren können. Lassen Sie uns also die Frage der Verantwortlichkeit bei der Erziehung von Kindern betrachten. Wofür macht Gott Eltern verantwortlich?

Fromme Eltern ziehen unter Umständen
törichte und schändliche Kinder auf

Ich höre es selber nicht gerne – aber ich bin doch gezwungen einzuräumen, dass die Sprüche die schmerzliche Möglichkeit aufzeigen, dass man einen törichten und schändlichen Sohn oder eine solche Tochter aufzieht.

Sprüche Salomos. Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater, Aber ein törichter Sohn verursacht seiner Mutter Leid (10:1).

Ein weiser Sohn nimmt die Zucht seines Vaters an, Aber ein Spötter hört nicht auf Zurechtweisung (13:1).

Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater, Aber ein törichter Mensch verachtet seine Mutter (15:20).

Ein törichter Sohn verursacht seinem Vater Kummer Und Bitterkeit der, die ihn geboren hat (17:25).

Wer seinen Vater und seine Mutter beraubt und spricht ‚Es ist kein Vergehen’, Ist dem Mann Kumpane, der Verderben verursacht (28:24).

Es gibt eine Art, die ihrem Vater flucht Und ihre Mutter nicht segnet. Es gibt eine Art, die sich selbst als rein ansieht Und doch noch nicht einmal von ihrem eigenen Dreck reingewaschen ist. Es gibt eine Art – o wie hochmütig deren Augen geworden sind! Und voll Arroganz heben sie ihre Lider (30:11-13).

Mancher mag einräumen, dass es irgendwelche Eltern gibt, die törichte Kinder aufziehen – und wird dabei vielleicht nicht zugeben wollen, dass das auch fromme Eltern betreffen kann. Es fällt mir jedoch schwer einzusehen, wie ein gottloses Elternpaar so kummervoll darüber sein könnte, dass es einen gottlosen Sohn aufzieht. Als Petrus von Lots Gram angesichts der Sündhaftigkeit seiner Stadt sprach, beschrieb er diesen als einen gerechten Mann, dessen „gerechte Seele gequält war“ (2.Pe 2:7-8). Es sind die Gerechten, die von der Ungerechtigkeit gequält werden. Wollen wir also fortfahren.

Salomo versus Sigmund Freud:
Wodurch wird der Charakter eines Kindes bestimmt?

Wir sollten uns zu Beginn bewusst machen, dass die Fehler von Eltern negative Auswirkungen für die Kinder wie für die Eltern selbst haben. In den Worten der Sprüche:

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird, bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Nach dieser Einleitung muss ich nun andererseits aber auch darauf hinweisen, dass in den Sprüchen betont wird, dass nicht die Eltern letztendlich verantwortlich für den Charakter ihres Kindes sind. Das törichte Kind hat sich selbst entschieden, sein Leben auf den Pfaden der Torheit zu verbringen. Und die Strafe, die der törichte Sohn erhält, hat er selbst verdient. In Kapitel 1 klären Vater und Mutter ihren Sohn über die zwei Wege zu leben auf und warnen ihn davor, sich schlechten Menschen zu bösen Taten anzuschließen. Aber im Anschluss an diese elterliche Ermahnung spricht die Weisheit über das Schicksal dessen, der sich trotz Allem entscheidet, auf dem Pfad der Torheit zu wandeln:

„Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung“ (Vers 29-30).

„Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung. Darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels Und sich an ihren eigenen Ratschlägen übersättigen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten“ (1:30-32).

Die Eigenverantwortlichkeit des Kindes für die Entscheidungen in seinem Leben wird an anderer Stelle in den Sprüchen gezeigt:

Wenn du weise bist, bist du zu deinen eigenen Gunsten weise geworden, Und wenn du ein Spötter bist, wirst du allein es tragen (9:12).

Die Torheit eines Menschen verdreht seinen Weg, Und sein Herz ergrimmt selbst gegen den Herrn (19:3).

Wir finden also in den Sprüchen, dass an der Torheit eines Menschen nicht seine Eltern die Schuld tragen, sondern sie resultiert aus seinen eigenen Entscheidungen, aus den Überlegungen seines eigenen Herzens. Eltern leiden wohl an der Torheit eines Sohnes, aber es wird nicht gesagt, dass sie an Schuldgefühlen leiden müssen. Denn der Sohn allein muss die Konsequenzen aus seiner Entscheidung für den Weg der Torheit auf sich nehmen.

Weitere Hinweise auf die Eigenverantwortlichkeit des Kindes für seinen Charakter finden sich in den ersten neun Kapiteln der Sprüche. Während die Kapitel 10-31 uns über die Eigenschaften eines Weisen belehren, heben die Kapitel 1-9 die Entscheidung hervor, die am Anfang des Weges der Weisheit steht. Wenn man mit einem einzigen Wort die Stimmung dieser ersten Kapitel zusammenfassen wollte, so wäre es das Wort „Appell“. Sowohl der Vater als auch die Mutter appellieren an ihren Sohn, ihre Lehren zu befolgen und die Weisheit als etwas sehr Wertvolles anzustreben.

Höre, mein Sohn, auf die Zucht deines Vaters Und verlasse nicht das Gebot deiner Mutter. Denn sie sind ein anmutiger Kranz für dein Haupt Und eine schmückende Kette um deinen Hals (1:8-9).

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen Und meine Gebote in dir bewahren wirst, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen Und die Erkenntnis Gottes finden (2:1,5).

Mein Sohn, vergiss meine Lehren nicht, Sondern lass dein Herz meine Gebote halten (3:1).

Hört, o Söhne, auf die Zucht eines Vaters Und merkt auf, damit ihr Erkenntnis gewinnt (4:1).

Jeder Appell in diesen Anfangskapiteln der Sprüche basiert auf der gleichen Voraussetzung: Ein Vater und eine Mutter können ihr Kind über die Weisheit belehren und ihm ans Herz legen, sie zu suchen, aber sie können ihm die Entscheidung nicht abnehmen. Tatsächlich kann sich auch ein Kind weiser und frommer Eltern für die Rolle des Toren entscheiden – trotz all ihrer Mühen, ihn zum Gegenteil zu erziehen.

Und was ist mit dem Versprechen in Sprüche 22:6?

In dem verzweifelten Wunsch nach einer Erfolgsgarantie für Eltern, die sich intensiv um die Erziehung ihrer Kinder zur Frömmigkeit bemühen, wenden sich Viele an Sprüche 22:6 um biblische Unterstützung. Auch ich würde es vorziehen, eine solche Garantie zu haben; ich bin allerdings überzeugt, dass diese Textstelle Nichts dergleichen darstellt. Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass – unabhängig davon, zu welcher Auslegung wir schließlich gelangen werden – die Sprüche uns nicht so sehr Garantien als vielmehr Leitsätze bieten. Während Fleiß beispielsweise eine notwendige Voraussetzung für den Wohlstand ist, garantiert Fleiß doch nach den Sprüchen allein keinen Wohlstand. Selbst wenn im Buch der Sprüche stünde, dass eine umsichtige Erziehung gottgefällige Kinder hervorbringt – was, wie wir sahen, ja nicht unbedingt zutrifft –, so wäre das doch noch keine Garantie dafür, dass getreuliche Bemühungen frommer Eltern immer gottgefällige Kinder hervorbringen

Nach der Einschätzung vieler großer Bibelgelehrter bezieht sich Sprüche 22:6 gar nicht auf moralische Instruktionen, sondern spricht ein generelles Erziehungsprinzip aus: Keine Lehre, die dem Schüler angepasst ist, wird verlorene Mühe sein. Die NASB überträgt diesen Vers:

Erziehe ein Kind auf dem Weg, den es gehen soll; Selbst wenn es alt geworden ist, wird es sich nicht davon abkehren.

Wörtlich aber lautet der hebräische Text so:

Erziehe ein Kind gemäß seines Weges, Und wenn es alt geworden ist, wird es sich nicht davon abkehren.

Da ich vorhabe, mich mit dieser Bibelstelle in den nächsten Lektionen noch ausführlicher zu befassen, möchte ich Sie jetzt noch auf einige Aspekte dieses Textes hinweisen, die für unser Studium wichtig sind.

1. DER IMPERATIV IST ‚ERZIEHE’, UND DARAUS KÖNNEN WIR SCHLIESSEN, WAS DAS HAUPTANLIEGEN DER TEXTSTELLE IST. Eltern werden aufgefordert, ihre Kinder zu erziehen. Die Betonung scheint hier auf der Notwendigkeit zur Erziehung eines Kindes zu liegen, nicht auf der Art der Erziehung.

2. DER AUSDRUCK “WEG” BEZIEHT SICH FAST IMMER AUF DIE WESENSART ODER DIE ÜBLICHEN VERHALTENSMUSTER EINES LEBEWESENS.

Drei Dinge gibt es, die mir zu wunderbar sind, Und vier, die ich nicht erfassen kann: Der Weg eines Adlers am Himmel, Der Weg einer Schlange auf einem Felsen, Der Weg eines Schiffes mitten auf dem Meer, Und der Weg eines Mannes bei einem jungen Mädchen (30:18-19).

Man strapaziert diesen Ausdruck sehr, wenn man ihn als ‚Weg, auf dem es gehen sollte’ überträgt.

3. DER AUSDRUCK ‚ABKEHREN’ GEHÖRT NICHT ZU DENEN, MIT DENEN ABTRÜNNIGKEIT BESCHRIEBEN WIRD. In den Sprüchen wird er meist mit Bezug auf die Abkehr vom Bösen gebraucht (vgl. 3:7; 13:19; 16:17).

Diese und andere Punkte veranlassen viele Gelehrte zu der Schlussfolgerung, dass diese Bibelstelle Eltern gegenüber kein Versprechen für gottgefällige Kinder abgibt, wenn sie sie nur getreulich und in einem frommen Haus aufziehen. In Bezug auf diese Sichtweise, die wir gerade verworfen haben, schreibt Dr. Otto Zöckler:

Doch obwohl die Dritte [Sichtweise] den höchsten Anspruch darstellt und generell dort eingenommen wurde, wo man sich über das Original wenig Rechenschaft ablegte, wird sie doch vom hebräischen Wortlaut am Wenigsten getragen.39

Dem stimmt auch Derek Kidner zu:

Die vorgeschriebene Erziehung soll wörtlich ‚gemäß seinem (des Kindes) Weg’ sein, was offenbar die Respektierung seiner Individualität und Berufung, nicht aber die seines eigenen Willens impliziert (s. Vers 5 oder 14:12). Aber die Betonung liegt auf der elterlichen Opportunität und Verpflichtung.40

Die Sprüche lehren uns also durchgehend, dass für fromme Eltern keine Garantie auf fromme Kinder besteht, selbst dann nicht, wenn sie all ihren elterlichen Pflichten stets treulich und bedacht nachgekommen sind. Kidner kommentiert das so:

Viele [Sprüche] mahnen uns jedoch, daran zu denken, dass selbst die beste Erziehung Weisheit nicht einimpfen, sondern nur zu der Entscheidung ermutigen kann, selbst nach ihr zu suchen (z.B. 2:1ff.). Ein Sohn kann zu rechthaberisch zum Lernen sein (13:1; vgl. 17:21). Ein gutes Haus kann einen Faulenzer hervorbringen (10:5) oder einen Verschwender (29:3); er kann so rebellisch sein, seine Eltern zu verachten (15:20), zu verspotten (30:17) oder zu verfluchen (30:11, 20:20), oder so herzlos, mit ihrem Geld durchzubrennen (28:24) oder sogar seine verwitwete Mutter hinauszuwerfen (19:26). Es gibt zwar auch Eltern, die allein sich selbst ihr Unglück verdanken (29:15), aber letztlich muss jeder Mensch für sich selbst die Verantwortung übernehmen, denn es ist seine Einstellung zur Weisheit (29:3a, 2:2ff.), seine Nachgiebigkeit oder Widerstandsfähigkeit angesichts einer Versuchung (1:10), die seinen Kurs bestimmt.41

Elterliche Verantwortlichkeit
im Alten Testament

Die Lehre der Sprüche steht im Einklang mit der des gesamten Alten Testaments. Von den Eltern wird gefordert, dass sie ihre Kinder im Geist des Herrn erziehen (vgl. Deu 6), auf der anderen Seite können sie aber das Schicksal ihrer Kinder in geistlicher Hinsicht nicht bestimmen. So erschütternd es auch sein mag: es kam vor, dass fromme Eltern gottlose Nachkommen hatten, und das lag nicht unbedingt an einem Versäumnis vonseiten der Eltern.

Isaak zeugte Esau, einen Mann, der die geistlichen Dinge verächtlich ablehnte (vgl. Heb 12:16). Noahs Sohn Ham zog sich den Fluch seines Vaters zu, nachdem er von der Zerstörung durch die Sintflut verschont worden war (Gen 9:20-27). Manoah und seine Frau lernten die Schande durch einen Sohn kennen, der von Gott große Kraft verliehen bekommen hatte, aber ein Tor war – durch Simson (vgl. Ri 13-16). Die beiden Söhne Elis waren wertlose, gottlose Männer (1.Sa 2:12), aber Eli wurde nicht für ihren Unglauben verantwortlich gemacht, sondern nur für seine Unfähigkeit sie zu bändigen (1.Sa 3:12-14). Samuels Söhne waren ebenfalls schlechte Menschen (1.Sa 8:1-3). Während ich immer der Meinung war, dass Samuel den gleichen Fehler wie sein Vorgänger Eli gemacht hätte, gibt der Text Samuel nirgends eine Schuld an der geistlichen Verfassung seiner Söhne. Das bedeutet natürlich nicht, dass er keinen Fehler gemacht hätte; es zeigt nur, dass die Verderbtheit seiner Söhne als deren eigene Sünde angesehen wurde und nicht als die Seine.

Überall im Alten Testament stelle ich fest, dass die geistliche Verfassung von Eltern nicht eins-zu-eins mit der ihrer Kinder korrelierte. Fromme Eltern konnten böse Kinder haben. Böse Eltern hatten manchmal gottgefällige Kinder. Die geistliche Gesinnung von Kindern wurde durch die der Eltern nicht vorherbestimmt.

Erinnern Sie sich beispielsweise an die biblischen Aufzeichnungen über die Könige von Israel und Juda. Josaphat wandelte in Gerechtigkeit in der Art seines Vaters Asa (1.Kö 22:41-44). Ahasja, der Sohn von Ahab und Isebel, folgte deren böser Art (1.Kö 22: 51-52). Asa dagegen, der Sohn des bösen Abijam, folgte der Art seines Vaters nicht, sondern tat, was Recht war in den Augen Gottes (1.Kö 15:9-15). Und Ahas, der Sohn Jothams, handelte nicht gerecht, wie sein Vater es getan hatte, sondern folgte dem Weg des Bösen, so wie die Könige in Israel es damals taten (2.Kö 16:1-4).

Dass jeder Mensch individuell für seine eigenen Sünden verantwortlich ist, zeigt das Gesetz, denn weder waren Eltern für die Verfehlungen eines Sohnes zu bestrafen, noch war ein Sohn für die Sünde seines Vaters zum Tode zu verurteilen.

„Väter sollen nicht wegen der Kinder zu Tode gebracht werden, und Kinder sollen nicht wegen der Väter zu Tode gebracht werden. Jeder sollte wegen seiner eigenen Sünde zu Tode gebracht werden” (Deu 24:16).

Nach der folgenden Passage aus dem Alten Testament könnte es so erscheinen, als würden die Sünden der Väter unausweichlich auch zu den Sünden der Kinder:

„Du sollst sie nicht anbeten oder ihnen dienen; denn Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Verfehlungen der Väter heimsucht an den Kindern und an der dritten und vierten Generation derer, die Mich hassen” (Deu 5:9).

Der hier festgelegte Grundsatz ist jedoch nicht der, dass ein Sohn dazu bestimmt ist, die gleichen Sünden wie sein Vater zu begehen, sondern der, dass unsere Kinder zu leiden haben, wenn wir sündigen. Die Folgen unserer Sünden müssen leider zum Teil von unseren eigenen Kindern getragen werden.42 Daniel wie auch Nehemia, beides Männer, die in der Zeit der Gefangenschaft Israels lebten, akzeptierten, dass das Volk Gottes aus dem Gelobten Land vertrieben worden war, weil seine Väter sich gegen Gott aufgelehnt hatten (Ne 9, Da 9). Wie aber aus den Gebeten von Nehemia wie von Daniel hervorgeht, lag ihr Leiden nicht nur an den Sünden der Väter, sondern genauso auch an ihren eigenen Sünden (vgl. auch Jes 65:7, Jer 3:25). Dem entsprechend konnte Daniel zutreffenderweise sowohl „wir haben gesündigt” (Da 9:8) sagen als auch „sie haben gesündigt” (Da 9:7-8).

Es war der Prophet Hesekiel, der ein schlimmes Missverständnis des Grundsatzes aus Deuteronomium 5:9 korrigierte:

„Und das Wort des Herrn erging an mich und er sagte: „Was bedeutet es euch, diesen Spruch über das Land Israel zu sagen, der da lautet: ‘Die Väter sind es, die die sauren Trauben essen, Aber die Zähne der Söhne werden stumpf’? So wahr Ich lebe,“ spricht Gott, der Herr, „sollt ihr gewiss dieses Sprichwort in Israel nicht mehr benutzen. Siehe, alle Seelen sind Mein, die Seele des Vaters ebenso wie die Seele des Sohnes sind Mein. Die Seele, die sündigt, sie wird sterben. Aber wenn ein Mensch gerecht ist und Recht und Gerechtigkeit übt, … wenn er in Meinen Satzungen und Geboten wandelt und treu handelt – dieser ist gerecht und wird gewiss am Leben bleiben,“ so spricht Gott, der Herr“ (Hes 18:1-5,9).

Die alten Israeliten waren in ihrem Denken Prä-Freudianer. Sie glaubten, dass sie nur bestraft würden für die Sünden ihrer Väter. Deswegen waren sie fatalistisch und selbstzufrieden geworden. Wozu sollte man gerecht sein, wenn man sowieso (für die Sünden seiner Vorfahren) bestraft wurde? Hesekiel lehrte den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit: Wenn ein Mensch gerecht ist, wird er leben, aber wenn er sündigt, wird er dafür Strafe leiden. Ein Mensch wird belohnt oder bestraft für seine eigenen Taten, nicht für die seiner Eltern.

Um jedes Missverständnis über dieses Prinzip der individuellen Rechenschaft zu vermeiden, gab Hesekiel konkrete Anwendungsbeispiele für seine Lehre. Ein gerechter Mensch hat möglicherweise einen bösen Sohn, für dessen Sünden er aber nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Nur der Sohn selbst ist verantwortlich für seine Sünden (Hes 18:10-13). Ein böser Mensch andererseits hat möglicherweise einen gerechten Sohn. Dieser Sohn wird gewiss am Leben bleiben, aber sein böser Vater muss sterben (Vers 14-18). Das Prinzip wird in Vers 20 noch einmal ganz klar gesagt:

„Die Seele, die sündigt, sie selbst wird sterben. Der Sohn wird nicht die Strafe leiden für das Vergehen des Vaters, noch wird der Vater die Strafe leiden für das Vergehen des Sohnes. Die Gerechtigkeit des Gerechten wird auf ihm selber sein, und die Bosheit des Bösen wird auf ihm selber sein.“

Hesekiel führt diesen Grundsatz sogar noch weiter: Ebenso, wie wir nicht aufgrund der Taten unserer Eltern belohnt oder bestraft werden, werden wir auch nicht aufgrund unserer eigenen Vergangenheit gesegnet oder verurteilt. Jemand, der böse war, kann bereuen und gerecht leben und ihm werden dann die Taten der Vergangenheit vergeben (Vers 21-23). Genauso kann der, der früher einmal gerecht gelebt, sich jetzt aber dem Weg des Bösen zugewandt hat, nicht auf seine frühere Gerechtigkeit pochen, sondern wird für seine gegenwärtigen Sünden bestraft werden (Vers 24). Wir haben nie die Möglichkeit, die Vergangenheit zur Entschuldigung der Gegenwart heranzuziehen – weder in Bezug auf die Taten unserer Eltern noch auf unser eigenes früheres Verhalten.

Es gibt im Alten Testament keine Wahrheit, die eindeutiger und konsequenter gelehrt wird als diese: Eltern sind zwar verantwortlich für ihren eigenen Charakter und Lebenswandel, aber sie sind nicht letztendlich verantwortlich für den Charakter ihrer Kinder.

Die Verantwortlichkeit für Kinder
nach dem Neuen Testament

Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit von Eltern für den Charakter ihrer Kinder stimmt die Lehre des Neuen Testaments mit der des Alten vollständig überein: Es ist die Verantwortung christlicher Eltern, ihre Kinder anzuleiten und zu korrigieren.

Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und der Anleitung des Herrn (Eph 6:4).

Eltern sollen ihre Kinder auf Gottes Wegen leiten, sie können aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden für die Entscheidung, die ihre Kinder selbst bezüglich ihres Verhältnisses zum Herrn treffen. Ein Beweis dafür sind die Anforderungen Gottes an einen kirchlichen Führer im Hinblick auf seine Kinder. Gewiss werden diese Anforderungen für Älteste und Diakone nicht niedriger sein als für die übrigen Christen. Nach 1.Timotheus 3 sollen die Ältesten und Diakone nach der Befähigung ausgesucht werden, mit der sie die Führung über ihren eigenen Haushalt und ihre Kinder ausüben, nicht aber aufgrund ihrer geistlichen Errettung.

Er muss Jemand sein, der seinem eigenen Haushalt in vortrefflicher Weise vorsteht, der die Kinder mit Ernsthaftigkeit im Gehorsam hält (denn wenn ein Mann seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie will er für die Gemeinde Gottes sorgen?) … Lasst die Diakone Männer einer Ehefrau sein, die ihren Kindern und ihrem eigenen Haus wohl vorstehen (1.Tim 3:4-5,12).

Mancher mag sich fragen, ob Titus 1:6 dem nicht widerspricht, was ich gerade gesagt habe, denn es scheint, als fordere dieser Text, dass die Kinder eines Ältesten im Glauben errettet sein müssen.

Wenn nämlich irgendein Mann frei von Anklage ist, der Mann einer Ehefrau, und gläubige Kinder hat, die nicht der Verschwendung oder Widerspenstigkeit bezichtigt werden.

Ist diese Textstelle nicht eindeutig? Muss nicht ein Ältester auch an der geistlichen Verfassung seiner Kinder gemessen werden? Bengel bestätigte das: „Wer seine eigenen Kinder nicht zum Glauben bringen kann, wie soll der Andere dazu bringen?“43

Doch die Frage muss eigentlich umgekehrt gestellt werden. Kann irgendein Christ dafür verurteilt werden, dass es ihm nicht gelungen ist, einen anderen Menschen zu Christus zu bringen – oder gebührt ihm die Ehre, Jemanden bekehrt zu haben? Die Wahrheit ist doch, dass Niemand die Bekehrung eines Anderen herbeiführen kann. Wohl sind wir aufgefordert, unseren Glauben zu bezeugen, aber es wird von uns nicht verlangt, die Bekehrung irgendeines bestimmten Menschen herbeizuführen. Hätte denn unser Herr Bengels Anforderungen erfüllt? Errettete er Alle, zu denen er predigte? Und was ist mit Judas? Gelang es Paulus, Jeden zu bekehren, vor dem er seinen Glauben bekannte? Und sind alle durch Paulus Bekehrten standhaft geblieben?

Wir können Niemanden zum Glauben bringen. Gott allein kann den Menschen Glauben und neues Leben geben. Wir aber können nur Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegen und die Menschen dringend mahnen, Christus anzunehmen. Ob es unsere Kinder, unsere Eltern oder unsere Nachbarn sind – wir können für Keinen von ihnen die Verantwortung übernehmen, dass er bekehrt wird. Wir sind nur dafür verantwortlich, ein gottgefälliges Leben zu führen und für unseren Glauben Zeugnis abzulegen. Warum also sollte irgendein Ältester nach dem Glauben Einzelner seiner Familienmitglieder beurteilt werden?

Wie können wir dann aber Titus 1:6 verstehen? Ich glaube, die Erklärung ist recht einfach. Erstens müssen wir uns fragen, wie eine so wichtige Forderung, wenn es denn eine Forderung ist, in Paulus’ Brief an Timotheus fehlen konnte. Zweitens brauchen wir nur in ein griechisches Wörterbuch zu schauen, um festzustellen, dass das griechische Wort pistos in den meisten Fällen in der Bedeutung von ‚zuverlässig’, unseren Glauben oder unser Vertrauen stärkend, gebraucht wird (vgl. Titus 1:9, „das zuverlässige Wort“). So verstanden es auch die Übersetzer der King-James-Version, die das Wort als ‚zuverlässig’ übertrugen. Drittens sollte man auch sehen, dass das Wort durch die nachfolgende Formulierung näher erläutert wird. Wie sollen sich die ‚zuverlässigen’ Kinder eines Ältesten benehmen? Sie dürfen nicht der Verschwendung oder Rebellion beschuldigt sein. Ich ziehe an dieser Stelle die Übersetzung der NIV vor: Man soll „ihnen nicht den Vorwurf machen können, dass sie wild und ungehorsam sind“, eine Charakterisierung, die mit der aus 1.Timotheus 3 übereinstimmt.

Schlussfolgerung

Diese Lektion hat weit reichende Implikationen. Lassen Sie mich zunächst Diejenigen unter Ihnen ansprechen, die noch nicht zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind.

1. SIE KÖNNEN SICH NICHT AUF DEM GLAUBEN IHRER VÄTER AUSRUHEN. Ich weiß, dass es ein Lied gibt mit dem Titel „Glaube unserer Väter“, aber wir wollen seine Bedeutung für uns nicht fehldeuten. Der Glaube unserer Väter war ein heiliger Glaube, aber es ist nicht unser Glaube. Der Gegenstand ihres und unseres Glaubens ist derselbe – Jesus Christus –, aber ihr Glaube ist nicht unser Glaube, wenn wir nicht selbst dahin kommen, Christus als den Einen anzuerkennen, der an unserer Stelle auf Golgatha starb und dessen Gerechtigkeit die Unsere wurde und zur Vergebung unserer Sünden und zu ewigem Leben führt. Es spielt keine Rolle, wenn Ihr Vater Prediger, Missionar oder Kirchenführer war. Der einzige Weg, der zu Ihrer Errettung führt ist Ihre persönliche Entscheidung für den Glauben an Christus. Das ist der Grund, warum die ersten neun Kapitel der Sprüche das Kind immer wieder dazu drängen, auf dem Weg der Weisheit zu wandeln.

Wie Jemand einmal sehr passend gesagt hat: Gott hat keine Enkelkinder. Jede Generation muss sich wieder entscheiden, ob sie auf Christus vertrauen oder ihn ablehnen will. Im Alten Testament schloss Gott einen Bund mit Abraham (Gen 12:1-3), und auch Er bestätigte persönlich dieses Versprechen jeder neuen Generation gegenüber: gegenüber Isaak (26:24), Jakob (28:13-15) und gegenüber von dessen Söhnen (vgl. Gen 49:1ff., Ex 20:1ff. und alle Verheißungen an Israel im Alten Testament). Der Glaube ist eine persönliche Sache. Man kann die Erlösung nicht von seinen Vorvätern erben, denn sie ist eine Gabe Gottes an die, die Ihn um Errettung anrufen.

2. SCHIEBEN SIE DIE SCHULD FÜR IHREN UNGLAUBEN JA NICHT AUF IHRE ELTERN ODER IHRE VERGANGENHEIT. Viele Menschen erklären ihre Entscheidung gegen Christus mit Dingen aus der Vergangenheit: sie haben zu viele Heuchler kennen gelernt; ihre Eltern waren zu gesetzesgläubig; ihre Vergangenheit ist zu sündenbeladen, als dass ihnen vergeben werden könnte. Keine dieser Ausreden wird Gott beeindrucken. Niemals erleiden Sie die Qualen der Hölle wegen der Sünden eines Anderen, sondern nur um Ihrer persönlichen Entscheidung willen, Gottes rettendes Angebot abzulehnen. Und damit Sie nicht irgendwie Gott dafür die Schuld geben: Er freut sich an Niemandes Verdammnis. Er erfreut sich daran, Menschen von ihren Sünden zu befreien.

„Habe Ich denn wirklich Gefallen am Tod eines Bösen,” spricht Gott, der Herr, „und nicht vielmehr daran, dass er sich von seinem Weg abkehrt und am Leben bleibt?” (Hes 18:23)

3. SIE MÜSSEN DIE ÄUSSERLICHEN ERSCHEINUNGEN UND DEN KERN CHRISTLICHEN GLAUBENS AUSEINANDER HALTEN. Die alten Israeliten verwechselten immer mehr ihre zeremonielle Gesetzestreue mit echtem Glauben. Auch heute denken viele Männer und Frauen, dass sie errettet werden, wenn sie in die Kirche gehen, immer etwas in den Klingelbeutel tun, in einem Gemeindegremium mitarbeiten, oder dadurch, dass sie getauft sind. Gott aber schreibt uns zwar vor, wie wir uns als Christen verhalten sollen; dennoch ist es nicht unser Verhalten, das uns rettet, sondern Christus. Viele unserer jungen Leute fallen scheinbar vom Glauben ab, sobald sie auf das College kommen oder ihr Zuhause verlassen – aber in Wirklichkeit haben sie bis dahin nur den Gepflogenheiten der Familie gehorcht und niemals selber einen Glauben angenommen, noch die persönliche Beziehung zu Christus als Grundlage für alles Andere gesehen. Unterscheiden wir also sorgfältig zwischen Form und Inhalt, wenn es um unseren Glauben geht!

Die Kernaussage dieser Botschaft ist die Folgende: ELTERN TRAGEN DIE VERANTWORTUNG DAFÜR, DASS SIE GOTTGEMÄSS HANDELN UND IHRE KINDER ZUR FRÖMMIGKEIT ERZIEHEN, ABER SIE KÖNNEN IHRE KINDER NICHT GOTTGEMÄSS MACHEN. Ich möchte einige praktische Konsequenzen aus diesem Grundsatz aufführen.

1. WENN GOTTGEMÄSSE ELTERN ÜBER DIE ENTWICKLUNG IHRER KINDER TRAUERN; KÖNNEN SIE DAS OHNE SCHULDGEFÜHLE TUN. Wenn wir eine Aussage aus der Bibel entnehmen können, dann sicherlich die, dass gottgemäße Eltern möglicherweise gottlose Kinder haben. Das bedeutet, dass die geistliche Verfassung der Eltern nicht an der der Kinder gemessen werden darf. Wenn Ihr Kind sich entschieden hat, Ihnen auf dem Weg des Herrn nicht zu folgen, so liegt das letztlich in der Verantwortung Ihres Kindes selbst. Sie können Ihr Kind nicht gottgemäß machen; das kann nur Gott. Es ist möglich, dass Sie fromm sind und dennoch ein gottloses Kind aufziehen. Übernehmen Sie nicht die Schuld für Etwas, für das Sie nicht verantwortlich sind.

Wenn Sie so sind wie ich, dann gehen Ihnen Ihre Fehler als Eltern sehr nahe. Niemand, den ich aus der Bibel oder aus meinem Umfeld kenne, ist immer ein vorbildlicher Vater oder eine vorbildliche Mutter gewesen. Wir alle haben Fehler gemacht. Wenn unsere Kinder sich entschieden haben, Gott zu folgen, dürfen wir uns diese Gnade Gottes in ihrem Leben nicht anrechnen. Und wenn wir versagt haben, dürfen wir auch darin Trost finden, denn Gott hat für unsere elterlichen Sünden wie für alle Anderen auch Vergebung bereitet. Wir können ferner Trost darin finden, dass unsere Fehler als Eltern nicht der Grund für die Gottlosigkeit unserer Kinder sind, geradeso wie unsere Erfolge nicht der Grund für ihre Frömmigkeit sind. Es gibt Vergebung für jede Sünde. Lassen Sie uns als Eltern Trost darin finden, dass die unverzeihliche Sünde nicht diejenige ist, als Vater oder als Mutter versagt zu haben.

2. WIR BRAUCHEN UNS NICHT IN SCHULDGEFÜHLEN ÜBER DIE FEHLER UNSERER KINDER ZU VERZEHREN, ABER WIR DÜRFEN AUCH NICHT SELBSTZUFRIEDEN SEIN. Hesekiel erachtete es als notwendig, Gottes Volk für seine Selbstzufriedenheit der Sünde gegenüber zu tadeln. Die Menschen entschuldigten ihre eigene Sündhaftigkeit, indem sie sie ihren Vorvätern anlasteten. Wir sollten nicht müßig werden, nur weil wir selbst unsere Kinder nicht erretten können. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament fordern, dass wir unsere Kinder zur Erkenntnis Gottes erziehen (vgl. Deu 6:6-9,20-25; Eph 6:4). Wir müssen zwar nicht Rechenschaft über die Fehler unserer Kinder ablegen, aber wir tragen die Verantwortung für unsere eigenen Sünden als Eltern. Und obwohl wir unsere Kinder nicht selbst erretten können, können wir sie doch das Wort Gottes lehren, ihnen den Glauben an Christus eindringlich ans Herz legen und für ihre Errettung beten.

Die Tatsache, dass wir unsere Kinder nicht erretten können, sollte uns in keiner Weise von der gewissenhaften Erfüllung unserer elterlichen Verantwortlichkeiten abhalten. Zwar ist Gott der souveräne Erlöser, doch wir sind aufgefordert ihn zu verkünden. Und während wir selbst unsere Kinder nicht erretten können, kann Gott es doch tun. Wir sollten daher inbrünstig zu Ihm beten in dem Wissen, dass er Niemanden zu verderben wünscht 2.Pe 3:9; vgl. 1.Tim 2:4). Lassen wir uns diese Worte unseres Herrn eine Warnung sein:

„Und wer immer Einen von diesen Kleinen, die glauben, straucheln macht – es wäre besser für ihn, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde“ (Mar 9:42).

3. WENN WIR MEHR VERANTWORTUNG ALS NÖTIG FÜR DIE ENTWICKLUNG UNSERER KINDER ÜBERNEHMEN, KANN DIE ERZIEHUNG DADURCH SEHR BEHINDERT WERDEN. Zu viel Verantwortung für unsere Kinder zu übernehmen, kann ebenso zerstörerisch wirken wie zu wenig Verantwortung zu übernehmen. In der Annahme, dass für die geistliche Verfassung der Kinder hauptsächlich die Eltern verantwortlich sind, schließen wir möglicherweise auch daraus, dass unsere Frömmigkeit als Eltern an der Frömmigkeit unserer Kinder gemessen werden könnte. Das aber ist gefährlich und kann verheerende Folgen haben.

Lassen Sie uns beispielsweise annehmen, dass der Vater des Verlorenen Sohnes (Luk 15:11-32) zu den Ältesten in Ihrer Gemeinde gehörte. Was hätten Sie erwartet, dass er tun sollte, als sein Sohn ihn um sein Erbteil bat – wenn er doch genau wusste, was der damit anfangen würde? Der Vater hätte es nicht gewagt, sein Kind scheitern zu lassen, denn man hätte das als ein Scheitern des Vaters selbst angesehen. Und dabei ist der Vater in diesem Gleichnis nicht nur ein Vorbild dafür, wie wir uns als Eltern verhalten sollten, sondern er ist auch ein Sinnbild für Gott Selbst und die Art, wie Er mit uns umgeht.

Nur durch Scheitern nämlich kam dieser ‚Verlorene Sohn’ zur Besinnung. Erst nachdem er sein Geld vergeudet hatte und bei den Schweinen leben musste, sah er die Torheit seines Weges ein. Dann bereute er und kehrte zu seinem Vater zurück. Welcher Sohn, glauben Sie, war der Weisere und Frömmere – der, der seinem Vater niemals Schande bereitet, aber auch niemals wirklich die Gnade verstanden hatte (wie die Schriftgelehrten und die Pharisäer in den Tagen unseres Herrn), oder der, der gesündigt hatte und bereute? Genau diese Frage war es, die unser Herr an die scheinheiligen religiösen Führern Seiner Zeit richtete:

„Was denkt ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne, und er ging zu dem Ersten hin und sprach: ‚Mein Sohn, gehe heute im Weinberg arbeiten.’ Und dieser antwortete und sagte: ‚Das werde ich tun, Herr’, aber er ging nicht hin. Und er kam zu dem Zweiten und sagte das Gleiche. Aber dieser antwortete und sprach: ‚Ich werde es nicht tun.’ Danach aber gereute es ihn und er ging hin. Welcher von den Beiden hat den Willen seines Vaters getan?“ Sie sagten: „Der Letztere.“ Jesus sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: die Steuereinnehmer und die Huren werden vor euch in das Reich Gottes eingehen.“ (Mat 21:28-31).

Es will mir scheinen, dass wir über die Frömmigkeit der Kinder oft vorschnell urteilen, wo erst die Zeit zeigen wird, was geschieht. Mir scheint, wir loben die äußerlichen Erscheinungen von Gehorsam und Konformität, statt den Geist der Gehorsamkeit zu suchen, der, selbst aus Torheit und Sündhaftigkeit, zur Reue führen kann. Wir müssen Gott Zeit lassen, im Leben unserer Kinder zu wirken, und davon ausgehen, dass Er durch ihre Fehler ebenso wirkt wie durch ihren Gehorsam. Ist das nicht schließlich auch die Art, in der Er bei uns selbst wirkt?


39 Otto Zöckler, The Proverbs of Solomon. Commentary on the Holy Scriptures [Die Sprüche Salomos, Kommentar zur Heiligen Schrift]; von John Peter Lange (Grand Rapids: Zondervan [Reprint], 1960), Bd. V (im Orig. Bd. X von O.Z.), S. 192.

40 Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche], Chicago: Inter-Varsity Press, 1964, S. 147.

41 Ibid, S. 50-51.

42 Deuteronomium 5:9 lehrt, dass unsere Kinder sicher die Folgen der Sünde ihrer Eltern spüren werden, aber das ist weit entfernt von der Aussage, dass ein Kind unausweichlich dem sündigen Pfad seiner Eltern folgen wird. Für das Kind eines Ehebrechers ist es kein unausweichliches Schicksal, zum Lügner zu werden, nur weil sein Vater betrügt. Und die Umkehrung von Deuteronomium 5:9 trifft ebenfalls zu. Das Kind gerechter Eltern wird wegen der Gerechtigkeit seiner Eltern Segnungen erfahren: Der Gerechte wandelt in integerer Lauterkeit – Wie sehr sind seine Söhne nach ihm gesegnet (Spr 20:7).

43 Bengel, zitiert nach A.R. Fausset in seinem Kommentar zum Brief an Titus. Robert Jamieson, A.R. Fausset, David Brown, A Commentary on the Old and New Testaments [Kommentar zum Alten und Neuen Testament], Grand Rapids: Eerdmans Publishing Co., [Photolithoprint] 1967, VI, S. 517.

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15. Weisheit und Kindererziehung (Teil II)

Die Natur eines Kindes

Einleitung

Ich habe einen Freund, der inzwischen als Chirurg in den Südstaaten arbeitet. Nachdem er sein Medizinstudium und die Assistenzarzt-Zeit beendet hatte, wurde er einem Airforce-Stützpunkt in der Mojave-Wüste in Kalifornien zugeteilt. Dort nahm er ein Hobby auf, dem ich auch sehr gerne nachgehe: Motorradfahren. Als er einmal alleine durch die Wüste fuhr, hatte er einen Unfall. Dabei brach er sich ein Bein, außerdem waren an seinem Motorrad mehrere Hebel beschädigt. Unter den gegebenen Umständen war er nicht mehr in der Lage, die Bremsen an seinem Motorrad zu benutzen, und doch musste er ja zurück zum Stützpunkt fahren, um sich dort medizinisch versorgen zu lassen. In der Wüste gibt es keine Verkehrszeichen; daher war das zunächst nicht weiter problematisch. Sobald aber mein Freund (der keine Uniform trug) wieder auf dem Stützpunkt war, wurde er von einem M.P. angehalten, weil er ein Stopp-Zeichen überfahren habe. Der Sergeant nahm den „Gesetzesbrecher“ beiseite und begann ihm prompt einen Vortrag zu halten. Aber mein verletzter Freund ließ sich davon nicht beeindrucken, zumal er dringend ins Krankenhaus wollte. Er unterbrach den Diensthabenden höflich, aber bestimmt und sagte etwas wie: „Einen Moment, Sergeant. Bevor Sie fortfahren, sollten Sie, denke ich, drei Dinge wissen. Erstens: Ich bin Major. Zweitens: Ich bin Arzt. Und drittens: Ich habe ein gebrochenes Bein.“ Darauf erwiderte der Sergeant prompt: „Jawohl, Herr Major. Ich helfe Ihnen sofort ins Krankenhaus.“

Viele von uns sind mit wenig oder ganz ohne Vorbereitung in die Kindererziehung hineingeworfen worden. Wie bei dem Sergeanten sind unsere Bemühungen dem entsprechend nicht immer von Wissen geleitet. Ich würde sagen, dass es auch für uns als Eltern drei Dinge gibt, die wir wissen sollten, um unsere Kinder richtig großzuziehen. Natürlich gibt es daneben noch Anderes mehr, das wir wissen müssen, und vielleicht sind Sie auch nicht in allen Einzelheiten meiner Meinung – aber ich glaube doch, dass das Buch der Sprüche von diesen drei Tatsachen ausgeht, wenn es uns lehrt, wie wir bei der Erziehung unserer Kinder vorgehen sollen. Wir wollen nun diese drei Faktoren sorgfältig untersuchen.

Ein Kind ist sündig

Vom Buch Genesis an wird überall in der Bibel gelehrt, dass der Mensch als Sünder geboren wird. Nicht ein Kind ist moralisch neutral, wenn es geboren wird. Jeder Mensch kommt als ein Kind Adams zur Welt, mit einer sündigen Natur, die nur kurze Zeit und keinerlei besondere Aufforderung braucht, um sich zu manifestieren.

Und der Herr begann den beruhigenden Wohlgeruch zu riechen; und so sprach der Herr zu sich: „Nie wieder werde Ich den Erdboden um des Menschen Willen verfluchen, denn die Neigung des Menschenherzens ist böse von Jugend an; und nie wieder werde Ich alles Lebende zerstören, wie Ich es getan habe“ (Gen 8:21, Hervorhebung durch den Autor).

Gewiss, ich bin ein Sünder von Geburt an, Sündig seit der Zeit, da meine Mutter mich empfing (Ps 51:5, NIV).

Schon von Geburt an sind die Bösen in die Irre gegangen; Vom Mutterleib an sind sie eigensinnig und sie reden Lügen (Ps 58:3, NIV).

Darum, so wie die Sünde durch einen Menschen in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen kam, weil sie alle sündigten – (Rö 5:12).

Die Sprüche legen nicht ausdrücklich die sündige Wesensart des Kindes von Geburt an dar, sondern sie gehen einfach davon aus, dass diese eine Tatsache ist. Ein Kind, das immer seinen Willen bekommt, wird unweigerlich die Torheit der Weisheit vorziehen und eine Schande für seine Eltern sein.

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird [wörtlich: das sich selbst überlassen wird] bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Am Anfang aller Kindererziehung steht daher die Grundannahme, dass ein Kind, wenn es sich selbst überlassen wird, im Laufe der Zeit nur immer professioneller sündigen wird. Erziehung beinhaltet also auch den Umgang mit der Sündhaftigkeit im Leben eines Kindes, sowie das Bemühen, Kinder von ihren natürlichen Neigungen weg und zur Furcht des Herrn und dem Weg der Weisheit hin zu bringen.

Auch der Appell an das Kind in den Sprüchen geht von dieser sündigen Neigung aus. Das Kind wird vor Gefahren gewarnt, die bisher noch nicht als Versuchung manifest geworden sind (wie die Ehebrecherin, Kapitel 5-7), und es wird auch gedrängt, sich vom bösen Weg abzukehren und dem Weg der Weisheit zuzuwenden. An keiner Stelle wird davon ausgegangen, dass ein Kind auf dem Weg der Weisheit wandelt; es sei denn, es habe bereits die bewusste Entscheidung getroffen, das Böse aufzugeben und die Furcht des Herrn zu erwählen.44

Entferne von dir falsche Reden, Und tu hinterhältige Lippen weit fort von dir. ... Weiche weder nach rechts noch nach links ab; Wende deinen Fuß ab vom Bösen (4:24,27).

Wenn die Weisheit den Einfältigen zuruft, dass sie ihren Weg ändern müssen, so deutet sie dabei an, dass es mehr als nur bloße Anfälligkeit für die Sünde gibt – vielmehr favorisieren die Menschen die Sünde sogar.

Die Weisheit ruft laut auf der Straße; Sie erhebt ihre Stimme auf den Plätzen; Am oberen Ende der lärmenden Straßen ruft sie aus; Am Eingang der Tore in der Stadt hält sie ihre Reden: „Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen? Kehrt um zu meiner Zurechtweisung, Dann will Ich meinen Geist über euch ausgießen; Ich will euch meine Worte bekannt geben“ (1:20-23).

Dann fährt die Weisheit fort und sagt, dass Jeder, wenn er der Vernichtung anheim fällt, die ihn am Ende des Weges der Bösen erwartet, dies aufgrund seiner eigenen Entscheidung tut. Jeder wird genau das erhalten, was er verdient (1:31-32).

Das Problem eines Kindes liegt nicht in seiner Umgebung, sondern in seinem eigenen Herzen. Wie das Herz aller Menschen (20:9) ist es böse. Ein Kind muss nicht einfach verbessert werden – es muss bekehrt werden. Ein Kind muss bis zu dem Punkt gelangen, wo es die Sündhaftigkeit seines Herzens erkennt, wo es aufhört, auf sich selbst zu bauen, und sich der Furcht des Herrn hingibt.

Behüte dein Herz mit großem Fleiß, Denn aus ihm fließen die Quellen des Lebens (4:23).

Und dann sagst du: „Wie habe ich die Zucht gehasst Und mein Herz die Zurechtweisung missachtet! Und ich habe nicht auf die Worte meiner Lehrer gehört Und meinen Unterweisern mein Ohr nicht geneigt“ (5:12-13).

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft (22:15).

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. (3:5-6).

Kinder denken manchmal, dass es Nichts ausmacht, wenn sie sündigen, solange niemand es sieht. Die Sprüche aber räumen schnell mit der Hoffnung auf, dass man mit dem Bösen davonkommen könnte; denn selbst wenn die Sünden von den Eltern unbeobachtet bleiben, so sieht Gott sie doch. Er erforscht sogar die Herzen.

Die Augen des Herrn sind an jedem Ort Und beobachten die Schlechten und die Guten (15:3).

Tod und Vernichtung liegen offen vor dem Herrn – Um wie viel mehr die Herzen der Menschen! (15:11, NIV).

Die Leuchte des Herrn durchforscht den Geist eines Menschen; Sie forscht sein innerstes Wesen aus (20:27, NIV).

Ich werde nie aufhören, mich darüber zu wundern, welche Entschuldigungen Eltern für ihre Kinder bereit halten, wenn das eigentliche Problem schlicht und einfach die gute alte Sünde ist. Unsere Kinder müssen schon in jungen Jahren lernen, dass die Sünde schmerzhafte Konsequenzen nach sich zieht und dass Gott eine Lösung für den Sünder bereitet hat: die Erlösung in Jesus Christus. Wir können das Problem der Sünde nicht durch Belehrung lösen, denn Belehrung alleine produziert nur geschultere Sünder. Diese Lektion habe ich schnell gelernt, als ich eine Zeit lang an einem staatlichen Gefängnis unterrichtete. Das vorrangige Problem des Kindes ist eines, das es mit der gesamten Menschheit gemeinsam hat: die Sünde. Und die Lösung dafür ist, die Sünde zu bekennen und auf das Erlösungswerk Christi zu vertrauen. Wollen wir also alle, die wir Eltern sind, bereit sein, mit unseren Kindern als mit Sündern umzugehen.

Denn der Herr gibt Weisheit; Aus Seinem Munde kommt Erkenntnis und Verständnis (2:6).

Damit deine Zuversicht auf den Herrn gesetzt wird, Habe ich dich, ja dich heute unterwiesen (22:19).

Ein Kind ist einfältig

Kürzlich erschien in der Zeitung ein Leserbrief an Ann Landers, in dem ein junger Mann sie in einer wichtigen Angelegenheit um Rat fragte. Er schrieb:

Ich bin 17 Jahre alt, männlich, und ich habe ein großes Problem. Ich bin letztes Jahr von der Oberschule abgegangen und von zuhause ausgezogen. Ich bin vier Monate weg geblieben und habe mich dann entschieden, wieder zurück zu ziehen. Ich habe einen Job und verdiene gutes Geld. Ich habe jetzt ein Angebot, mit Jemandem zusammen in eine Wohnung zu ziehen. Ich bin wirklich in Versuchung, das zu tun, denn bei meinen Eltern bin ich nicht besonders glücklich – zu viel Streit. Das Problem ist: Dieser Jemand ist eine Frau. Sie ist wie eine Schwester für mich. Ich schwöre, zwischen uns läuft Nichts.45

Zu meiner Erleichterung riet Ann ihm, nicht mit diesem „Jemand“ zusammenzuziehen, sondern Unterkunft bei einer Familie zu suchen oder, besser noch, mit seinen Eltern auszukommen zu lernen. Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Lesen diesen jungen Mann nicht ganz Ernst nahm. Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass er mit einem Mädchen geschwisterlich zusammen leben könnte, oder? Auf den zweiten Blick aber bin ich überzeugt, dass er das tatsächlich ernsthaft glaubte. Der Brief dieses jungen Mannes veranschaulicht eine Tatsache, die alle Eltern lernen müssen: dass nämlich unsere Kinder nicht nur sündig sind, sondern auch einfältig, naiv, gerade so wie dieser junge Mann.

Einige Eigenschaften von Kindern sollten weniger unter dem Aspekt der Sündhaftigkeit als unter dem der Einfalt gesehen werden. Beides kann gelegentlich miteinander zusammenhängen (vgl. 1:22), sollte aber nicht unbedingt gleichgesetzt werden. Die Naivität eines Kindes beruht zu einem großen Teil auf Unerfahrenheit, und dieser Zustand macht es anfällig für die Verführungen schlechter Männer und Frauen. Wollen wir einmal inne halten und einige Eigenschaften von Kindern betrachten, die in die Kategorie ‚Einfalt’ fallen könnten.

In den Sprüchen bedeutet ‚Einfalt’ eine Form der Naivität, die primär von fehlender Erfahrung her rührt. Ein Kind, das in alten Zeiten das Glück hatte, in ein frommes jüdisches Elternhaus geboren zu werden, wusste Wenig oder gar Nichts über die Schlechtigkeit böser Männer oder die Verführungskünste der Frauen. Das Pech der Amerikaner ist es, dass Kinder, die vor dem Fernseher aufwachsen, diese Dinge von klein auf kennen. Die frommen Eltern im Alten Testament wussten, dass ihre Kinder früher oder später den Schutz der Familie verlassen mussten, und sie versuchten, sie auf diesen Zeitpunkt vorzubereiten. Sie lehrten ihre Kinder, sich vor unerwünschter Gesellschaft vorzusehen, und sie beschrieben ihnen die Menschen, die sie zum Bösen verleiten könnten.

Die törichte Frau ist ungestüm, Sie ist einfältig und weiß Nichts. Und sie sitzt am Eingang ihres Hauses, Auf einem Sitz auf den Höhen der Stadt, Und sie ruft zu denen, die vorüber gehen, Die ihre Pfade gerade machen (9:13-15).

Wenn sie sagen: „Komm mit uns, Lass uns auf der Lauer liegen nach Blut, Lass uns die Unschuldigen grundlos aus dem Hinterhalt überfallen; Wir wollen sie lebendig verschlingen gleichwie der Scheol, Im Ganzen, gleich denen, die in die Grube hinab fahren. Wir werden allerlei kostbare Dinge von Wert finden, Wir werden unsere Häuser mit Beute füllen; Setze auf uns, einen Beutel soll es für uns alle geben“ – (1:11-14).

Ein nichtsnutziger Mensch, ein böser Mann Ist der, der mit falscher Rede umhergeht, Der mit seinen Augen zwinkert, der mit seinen Füßen Zeichen gibt, Der mit seinen Fingern Andeutungen macht, Der mit Verkehrtheit im Herzen fortwährend böse Pläne schmiedet, Der Streit entfesselt (6:12-14).

Ich ging am Acker des Faulen vorbei Und am Weinberg des Menschen, dem es an Verstand fehlt; Und siehe, er war mit Disteln zugewachsen Und von Nesseln bedeckt und seine Steinmauer war zerfallen (24:30-31).

Die Sprüche bieten dem unerfahrenen Kind eine Charakter-Beschreibung derer, von denen es sich fern halten sollte, derer, die einen jungen Menschen auf den Weg zu Tod und Vernichtung führen.

In ihrer Naivität tendieren Kinder dazu, die Welt durch die rosa Brille zu betrachten. Im Schutz ihres Elternhauses und durch den Mangel an Erfahrung mit den Bösen sind sie geneigt, von Jedem nur das Beste zu halten und auch Denjenigen offen gegenüber zu stehen, die sie ausnutzen wollen.

In vielen Familien wird der Idealismus von Kindern mit „Phantasie“ und „Kreativität“ gleich gesetzt, und entsprechend nähren wir diese Vorstellungskraft mit Märchen, die fast immer „glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ enden. So ist das Leben selbst aber nicht, und die Sprüche wirken diesem unrealistischen Idealismus entgegen, indem sie dem Kind eine starke Dosis Realismus bieten. Das Kind wird gelehrt, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie uns wünschen. In der realen Welt, auf die die Sprüche das Kind vorbereiten wollen, ist Bestechung oft wirksam (17:8), sind arme Menschen verloren und unterdrückt (13:23, 14:20), und den Reichen fehlt es niemals an „Freunden“ (19:4).

Die Einfalt der Kinder äu0ert sich auch in ihrer Unfähigkeit, über den Tag hinaus zu sehen. Der Schokoriegel heute ist ihnen viel wichtiger als die schulische Ausbildung in späteren Jahren. Weise Menschen dagegen schauen auf die Zukunft, um die beste Handlungsweise für die Gegenwart zu ermitteln (27:12). Ein großer Teil der Sprüche behandelt die angenehmen oder auch schmerzlichen Folgen unserer Handlungen. Die Lippen einer Ehebrecherin mögen im Moment attraktiv sein, aber das Kind wird davor gewarnt, dass ihr Haus auf dem Weg des Todes liegt (5:3-5). Ein Mann, der Ehebruch begeht, wird irgendwann dem erzürnten Ehemann gegenüber stehen – eine schmerzliche und unangenehme Erfahrung (6:32-34).

Da Kinder selbst von Natur aus dazu neigen, nur für die unmittelbare Gegenwart zu denken, müssen wir als Eltern die Lektion aus dem Buch der Sprüche lernen und unseren Kindern anhand von Erfahrungen aus dem wirklichen Leben die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Taten klarzumachen suchen.

Ein weiteres Anzeichen von Einfalt ist das oberflächliche Denken von Kindern. Sie sind beispielsweise beeindruckt, weil Johnny von nebenan einen Swimmingpool hat und einen eigenen Farbfernseher, und weil er durch den großzügigen Unterhalt seiner Eltern nie arbeiten muss. Dabei übersehen sie eher, dass Johnnys Vater vielleicht kaum zu Hause ist, dass seine Eltern ständig streiten, und dass Johnny immer fauler und egoistischer wird. Die Sprüche nehmen uns häufig mit unter die glatte Oberfläche und zeigen uns dort die Wahrheit, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist.

Ein Mensch gibt sich als reich aus und hat doch Nichts; Ein Anderer gibt sich als arm aus und hat doch große Reichtümer (13:7, NIV).

Im Haus des Gerechten gibt es große Schätze, Aber der Ertrag der Bösen bringt ihnen Unheil (15:6, NIV).

Besser ist ein Wenig in der Furcht des Herrn Als reichliche Schätze und Aufruhr dabei. Besser ist ein Gemüsegericht, wo Liebe ist, Als ein gemästeter Ochse mit Hass dabei (15:16-17).

Der Erste, der seine Sache vertritt, erscheint gerecht, Bis ein Anderer kommt und ihn befragt (18:17, NIV).

Ein Kind ist kindisch

Wir haben versucht zu differenzieren zwischen Sünde und bloßer Einfalt, zwischen Absichtlichkeit und Schwäche. Im obigen Abschnitt habe ich die Beschreibung der Einfalt auf Denken und Wahrnehmung eines Kindes beschränkt. Nun möchte ich den Rahmen etwas erweitern und weitere Neigungen von Kindern berücksichtigen, die am besten wohl unter dem Begriff „kindisch“ zusammengefasst werden können.

1. KINDISCH SEIN HEISST IMPULSIV SEIN. Wenn die Älteren unter uns vielleicht von Unentschlossenheit geplagt werden, so gilt für Kinder genau das Gegenteil. Junge Menschen haben kein Problem damit, Entscheidungen zu treffen. Aber eben das ist selbst ein Problem. Ein Kind ist schnell mit Entscheidungen bei der Hand – zu schnell. Und diese Impulsivität bringt sie oft in Schwierigkeiten. Der einfältige junge Mann beispielsweise entscheidet sich impulsiv, auf die Verführungskünste der Ehebrecherin einzugehen.

Plötzlich folgt er ihr, Wie ein Ochse zur Schlachtung geht Oder wie einer in Fesseln zur Züchtigung eines Toren, Bis ein Pfeil seine Leber durchbohrt; Wie ein Vogel in die Falle eilt, So weiß auch er nicht, dass es ihn sein Leben kosten wird (7:22-23).

Die Sprüche lehren uns, wie wir mit der Impulsivität umgehen sollen: indem wir unsere Kinder mit den Gefahren vertraut machen, die aus unbedachten Handlungen erwachsen.

Der Weise lässt Vorsicht walten und wendet sich ab vom Bösen, Aber ein Tor ist selbstverliebt und sorglos (14:16) .

Auch ist es nicht gut für einen Menschen, wenn er ohne Erkenntnis ist, Und wer mit seinen Füßen hastig ist, irrt vom Weg ab (19:2).

Eine Schlinge ist es für einen Menschen, wenn er übereilt sagt „Es ist heilig!“ Und nach dem Gelübde Nachforschungen anstellt (20:25).

2. KINDISCH SEIN HEISST, GEFAHREN NICHT ZU ERKENNEN.

Ein kluger Mensch sieht das Böse und verbirgt sich; Die Unerfahrenen gehen weiter und erleiden die Strafe (27:12).

Als ich auf dem Priesterseminar war, wohnten wir direkt neben dem Parkplatz des Seminars, und in der Umgebung verliefen viel befahrene Straßen. Einige von den Kindern im Hof öffneten immer wieder das Tor und rannten hinaus auf den Parkplatz oder auf die Straße. Natürlich waren sie sich der damit verbundenen Gefahren wenig bewusst. Bis sie alt genug waren, um diese Gefahren zu erkennen, brauchte es auch einmal eine Tracht Prügel, um ihnen klar zu machen, dass es sehr schmerzhafte Folgen haben kann, wenn man auf die Straße hinaus läuft.

Die Sprüche sind voller Warnungen vor Gefahren, die ein Kind leicht übersehen würde. Schlechte Gesellschaft, die Ehebrecherin, Bürge zu werden und fehlende Selbstbeherrschung – all das wird unter dem Aspekt der damit verbundenen Gefahren beschrieben. Die Sprüche vermeiden es dabei sorgfältig, die Sünde selbst genauer zu beschreiben, aber sie beschreiben die Folgen der Sünde im Detail.

Denn zu dem Tode hinab senkt sich ihr Haus, Und ihre Spuren führen zu den Toten; Keiner, der zu ihr geht, kehrt zurück, Noch wird er die Pfade des Lebens erreichen (2:18-19).

Damit nicht Fremde sich mit deiner Kraft sättigen Und deine mühsam erworbenen Güter in das Haus eines Ausländers gehen, Und du an deinem Ende stöhnen musst, Wenn es mit deinem Fleisch und deinem Leib zu Ende geht (5:10-11).

„Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, Ein wenig Händefalten, um so dazuliegen“ – Und die Armut wird zu dir kommen wie ein Wegelagerer Und die Not wie ein bewaffneter Mann (6:10-11).

Dem, der mit einer Frau Ehebruch begeht, mangelt es an Verstand; Der sich selbst zerstören will, tut das. Verletzungen und Schande wird er finden, Und seine Schmach wird nicht ausgetilgt werden (6:32-33).

3. KINDISCH SEIN HEISST, EMPFÄNGLICH FÜR EINFLUSSNAHME UND FÜHRUNG DURCH ANDERE ZU SEIN. Kinder neigen dazu, fast Jedem zu folgen. Trotz elterlicher Warnungen werden Kinder oft von Fremden angesprochen und mitgenommen. Teilweise mag das mit einem falschen Verständnis der Autorität von Erwachsenen zu tun haben. Gehorsame Kinder zögern vielleicht, sich einem Erwachsenen zu widersetzen, selbst wenn es sich um einen Fremden handelt, dessen Aufforderung schädlich oder gefährlich ist. Die Sprüche wissen um diese Gutgläubigkeit.

Der Unerfahrene glaubt Alles, Aber der kluge Mann bedenkt seine Schritte (14:15).

Die Weisheit erfordert es, das Kind vor den Gefahren des Umgangs mit bösen Menschen, seien es junge oder alte, zu warnen.

Wer mit Weisen wandelt, wird weise werden, Aber wer mit Toren Gemeinschaft pflegt, wird Kummer leiden (13:20).

Verkehre nicht mit einem Mann, der voller Wut ist, Noch mit einem jähzornigen Mann, Damit du nicht seine Art lernst Und dir selber eine Schlinge legst (22:24-25).

Sei nicht neidisch auf schlechte Menschen Und verlange nicht, mit ihnen zu sein, Denn ihr Herz plant Gewalttat Und ihre Lippen reden von Unheil (24:1-2).

4. KINDISCH SEIN HEISST UNDISZIPLINIERT SEIN. Damit meine ich, dass Kinder sehr wenig geneigt sind, sich irgendein Vergnügen zu versagen. Wenn man es einem Kind überlässt, wird es die ganze Packung Eiscreme leer essen, und nicht nur eine Portion davon. Kinder vermeiden das Unangenehme und suchen das Vergnügen. Demzufolge müssen die Eltern dem Kind die Beschränkungen auferlegen, die es sich selbst nicht setzen würde. So schickt man etwa das Kind zu einer festgesetzten Uhrzeit zu Bett, wenn man weiß, dass es – hätte es nur die Möglichkeit – die ganze Nacht fernsehen würde.

Wenn auch Eltern ihrem Kind von außen Einschränkungen auferlegen müssen, so wissen sie doch, dass sie das nicht für alle Zeit tun können. Am Ende muss das Kind selbst in der Lage sein, den Wert der Selbstbeherrschung zu erkennen und sich das Vergnügen des Augenblicks um der langfristigen Vorteile der Entsagung willen zu versagen. Daher werden weise Eltern ihrem Kind die Vorteile der Selbstbeherrschung klar machen, ihm immer mehr Entscheidungen selbst überlassen, je älter es wird, und dabei sowohl die guten Entscheidungen loben als auch deutlich auf die unangenehmen Folgen der schlechten hinweisen.

Der langsam ist zum Zorn ist besser als ein Starker, Und der seinen Geist beherrscht als der Eroberer einer Stadt (16:32).

Wer das Vergnügen liebt, wird arm werden; Und wer Wein und Öl liebt, wird nicht reich werden (21:17).

Ein wertvoller Schatz und Öl sind im Hause des Weisen, Aber ein törichter Mensch wird sie verschlingen (21:20).

Hast du Honig gefunden? Iss nur so viel, wie dir Not tut, Damit du nicht zu viel davon hast und dich übergibst. Setze deinen Fuß nur selten in das Haus deines Nächsten, Damit er deiner nicht überdrüssig wird und dich hasst (25:16-17).

Wie eine offene Stadt mit zerbrochenen Mauern Ist ein Mann, der seinen Geist nicht kontrollieren kann (25:28).

5. KINDISCH SEIN HEISST, DEN NUTZEN ELTERLICHER ZUCHT ZU VERKENNEN. Ein Kind, das gerne von seinen Eltern bestraft wird, braucht sicher Hilfe. Wir stellen uns eher das Kind vor, das, sein Bündel an das Ende eines Stockes gebunden, das Elternhaus verlässt, nachdem es dort gezüchtigt worden ist. Niemand sollte sich Schmerzen oder Strafe wünschen. Aber wenn eine Bestrafung erforderlich wird, sollte sie akzeptiert werden als Etwas, das aus elterlicher Liebe entsprungen und auf ein gutes Ende gerichtet ist. Die Textstellen, in denen die Notwendigkeit der Zucht gelehrt wird, sollen nicht nur den Eltern nützen, sondern auch den Kindern. Ein Kind soll lernen, dass die Zucht von Gott kommt und zu seinem Besten ist.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen hat (3:11-12).

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber der die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Strenge Zucht ist für den, der den Weg verlässt; Und wer Zurechtweisung hasst, wird sterben (15:10).

6. KINDISCH SEIN HEISST, WAHREN WERT NICHT ZU ERKENNEN. Nehmen wir an, ich würde einem Kind zehn glänzende neue Pfennigstücke oder zwei Groschen anbieten – was würde es wählen? Natürlich würde es die zehn Pfennige nehmen – aus dem einfachen Grund, dass ein Kind Werte noch nicht richtig einschätzen kann. Es geht davon aus, dass mehr Pfennige besser sein müssen als weniger Groschen. Ein paar Mal Einkaufen zu gehen wird seine Bildung diesbezüglich schnell heben.

Die Sprüche wissen um diese Schwäche von Kindern, den wahren Wert vieler der größten Schätze im Leben nicht richtig einschätzen zu können. Infolgedessen sprechen sie häufig vom Wert der Weisheit, der Gerechtigkeit und des Friedens.

Um wieviel besser ist es, Weisheit zu erwerben als Gold; Und Verständnis zu erlangen ist dem Silber vorzuziehen (16:16).

Reichtümer bringen keinen Nutzen am Tag des Zornes, Aber Gerechtigkeit wird vom Tode befreien (11:4).

Besser ist ein Wenig in der Furcht des Herrn Als reichliche Schätze und Aufruhr dabei. Besser ist ein Gemüsegericht, wo Liebe ist, Als ein gemästeter Ochse mit Hass dabei (15:16-17).

Schlussfolgerung

Aus unserem Studium der Natur eines Kindes im Buch der Sprüche resultieren mehrere Prinzipien, die wir im Kopf behalten und anzuwenden versuchen sollten. Ich will diese Grundsätze einmal aufzählen und einige Folgerungen daraus vorstellen.

1. DIE SPRÜCHE MACHEN ELTERN HOFFNUNG IN BEZUG AUF DAS ERGEBNIS IHRER KINDERERZIEHUNG. In unserer letzten Lektion versuchte ich Ihnen zu zeigen, dass Eltern das Schicksal ihrer Kinder nicht bestimmen können, und seien sie auch noch so pflichtgetreu in ihrer Elternschaft. Es stimmt zwar, dass Eltern nicht das letzte Wort über das Leben ihrer Kinder haben – aber die Sprüche machen uns darauf aufmerksam, dass sie doch das erste haben. Einerseits gibt es keine Garantie dafür, dass ein frommes Zuhause immer gottgefällige Söhne und Töchter hervorbringt; andererseits gibt es aber die Zusicherung, dass Gottes Weg zur Hervorbringung einer gottgefälligen Generation über fromme Eltern geht, die ihre Kinder gemäß der Schrift aufziehen.

Ich glaube, wir finden hier eine Parallele zu unserem Bemühen um die Verlorenen für Christus: Während wir einerseits keine Gewähr haben, dass jeder, vor dem wir Zeugnis ablegen, zum Glauben an Christus finden wird, können wir andererseits doch sicher sein, dass Gottes Methode, die Verlorenen zu erreichen, eben die Christen sind, die ihren Glauben mitteilen.

Wie denn sollen sie Den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Und wie sollen sie an Ihn glauben, von dem sie nicht gehört haben? Und wie sollen sie hören ohne Jemanden, der predigt? (Rö 10:14).

Wir müssen getreulich immer wieder Zeugnis ablegen für unseren Glauben an Christus, weil uns aufgetragen wurde, die Botschaft zu verkünden. Wir müssen sorgfältig auf die Erziehung unserer Kinder achten, weil uns Gott aufgetragen hat, das zu tun. In beiden Fällen müssen wir das Ergebnis aber am Ende Gott überlassen und anerkennen, dass wir jeweils nicht erfolgreich, sondern nur getreu sein müssen. Aber in beiden Fällen sollten wir bei unserem Bemühen auch Hoffnung haben, weil wir wissen, dass Gott unser Gebet erhört und dass Er sowohl Willens als auch in der Lage ist, Seine Absichten zu verwirklichen.

2. KINDER SIND TÖRICHT, ABER SIE SIND KEINE TOREN. Als Vater spornt mich die Beobachtung sehr an, dass nirgendwo in den Sprüchen ein Kind als Tor bezeichnet wird. Wir lesen zwar von der Schande eines Vaters, der einen Toren als Sohn gezeugt hat (17:21), und von dem Toren, der seines Vaters Zucht ablehnt (15:5), aber in beiden Fällen denke ich, ist der Sohn zu einem Toren herangewachsen und ist zwar noch der Sohn, aber kein Kind mehr.

Deshalb gibt es auch keinen Widerspruch zwischen denjenigen Textstellen, die Eltern auffordern, ihre törichten Kinder zu belehren und zu züchtigen, und denjenigen, die von der Belehrung oder Berichtigung eines Toren abraten. In Vers 23:9 lesen wir „Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten“, und doch werden in Vers 22:6 Eltern aufgefordert, ihre Kinder anzuleiten. In Vers 27:22 finden wir „Selbst wenn du den Toren zusammen mit den Getreidekörnern mit einem Stößel im Mörser zerstößt, wird doch seine Torheit nicht von ihm weichen“, andererseits werden Eltern aufgefordert „Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung“ (13:24). Ein Kind ist von Natur aus töricht, aber zu einem Toren wächst es nur mit der Zeit und durch bewusste Entscheidungen heran. Wollen wir also sorgfältig darauf achten, wie wir mit der Torheit unserer Kinder umgehen, damit wir sie nicht dazu bringen, zu Toren heranzuwachsen.

3. KINDER KÖNNEN KAUM FROMM ODER WEISE SEIN. Ich bin sicher, dass diese Feststellung bei manch einem Elternteil ein Stirnrunzeln hervorrufen wird; dabei ist sie doch in vielerlei Hinsicht das Herzstück dieser Botschaft. Gerade so, wie die Sprüche zwischen ‚ein Tor sein’ und ‚töricht sein’ unterscheiden, so unterscheiden sie auch zwischen ‚Kind sein’ und ‚fromm sein’. Ein Kind muss sich entscheiden, ob es die Furcht des Herrn annehmen oder ablehnen will. Ein Kind mag sich entscheiden, den Weg der Wahrheit zu betreten, aber kein Kind kann weise im Sinne von gereift und lebensklug sein, geradeso wie Jemand am Beginn seines Klavierunterrichtes noch kein fertiger Musiker sein kann. Wir können Kinder also zu einer Entscheidung für das Lernen auffordern, aber wir können sie nicht dazu auffordern, vollkommen zu sein, oder von ihnen erwarten, dass sie es anders als erst allmählich mit der Zeit werden.

Denken Sie einen Moment darüber nach. Ist es schlüssig, wenn Eltern von einem sechs Monate alten und fünfzehn Pfund schweren Baby erwarten, dass es Gewichte hebt oder Fußball spielt? Warum also erwarten wir dann von unseren Kindern, dass sie etwas Anderes seien als Kinder? Sie können und sollen Gehorsam gegenüber ihren Eltern lernen, aber sie können unmöglich die Zeichen der Reife aufweisen, die erst mit der Zeit kommen.

Die Fehlermöglichkeiten sind hier immens groß. Es ist ein enormes Ansehen damit verbunden, wenn man ein Kind hat, das über sein Alter hinaus entwickelt ist. Wir möchten am liebsten schon unseren Babys das Lesen beibringen und schon in der Grundschule Aufbaufächer behandeln; wir möchten, dass unsere Kinder möglichst schon vorzeitig zur Schule gehen und Leistungen über ihr Alter und ihre Klassenstufe hinaus erbringen. So etwas bedeutet für Eltern Prestige. Ich möchte aber sagen, dass solche Neigungen schon unter dem Aspekt der Ausbildung selbst Gefahren bergen, und viel mehr noch im geistlichen Bereich. Wir dürfen nicht erwarten, dass die Meinungen und Haltungen unserer Kinder an unsere eigenen herankommen oder sie sogar noch übertreffen. Wir müssen davon ablassen, unsere Kinder zu einem Leben gemäß der Erwartungen zu zwingen, die Andere an sie oder an uns haben. Kinder können zu Reife, Frömmigkeit und Weisheit heranwachsen. Und sie werden es tun, wenn wir ihnen die Freiheit geben zu wachsen – nicht dadurch, dass wir ihnen unsere Beschränkungen, Vorschriften und Regeln auferlegen.

Im Galater-Brief setzt sich der Apostel Paulus mit dem Problem des Legalismus auseinander. Manche Christen bestanden darauf, dass die Gläubigen gemäß den Vorschriften des alttestamentarischen Gesetzes leben müssten, so wie es von den Juden jener Zeit verstanden und praktiziert wurde. Paulus zeigte ihnen die Torheit dieses Systems am Beispiel der Erziehung eines Kindes in einem jüdischen Elternhaus auf. Ein Kind lebte dort unter strenger Beaufsichtigung und Bevormundung, bis es das Alter (12 Jahre, glaube ich) erreichte, in dem es die vollen Rechte der Sohnschaft erhielt. Von diesem Tag an wurde das Kind als Mann betrachtet und erhielt die vollen Rechte eines Erwachsenen (3:23-24, 4:1-7). Der Punkt, auf den Paulus hinweisen wollte, war der, dass Israel unter dem Gesetz des Alten Testamentes in einer Zeit der Unmündigkeit gelebt hatte, nun jedoch nach dem Kreuzestod Christi und der Herabkunft des Heiligen Geistes Männer und Frauen in Freiheit wachsen und reifen konnten, ohne wie zuvor noch unter strikten Vorschriften und Regeln zu leben.

Mir kommt es hier nicht auf Paulus’ Argumentation im Detail an, sondern ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf das Beispiel lenken, das er gebraucht. Kinder, sagte er, waren strengeren Vorschriften und Regeln unterworfen, weil und solange sie Kinder waren. Wenn sie aber einmal den Punkt erreicht hatten, an dem sie zu Erwachsenen werden konnten (und sollten), erhielten sie ihre Freiheit, die Freiheit zu entscheiden, Fehler zu machen und zu wachsen. Auch wir als Eltern müssen erkennen, dass unsere Kinder sehr viel Beaufsichtigung benötigen, solange sie noch klein sind. Die meisten Entscheidungen müssen wir für sie treffen, und wir müssen sie manchmal vor sich selber schützen. Aber wenn sie heranwachsen, müssen sie die Freiheit erhalten, die eine unabdingbare Voraussetzung für das reif Werden ist. Über weite Strecken ist es das Ziel der Sprüche, Kinder auf die vor ihnen liegende Zeit der Freiheit vorzubereiten. Und wenn unsere Kinder an diesem Punkt angelangt sind, müssen wir sie gehen lassen, sie ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen, sie Fehler machen lassen und sie an Weisheit und Reife gewinnen lassen.

4. KINDISCH ZU SEIN BETRACHTEN DIE SPRÜCHE NICHT ALS EINE SÜNDE, NUR KINDISCH ZU BLEIBEN. Mit der Torheit eines Kindes müssen die Eltern bewusst umgehen, und das Kind muss sie bewusst ablegen. Töricht zu bleiben bedeutet, zu einem Toren zu werden. So müssen wir unsere Kinder zwar als das akzeptieren, was sie sind, aber wir dürfen ihnen nicht erlauben, so zu bleiben. Gegen kindisches Verhalten hilft nur der Reifeprozess.

Zu dieser Tatsache finde ich eine bemerkenswerte Parallele im Neuen Testament, wo Paulus schrieb:

Als ich ein Kind war, pflegte ich wie ein Kind zu sprechen, wie ein Kind zu denken, wie ein Kind zu argumentieren; da ich nun ein Mann geworden bin, habe ich die kindischen Dinge abgelegt (1.Kor 13:11).

Es war nicht falsch, dass Paulus als Kind kindisch war. Aber der Reifungsprozess macht den kindischen Dingen ein Ende. Ist Ihnen aufgefallen, dass es sich bei den Eigenschaften der Kinder um dieselben Probleme handelt, mit denen wir als Erwachsene zu kämpfen haben. So wie unseren Kindern die Selbstdisziplin fehlt, fehlt sie auch uns (vgl. 1.Kor 9:24-10:13). So wie unsere Kinder nur an das Jetzt denken und die Zukunft ignorieren, neigen auch wir oft dazu. Aus diesem Grunde wurde der Brief an die Hebräer geschrieben. In der „Halle des Glaubens“ in Kapitel 11 finden sich Diejenigen, die ihre Gegenwart im Licht und in der Gewissheit von Gottes Zusagen lebten – im Glauben. Sie und ich, meine lieben Freunde, können nicht die gleiche Entschuldigung in Anspruch nehmen wie unsere Kinder. Warum sind wir so oft kindisch, töricht und sündig? Wir müssen heran wachsen, die kindischen Dinge ablegen und reif werden.

Das war auch die Lage der Christen in Korinth. Für die gerade neu Erlösten war es normal, unreif zu sein (1.Kor 3:1), aber es war eine Sünde, wenn sie so blieben (1.Kor 3:2-3). Diejenigen von uns, die schon eine Zeit lang zu den Erlösten zählen, können sich nicht mehr wie unsere unreifen Brüder und Schwestern entschuldigen. Wir dürfen also keinesfalls erwarten, dass diese so handeln wie wir selbst, und wir müssen uns andererseits davor hüten, dass wir so handeln wie sie.

5. NICHT ALLE KINDISCHEN ZÜGE SIND SCHLECHT. Ich habe mich bisher auf diejenigen Charakterzüge konzentriert, die bei Erwachsenen entweder unerfreulich oder sogar sündig sind. Das sollte man aber nicht zu weit treiben. Kinder werden ihren Eltern (glaube ich) nicht nur gegeben, um von ihnen erzogen zu werden, sondern auch, um sie ihrerseits zu erziehen. Unser Herr lehrte, dass wir wie kleine Kinder werden müssen, um in das Reich Gottes zu kommen. Wir müssen einen kindlichen Glauben haben.

„Wahrlich, ich sage euch: Wer immer das Königreich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, wird niemals in dasselbe eingehen“ (Luk 18:17).

Viele Männer und Frauen sind einfach zu gewieft, zu kultiviert und differenziert, um in den Himmel zu kommen. Sie legen ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, ihre Intelligenz, ihre Werke. Wenn ein Kind einem Erwachsenen vertraut, ist es sich keiner eigenen Kraft oder Zulänglichkeit bewusst. Es ist dies ein Vertrauen aus vollkommener Abhängigkeit heraus. Das, mein Freund, ist die Art von Glauben, die Gott von dir fordert, damit du erlöst wirst. Wenn du in Gottes Himmelreich eingehen willst, musst du in demütigem, kindlichem Glauben bekennen, dass du ein Sünder bist und nicht in der Lage, dir Gottes Billigung oder seinen Segen selbst zu verdienen, und du darfst nur auf das vertrauen, was der Herr Jesus Christus für dich am Kreuz von Golgatha getan hat. Dort starb Er für deine Sünden und trug deine Strafe. Dort bietet Er dir die Vergebung der Sünden und die Zusage ewigen Lebens. Wirst du auf Ihn vertrauen?

Wollen wir also unsere Kinder als Kinder erziehen. Wollen wir danach streben, unsere eigenen kindischen Züge hinter uns zu lassen und zur Reife in Christus heranzuwachsen. Und wollen wir lernen, auf Gott allein zu vertrauen und nicht auf uns selbst.


44 An einigen Stellen in den Sprüchen ist die Perspektive auch die, dass das Kind, sozusagen, an einer Weggabelung steht (vgl. 1:10-33; 4:14-15). Das Kind wird dann so angesehen, als sei es weder auf dem Weg der Weisheit noch auf dem der Torheit; und der dringende Appell der Eltern basiert auf der Tatsache, dass das Herz des Kindes eher zu einer Entscheidung für den Weg des Bösen als für den Weg der Weisheit neigen wird. In diesem Fall scheint es mir so zu sein, dass das Kind als keinem der beiden Wege zugehörig gesehen wird, weil es noch nicht konkret mit dem Bösen in Berührung gekommen ist, über das es aber in Kürze eine Entscheidung wird fällen müssen. Diese Perspektive gründet sich also nicht auf die Unschuld, sondern auf die Unerfahrenheit des Kindes.

45 The Dallas Morning News, Montag, 20. September, 1982, Teil C, S. 4.

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16. Weisheit und Kindererziehung (Teil III)

Warum die Rute gerecht ist

Einleitung

Aus meinem eigenen, umfangreichen Erfahrungsschatz heraus könnte ich mit Leichtigkeit ein Buch über das Thema ‚körperliche Züchtigung’ schreiben. Es würde den Titel tragen: „Prügel, die in Erinnerung bleiben“. Aus meiner Jugendzeit gibt es ein Ereignis, das mir noch immer so vor Augen steht, als wäre es erst gestern gewesen. Mein Vater bat mich, die Zufahrtsstraße hinunter zu laufen und die Post zu holen. Ich antwortete ihm, dass ich mit Vergnügen diese 200 Meter oder so fahren würde. Schließlich, so erinnerte ich ihn, würde ich meinen eigenen alten 1936er Ford Pickup fahren. Stimmt schon, erwiderte mein Vater, aber ich würde ja sein Benzin verbrauchen. Kaum dass ich aber zur Hintertür hinaus war, sah ich prompt diesen Truck da stehen, unbenutzt – eine Schande. Überzeugt dass mein Dad einfach dumm war, stieg ich ein und startete den Anlasser, in der Hoffnung, dass der Motor anspringen würde, bevor es mein Vater aus dem Haus schaffen konnte. Der Motor sprang ungefähr genauso schnell an wie mein Vater. Gut, jetzt war es ohnehin zu spät, dachte ich mir – was geschehen war, war geschehen. Also konnte ich genauso gut durchstarten und hoffen, dass der Pickup schneller war als mein Vater – eine vergebliche Hoffnung!

Zu meines Vaters und meinem eigenen Pech überfuhr ich seinen Fuß mit dem ziemlich platten Vorderrad. Das verstärkte seinen Eifer natürlich nur noch. Mit erstaunlicher Wendigkeit griff mein Dad nach dem Truck und hielt sich an ihm fest, und da der Pickup auf der Fahrerseite keine Tür hatte, fanden wir uns Auge in Auge gegenüber: ich auf dem Fahrersitz und er auf dem Trittbrett. Nun weiß ich ja, dass manche Bibellehrer viel von der Rute reden als dem Instrument zur Disziplinierung, und genauso ausführlich und genau bezeichnen sie den Ort, auf dem sie zum Einsatz kommen soll. In diesem Fall aber war es ein Stock, der auf der Straße lag und den es meinem Vater gelang zu ergreifen – und ich saß noch auf dem Körperteil, auf dem er ihn am besten zum Einsatz gebracht hätte. Das Ende vom Lied war, dass ein kräftiger Hieb mich zur Vernunft und den alten Truck zum Stehen brachte. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich anschließend die Post zu Fuß hereinbrachte.

Um noch etwas zu meinem Vater und seinem Gebrauch des Schlagstocks zu sagen: Es gibt kein einziges Mal, an das ich mich erinnere, über das ich heute nicht schmunzeln kann. Das einzige Familienmitglied, das darüber anhaltend uneinig mit meinem Vater war, war Prinz, unser Collie. Ich glaube, der Hund litt genauso viel wie wir selber, wenn die Rute bei uns zum Einsatz kam.

Kein Buch der Bibel hat so viel über‚ die Rute’ zu sagen wie das Buch der Sprüche. Aber nur wenige Bücher aus der Zeit der letzten Jahre würden dem zustimmen, was die Sprüche lehren. Ein Artikel, der vor einigen Jahren im Journal of Psychology and Theology [Zeitschrift für Psychologie und Theologie] erschien, drückt aus, was vermutlich die meisten Amerikaner empfinden. Leichteres Schlagen, so stellte der Verfasser fest, bringe – wenn überhaupt – nur ganz geringen Nutzen, und häufigeres und festeres Schlagen sei definitiv als schädlich für das Kind anzusehen. Es folgen einige der Gründe, die der Verfasser zur Untermauerung seines Standpunktes heranzieht:46

1. Der Po des Kindes liegt sehr nahe bei seinen Geschlechtsorganen. Eine Tracht Prügel könnte daher sexuell stimulierend wirken (Aus diesem Einwand leuchten überall die Spuren Sigmund Freuds hervor).

2. Das Kind könnte die Wiedergutmachung, die einer Tracht Prügel folgt, so genießen, dass es Schläge provoziert.

3. Wenn man davon ausgeht, dass Schläge eine Art elterlicher Rache sind, muss man befürchten, dass das Kind Frustrationen genauso zu bewältigen lernt, wie es seine Eltern tun – indem es Schläge austeilt. Mit den Worten des Artikels ausgedrückt: Wenn wir unsere Kinder schlagen, geben wir ihnen „eine Kostprobe aus dem Urwald“47

4. Eine Frau, die unter einer Analfistel litt, brachte diese mit Schlägen bei ihrer Sauberkeitserziehung in Zusammenhang. Deshalb sollte niemand seine Kinder schlagen, damit sie eine solche Erfahrung nicht machen müssen.

5. Wenn die Möglichkeit besteht, geschlagen zu werden, kann ein Kind keine entspannte Haltung zum Leben entwickeln. Es lebt in ständiger Angst vor der nächsten Tracht Prügel.

6. Es gibt Kinder, die geschlagen werden und sich trotzdem noch schlecht benehmen. Daher kann eine Tracht Prügel wohl nicht wirksam sein.

Es erstaunt mich nicht, solche Aussagen von Nichtchristen zu lesen, von Menschen, die die Bibel nicht als Autorität ansehen. Aber dieser Artikel wurde von einem Mann geschrieben, der von einer der namhaftesten Theologischen Hochschulen der Vereinigten Staaten den Doktortitel verliehen bekommen hat. Außerdem lehrt er an einer christlichen Hochschule der Liberalen Wissenschaften.48 Bei dem Bemühen, Psychologie und Theologie unter einen Hut zu bringen, hat die Erstere sich wohl eindeutig durchgesetzt, wie wir an der folgenden Feststellung von Dr. Ruble sehen können:

Sollten Kinder geschlagen werden? Vom biblischen Standpunkt aus gibt es keine eindeutige Aufforderung, dass sie geschlagen werden sollten. Umgekehrt wird die Prügelstrafe auch nicht ausdrücklich verboten. Aus der Perspektive des Psychologen gibt es unterschiedliche Meinungen; die negativen Aspekte, die mit dem Schlagen verbunden sind, legen aber nahe, dass Kinder, wenn überhaupt, nicht schwer oder häufig geschlagen werden sollten.

Jeder Psychologe wird wohl die positiven und nicht die negativen Möglichkeiten zur Beeinflussung des kindlichen Verhaltens betonen. Schläge stellen einen aversiven Reiz dar und sind daher nicht so günstig wie eine verstärkende Belohnung zur Steuerung des Verhaltens. Wenn aversive Maßnahmen angewendet werden müssen, sollte man die gewaltlosen vorziehen.49

In einem weiteren Artikel schreibt Dr. Ruble später als Antwort auf die Kritik eines anderen christlichen Psychologen50:

Die Bibel lehrt nirgendwo, dass alle Kinder geschlagen werden sollten, um sich gut zu entwickeln. Vielmehr brauchen Kinder eine feste und geduldige Anleitung. Sie brauchen fröhliche, gut eingestellte und gut integrierte christliche Eltern, die dem Impuls um sich zu schlagen widerstehen, wenn sie vom Verhalten ihres Kindes enttäuscht sind. Sie brauchen erfinderische Eltern mit einem großen Repertoire kreativer Reaktionsmöglichkeiten auf das Kind. Und vor Allem brauchen sie ein Vorbild mit kraftvoller Ausstrahlung zur Nachahmung.51

Das zeigt mir, dass selbst evangelikale, bibelgläubige Christen an dem Thema ‚Schläge für Kinder’ zu beißen haben. Nicht nur wird deren Nutzen heute von manchen Christen infrage gestellt, sondern auch die Regierungsbehörden gehen offensichtlich immer mehr dahin, ihren Einsatz in den öffentlichen Schulen, aber auch zuhause zu ächten. Anfangs war ich einfach davon ausgegangen, dass Christen darüber einig seien, dass man Kinder auch schlagen muss, und ich wollte deshalb nur das Wie und Wann diskutieren. Inzwischen aber ist mir klar geworden, dass ich wohl diese ganze Lektion nutzen und die biblischen Argumente dafür darstellen sollte, dass christliche Eltern ihre Kinder schlagen müssen.

Die Leitgedanken für die Disziplinierung unserer Kinder müssen wir aus den Schriften ableiten, und anhand der Schriften müssen wir den Beitrag aller anderen Fächer dazu beurteilen. Die Bibel stellt den klaren Anspruch, eine angemessene und autoritative Anleitung für alle geistlichen Dinge zu sein, und dies insbesondere auch auf dem Gebiet der Zurechtweisung und Züchtigung.

Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; damit ein Mensch Gottes tauglich sei und ausgerüstet für jedes gute Werk (2.Tim 3:16-17).

Wenn es also die Schriften sind, die uns für jedes gute Werk und insbesondere für die Zurechtweisung angemessen ausrüsten, so wollen wir doch einmal in das Buch hineinsehen, das uns am meisten zum Thema ‚Schlagen’ zu sagen hat, in das Buch der Sprüche.

Was ist ‚die Rute’?

Bevor ich die biblischen Argumente für den Gebrauch der Rute aufzähle, muss ich doch noch in einem Punkt meine Übereinstimmung mit Dr. Ruble darlegen – wenn ich dabei auch nicht ganz so weit gehen möchte wie er.52 Ich stimme ihm zu, dass der Ausdruck ‚die Rute’ gelegentlich in einem weiteren Sinne benutzt wird als nur auf die körperliche Züchtigung bezogen. Der Ausdruck ‚Rute’ wird beispielsweise für die Züchtigung des Menschen durch Gott gebraucht (vgl. 2.Sa 7:14; Jes 10:5). In diesen Fällen geht man davon aus, dass der Ausdruck ‚Rute’ bildlich oder symbolisch für die göttliche Zucht steht. Das bedeutet aber nicht (wie Dr. Ruble zu folgern scheint), dass der Ausdruck ‚die Rute’ sich nirgendwo in den Sprüchen auf eine Tracht Prügel bezieht. Allerdings fürchte ich, dass manche Eltern andererseits vielleicht auch den Schluss ziehen, es gebe nur ein einziges Mittel zur Zurechtweisung – nämlich die Rute.

Ich glaube, wenn man Züchtigung nur unter dem Aspekt der ‚Rute’ betrachtet, liegt man damit aus verschiedenen Gründen falsch. Erstens lassen sich manche Kinder weniger durch die Rute beeindrucken als andere. Manche Kinder scheinen geradezu ein Hinterteil aus Gusseisen und eine sehr hohe Schmerzschwelle zu haben. Zu diesen spricht also die Rute nicht so laut wie zu den meisten Anderen. Zweitens werden andere Formen der Züchtigung vielleicht viel ernster genommen. Ein 16-jähriger Sohn, beispielsweise, würde wahrscheinlich eine Tracht Prügel viel lieber in Kauf nehmen als dass ihm die Autoschlüssel eine Woche lang weggenommen werden. Da eine Strafe darauf abzielt, die Aufmerksamkeit des Kindes zu wecken, sind andere Maßnahmen unter Umständen wirkungsvoller als Schläge. Zudem sind bestimmte Formen der Züchtigung vielleicht auch angemessener und leichter einzusehen als andere. Um noch einmal auf den 16-jährigen Sohn zurückzukommen: Wenn er bei einer rücksichtslosen Fahrweise ertappt würde, wäre der Entzug der Autoschlüssel eine nahe liegende und bedeutungsvolle Lektion für ihn. Wenn man ein Auto nicht richtig benutzt, verliert man das Vorrecht, fahren zu dürfen. Wir sollten uns nicht auf nur eine Form der Zurechtweisung beschränken lassen.

Einer meiner Freunde benutzt den Schlagstock als Antwort auf die verschiedensten Arten von Fehlverhalten, aber er hat einen interessantes Weg gefunden, um dabei zwischen unterschiedlich schweren Vergehen zu differenzieren. Er hat einen ziemlich langen Schlagstock, auf dessen Griff auf ganzer Länge Markierungen aufgetragen sind. Für schwerwiegenden Ungehorsam greift er diesen Stock ganz am Ende, um durch den Schwung einen langen und schmerzhaften Schlag auszuführen. Bei kleineren Vergehen fasst er ihn weiter oben wie ein Baseballspieler, der zu einem kurzen Schlag ansetzt.

Das ist eine Möglichkeit; aber ich denke, wir dürfen nicht für jedes Vergehen unserer Kinder den Schlagstock benutzen. Wenn die Sprüche uns Eltern dazu anhalten, die Rute nicht zu schonen, so steht das allgemein für die Notwendigkeit, unsere Kinder immer wieder zu verbessern, zurechtzuweisen und zu disziplinieren. Und eine der Möglichkeiten, die die Sprüche zur Zurechtweisung von Kindern empfehlen, ist die Rute. Zurechtweisung – ja. Der Schlagstock – vielleicht. Züchtigung – immer. Die Rute – manchmal.

Warum braucht man die Rute?

Die meisten Psychologen unserer Tage scheinen die Rute als ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu betrachten: als ein abschreckendes, ein primitives Mittel zur Steuerung des kindlichen Verhaltens, das dank des heute umfangreicheren Wissens über das menschliche Verhalten längst veraltet ist. Einfach ausgedrückt, sind wir über ein solch primitives Mittel zur Beeinflussung unserer Kinder inzwischen doch hinausgewachsen. Für den modernen Geist ist die Rute wirklich ‚eine Kostprobe aus dem Urwald’. Wie kommt es dann, dass das Buch der Sprüche so viel von der Rute spricht und Eltern anweist, bei der Kindererziehung von ihr Gebrauch zu machen? Dafür kann man eine Reihe von Gründen in den Sprüchen selbst und an anderen Stellen der Bibel finden.

1. DIE BIBEL FORDERT DEN GEBRAUCH DER RUTE, WEIL WIR VON SELBST NICHT VON IHR GEBRAUCH MACHEN WÜRDEN. Die Sprüche gehen gleichermaßen von der Sündigkeit der Eltern wie von der der Kinder aus. Daher werden Eltern in den Sprüchen aufgefordert, die Rute zur Zurechtweisung eizusetzen – einfach deshalb, weil wir sonst nicht dazu geneigt wären, das zu tun. Das ist aus einer ganzen Reihe von Gründen so:

Manche Eltern versäumen es aufgrund ihrer eigenen Erziehung, die Rute zu gebrauchen. Einige von diesen mögen in einem Elternhaus aufgewachsen sein, in dem sie selbst nicht geschlagen wurden. Und meistens neigen wir dazu, unsere Kinder so aufzuziehen, wie wir selbst aufgewachsen sind (vgl. Spr 4:3-4). Unsere früheren Erfahrungen müssen wir aber immer im Lichte der Schriften beurteilen. Natürlich sollten wir das bewahren, was gut und gottgemäß ist, aber wir sollten auch erkennen, welche Bestandteile unserer Erziehung falsch waren.

Schlimmer noch ist es, wenn Eltern in einer Familie aufgewachsen sind, in der die ‚Rute’ ein Werkzeug in der Hand eines wütenden Vaters war, der nicht zwischen Züchtigung und Kindesmisshandlung unterscheiden konnte oder wollte. Leider gibt es Menschen, die die Bibel dazu benutzen, um ihre Grausamkeit Kindern gegenüber zu rechtfertigen. Kindesmisshandlung aber wird nirgendwo in den Sprüchen sanktioniert.

Im Unterschied zu Psychologen wie Dr. Ruble gehen die Sprüche davon aus, dass die meisten Eltern von sich aus gar nicht züchtigen würden. In diesem Fall müssen Eltern dazu angehalten werden, Gebrauch von der Rute zu machen. Manche Psychologen gehen andererseits davon aus, dass der, der von der ‚Rute’ Gebrauch macht, ‚Schläge unter seinen Kindern austeilt’. Schlagen wird als eine Form der elterlichen Aggression angesehen, als ein Rückzug auf primitive Neigungen. Die Psychologie tendiert daher dazu, das Schlagen zu verbieten; denn sie geht davon aus, dass Jeder, der die Rute gebraucht, das auf die falsche Art und aus den falschen Gründen tut. Das ist aber eine unzulässige Verallgemeinerung. Wenn einige Eltern die Rute zur Misshandlung ihrer Kinder missbrauchen, so bedeutet das noch nicht, dass die Rute generell schlecht wäre. Sündigkeit kann sich in einigen Fällen so äußern, dass Eltern ihre Kinder misshandeln – aber viel öfter noch tritt Sündigkeit nach den Sprüchen in der Form auf, dass Eltern es ganz vermeiden, ihre Kinder zurechtzuweisen oder zu züchtigen.

Etliche Gründe für eine Zurückhaltung der Rute haben andererseits nichts mit unserem Elternhaus zu tun. Einer der Hauptgründe, warum wir es versäumen unsere Kinder zu züchtigen, liegt meiner Meinung nach in unserer Trägheit. Wir können es nicht leugnen: Unsere Kinder zeigen sich nie dann ungehorsam, wenn man sie leicht züchtigen könnte. Eher schon passiert das mitten in einem Football-Spiel der Dallas Cowboys. Und wer will schon aufstehen und einem Kind eine Tracht Prügel verabreichen, wenn beim dritten Down nur noch ein Yard bis zur gegnerischen Zwei-Yard-Linie fehlt? Oder wer ist schon begierig darauf, sein Kind im Gang eines Supermarktes zu schlagen, wo er Aller Augen auf sich gerichtet fühlt? Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ist meine Trägheit schon ein Hauptgrund dafür, dass ich meine Kinder nicht so oft schlage, wie ich es eigentlich tun müsste – ich bringe einfach die Energie nicht auf für etwas, das ich eigentlich nicht gerne tue.

Ein weiterer Grund dafür, dass Eltern ihre Kinder nicht schlagen, ist falsch verstandenes Mitleid. Nichts ist herzzerreißender als das Schreien eines Kindes unter den Schlägen. In der Tat beginnt das Schreien meist schon, bevor auch nur ein Schlag gefallen ist. Das Kind versucht verzweifelt, mit dramatischen Seufzern und Tränen die Tracht Prügel abzumildern oder zu verkürzen. Um den Eltern für diese Fälle das Rückgrat zu stärken und zu konsequentem Verhalten zu verhelfen, sagen uns die Sprüche:

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Wenn du es schlägst, wird es nicht sterben (23:13).

Im üblichen Sinne verstanden, versichert dieser Spruch Eltern mit einem schwachen Herzen, dass ihr Kind noch nicht wirklich reif für die Intensivstation im Krankenhaus ist – auch wenn es sich so anhört. Bleib dran, so wird uns geraten, trotz dieser Vorstellung.

Und noch ein weiterer Grund dafür, dass Eltern den Gebrauch der Rute vermeiden, sind falsche Vorstellungen von Liebe, Vergebung und Nachsicht. In unserer Kultur wird es als unvorstellbar erachtet, dass Liebe sich durch die Rute ausdrücken kann. Liebe, so meint man, bedeutet nie zu züchtigen, nie Schmerzen zu verursachen und mit dem Kind nur immer positiv umzugehen. Die Sprüche sehen die Liebe dagegen ganz anders:

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Lieben wir unsere Kinder? Dann sollen wir sie, wenn nötig, gewissenhaft züchtigen. Hassen wir unsere Kinder? Dann werden wir es vermeiden, die Rute einzusetzen. Die Liebe sucht im besten Interesse des Kindes zu handeln, und das wird gelegentlich durch Zufügen von Schmerzen mithilfe der Rute erfüllt.

Wir können vielleicht versucht sein, eine nachgiebige Erziehung zu rechtfertigen anhand von Schriftstellen wie:

Eines Menschen Einsicht macht ihn langsam zum Zorn, Und es ist ruhmvoll für ihn, eine Übertretung zu übergehen (19:11).

Diese und andere Textstellen, wie auch die Ermahnung unseres Herrn, ‚die andere Wange hinzuhalten’ (Mat 5:39) lehren uns, dass wir keine Vergeltung üben sollen, wenn uns Jemand angreift. Das ist natürlich richtig: wir sollen nicht nach Rache streben.

Sage nicht: „Ich will Böses heimzahlen.” Harre auf den Herrn und Er wird dich erretten (20:22).

Wenn wir auch nicht nach Rache streben sollen, dürfen wir andererseits aber auch nicht die Sünden im Leben unserer Kinder oder im Leben anderer Gläubiger übergehen (vgl. Mat 18:15-20; 1.Kor 5:1-8; Gal 6:1).

Schließlich und endlich halten sich manche Eltern meiner Meinung nach mit dem Einsatz der Rute auch deswegen zurück, weil man ihnen beigebracht hat, dass sie niemals im Zorn züchtigen dürfen. Wir können Zorn aber durchaus als Mittel nutzen, um uns zu einer Züchtigung zu motivieren – wenn wir ihn auch niemals die Bestrafung selbst steuern lassen dürfen. Meine persönliche Überzeugung ist es, dass Ärger uns als Eltern nicht davon abhalten sollte, unserer Pflicht im Hinblick auf die Rute nachzukommen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt ist, und ich werde mich deshalb in der nächsten Lektion ausführlicher damit beschäftigen. Im Moment will ich mich darauf beschränken zu sagen, dass Zorn uns nicht davon abhalten sollte, unsere Kinder zu züchtigen.

2. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, UM DIE SÜNDE DER KINDER IN GRENZEN ZU HALTEN. Das Buch der Sprüche geht meiner Meinung nach von diesem Grundsatz aus; ich bin mir aber – so muss ich gleich zu Anfang zugeben – nicht sicher, ob ihn die Sprüche auch ausdrücklich lehren. Regierungsgewalt und Todesstrafe werden in Genesis 9 von Gott eingesetzt, und zwar, um dadurch die Menschen von der Sünde abzuhalten. Das Schwert, das die Regierung trägt (Rö 13:4), ist die Todesstrafe. Diese Autorität wurde ihr verliehen, so wird uns gesagt, um das Böse im Zaum zu halten und die Gerechtigkeit zu belohnen (Rö 13:1-7; 1.Pe 2:14). Ich glaube, genau die gleiche Verpflichtung haben auch wir als Eltern im Hinblick auf unsere Kinder. Ihr Herz können wir vielleicht nicht ändern, aber wir können bis zu einem gewissen Grad ihr Verhalten beeinflussen; und das ist es auch, wofür wir verantwortlich gemacht werden (vgl. 1.Sa 3:13; 1.Tim 3:4). So wie die Regierung das Schwert trägt, so halten Eltern die Rute.

3. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, WEIL SIE DEN CHARAKTER EINES KINDES OFFENLEGT. Einem meiner Freunde verdanke ich die Erkenntnis, dass der Charakter eines Menschen sich oft anhand von dessen Reaktion auf Kritik zeigt. Auch die Sprüche lehren diese Tatsache, die natürlich ebenso auf die Reaktion eines Kindes auf die Rute übertragen werden kann.

Wer Zucht liebt, der liebt Erkenntnis, Aber wer Zurechtweisung hasst, ist dumm (12:1).

Ein weiser Sohn nimmt die Zucht seines Vaters an, Aber ein Spötter hört nicht auf Zurechtweisung (13:1).

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Ein Kind, das eine Züchtigung akzeptiert und daraufhin Reue und Besserung zeigt, befindet sich auf dem Weg der Weisen. Ein Kind, das auf Zurechtweisung verbittert reagiert (auch wenn sie zurecht durch die Eltern geschah), hat sich vom Weg der Weisheit abgewandt.

Im Hinblick darauf, dass die Rute eine Charakterprüfung für das Kind darstellt, müssen wir uns andererseits vorsehen, wenn wir bestimmte ‚positive’ Mittel bei der Erziehung einsetzen. Die weltliche Psychologie neigt dazu, nahezu jede negative Form der Zurechtweisung zugunsten der als positiver angesehenen Formen zu vermeiden. Positive Verstärkung ist gut und richtig, aber nicht, wenn sie notwendige negative Korrekturmaßnahmen verhindert. Wenn ich meinem Kind im Laden sage, dass es die Cornflakes-Packung zurückstellen soll, und es darauf mit „Nein!“ antwortet, habe ich mehrere Möglichkeiten zu reagieren. Aber wenn ich dann zu meinem Kind sage „Wenn du die Packung zurückstellst, kaufe ich dir Schokolade“, so ist das Bestechung und nicht Erziehung. Der Gehorsam unserer Kinder lässt sich am ehesten prüfen, wenn wir etwas Lästiges oder Unangenehmes von ihnen fordern, zum Beispiel, beim Arzt für eine Spritze still zu halten. Dem Kind einen Dollar zu geben und es aufzufordern, damit Süßigkeiten zu kaufen, ist keine Gehorsamsprüfung. Hüten wir uns vor ‚positiver’ Erziehung, wo sie nur Bestechung unter einem anderen Namen darstellt. Wir wollen sie nur dort einsetzen, wo es gottgemäß und richtig ist.

4. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, UM DAS KIND ETWAS ZU LEHREN. Eine Tracht Prügel ist eine Charakterprüfung für ein Kind, aber sie dient auch dazu, das Kind etwas zu lehren.

„Ihr sollt aber darauf achten, jedes Gebot, das ich euch heute gebiete, sorgfältig einzuhalten, auf dass ihr leben und euch mehren möget, und einziehen und das Land in Besitz nehmen, das der Herr euren Vorvätern zugeschworen hat. Und ihr sollt des ganzen Weges gedenken, auf dem der Herr, euer Gott, euch diese vierzig Jahre lang in der Wüste geleitet hat, damit Er euch demütige, euch auf die Probe stelle, um zu wissen, was in euren Herzen sei, ob ihr Seine Gebote halten würdet oder nicht. Und Er demütigte euch und ließ euch hungern und speiste euch mit Manna, das ihr nicht kanntet, noch kannten es eure Väter, damit Er euch erkennen lasse, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von Allem, das aus dem Munde des Herrn hervorgeht“ (Deu 8:1-3).

Mit diesem Bibeltext lehrte Moses die Israeliten etwas sehr Wichtiges: Die Schwierigkeiten, die sie entlang des Weges erfahren hatten, stellten nicht nur eine Erziehungsmaßnahme (Vers 5) und eine Charakterprüfung (Vers 2) für das Volk Gottes dar. Anhand dieser Lektion sollte Gottes Volk vielmehr auch erkennen, dass das Leben des Menschen aus mehr besteht als Brot zu essen, und dass der Mensch lernen muss, vollständig in Abhängigkeit von und im Vertrauen auf Gottes Wort zu leben (Vers 3). Auch Hiobs Heimsuchungen waren ebenso sehr eine Charakterprüfung (Hi 1:8) wie auch eine Lektion in seinem Leben, aus der Hiob lernen sollte, vor allem in schweren Zeiten stärker auf Gott zu vertrauen (Hi 38). Genau die gleiche Lektion lehrte der Hebräerbrief die Christen im Neuen Testament (vgl. insbesondere Kapitel 12). Das Buch der Sprüche untermauert diese Lehren überein, denn es sagt uns, dass auch die elterliche Zucht von Gott eingesetzt wurde, um die charakterliche Entwicklung eines Kindes zu fördern.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen findet (3:11-12).

Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Lehre ist ein Licht; Und die Zurechtweisungen der Zucht sind der Weg des Lebens (6:23).

Wessen Ohr auf die Leben spendende Zurechtweisung hört, der wird unter den Weisen wohnen. Wer die Zucht verwirft, macht sich selbst zunichte, Aber wer auf Zurechtweisung hört, wird Verständnis erwerben (15:31-32).

Die Rute der Zurechtweisung bringt Weisheit, Aber ein Kind, das sich selbst überlassen wird, bringt Schande über seine Mutter (29:15, NIV).

Es ist hierbei sehr wichtig, zwischen Bestrafung und Züchtigung zu unterscheiden. Bestrafung heißt, einem Übeltäter das zukommen zu lassen, was er verdient. Züchtigung zielt darauf ab, einen Menschen zu belehren, damit er reifer und gottgemäßer werde. Aus göttlicher Perspektive betrachtet gilt die Bestrafung den Ungläubigen, die Zucht aber Gottes Kindern. Die Erziehung unserer Kinder sollte gemäß der Zucht für Gottes Kinder gestaltet werden (vgl. 3:11-12). Die Züchtigung unserer Kinder mit der Rute sollte also lehrreich, nicht nur strafend sein (obwohl auch das richtig sein kann).

Soweit es um Anleitung geht, braucht man keine Rute, um weise Menschen zu belehren; denn sie werden auf Ratschläge hören und daraus lernen.

Weise einen Spötter nicht zurecht, damit er dich nicht hasst; Weise einen weisen Mann zurecht, und er wird dich lieben. Gib einem weisen Mann Anleitung, und er wird noch weiser werden; Lehre einen gerechten Menschen, und er wird an Gelehrsamkeit zunehmen (9:8-9).

Mancher allerdings lässt sich durch bloße Worte nicht belehren. Ein Kind, beispielsweise, kann noch nicht einsehen, wie gefährlich es ist, auf der Straße zu spielen. Die Rute unterstützt in diesem Fall das Wort „Nein“ und lehrt das kleine Kind, dass es schmerzhafte Folgen hat, wenn man auf der Straße spielt. In Anbetracht dessen erstaunt es mich, dass manche Psychologen über die Grausamkeit von Schlägen für Kinder sprechen. Ist es grausamer, ein kleines Kind zu schlagen, damit es auf diese Weise Gefahren zu meiden lernt, oder ist es grausamer, das Kind die naturgegebenen Folgen seiner Torheit erleiden und es unter Umständen sogar zu Tode kommen zu lassen? Mit einem Kind in diesem Alter kann man nicht argumentieren. Kinder können keine abstrakten Dinge (wie die Gefahr durch einen Lastwagen auf der Straße) erfassen; aber Schmerzen sind etwas, das sie verstehen können. Die Rute dient zur Anleitung derer, die Erklärungen noch nicht zugänglich sind.

Die Rute dient aber auch zur Anleitung derer, die zwar alt genug sind, aber dennoch nicht einsehen wollen. Für die, die es ablehnen, auf Argumente zu hören, stellt die Rute ein alternatives Lehrmittel dar. Für dickköpfigen Starrsinn ist die Rute ein Heilmittel, das Stolz und Arroganz in Demut und Ungehorsam in Gehorsam umwandeln kann.

Wenn Eltern die Rute einsetzen, wollen sie ihrem Kind zeigen, wo in seinem Leben die Sünde herrscht, und ihm deutlich machen, dass Sündigkeit einen hohen Preis hat. Dadurch soll das Kind angehalten werden, die Gefahren der Sünde zu erkennen und sich aus seiner Eigenwilligkeit dem Weg der Weisheit zuzuwenden, der mit der Furcht des Herrn beginnt.

Obwohl ich die folgende Textstelle noch nicht bis zum Ende durchdacht habe, scheint mir doch, dass auch das Buch Jesaja die Rolle der Rute hervorhebt, wenn es darum geht, einen starrköpfigen Sohn dazu zu bringen, dass er auf Argumente hört. Im ersten Kapitel lesen wir:

„So kommt und lasst uns miteinander rechten“, sagt der Herr. „Wenn eure Sünden auch scharlachrot sind, sollen sie doch weiß wie Schnee sein; wenn sie auch karmesinrot sind, sollen sie doch wie Wolle sein“ (Jes 1:18).

Dies ist ein Wort der Warnung und der Ermahnung. Israels Problem ist seine Eigenwilligkeit. Gott bietet Vergebung, wenn die Israeliten nur bereuen. Wenn sie auf Gottes Warnung hören, werden sie Vergebung und Segnung erfahren, aber wenn nicht, ...

„Wenn ihr willig seid und gehorcht, so werdet ihr die besten Dinge des Landes essen; weigert ihr euch aber und lehnt euch auf, so sollt ihr durch das Schwert gefressen werden.“ Wahrlich, der Mund des Herrn hat gesprochen (Jes 1:19-20).

Gott will sich mit den Menschen auseinander setzen und sie von der Sünde abbringen. Wenn sie auf ihn hören und bereuen, wird Er ihnen vergeben. Wenn nicht, wird Gott „die Rute“ einsetzen, um ihren Starrsinn zu brechen und sie zur Buße zu bewegen. Die Rute ist für diejenigen, die sich weigern, auf einfache Art zu lernen.

Die Rute ist also so etwas wie eine rote Warnleuchte auf dem Armaturenbrett eines Autos – ein Signal dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist und behoben werden muss. Das Licht selbst behebt das Problem nicht, aber es macht zumindest darauf aufmerksam. In diesem Sinne ist, denke ich, der folgende Vers zu verstehen:

Striemen, die weh tun, scheuern das Böse weg Und Schläge erreichen das Innerste (20:30).

Die Rute wird eingesetzt, um das Herz des Kindes zu erreichen und es vom Bösen abzubringen. Wenn Eltern von der Rute Gebrauch machen, wollen sie ihrem Kind damit die Folgen der Sünde verdeutlichen und ihm klar machen, dass es notwendig ist, Gottes Ausweg aus der Sündhaftigkeit anzunehmen.

Im Übrigen sollte ich wohl noch darauf hinweisen, dass die Rute, wo sie den Gezüchtigten selbst nicht zu belehren vermag, doch immer noch Anderen eine Lehre sein kann.

Schlägt man den Spötter, so werden die Unvernünftigen klug; Aber wenn man den Verständigen zurechtweist, wird er an Erkenntnis gewinnen (19:25).

5. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, WEIL ES VERHEERENDE FOLGEN HAT, WENN MAN IHREN GEBRAUCH UNTERLÄSST. Einige Sprüche scheinen uns mehr zu verheißen, als wir zu hoffen wagen:

Hiebe und Wunden säubern vom Bösen, Und Schläge reinigen das innerste Wesen (20:30, NIV).

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Wenn du es mit der Rute züchtigst, wird es nicht sterben. Züchtige es mit der Rute und bewahre seine Seele vor dem Tode (23:13-14, NIV).

Ein oberflächlicher Blick auf diese Schriftstellen könnte uns zu der Annahme verleiten, dass der Schlagstock effektiver sei als die ‚vier geistlichen Gesetze’. Ein solches Missverständnis entsteht daraus, dass wir die Begriffe ‚Seele’ und ‚Tod’ nicht im gleichen Sinn verstehen wie die alten Israeliten. Der Begriff ‚Seele’ entsprach unserem Wort ‚Leben’: Eine ‚Seele’ zu retten, bedeutete damals, ein Leben zu retten. Auch ‚Tod’ hatte eine ganz bestimmte Bedeutung – eine, an die wir heutzutage nicht ohne Weiteres denken, die aber weit reichende Auswirkungen auf die Heiligen des Alten Testaments hatte.

Wenn ein Mann einen störrischen und rebellischen Sohn hat, der seinem Vater und seiner Mutter nicht gehorcht und noch nicht einmal auf sie hört, wenn sie ihn züchtigen, dann sollen ihn sein Vater und seine Mutter ergreifen und zu den Ältesten seiner Stadt zu den Toren seiner Heimatstadt hinausbringen. Und sie sollen zu den Ältesten dieser Stadt sagen: „Dieser unser Sohn ist störrisch und rebellisch, er will uns nicht gehorchen, er ist ein Schlemmer und ein Trunkenbold.“ Dann sollen ihn alle Männer seiner Stadt zu Tode steinigen; und so sollst du das Böse aus deiner Mitte entfernen, und ganz Israel soll es hören und sich fürchten (Deu 21:18-21).

Während ‚die Rute’ angewandt wurde, um die Sündhaftigkeit zu zügeln, wurde ‚der Stein’ angewandt, um sie auszumerzen. In alten Zeiten wussten Eltern, die an die Autorität von Gottes Wort glaubten, nur zu gut, dass wenn die Rute nicht wirkte, nur noch der Stein – das Steinigen – blieb. Für diese Eltern war daher die Motivation groß, die Rute gewissenhaft einzusetzen. Wenn das auch schmerzhaft für das Kind wie für die Eltern war, so war es doch noch weit besser als die Alternative – einen störrischen und rebellischen Sohn zu steinigen.

Ein Problem heutiger Eltern liegt darin, dass wir die verheerenden Folgen aus den Augen verloren haben, die entstehen, wenn man sich mit der Sünde im Leben eines Kindes nicht auseinandersetzt. Erinnern wir uns daran, dass Paulus vor allem den geistlichen, nicht nur den leiblichen Tod meinte, als er schrieb: „Der Sünde Lohn ist der Tod.“ Eltern eines undisziplinierten Kindes leiden an den irdischen Folgen in Form von Scham und Reue (z.B. 29:15), in der Ewigkeit sind die Konsequenzen der Sünde aber noch weit schlimmer. Wenn es also gelingt, das Kind mithilfe der Rute von seiner Sündigkeit und seiner Erlösungsbedürftigkeit zu überzeugen, dann ist diese Lektion aller Schmerzen wert und kann vielleicht den viel größeren Schmerz und das Leid der ewigen Verdammnis vermeiden helfen.

In diesem Licht betrachtet sieht die Rute ganz anders aus, als Manche sie sehen möchten. Wenn man die Rute für primitiv und grausam hält, so heißt das, dass man sich über die Alternative zu ihr nicht im Klaren ist. Ist es grausam, ein Kind an den Haaren zu ziehen? Sicherlich ist das schmerzhaft. Aber angenommen, Ihr Kind würde von einem Hochhaus herab in den sicheren Tod stürzen. Würden Sie es dann nicht an den Haaren fassen, wenn Sie damit sein Leben retten könnten? Natürlich würden Sie das tun. Genauso erscheint die Rute nur so lange als etwas Grausames, bis man ihre Alternativen bedenkt.

6. DIE RUTE IST ERORDERLICH, WEIL SIE GERECHT IST UND WEIL GOTT BEI SEINEN KINDERN VON DER RUTE GEBRAUCH MACHT. Gottgemäßes Verhalten ist gottähnliches Verhalten. Gleich am Anfang des Buches der Sprüche wird uns gesagt, dass menschliche und göttliche Zucht ähnlich, wenn nicht gar gleich sind.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen findet (3:11-12).

Diese Verse gründen sich ganz offensichtlich auf das alttestamentarische Gesetz Gottes:

„So sollst du wissen in deinem Herzen, dass der Herr, dein Gott, dich gezüchtigt hat, so wie ein Mann seinen Sohn züchtigt“ (Deu 8:5).

Wenn die Verantwortlichkeit irdischer Väter darin besteht, dem Vorbild Gottes als des Vaters der aufrichtigen Gläubigen nachzueifern (mit dieser Vorstellung werden wir uns in der nächsten Lektion beschäftigen), dann muss die Zucht eines Vaters so sein wie die von Gott Selbst.

Das ist genau der Haken bei der Sache für diejenigen, die nicht gläubig sind oder nicht biblisch denken. Sie können sich nicht vorstellen, dass eine Tracht Prügel gottgemäß sein kann, weil sie sich Gott nicht als Einen vorstellen können, der über Menschen richtet und sie zu einer Ewigkeit in der Hölle verdammt. Wenn Gott nur der Gott der Liebe ist (wie es Manche glauben möchten), dann wollte und könnte Er Niemanden zur Hölle schicken und den Menschen niemals irgendwelche Schmerzen zufügen. In diesem Fall könnten Eltern, die gottgemäß (gottähnlich) handeln wollen, ihren Kindern auch keine Schmerzen zufügen. Der springende Punkt ist also: Wie handelt Gott? Fügt Er den Menschen Schmerzen zu, wenn sie sündigen? Wenn Er das tut, dann handeln wir nur in Übereinstimmung mit Seiner Persönlichkeit, indem wir unseren Kindern für ihre sündigen Taten Schmerzen zufügen.

Ein genauerer Blick auf einige Bibelstellen lässt keinen Zweifel an einer Züchtigung durch Gott:

„Ich will ihm ein Vater sein, und er wird Mir ein Sohn sein; wenn er Unrecht tut, so will Ich ihn mit der Rute der Menschen und mit den Schlägen der Menschensöhne zurechtweisen“ (2.Sa 7:14).

„Wenn seine [d.h. Davids] Söhne Mein Gesetz verlassen und nicht in Meinen richterlichen Entscheidungen wandeln, wenn sie Meine Satzung verletzen und Meine Gebote nicht halten, so werde ich ihre Übertretungen mit der Rute heimsuchen und ihr Unrecht mit Plagen. Aber von ihm werde Ich Meine liebende Güte nicht nehmen, noch falsch an ihm handeln in Meiner Treue. Meinen Bund werde Ich nicht brechen, noch ändern, was aus Meinem Munde gegangen ist” (Ps 89:30-34).

Wehe Assyrien, das die Rute Meines Zornes ist, und der Stock in seinen Händen ist Mein Grimm (Jes 10:5).

In jeder dieser Bibelstellen spricht Gott davon, die ‚Rute’ zur Zurechtweisung Seines Volkes zu gebrauchen. Davids Söhne, die Könige von Juda, sollten von Gott für ihren Ungehorsam gezüchtigt werden; und doch sagt Gott, dass Er treu zu Seiner Zusage stehe, für David einen immerwährenden Thron zu errichten (2.Sa 7:12-13). Das ungehorsame Israel sollte durch Assyrien, Gottes ‚Rute’ der Zurechtweisung, gezüchtigt werden (vgl. Deu 28:15-68, insb. Vers 64; Jes 7:17-19, 8:5-8).

Immer wenn Gott Sein Volk züchtigt, wird Gottes Gericht über die Sünder als gerecht angesehen. Seine Züchtigung wird nie als ein Makel Seines ansonsten heiligen Charakters gesehen, sondern vielmehr als Ausdruck Seiner Heiligkeit.

Daher nun, unser Gott, du großer, mächtiger und Furcht einflößender Gott, der den Bund und die liebende Güte bewahrt, lass all die Mühsal nicht bedeutungslos erscheinen vor Dir, die auf uns und unsere Könige, unsere Fürsten, unsere Priester, unsere Propheten, unsere Väter und auf Dein ganzes Volk herabgekommen ist von den Tagen der Könige von Assyrien bis auf den heutigen Tag. Du aber bist gerecht in Allem, das über uns gekommen ist, denn Du hast treu gehandelt, wir aber haben böse gehandelt (Ne 9:32-33; vgl. Ps 78; Da 9).

Ananias und seine Frau Sapphira wurden für ihren Betrug mit dem Tod geschlagen (Apg 5:1-11). Nicht nur im Alten Testament ist Gott also ein Strafender, sondern auch im Neuen. In Matthäus 18:25-20 bezeichnete unser Herr den Weg, auf dem die Strafe für einen ungehorsam gewordenen Gläubigen festzulegen sei, und im 1. Korintherbrief 5:2-5 legte Paulus den Korinthischen Heiligen ans Herz, diese Vorschrift auch umzusetzen. Im weiteren Verlauf des ersten Korintherbriefes erklärte Paulus, dass einige der Heiligen krank geworden, andere gestorben seien, weil sie bei der Feier des Heiligen Abendmahls den Leib des Herrn nicht angemessen gewürdigt hätten (11:29-30). Auch Paulus selber praktizierte diese Art der Züchtigung (1.Tim 18-20).

Wenn ungehorsame Kinder Gottes nach beiden Testamenten so streng bestraft wurden, dann müssen wir gewiss ein noch schlimmeres Schicksal erwarten, wenn Jemand die Errettung zurückweist, die Gott den Menschen in der Person Seines Sohnes Jesus Christus bereitet hat.

Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen, und Bücher wurden geöffnet; und noch ein Buch wurde geöffnet, das Buch des Lebens; und die Toten wurden gemäß der Dinge gerichtet, die in den Büchern geschrieben waren, gemäß ihren Taten. Und das Meer gab die Toten heraus, die darin waren, und der Hades gab die Toten heraus, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein Jeder von ihnen nach seinen Taten. Und der Tod und der Hades wurden in den feurigen See geworfen. Das ist der zweite Tod, der feurige See. Und Jeder, dessen Name nicht im Buch des Lebens eingeschrieben gefunden wurde, wurde in den feurigen See geworfen (Off 20:12-15).

Insbesondere diejenigen verdienen die Verdammnis, die die Heiligen willentlich gequält haben. Beachten Sie wieder, dass Gott in der unten zitierten Textstelle als gerecht in Seinem Gericht über die Sünder dargestellt wird.

Und der zweite Engel goss seine Schale in das Meer aus, und es wurde zu Blut wie von einem toten Menschen; und alles Lebende in dem Meer starb. Und der dritte Engel goss seine Schale in die Flüsse und in die Wasserquellen aus; und sie wurden zu Blut. Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: „Gerecht bist Du, der ist und der war, o Heiliger, dass Du dieses Urteil gefällt hast; den sie haben das Blut von Heiligen und von Propheten vergossen, und Du hast ihnen Blut zu trinken gegeben. Sie sind es wert.“ Und ich hörte den Altar sprechen: „Ja, o Herr, allmächtiger Gott, wahrhaft und gerecht sind Deine Gerichte“ (Off 16:3-7).

Nun können wir verstehen, warum die Sprüche die Rute als gerecht und das Gericht als rechtmäßig ansehen. In Sprüche 1 stellt die Weisheit vollkommen zurecht fest, dass die Gerechtigkeit erfüllt wird, wenn Sünder nicht nur das ernten, was sie beabsichtigten, sondern gleichzeitig auch das, was sie so reichlich verdienen.

„Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; Sie werden mich unablässig suchen, aber sie werden mich nicht finden, Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung. Darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels Und sich an ihren eigenen Ratschlägen übersättigen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten“ (1:28-32).

Schlussfolgerung

Wir können aus den Schriften keinen anderen Schluss ziehen als den, dass die Gerechtigkeit nach der Rute verlangt. Gottes Gerechtigkeit erfordert es, dass Er die Ungläubigen richtet und Sein eigenes Volk züchtigt. Gott hat das Königtum und irdische Autoritäten eingesetzt, um die Gerechtigkeit zu befördern und Übeltäter zu bestrafen (Spr 20:8, 24:25, 25:5; Rö 13:1-5). Desgleichen müssen auch Eltern Gerechtigkeit bei ihren Kindern belohnen und schlechte Taten bestrafen. Wenn Etwas in Ewigkeit gewiss ist und für unser Leben in Betracht gezogen werden muss, dann ist das die Tatsache, dass ein Sünder seine Strafe erhalten wird.

Sei dir dessen gewiss: Der Böse wird nicht ungestraft davonkommen, Aber die gerecht sind, werden frei sein (11:21, NIV).

Die Gesellschaft hat Unrecht, mein Freund – ganz und gar Unrecht! Es ist keine Sünde, wenn man ein Kind schlägt. Wenn Eltern gottgemäß sein wollen, müssen sie das Böse so behandeln, wie Gott es tut. Geradeso, wie Gott für den Sünder immer Vorsorge trifft, müssen Eltern ihrem Kind den Weg zum Leben zeigen. Geradeso, wie Gott Seine ungehorsamen Kinder züchtigt, müssen auch wir es tun, zu ihrem und zu unserem eigenen Nutzen. Die Rute ist gerecht. Zucht ist von Gott. Eine Tracht Prügel kann sogar ein spiritueller Akt sein. Sie ist es nicht immer, aber das ist Etwas, womit wir uns in unserer nächsten Lektion befassen werden.

Mein Freund, bist du bisher möglicherweise nachlässig mit dem Gebrauch der Rute gewesen, weil du dir Gott nicht als einen Züchtiger vorstellen möchtest? Möchtest du lieber einen fürsorglichen Gott haben als einen, der die Sünde bestraft? Viele von uns erziehen ihre Kinder einfach deshalb nicht richtig, weil ihnen das Vorbild – Gott – so nicht gefällt. Aber ob wir es nun mögen oder nicht: der Gott der Bibel – im Alten wie im Neuen Testament – ist ein Gott, der der Sünde im Leben der Gläubigen wie der Ungläubigen entgegen tritt.

Du und ich, wir haben die Wahl. Wir können entweder unsere Sündigkeit einsehen und die Vergebung annehmen, die uns Gott in der Person Seines Sohnes bereitet hat, oder wir müssen die Folgen unserer Sündigkeit erleiden – in Ewigkeit. Wenn wir uns für Seine Errettung entscheiden, wird Er uns weiterhin für unsere Sünden züchtigen, doch nur so, dass wir daran wachsen und reifen, um Ihm ähnlicher zu werden. Wie möchtest du Gott gerne gegenübertreten: als ein Sohn oder als ein Sünder, der Seinen Sohn zurückgewiesen hat? Du hast die Wahl, mein Freund. Ich bete dafür, dass du dich für den Weg der Weisheit entscheidest, für den Weg des Lebens durch den Herrn Jesus Christus. Er starb am Kreuz von Golgatha für deine Sünden. Er bietet all denen Erlösung an, die an Sein Werk in Golgatha glauben. Lege dein Vertrauen noch heute in Ihn.


46 Richard Ruble, “Should Children Be Spanked?” [Sollte man Kinder schlagen?] Journal of Psychology and Theology, Juli 1973, S. 64-65.

47 Hier zitiert Ruble Ginnot (S. 181), der in dem obigen Artikel auf S. 64 angeführt wird.

48 In diesem Artikel steht, dass Richard Ruble seinen Abschluss (Masters) am Faith Seminary machte und den Titel eines Doktors der Theologie vom Dallas Theological Seminary erhielt. Anschließend war er Vorsitzender der Abteilung für biblische Studien und lehrte er als Professor für Bibel und Psychologie an der John-Brown-Universität.

49 “Should Children Be Spanked?” [Sollte man Kinder schlagen?] S. 66.

50 In einer veröffentlichten Erwiderung auf Dr. Rubles Artikel weist Alan R. McThomas auf viele Denkfehler von Ruble hin. McThomas, der damals Doktorand an der Rosemead Graduate School of Psychology war, äußert die Hoffnung, dass nicht alle, die Theologie und Psychologie in Einklang bringen wollen, dabei die falschen Schlüsse ziehen. Vgl. Alan R. McThomas, “Reaction” [Entgegnung], Journal of Psychology and Theology, Juli 1973, S. 67-69.

51 Richard Ruble, “Should Children Be Spanked? A Reply To McThomas” [Sollte man Kinder schlagen? Eine Antwort auf McThomas], Journal of Psychology and Theology, Oktober 1973, S. 79.

52 Dr. Ruble schreibt: „… die Erwähnung von Schlägen für ein Kind kann einfach als eine Metapher dafür angesehen werden, dass Kinder Strafen brauchen, von denen Schläge eben eine bekannte Form darstellten.“ (‚Sollten Kinder geschlagen werden?’ Juli 1973, S. 65). Mit dieser Feststellung selbst habe ich wenig Probleme, aber bei ihrer Ausformung ignoriert Dr. Ruble buchstäblich die klare Aufforderung der Sprüche zum Gebrauch der Rute. Für ihn, so scheint es, würde das Tor zu einer ganzen Welt voller Misshandlungen geöffnet, wenn man ‚die Rute’ als etwas Anderes denn eine Metapher einstufen würde. Selbst wo die ‚Rute’ aber eine Metapher darstellt, drückt sie doch die Form der Strafe aus, die die Sprüche meinen – und genau diese Form der Strafe will Ruble nicht als relevant für heutige Eltern betrachten.

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17. Weisheit und Kindererziehung (Teil IV)

Die Grundlagen der göttlichen Zucht

Einleitung

Wenn die Bibel über das Verhältnis zwischen Gott und Seinem Volk spricht, so tut sie dies mit den Worten ganz intimer familiärer Beziehungen: Manchmal wird das Volk Gottes mit einer Verlobten oder Ehefrau verglichen (z.B. Jes 62:5; Jer 3:32; Hes 16:32; Hos 2:2; Eph 5:22-33; Off 21:9); an anderen Stellen wird das Verhältnis eines Glaubenden zu Gott dem eines Sohnes zu seinem Vater gleichgesetzt.

Dann sollst du zu Pharao sagen: „So spricht der Herr: ‚Israel ist Mein Sohn, Mein Erstgeborener’“ (Ex 4:22).

„Ich will ihm ein Vater sein, und er wird Mir ein Sohn sein; wenn er Unrecht tut, so will Ich ihn mit der Rute der Menschen und mit den Schlägen der Menschensöhne zurechtweisen; aber Meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie Ich sie von Saul weichen ließ, den Ich vor dir weggenommen habe“ (2.Sa 7:14-15; vgl. auch Deu 32:6; Jes 63:17; Jer 3:19, 31:9).

So viele Ihn aber aufnahmen, die ermächtigte Er, Gottes Kinder zu werden, gleich denen, die an Seinen Namen glauben (Joh 1:12).

Denn ihr habt nicht den Geist der Sklaverei empfangen, dass ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Annahme an Sohnes Statt empfangen, durch welchen wir ausrufen: „Abba! Vater!“ (Rö 8:15).

J.I. Packer ist der Meinung, dass das Wesen des Christentums in keinem anderen Begriff besser zum Ausdruck kommt als in dem der ‚Söhne Gottes’.53 Diese Beziehung hilft Eltern, die ihre Kinder auf gottgemäße Art erziehen möchten: sie sagt ihnen, dass die elterliche Zucht nach der unseres Vaters gestaltet werden soll. Göttliche Zucht ist also das Vorbild für die elterliche Erziehung.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen hat (3:11-12).

Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und der Anleitung des Herrn (Eph 6:4; vgl. auch Deu 8:5; Heb 12:7-13).

Wir haben zuvor darüber gesprochen, warum Eltern ihre Kinder züchtigen müssen. Wir müssen die Rute einsetzen, weil die Sprüche das von uns fordern (vgl. 13:24, 19:18, 23:13, 29:17). Und wir müssen die Rute einsetzen, weil Gott das auch tut. Wenn wir gottgemäß (Gott ähnlich) sein wollen, müssen wir mit der Sünde genauso umgehen, wie Gott es tut. Es kann niemals gottgemäß sein, das Böse einfach zu ignorieren. Sobald wir aber verstanden haben, warum wir züchtigen müssen, sollten wir auch zu verstehen suchen, wie wir züchtigen müssen. Unser Vorbild dabei ist Gott, der Vater, wie Er Seine Kinder züchtigt. Wir werden besser begreifen, wie die Rute – getreu der Anweisung im Buch der Sprüche – eingesetzt werden muss, wenn wir die Methoden betrachten, die Gott zu unserer Züchtigung einsetzt.

Das also ist das Thema dieser Studie – die Grundsätze der göttlichen Zucht. Da es sich um ein weitläufiges Thema handelt, müssen wir uns in zwei aufeinander folgenden Lektionen damit beschäftigen.

Züchtigung ist nicht
dasselbe wie Bestrafung

Wir müssen uns bewusst sein, dass Gott Seine Kinder anders behandelt als die Ungläubigen. Ungläubige werden dafür bestraft, dass sie nicht glauben und Gottes Fürsorge für die Sünder mit Vorbedacht zurückweisen (vgl. Spr 1:20-32). Für diejenigen, die ihren Glauben in Ihn setzen, hat Christus die Strafe übernommen. Daher werden Christen nicht für ihre Sünden bestraft – sie werden vielmehr gezüchtigt, damit sie Gehorsam und Reife erlangen.

Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen: Der Begriff ‚Zucht’, das muss betont werden, bezieht sich darauf, wie Gott im Leben Seiner Kinder wirkt – über die Zurechtweisung für begangene Sünden hinaus. Anders ausgedrückt kann man sagen, dass Gott den züchtigt, der sich nicht einer bestimmten Sünde schuldig gemacht hat. Beachten Sie die folgenden Beispiele, in denen der Begriff ‚Züchtigung’ in diesem erweiterten Sinn gebraucht wird.

„Aus den Himmeln ließ Er dich Seine Stimme hören, um dich zu züchtigen; und auf der Erde ließ Er dich Sein großes Feuer sehen, und mitten aus dem Feuer hörtest du Sein Wort“ (Deu 4:36).

„So sollst du in deinem Herzen wissen, dass der Herr dein Gott dich gezüchtigt hat, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt. Daher sollst du die Gebote des Herrn deines Gottes halten und auf Seinen Wegen wandeln und Ihn fürchten“ (Deu 8:5-6).

„Und wisset an diesem Tag, dass Ich Mich nicht an eure Söhne wende, die die Zucht des Herrn eures Gottes nicht nicht gekannt und nicht gesehen haben – Seine Größe, Seine starke Hand und Seinen ausgestreckten Arm“ (Deu 11:2).

Das Wort ‘Zucht’ oder ‘Züchtigung’ erscheint in jedem dieser Verse, aber es wird nicht im Zusammenhang mit einer Bestrafung für Sünden gebraucht. In Deuteronomium 4:36 ‚züchtigt’ Gott Israel bei der Verkündung der Gebote auf dem Berge, indem Er Seinen Ruhm und Seine Macht durch Blitze, Posaunenschall und Rauch aus dem Berg demonstriert (Ex 20:18,22). Diese Offenbarung von Gottes Größe zielt darauf ab, dass Israel Gott den Herrn zu fürchten lerne und also nicht mehr sündige (Ex 20:20). Man könnte das eine vorbeugende Züchtigung nennen.

In Deuteronomium 8:5 spricht Gott erneut davon, Israel zu züchtigen. Das tut Er, indem Er sie, ohne die gewohnte Versorgung mit Dingen wie Wasser und Nahrung, in die Wüste führt. In diesen Jahren wird das Volk Gottes auf die Probe gestellt und gelehrt, darauf zu vertrauen, dass Gott all ihre Bedürfnisse erfüllt (8:2-3). In der Zeit der Not lernt Israel Gott zu fürchten (Deu 8:6), auf Ihn zu vertrauen und Ihm zu gehorchen.

Auch in Deuteronomium 11:2 wird diese Art der Zucht deutlich. Gott ‘züchtigt’ die Israeliten dadurch, dass er Seine Macht und Größe offenbart. Durch Seine Werke während und nach dem Auszug aus Ägypten erweist Gott Sich als allein würdig, Israels Anbetung und Gehorsam zu empfangen. Auf Gottes Größe und auf Seiner Befreiung des Volkes Israel basiert die Gehorsamspflicht Seinen Geboten gegenüber (Deu 11:8-9).

Diese Art der Züchtigung, wie sie in den genannten Kapiteln des Buches Deuteronomium beschrieben wird, findet sich genauso auch an anderen Stellen im Alten wie im Neuen Testament. Joseph wurde sein Schicksal – von den Brüdern betrogen, ein Sklave in fremdem Land und ungerecht gefangen gesetzt zu werden (Gen 37-41) – nicht aufgrund eines sündigen Lebens zuteil, sondern damit er für die vor ihm liegende Verantwortung gestärkt und vorbereitet werde (vgl. Gen 50:20). Und auch Hiob litt nicht um seiner Sünden Willen, denn Gott nannte ihn „einen untadeligen und aufrechten Mann, gottesfürchtig und das Schlechte meidend“ (Hi 1:8).

In dem genannten Sinn wurde selbst der Herr Jesus von Gott ‚gezüchtigt’, um Gehorsam trotz allem Ungemach zu lernen.

In den Tagen Seines Fleisches brachte Er Gebete und flehende Bitten mit lautem Schreien und mit Tränen vor Dem dar, Der Ihn vor dem Tode erretten konnte, und Er wurde wegen Seiner Gottesfürchtigkeit erhört. So lernte Er, wiewohl er Sohn war, Gehorsam aus alldem, was Er erlitt; und nachdem Er vollkommen gemacht worden war, wurde Er die Quelle ewiger Rettung für alle, die Ihm gehorsam sind (Heb 5:7-9).

Deshalb kann der Verfasser auch in Kapitel 12 zu den Hebräern sagen, dass das Leiden als eine normale Erfahrung zum Christentum gehört, als eine Erfahrung, die zu unserem Besten ist und darauf abzielt, dass wir heilig werden (Heb 12:10).

Genau an diesem Punkt kommt es oft zu ernsthaften Fehlurteilen. Manche Christen denken so wie Eliphas, Hiobs ‚Freund’, der darauf bestand, dass Mühsal und Leiden (‚Zucht’) stets aus den Sünden im Leben eines Heiligen resultieren.

„Liegt es an deiner Ehrfurcht, dass Er dich zurechtweist, mit dir ins Gericht geht? Ist nicht [vielmehr] deine Schlechtigkeit groß und deiner Verfehlungen kein Ende?“ (Hi 22:4-5)

Eliphas hatte Unrecht. Sowohl ‚wegen’ als auch ‚für’ Hiobs Ehrfurcht vor Gott ließ Er zu, dass Hiob in der Hand Satans leide. Leiden (‚Züchtigung’) entsteht nicht notwendigerweise aus Sünde.

Manche Menschen halten noch heute an diesem Irrtum des Eliphas fest, während Andere derartige Gedanken ganz und gar verwerfen. Sie glauben überhaupt nicht daran, dass Gott die Menschen für ihre Sünden züchtigt, geschweige denn, dass Er Seine eigenen Kinder – auch ohne dass sie gesündigt haben – züchtigt, um sie zu christlicher Reife zu bringen. Diese Menschen aber verbreiten lediglich den Irrtum, den als Erster Satan vor Jahrtausenden äußerte, als er Eva verführte.

Nun war die Schlange raffinierter als alle anderen Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte. Und sie sagte zu der Frau: „Sollte Gott wirklich gesagt haben ‚Ihr sollt nicht von jedem Baum des Gartens essen’?“ (Gen 3:1).

Was Satan mit dieser Frage ausdrücken wollte, ist offensichtlich: Wie könnte ein guter und gnädiger Gott Seinen Kindern je etwas Gutes vorenthalten? Die Antwort auf diese Frage ist, wie Christen wissen, dass Gott damit Adam und Eva nicht etwas Gutes vorenthielt, sondern etwas Schädliches für sie verhinderte. Dieses Verhindern (Satan würde es als Beraubung betrachten) war zusätzlich eine Prüfung für ihren Glauben an Gott und für ihren Eifer, Ihm auch dann zu gehorchen, wenn sie nicht verstanden, warum Er sie nicht von der verbotenen Frucht essen ließ.

Aus der gleichen Vorstellung heraus nahm Satan auch an, dass Hiob Gott nur so lange dienen würde, wie Gott ihm das lohnte. Lass Gott erst einmal Widrigkeiten in Hiobs Leben bringen, so argumentierte er, dann wird Hiob Gott auf der Stelle entsagen. Dass Hiob inmitten aller Prüfungen weiter auf Gott vertraute, konnte Satan sich einfach nicht vorstellen.

Kein Wunder, also, dass Satan unseren Herrn versuchen wollte, indem er Ihm vorschlug, Steine zu Brot werden zu lassen. Schließlich hatte Jesus 40 Tage ohne Nahrung in der Wüste verbracht. Gewiss konnte Gott nicht wollen, dass Sein Sohn etwas so Grundlegendes wie Brot entbehrte, oder? Die Antwort unseres Herrn ist ein Zitat aus dem 8. Kapitel des Buches Deuteronomium: Gehorsam Gott gegenüber ist wichtiger als die Erfüllung unserer körperlichen Bedürfnisse (Mat 4:4). Gott führte nämlich die Israeliten aus dem gleichen Grund 40 Jahre lang durch die Wüste, aus dem auch der Heilige Geist unseren Herrn 40 Tage lang in die Wüste führte: Der Mensch muss lernen, an Gottes Wort mehr als an allem Anderen – sein tägliches Brot eingeschlossen – zu hängen. So wie Israel lernte auch unser Herr in der Wüste die Zucht. Wäre Er Satans Vorschlag gefolgt, hätte Er dann nicht auch argumentieren können, dass es unmöglich Gottes Willen sein konnte, Ihn am Kreuz von Golgatha leiden zu lassen? Die Zucht lehrt Gottes Kinder, Ihm selbst dann zu gehorchen, wenn es weh tut.

Die Erziehung von Kindern umfasst also viel mehr als sie nur für begangene Fehler zurechtzuweisen. Sie schließt auch ein, ihnen mit den Widrigkeiten des Lebens so umgehen zu helfen, dass sie in Zeiten, wo Er nicht da oder ihren Bitten gegenüber gleichgültig zu sein scheint, im Glauben wachsen und Gott gehorchen lernen.

Diese Zucht sollte, nach dem Buch Deuteronomium, Gottes Volk lehren, den Herrn zu fürchten und sich vom Bösen abzukehren. In gleicher Weise betont das Buch der Sprüche häufig die Furcht des Herrn (1:7, 9:10, 15:33 u.A.). Eltern müssen also danach streben, dass ihre Kinder sie zu respektieren lernen; geradeso wie wir lernen müssen, Gott zu fürchten, um uns vom Bösen abzukehren (Spr 3:7, 8:13).

Zu fordern, dass Eltern es ihren Kindern absichtlich schwer machen sollten, ginge sicher zu weit. Andererseits bin ich überzeugt, dass wir uns vorsehen müssen, ihnen das Leben nicht zu leicht zu machen. Eltern, die selbst unter Entbehrungen aufgewachsen sind und hart arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen, neigen oft dazu, ihren Kindern das Leben möglichst leicht zu machen. Das Leben – auch das christliche Leben – ist schwer. Aber gerade dann, wenn wir im Leben zu kämpfen haben, lernen wir am besten, aus dem Glauben zu leben – so wie ein Baum auf Trockenheit reagiert, indem er seine Wurzeln immer tiefer in den Boden einsenkt. Lassen Sie uns also danach streben, dass wir unseren Kindern schlechte Zeiten durch Gottvertrauen, Glauben und Gehorsam überwinden helfen, statt stets zu versuchen, alle Widrigkeiten des Lebens von ihnen fernzuhalten.

Die Zucht, die wir in Deuteronomium 4, 8 und 11 beschrieben finden, stellt die Grundlage jeder anderen Form von Erziehung dar. Gott begründete als Allererstes Seine Autorität über Israel, indem Er Seine Kraft und Macht offenbarte. Niemand sollte fragen müssen „Warum soll ich Gott gehorchen?“ Die Antwort auf diese Frage stand schon lange fest, bevor das Gesetz durch Moses verkündet wurde. Gott hat die Souveränität über den Menschen, weil Er der Schöpfer des Menschen ist (Gen 1-2). Und über die Israeliten hat Gott zusätzliche Souveränität, weil Er sie aus der Knechtschaft führte, damit sie Seine Diener würden (Lev 25:55). Gottes Autorität gründet sich auf Seine große Macht und seinen Ruhm. Das zeigte sich, als Er das Gesetz gab (vgl. Ex 20:18-26).

Mir gefällt die Frage, die Dr. James Dobson dazu stellt: „Wer ist hier der Verantwortliche?“ Das ist etwas, was sehr früh im Leben eines Kindes klargestellt werden muss. Gott begann Sein Volk zu züchtigen, indem Er zunächst Seine Autorität, Sein Recht über sie zu herrschen, eindeutig festlegte. Er gab dem Volk Israel seine Verfassung, und zwar eine, die alleine durch Ihn gestaltet wurde. Genauso müssen Eltern ihr Recht zu bestimmen in der Familie eindeutig festlegen. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass Kinder klein und Eltern groß sind. Das ist einer der Wege, wie Gott dem Kind zeigt, dass seine Eltern das Recht haben zu bestimmen. Gleich ob es noch andere Gründe dafür gibt – jedenfalls sind Eltern genau so größer und stärker als das Kind, wie Gott unendlich mächtiger ist als wir.

Wenn das so ist, sind moderne Theorien über Kindererziehung meiner Meinung nach ganz schön in Schwierigkeiten. Sie sagen uns, dass wir mit Kindern auf deren eigenem Level umgehen sollen. Wir sollen mit ihnen als mit Ebenbürtigen sprechen. Wir sollen uns auf demokratische Weise darüber einigen, was getan werden soll. Dieser Meinung bin ich nicht. Zwar muss ein Kind am Ende dahin gelangen, dass es seine eigenen Entscheidungen trifft, aber damit beginnen kann man den Prozess der Kindererziehung nicht. Eltern müssen sehr früh klarstellen, dass sie das Recht zu bestimmen haben, und dann dieses Recht, wann immer es infrage gestellt wird, durch zurechtweisende Züchtigung bestätigen. „Wer ist hier der Verantwortliche?“ Die Bibel sagt uns, das wir, die Eltern, es sind. Machen wir das also unseren Kindern klar. Macht heißt nicht, dass man immer Recht hat, aber sie begründet das Recht zu bestimmen. Nehmen wir die Herrschaft auf. Und übernehmen wir die Verantwortung in unserer Familie.

Strafende Züchtigung
ist die Antwort auf einen bewussten Verstoß
gegen eindeutig festgelegte Verhaltensregeln

Wir finden reichlich Anleitung für Eltern in der Art, wie Gott mit dem Volk Israel umging. Gott hielt nicht nur konsequent sein Herrschaftsrecht fest, sondern Er macht auch eindeutig klar, nach welchen Regeln sich Sein Volk verhalten sollte. Durch das Gesetz belehrte Gott die Israeliten darüber, was von ihnen erwartet wurde und welche Konsequenzen ihr Gehorsam oder Ungehorsam haben würde.

„Wenn ihr in Meinen Satzungen wandelt und Meine Gebote haltet und sie ausführt, dann werde Ich euch Regen zu seiner Zeit geben, so dass das Land seinen Ertrag gibt und die Bäume des Feldes ihre Frucht tragen. Und euer Dreschen wird bis zur Weinlese dauern, und die Weinlese bis zur Aussaatzeit. Dann werdet ihr bis zur Sättigung zu essen haben und in eurem Land in Sicherheit wohnen“ (Lev 26: 3-5).

„Aber wenn ihr Mir nicht gehorcht und alle diese Gebote nicht ausführt, wenn ihr stattdessen Meine Satzungen verwerft und eure Seele Meine Bestimmungen verabscheut, so dass ihr all Meine Gebote nicht haltet und so Meinen Bund brecht, dann will Ich Meinerseits euch Dieses zufügen: Ich will euch mit plötzlichem Schrecken heimsuchen, mit Auszehrung und Fieber, das das Augenlicht dahinschwinden und die Seele verkümmern lässt; und ihr sollt euren Samen umsonst säen, denn eure Feinde werden ihn verzehren. Und Ich will Mein Angesicht gegen euch richten, so dass ihr vor euren Feinden zu Boden geschlagen werdet; und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, wo Keiner euch verfolgt. Und wenn ihr Mir nach alldem noch immer nicht gehorcht, dann will Ich euch noch siebenfach mehr für eure Sünden strafen“ (Lev 26:14-18).

Hier im Buch Levitikus, wie auch an anderen Stellen (z.B. Deuteronomium 28), macht Gott klar, dass Ungehorsam gegenüber Seinem Gesetz göttliche Züchtigung nach sich ziehen wird. In den Tagen der Richter lebten die Menschen nicht in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz, sondern „ein Jeder tat, was in seinen eigenen Augen recht war“ (Ri 21:25). Als Nehemia im Gebet die Sünden seiner Landsleute bekannte, gestand er ein, dass Gott Sein Volk zurecht gezüchtigt hatte, da sie Sein Gesetz vernachlässigt hatten (Ne 9:29). Gottes strafende Züchtigung wird eindeutig über die Bösen kommen – über die, die Gottes Wort verabscheuen und nicht bereit sind, ihm zu gehorchen (vgl. Ps 50:17).

So wie den Eltern die Verantwortung übertragen wurde, ihre Kinder das Gesetz Gottes zu lehren (Deu 6), so erhob Gott auch Propheten, die die Israeliten das Gesetz lehrten und sie vor den Folgen des Ungehorsams warnten – und doch hörten und gehorchten diese nicht (vgl. Jer 2:30-31, 5:3-6, 7:28, 11:1-8; Hes 5:5-8). Wann immer Gott Israel züchtigte und andere Völker als Seine ‚Rute’ gebrauchte, gab es keinen Zweifel darüber, warum Er Sein Volk jeweils so behandelte, wie Er es tat.

Daraus ergibt sich eine wichtige Richtschnur für uns als Eltern. Gott fordert in den Sprüchen, dass wir von der ‚Rute’ Gebrauch machen. Wir dürfen Kinder aber nur dann mit der ‚Rute’ zurechtweisen, wenn sie mit Absicht gegen eine eindeutig festgelegte Regel verstoßen haben und wenn die Konsequenzen aus einem solchen Regelverstoß zuvor genau bekannt gegeben wurden. Nichts frustriert Kinder mehr, als wenn sie für Etwas bestraft werden, von dem sie gar nicht wussten, dass es falsch ist, oder wenn die Regeln ständig geändert werden. Lassen Sie uns also gottähnlich in unserer Zucht sein, indem wir die Verhaltensregeln klar und einfach gestalten und sie konsequent vertreten, damit unsere Kinder wissen, was von ihnen gefordert wird und was geschieht, wenn sie nicht gehorchen.

Noch ein weiteres Prinzip wird hier ersichtlich. Gottes Gesetz enthielt nicht nur Vorschriften, sondern auch Grundsätze. Ein sehr kleines Kind ist in der Lage, einfache Regeln zu verstehen und zu befolgen, auch wenn es die Gründe dafür noch nicht einsieht (z.B. „Spiel nicht an den Steckdosen herum“). Früher oder später kommt es dann jedoch darauf an, dass Eltern ihrem Kind die Regeln auch begründen. Eine Regel, für die es keine Begründung gibt, sollte abgeschafft werden. Wenn es aber eine fundierte Begründung für die Regel gibt, sollte das Kind sie kennen.

Das alttestamentarische Gesetz enthielt weit mehr als nur einen Satz von strikt zu befolgenden Vorschriften. Hinter den einzelnen Geboten und Verboten (Vorschriften) standen vielmehr bestimmte Grundsätze. Über diese Grundsätze sann der Psalmist nach (vgl. Ps 119). Und Paulus konnte auf einen Text anspielen, der den Bauern aufforderte, seinem Ochsen keinen Maulkorb anzulegen, und diesen auch auf die Prediger des Evangeliums beziehen (1.Kor 9:8-9). Desgleichen betonten auch die Propheten das Grundsätzliche (z.B. Hos 6:6). Im Gegensatz dazu war das Judentum häufig mehr von den Vorschriften eingenommen; und das in einem Ausmaß, dass Jesus die religiösen Führer zurecht anklagen konnte, „die Mücke“ (die peinlich genauen Vorschriften der Pharisäer) auszusieben, „das Kamel“ (die im alttestamentarischen Gesetz enthaltenen Grundsätze) aber herunterzuschlucken (Mat 23:24). Die Bergpredigt zeigte, wie unser Herr – im Gegensatz zu den Pharisäern – das Gesetz auslegte. Auch die Propheten des Alten Testaments sprachen, wie unser Herr, mehr über die grundlegenden Aspekte der Gerechtigkeit, Gnade und einen gehorsamen Geist, als über die kleinlichen Übertretungen menschengemachter Regeln.

Die elterliche Zucht ist zwar unumgänglich, das eigentliche Ziel aber ist die individuelle Selbstdisziplin. Das ist der Grund, warum die Sprüche unser Augenmerk nicht so sehr auf die Vorschriften als vielmehr auf die Grundsätze lenken, von denen das Leben geleitet sein soll. Das in den ersten Kapiteln der Sprüche ansgesprochene Kind ist ein Jugendlicher, der das Alter erreicht hat, in dem er seine eigenen Entscheidungen treffen muss, in dem seine Eltern nicht länger für ihn denken können und wollen. Wenn ein Kind weise und gottgefällig aufwachsen soll, so muss das aus seinem eigenen Wunsch nach Frömmigkeit heraus geschehen – und aus seiner eigenen Diziplin heraus, aufgrund derer es sich schädliche Vergnügungen und riskanten Umgang versagt.

Einer der größten Fehler, den christlichen Eltern machen können, liegt darin, dass sie sich mehr auf die Regeln als auf die Begründungen, mehr auf die Vorschriften als auf die Grundsätze im Leben konzentrieren. Wenn wir unsere Kinder so züchtigen, wie Gott es mit Israel tat (und jetzt mit uns tut), dann stehen am Anfang zwar die Regeln, danach lenken wir die Aufmerksamkeit unserer Kinder dann aber auch bald auf die Begründungen. Nur so kann Reife entstehen. Oft haben unsere Kinder noch nicht zu denken gelernt, wenn wir sie schon auf das College schicken. Das liegt daran, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch immer fraglosen Gehorsam von ihnen erwarten, so als ob sie noch ganz kleine Kinder wären. Äußere Disziplin ist notwendig für unreife Menschen, aber sie ist (als Legalismus) der Entwicklung von Selbstdisziplin sehr abträglich. Lassen Sie uns also Männer und Frauen von Grundsätzen sein und unsere Kinder dasselbe lehren.

Göttliche Züchtigung ist vielfältig

Wenn uns der Begriff ‚Rute’ in den Sprüchen begegnet, nehmen wir fast automatisch an, er beziehe sich auf einen Stock oder eine Gerte. Im Allgemeinen würde ich diesem buchstäblichen Verständnis der ‚Rute’ in den Sprüchen zustimmen. Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass der Begriff ‚Rute’ an anderen Stellen in der Bibel (z.B. 2.Sa 7:14; Hi 9:34; Jes 9:4, 10:5; Klg 3:1; 1.Kor 4:21) nicht so wörtlich gemeint ist, sondern sich in einem erweiterten Sinne auf Züchtigung oder Zurechtweisung bezieht. Manche Christen, fürchte ich, ignorieren die Tatsache, dass Züchtigung viele verschiedene Formen annehmen kann, und greifen nur auf die Gerte, den Gürtel oder den Stock zurück. Ich möchte die Aufmerksamkeit all derer, für die die ‚Rute’ nur eine Tracht Prügel bedeutet, hier einmal auf die unterschiedlichen Formen lenken, die die göttliche Züchtigung in den Schriften annimmt.

In Levitikus 26:14-39 werden ganz verschiedene Folgen beschrieben, die sich aus einem Bruch des Gesetzes ergeben können. Und wenn die göttliche Züchtigung einsetzt und das Gesetz trotzdem weiterhin missachtet wird, können sogar noch schlimmere Folgen auftreten (26:18ff.). Auch Deuteronomium 28 beschreibt die Folgen des Ungehorsams gegenüber Gottes Gesetz.

An vielen Stellen in den Schriften besteht die Züchtigung für den Menschen darin, dass er die natürlichen Folgen seiner Sünden erleidet.

„Hast du dir dies nicht selbst angetan, indem du den Herrn deinen Gott verließest, so oft Er dich auf deinem Weg geleitete? Und nun, was suchst du auf dem Weg nach Ägypten, um die Wasser des Nils zu trinken? Oder was willst du auf dem Weg nach Assyrien, um die Wasser des Euphrat zu trinken? Deine eigene Schlechtigkeit wird dich zurechtbringen und deine Untreue wird dich zurechtweisen. Erkenne also und sieh, dass es schlecht und bitter für dich ist, wenn du den Herrn deinen Gott verlässt und Meine Furcht nicht in dir ist“, so spricht der Herr Gott der Heerscharen (Jer 2:17-19).

David sündigte, indem er die Frau Urias nahm und ihn selber zu Tode brachte. Die Folgen seiner Sünde bezogen sich direkt auf die Sünde selbst:

„Warum hast du das Wort des Herrn verachtet, dass du getan hast, was böse ist in Seinen Augen? Du hast Uria, den Hethiter, durch das Schwert erschlagen; seine Frau hast du dir zur Frau genommen, und ihn hast du mit dem Schwert der Söhne Ammons getötet. Daher wird nun das Schwert niemals von deinem Hause weichen, weil du Mich verachtet hast und hast die Frau Urias, des Hethiters, zu deiner Frau gemacht.“ So spricht der Herr: „Siehe, Ich werde Unheil über dich bringen aus deinem eigenen Hause; Ich will dir deine Frauen vor deinen eigenen Augen nehmen und sie deinem Nächsten geben, und er soll im hellen Tageslicht bei deinen Frauen liegen“ (2.Sa 12: 9-11).

Gerade so, wie David die Frau Urias genommen hatte, sollten auch seine Frauen genommen werden. Gerade so, wie David das Schwert gegen Uria eingesetzt hatte, sollte auch sein Haus durch das Schwert leiden.

In der Geschichte vom Verlorenen Sohn in Lukas 15 steht der Vater für Gott und der Verlorene für die Steuereinnehmer und die Sünder. Der ‚nicht verlorene’ Sohn stellt die religiösen Führer zu Jesus Zeiten dar, die zwar Sünder waren, davon aber nichts wissen wollten, und die es übelnahmen, dass Gott denen Gnade zeigte, die es nicht verdient hatten. Der Vater hätte auch andere Wege finden können, um seinen Sohn zu bestrafen, aber er zog es vor, ihn sein Erbe verschleudern zu lassen. Und dort im Schweinestall zwischen den Essensabfällen kam der junge Mann zur Besinnung und entschloss sich, zu seinem Vater zu gehen und ihn um Vergebung zu bitten. Die Zucht, die Reue und Buße bewirkt, wurde also besser dadurch erreicht, dass der Sohn Fehler machen durfte, als durch den buchstäblichen Gebrauch der Rute.

Ich halte Vielseitigkeit aus einer ganzen Reihe von Gründen für eine wichtige Voraussetzung elterlicher Zucht. Jeder dieser Gründe wird aus dem größeren Feld der göttlichen Zucht ersichtlich.

1. GÖTTLICHE ZUCHT SETZT NUR SO VIEL ZWANG BZW. SCHMERZ EIN, WIE NÖTIG IST, UM REUE HERVORZURUFEN. Gott beabsichtigt mit Seiner Züchtigung, Seine Kinder zurechtzuweisen; und es gibt keinen Grund, dabei mehr Schmerzen zu verursachen als nötig ist, um sie zur Buße zu bewegen. Die Sprüche lehren uns, dass ein Weiser durch einen einzigen Tadel korrigiert wird, während ein Tor sich selbst durch Schläge kaum beeindrucken lässt (9:7-9, 17:10). Eine ‚Rute’ ist nur bei denjenigen erforderlich, die auf Argumente nicht hören können oder wollen, denn deren Aufmerksamkeit wird erst durch Schmerzen geweckt (19:29, 26:3, 29:19). Warum sollte man ein Kind schlagen, wenn es weise genug ist, sich durch ein Wort korrigieren zu lassen – vorausgesetzt seine Reue ist echt? (Dabei spielen allerdings noch einige andere Faktoren eine Rolle, die wir später diskutieren werden.)

2. GÖTTLICHE ZUCHT IST INDIVIDUELL ZUGESCHNITTEN AUF DEN, DER GEZÜCHTIGT WIRD. In den Schriften bestraft Gott die Ungläubigen und züchtigt Seine Kinder in jeweils individueller Weise. In Lukas 12:47-48, beispielsweise, erhielt der Knecht, der dem Willen seines Herrn wissentlich zuwider gehandelt hatte, viele Peitschenhiebe, aber der, der unwissend war, nur wenige. Gott behandelt uns entsprechend unserer Reife und unserem geistlichen Alter. In der Anfangszeit wurden die korinthischen Christen noch nicht dafür getadelt, dass sie ‚fleischlich’ und unreif waren; etliche Zeit später aber wurden sie als dem Fleisch verhaftet bezeichnet (1.Kor 3:1-3). Auch werden Führer, wegen ihres Einflusses auf Andere, strenger behandelt als die Nachfolgenden (vgl. Jer 23; Hes 34; Mat 23; Mar 9:42; Luk 17:1-2; Joh 3:1). Zudem behandelt Gott uns nicht nur gemäß unserer Taten, sondern auch gemäß unserer Einstellungen und Motive (Mat 5:21-37; 1.Kor 4:5).

Göttliche Zucht trägt der Tatsache Rechnung, dass falsches Verhalten aus beliebig vielen Problemen herrühren kann, von denen nicht alle sündig sein müssen.

Und wir bitten euch dringend, Brüder, ermahnt die Unordentlichen, ermutigt die Kleingläubigen, helft den Schwachen, und seid langmütig gegenüber allen Menschen (1.Th 5:14).

Manchmal neigen wir dazu, alle Menschen gleich zu behandeln. Einige Menschen sind so eifrig im Kritisieren und Verbessern, dass sie jeden Fehler tadeln, egal warum er geschehen ist. Nehmen Sie beispielsweise an, dass meine Tochter es versäumt hätte, die Fenster zu putzen, wie ich es ihr aufgetragen hatte. Wenn das Kind noch klein ist und die Fenster nicht erreichen kann, ist dieses Versäumnis nicht ihre Schuld: Sie kann gar nicht tun, was ich ihr aufgetragen habe. Wenn ich ihr eine Leiter gäbe, sie aber Höhenangst hätte, müsste ich sie beruhigen und ermutigen und sie vielleicht festhalten, solange sie auf der Leiter steht, aber ich müsste sie nicht schlagen. Wenn sie aber willentlich ungehorsam gewesen wäre, dann wären ein Tadel oder die Rute angebracht. Göttliche Disziplin behandelt den einzelnen Menschen unter Berücksichtigung dessen, wer und was er ist. Und genauso muss unsere Erziehung individuell angepasst werden.

3. GÖTTLICHE ZUCHT STELLT JEWEILS DEN ANGEMESSENSTEN UND WIRKSAMSTEN WEG DAR, AUF DEM REUE ERREICHT WERDEN KANN. Wir haben gesehen, wie Gott David so züchtigte, dass es zu den Sünden passte, die dieser begangen hatte. Wenn wir für praktisch jedes Fehlverhalten den Schlagstock hernehmen, machen wir damit wahrscheinlich oft von einer unangemessenen und daher weniger effektiven Art der Züchtigung Gebrauch. Wenn Ihr 17-jähriger Sohn beispielsweise über Ihre elterliche Sperrstunde hinaus ausbliebe, würde er danach wohl lieber eine Tracht Prügel in Kauf nehmen als eine Zeit lang Hausarrest zu erhalten. Seine sozialen Vorrechte zu verlieren ist meiner Meinung nach aber in diesem Fall passender und lehrreicher als Schläge. Ebenso waren der Schweinestall und die Essensreste wirksamer zur Bekehrung des Verlorenen Sohnes als es eine Tracht Prügel gewesen wäre. Lassen Sie uns also die ‚Rute’, die wir einsetzen, genauso sorgfältig auswählen, wie Gott es tut.

Schlussfolgerung

Ich möchte die Grundsätze der göttlichen Zucht, die ich in dieser Lektion darzustellen versucht habe, noch einmal kurz zusammenfassen. Erstens: Wir müssen unsere Kinder nicht nur züchtigen, weil Gott züchtigt, sondern auch, wie Gott Seine Kinder züchtigt. Seine Zucht ist daher das Vorbild für die elterliche Zucht.

Zweitens: Zucht umfasst viel mehr als nur auf die Sünden von Kindern zu reagieren. Zucht beginnt damit, dass wir in der Familie unser Recht zu bestimmen festlegen. Zucht lehrt unsere Kinder, dass uns als Eltern sowohl die Weisheit als auch die Stärke verliehen wurde, um der Verantwortliche in der Familie zu sein. Wir sind unseren Kindern weder Kameraden noch Altersgenossen, sondern Eltern – das ist ein großer Unterschied.

Drittens: Wir sind verpflichtet, die Regeln für unsere Kindern so deutlich zu machen, dass Züchtigung das vorhersehbare und angekündigte Ergebnis einer Übertretung von genau festgelegten Verhaltensregeln darstellt. Kinder müssen wissen, was wir von ihnen erwarten und was passiert, wenn sie diesen Anforderungen willentlich zuwider handeln. Außerdem müssen wir ihnen den Grund für eine Regel und den Grundsatz hinter einer Vorschrift genau erklären.

Und schließlich: Der Schlagstock ist kein Allheilmittel oder die Lösung allen Übels. Die ‚Rute’ im wörtlichen Sinn sollte eingesetzt werden, wenn Kinder auf Argumente nicht hören können oder wollen. In dem Maße, wie die Kinder Einsichtsfähigkeit entwickeln, sollten andere Mittel als Schläge eingesetzt werden, und die Art der ‚Rute’sollte dabei man stets unter dem Aspekt festlegen, wie am wirksamsten Reue erreicht wird.

Sie sehen schon, Schläge für Kinder sind nicht annähernd so einfach zu abzuhandeln, wie es Ihnen anfangs vielleicht vorgekommen sein mag. Züchtigung ist, wie jeder andere Bereich christlichen Lebens, ein Thema, für das wir Weisheit von oben benötigen. Lassen Sie uns diese Weisheit suchen bei unserem Bemühen, die ‘Rute’ gerecht zu gebrauchen.


53 J.I. Packer sagt zu diesem Thema: „Die gesamte Lehre des Neuen Testaments kann man in einem einzigen Satz zusammenfassen, indem man sie als die Offenbarung der Vaterschaft des heiligen Schöpfers betrachtet. In gleicher Weise fasst man die ganze Religion des Neuen Testaments zusammen, wenn man sie als das Wissen um Gott als unseren heiligen Vater beschreibt. Wenn Sie wissen wollen, wie tief Jemand das Wesen des Christentums erfasst hat, dann achten Sie darauf, wie wichtig ihm der Gedanke ist, Gottes Kind zu sein und Gott zum Vater zu haben. Wenn es nicht diese Vorstellung ist, die ihn zur Anbetung bringt und sein Gebet wie auch seine ganze Lebensperspektive beeinflusst, dann heißt das, dass er das Christentum nicht besonders gut verstanden hat. Denn Alles, was Christus lehrte, Alles, was das Neue Testament neu und besser als das Alte macht, Alles, was eindeutig christlich und nicht nur jüdisch ist, findet sich in der Erkenntnis der Vaterschaft Gottes zusammengefasst. ‚Vater’ ist der christliche Name für Gott.“ J.I. Packer, ”Knowing God“ [Gott erkennen], Downers Grove: Inter-Varsity Press, 1975, S. 182. Die Lektüre des Kapitels ‚Söhne Gottes’ kann ich nur empfehlen. In der Tat ist das gesamte Buch ein spiritueller Genuss.

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18. Weisheit und Kindererziehung (Teil V)

Der Zorn und die Rute

Einleitung

Egal, worum es geht, es gibt fast immer – mindestens – zwei Extreme, in die man verfallen kann; und beide sind falsch. So ist es zum Beispiel auch, wenn es um den Zorn geht. Margaret Johnston Hess beschreibt eines dieser Extreme in ihrem Artikel „What to Do with Your Anger“ [„Was tun, wenn man sich ärgert”]:

Ein vielbeschäftigter Vater aus der Mittelklasse brütete Monate lang darüber, dass seine 19 Jahre alte Tochter es hartnäckig vorzog, in einer Stadtwohnung zu leben, statt in dem wunderschönen Vorstadthaus, für das er so hart gearbeitet hatte, um es seiner Familie zu ermöglichen. Er hatte das Gefühl, dass sie sich dort mit den falschen Leuten einließ. Seine innerliche Wut wurde immer größer, und eines Abends nahm er einen Revolver und ging zu ihrer Wohnung, entschlossen, sie heim zu holen. Als er sie schlafend fand, in einem Zimmer mit drei jungen Männern, von denen einer bei ihr im Bett lag, schoss er auf den Jungen, der neben ihr lag, traf aber statt dessen seine Tochter tödlich. In bitterer Reue stellte er sich sofort der Polizei. Er hatte seinem Ärger Luft gemacht.54

Oberflächlich betrachtet mag es erscheinen, als läge der Fehler dieses Vaters darin, dass er seinem Ärger Luft machte. Ich neige jedoch zu einer etwas anderen Ansicht: Ich glaube, der Vater hatte den entscheidenden Fehler schon vor den Ereignissen in der Wohnung seiner Tochter gemacht, indem er immer versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. Statt dessen hätte er ihm eher in angemessener Weise Luft machen müssen, bevor er sich von ihm überwältigen ließ.

Margaret Johnston Hess bietet uns ein sehr anschauliches Bild für die Gefahren, die durch unterdrückten Zorn entstehen. Sie schreibt:

In der Nähe einer Stadt im Staat Washington werden Tausende Tonnen von radioaktivem Atommüll in riesigen unterirdischen Behältern gelagert. Die Haltbarkeitsdauer der Behälter liegt bei 22 bis 30 Jahren. Der Müll in ihnen wird seine tödliche Wirkung noch etwa 600 Jahre lang behalten.55

Wenn man versucht, seinen Ärger zu unterdrücken, statt ihm auf angemessene Art Luft zu machen, wird man feststellen, dass Ärger – wie der oben erwähnte Atommüll – sich nicht unter Verschluss halten lässt.

Vielleicht haben manche Christen Schwierigkeiten damit, ihre Launen zu beherrschen; die meisten anderen aber machen eher den Fehler, ihren Zorn zu unterdrücken, manchmal bis zu dem Punkt, dass sie ihn überhaupt verleugnen. Solcher verborgene Ärger hat die Eigenschaft, irgendwann plötzlich auszubrechen, und dann fügt er unseren Beziehungen oft großen Schaden zu.

Wenn es in christlichen Kreisen schon ein Tabu geworden ist, seinen Ärger zu zeigen, dann wird das umso mehr verurteilt, wenn es um die Erziehung von Kindern geht. Immer wieder sagt man uns: „Züchtige niemals dein Kind im Zorn!“ Ich würde sagen, dass eine Züchtigung im Zorn oft, aber nicht notwendigerweise, sündig und schädlich ist – und dass sie es auf keinen Fall sein sollte. Deshalb habe ich diese Lektion dem Verhältnis von Zorn (Ärger) und Zucht gewidmet.

Wer sagt, dass die ‚Rute’ (Züchtigung) niemals eingesetzt werden darf, solange wir zornig sind, behauptet damit, dass elterliche Zucht sich von der göttlichen Zucht unterscheidet, denn aus der Schrift geht eindeutig hervor, dass Gott Seine Kinder im Zorn züchtigt.

„Ihr sollt einer Witwe oder einer Waise kein Leid zufügen. Wenn ihr ihnen in irgendeiner Weise Leid zufügt und sie zu Mir schreien, so werde Ich ihr Schreien gewiss hören, und Mein Grimm wird entbrennen“ (Ex 22:22-24).

Nun wurde das Volk wie Solche, die sich vor den Ohren des Herrn beklagen, dass es ihnen schlecht gehe; und als der Herr das hörte, entbrannte Sein Grimm, und das Feuer des Herrn loderte auf unter ihnen und fraß am Rande des Lagers (Num 11:1, vgl. auch Verse 10, 33).

Darum hörte der Herr und geriet in heftigen Zorn, Und ein Feuer entzündete sich gegen Jakob, Und Grimm kam auch über Israel ... Der Zorn Gottes kam über sie Und tötete einige ihrer kräftigsten Männer Und warf die besten Männer Israels nieder (Ps 78:21,31).

Wach auf. Wach auf. Erhebe dich, o Jerusalem, die du aus der Hand des Herrn den Becher Seines Zornes getrunken hast; den Kelch, der taumeln macht, hast du bis zur Neige geleert (Jes 51:17).

Ich sah, und siehe, das fruchtbare Land war eine Wüste und all seine Städte waren niedergerissen vor dem Herrn, vor Seinem erbitterten Grimm (Jer 4:26).

Ich bin der Mann, der Leid gesehen hat durch die Rute Seines Zornes (Klg 3:1).

Kaum Jemand würde wohl den Zorn des Herrn im Alten Testament abstreiten; viele Menschen aber neigen dann dazu, den Gott des Alten Testamentes doch als irgendwie verschieden von dem Gott des Neuen Testamentes anzusehen. Und doch war auch unser Herr zornig über die Sünde der Menschen (Mar 3:5; vgl. Mat 21:12-14), und in den Gleichnissen, die Gott als Menschen darstellen, erzürnt Er Sich über unrechtes Verhalten (z.B. Mat 18:34, Luk 14:21). Auch das Buch der Offenbarung spricht von denen, die Gott ablehnen und sich ihm widersetzen, als von denjenigen, die den Becher Seines Zornes trinken (Off 14:10).

Nicht jeder Zorn ist göttlich. Deshalb lehrt uns Jakobus: „Des Menschen Zorn bewirkt nicht Gottes Gerechtigkeit“ (Jak 1:20). Paulus war der Meinung, dass Zorn – selbst wenn er auch gerechtfertigt sein mochte – in die Sünde führen kann: „Zürnet, aber sündigt nicht; lasst die Sonne über eurem Grimm nicht untergehen“ (Eph 4:26). Lassen Sie uns jetzt genau untersuchen, welcher Zorn gerecht ist. Dazu wollen wir aus den Schriften die Eigenschaften von Gottes heiligem Zorn ableiten.

1. GERECHTER ZORN WIRD DURCH SÜNDEN HERVORGERUFEN. Durch die gesamte Geschichte Israels hindurch wurde Gottes Unmut erweckt durch die Sünden Seines eigensinnigen und ungehorsamen Volkes.

„Hört das Wort des Herrn, o ihr Könige von Juda und ihr Bewohner Jerusalems. So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels: ‚Siehe, ich will ein solches Unheil über diese Stätte bringen, dass Jedem, der davon hört, die Ohren gellen; weil sie Mich verlassen haben, und haben diese Stätte zu einem fremden Ort gemacht und an ihm Opfer verbrannt für andere Götter, die weder sie selbst noch ihre Vorväter noch die Könige von Juda je gekannt hatten; und weil sie diese Stätte mit dem Blut Unschuldiger erfüllt und dem Baal Höhen gebaut haben, um ihre Kinder als Brandopfer für Baal im Feuer zu verbrennen, was Ich weder geboten noch geredet hatte und was Mir nie in den Sinn gekommen ist. Darum siehe, es kommen Tage“, so spricht der Herr, „da diese Stätte nicht mehr Tophet oder das Tal des Ben-Hinnom genannt werden wird, sondern vielmehr das Tal des Gemetzels’“ (Jer 19:3-6).

Nach Ansicht der Sprüche wird ein König zurecht durch Sünden erzürnt.

Das Wohlgefallen des Königs liegt auf dem Knecht, der weise handelt, Aber sein Grimm richtet sich auf den, der schändlich handelt (Spr 14:35).

Entsprechend werden Regierungen nach dem Neuen Testament von Gott eingesetzt, um Zorn über die Sünder zu bringen.

Denn sie (die Regierung) ist Gottes Dienerin zu deinem Besten. Wenn du aber Schlechtes tust, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht ohne Grund; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin, die Zorn bringt über den, der Böses treibt (Rö 13:4).

Gottes Grimm wird an jeder einzelnen Stelle, die ich in den Schriften gefunden habe, allein durch die Sünde des Menschen hervorgerufen. Rein menschlicher Ärger, wie er durch Ichbezogenheit und Ungeduld entsteht, ist sündig (Mat 5:22; Eph 4:31).

2. GERECHTER ZORN IST KEIN ANLASS ZU SÜNDIGEN. Gottes Zorn hat nicht nur einen gehörigen Grund (die Sünde der Menschen), sondern beschränkt sich auch gehörig auf sein Ziel. In jedem Fall göttlicher Züchtigung musste Gottes Volk anerkennen, dass Gott gerecht gezüchtigt hatte. Diese Tatsache findet auch Ausdruck in Nehemias Gebet für sein Volk:

„Daher nun, unser Gott, du großer, mächtiger und Furcht einflößender Gott, der den Bund und die Güte bewahrt, lass all die Mühsal nicht bedeutungslos erscheinen vor Dir, die auf uns und unsere Könige, unsere Fürsten, unsere Priester, unsere Propheten, unsere Väter und auf Dein ganzes Volk herabgekommen ist von den Tagen der Könige von Assyrien bis auf den heutigen Tag. Du aber bist gerecht in Allem, das über uns gekommen ist, denn Du hast treu gehandelt, wir aber haben böse gehandelt“ (Ne 9:32-33).

Gott hat niemals Gefallen daran, Seine Kinder zu züchtigen. Er tut es zögernd und mit Bedauern. Göttliche Zucht ist Gottes „ungewöhnliches Werk“ (Jes 28:21).

Im Anfang der Herrschaft von Jojakim, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, erging dieses Wort vom Herrn: „So spricht der Herr: ‚Tritt in den Vorhof am Hause des Herrn und sprich zu denen, die aus allen Städten von Juda gekommen sind, um im Hause des Herrn anzubeten, all die Worte, die Ich dir geboten haben ihnen zu sagen. Nimm kein einziges Wort hinweg! Vielleicht werden sie zuhören und umkehren, ein Jeder von seinem schlechten Weg, damit auch Mich das Unheil reuen könne, das Ich ihnen anzutun gedenke um ihrer bösen Taten Willen’“ (Jer 26:1-3).

Gottes Züchtigung war hart, aber niemals eine Misshandlung. Es gibt Menschen, die ihre Brutalität mithilfe von Bibelzitaten zu rechtfertigen versuchen. Sie sollten sich dessen bewusst sein, dass Gottes Grimm niemals außer Kontrolle gerät, und niemals züchtigt er erbarmungslos oder behandelt Seine Kinder ohne Gnade.

Denn ihr Herz war nicht fest bei Ihm, Noch hielten sie treu an Seinem Bund. Er aber, Der barmherzig ist, vergab ihre Schuld und verdarb sie nicht, Und oft hielt Er Seinen Grimm zurück Und ließ nicht Seinen ganzen Zorn aus. So gedachte Er dessen, dass sie nur Fleisch waren, Ein Hauch, der dahingeht und nicht wiederkehrt (Ps 78:37-39).

Der Herr ist barmherzig und gnädig, Langsam zum Zorn und überströmend von Güte. Er wird nicht für immer mit uns hadern, Noch wird Er ewig zornig bleiben. Er hat uns nicht nach unseren Sünden behandelt, Noch hat Er uns unsere Schuld vergolten. Denn so hoch, wie die Himmel über der Erde sind, So groß ist Seine Güte gegenüber denen, die Ihn fürchten (Ps 103:8-11).

In 2.Samuel 24 versündigt sich David gegen den Herrn, indem er die Israeliten zählen lässt (Vers 1). Durch den Propheten Gad wird David mitgeteilt, dass er die Form seiner Strafe selbst wählen könne. Zur Auswahl stehen drei Möglichkeiten: (a) sieben Jahre Hungersnot; (b) drei Monate in der Hand seiner Feinde oder (c) drei Tage Pest (Vers 13). David wählte das Letztere, und zwar aus dem folgenden Grund:

„Ich bin in großer Bedrängnis. Lass uns nun in die Hand des Herrn fallen, denn Sein Erbarmen ist groß, aber in die Hände von Menschen lass mich nicht fallen“ (2.Sa 24:14).

David hatte erfahren, was wir alle bei unserer elterlichen Zucht wissen und selber praktizieren müssen: Gottes Zucht wird immer getragen von Mitleid und Gnade.

3. GERECHTER ZORN IST NIEMALS EIN LIEBESENTZUG, SONDERN IMMER EIN AUSDRUCK DER LIEBE. Gott zieht sich nicht aus Seiner Liebe für uns zurück, wenn Er uns züchtigt; sondern Er züchtigt uns, wenn wir uns aus Seiner Liebe zurückgezogen haben.

Dann kam der Geist Gottes über Sacharja, den Sohn des Priesters Jehojada; und er trat vor das Volk und sprach zu ihnen: „So hat Gott gesprochen: ‚Warum übertretet ihr die Gebote des Herrn, so dass ihr kein Gelingen haben könnt? Weil ihr den Herrn verlassen habt, hat Er euch seinerseits verlassen’“ (2.Chr 24:20).

„Aber dieses Volk hat ein störrisches und rebellisches Herz; sie haben sich abgewandt und gehen ihrer Wege. Sie sagen nicht in ihrem Herzen: „Lasst uns doch den Herrn unseren Gott fürchten, der uns Regen gibt zur rechten Zeit, den Herbstregen und den Frühlingsregen zu seiner Zeit, und der die Wochen der Ernte einhält wie versprochen.“ Eure eigenen Missetaten haben diese Dinge verhindert, und eure Sünden halten das Gute von euch fern“ (Jer 5:23-25).

„Du hast Mich verlassen, spricht der Herr, und rückwärts geht dein Weg fortwährend. Daher werde Ich Meine Hand gegen dich ausstrecken und dich verderben; Ich bin es müde, mich immer wieder erweichen zu lassen“ (Jer 15:6).

„Aber Ich halte dir entgegen, dass du die Liebe, die du zuerst hattest, verloren hast. Gedenke also dessen, wovon du abgefallen bist, und bereue und tue wieder, wie du früher getan hast; anderenfalls werde Ich zu dir kommen und deinen Leuchter von seinem Platz fortstoßen – es sei denn, du bereust“ (Rev. 2:4-5).

Gottes Grimm, so wie er sich in der Züchtigung Seiner Kinder äußert, steht nicht im Gegensatz, sondern im Einklang mit Seiner Liebe. Mancher will uns weismachen, dass wir die Rute nicht einsetzen dürfen, weil das nicht liebevoll sei. Die Bibel aber sagt uns das Gegenteil:

Ich weiß, o Herr, dass Deine Urteile gerecht sind Und dass Du mich in Treue niedergebeugt hast (Ps 119:75).

Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, gleich wie ein Vater den Sohn, an dem er Gefallen hat (Spr 3:12).

„Mein Sohn, achte die Züchtigung des Herrn weder gering noch verzage, wenn du von Ihm zurechtgewiesen wirst; denn die der Herr liebt, die züchtigt Er, und Er sucht einen Jeden heim, den Er als Sohn aufnimmt“ (Heb 12:5-6).

„Die ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun“ (Off 3:19).

Das Buch der Sprüche sagt Eltern: ein Kind zu lieben heißt, es zu züchtigen; und wenn man versäumt, es zu züchtigen, so bedeutet das, dass man es nicht liebt.

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Gerechte Entrüstung über Widersetzlichkeit und Ungehorsam eines Kindes entsteht aus dem Wissen der Eltern, dass solche Haltung und Benehmen nicht den eigentlichen Interessen des Kindes dienen, sondern zu seiner Vernichtung führen. Zorn (und die Rute) stehen nicht im Widerspruch zur elterlichen Liebe, sondern sie sind ein Ausdruck der Liebe.

4. GERECHTER ZORN ERHEBT SICH LANGSAM. Fromme Menschen sind wie Gott, der langsam zum Zorn ist. Der Zorn der Bösen dagegen entflammt rasch.

Du aber, o Herr, bist ein barmherziger und gnädiger Gott, langsam zum Zorn und überströmend an Güte und Wahrhaftigkeit (Ps 86:15).

Wer langsam ist zum Zorn, ist reich an Verständnis; Aber wer reizbar ist, vermehrt die Torheit (Spr 14:29).

Der langsam ist zum Zorn ist besser als ein Starker, Und der seinen Geist beherrscht als der Eroberer einer Stadt (16:32).

Ihr wisst dies, meine geliebten Brüder. Jeder Mensch soll schnell sein zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn; denn des Menschen Zorn bewirkt nicht Gottes Gerechtigkeit (Jak 1:19-20).

Gerechter Zorn ist nicht impulsiv und entzündet sich nicht an Nichtigkeiten. Eine derartige unüberlegte Entrüstung wäre vielmehr menschlicher, sündiger Zorn, der keinen Platz im christlichen Leben hat und keinen positiven Beitrag zur Erziehung leistet.

5. GERECHTER ZORN WIRD PROMPT ZUM AUSDRUCK GEBRACHT UND NICHT UNNÖTIG LANGE AUFRECHT ERHALTEN.56 Gott ist zwar langsam zum Zorn; doch wenn Er einmal zornig ist, handelt Er nicht langsam. Wenn sich die göttliche Züchtigung als Ausdruck Seines Zornes über die Menschen ergießt, so geschieht das prompt und heftig, geht aber andererseits auch schnell wieder vorüber.

„Ich Meinerseits [will] euch Dieses zufügen: Ich will euch mit plötzlichem Schrecken heimsuchen“ (Lev 26:16).

So ließ Er ihre Tage in Vergeblichkeit enden Und ihre Jahre in plötzlichem Schrecken (Ps 78:33).

Daher wird plötzlich sein Unheil kommen; In einem Augenblick wird er zerbrochen werden, und es wird keine Heilung geben (Spr 6:15).

Ein Mann, der trotz vieler Zurechtweisung halsstarrig bleibt, Wird plötzlich zerbrochen und kann nicht mehr geheilt werden (Spr 29:1).

Weil das Urteil über eine schlechte Tat nicht eilends vollzogen wird, sind die Herzen der Menschensöhne unter ihnen vollständig darauf ausgerichtet, Böses zu tun (Pr 8:11).

Aber plötzlich werden diese Dinge über dich kommen, an einem Tag: dass du deine Kinder verlierst und Witwe bist. Sie werden in vollem Maße über dich kommen, trotz deiner vielen Zaubereien und der großen Macht deiner Beschwörungen (Jes 47:9, vgl. auch Vers 11).

Während sie noch sagen „Friede, Sicherheit!“, wird die Vernichtung plötzlich über sie kommen, gleichwie die Geburtswehen über eine schwangere Frau; und sie werden ihr nicht entrinnen (1.Th 5:3).

Diesen Grundsatz – dass nämlich unser Zorn prompt und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden muss – sollten wir meiner Meinung nach nicht nur bei der Erziehung unserer Kinder, sondern in all unseren Beziehungen anwenden.

Zürnet, aber sündigt nicht; lasst die Sonne über eurem Grimm nicht untergehen und gebt dem Teufel keinen Raum (Eph 4:26-27).

Manche Christen meinen, dass jeder Zorn schlecht ist, und versuchen daher, ihren Ärger zu unterdrücken, selbst wenn er gerechtfertigt ist. Ich glaube, jeder Ärger, der nicht umgehend erledigt wird, kann – selbst wenn er gerecht ist – umschlagen und zu einem Schwachpunkt in unserem Leben werden, den Satan dann ausnutzt.

Im 37. Psalm mahnt David die Gerechten, nicht bekümmert zu sein, wenn die Bösen trotz ihrer Sünden ungeschoren davonkommen. Die Lösung dieses Problems liegt nicht in der Macht der Rechtschaffenen selbst, und sie müssen deshalb lernen, sich nicht über die Übeltäter aufzuregen, sondern sich (und die göttliche Vergeltung) in die Hand Gottes zu legen, der am Ende Alles recht macht. Auch wir müssen mit unserem Ärger so umgehen, dass wir uns in Gottes Hand begeben und darauf vertrauen, dass Er die Vergeltung bewirkt, anstatt selbst nach Rache zu streben. Aber selbst in diesem Fall, wo es uns nicht obliegt, Etwas gegen den Sünder zu unternehmen, müssen wir unseren Ärger rasch dem Herrn anvertrauen, damit er uns nicht zur Sünde verführt.

Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Achtet auf das, was richtig ist in den Augen aller Menschen. Wenn möglich und soweit es von euch abhängt, haltet Frieden mit allen Menschen. Rächt euch selber nicht, Geliebte, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum, denn es steht geschrieben: „‚Mein ist die Rache, Ich will vergelten’, spricht der Herr“ (Rö 12: 17-19).

Einerseits dürfen wir nicht selbst nach Rache streben, und manchmal sind wir vielleicht auch nicht in der Lage, einen schlechten Menschen zu bessern (im Allgemeinen aber sind wir schon dafür verantwortlich, unsere Kinder zu verbessern, wenn sie etwas Falsches tun). Andererseits kann es unseren Ärger leicht zum Siedepunkt bringen, wenn wir eine Züchtigung unseres Kindes unnötigerweise verzögern – und das Kind mag dadurch zu der irrigen Annahme verleitet werden, dass Sünde ungestraft bleibt. Zurechtweisung, so sagt uns die Bibel meiner Meinung nach, muss prompt angebracht werden, weil unser Zorn nicht zu lange kochen darf.

Wenn die ‚schlechte Nachricht’ darin besteht, dass Gottes Züchtigung rasch über uns kommt, sobald Sein Zorn erst einmal entflammt ist, so ist die ‚gute Nachricht’ die, dass Sein Zorn auch rasch vorübergeht.

Singt das Lob des Herrn, ihr Seine Frommen, und danket Seinem heiligen Namen. Denn Sein Zorn währet nur einen Augenblick, Aber Sein Wohlwollen ein Leben lang; Den Abend lang mag das Weinen währen, aber am Morgen erschallen die Jubelrufe (Ps 30:4-5).

Der Herr ist barmherzig und gnädig, Langsam zum Zorn und überströmend von Güte. Er wird nicht für immer mit uns hadern, Noch wird Er ewig zornig bleiben (Ps 103:8-9).

„Für einen kurzen Augenblick habe Ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde Ich dich wieder sammeln. In der Flut Meines Zornes verbarg Ich mein Angesicht einen Moment lang vor dir, aber mit immerwährender Güte will Ich mich deiner erbarmen“, so spricht der Herr, dein Erlöser (Jes 54:7-8).

6. DIE RUTE VERLEIHT DEM GERECHTEN ZORN AUSDRUCK, ABER SIE VERTREIBT IHN AUCH. Züchtigung tut den Erfordernissen von Gottes Gerechtigkeit Genüge und beschwichtigt daher Seinen Zorn. Das ist ein Grund dafür, dass der göttliche Zorn rasch vorübergeht.

„So wird Mein Grimm zu seinem Ende kommen, und Ich werde Meinem Zorn über sie Genüge getan haben und beschwichtigt sein; dann werden sie erkennen, dass Ich, der Herr, in Meinem Eifer gesprochen habe, wenn Ich Meinen Zorn über sie zu Ende gebracht habe“ (Hes 5:13).

Eine der großen Doktrinen der Bibel ist die der Versöhnung. Wer das Neue Testament studiert, versteht, dass der Tod Jesu Christi am Kreuz von Golgatha Gottes gerechtem Vergeltungsbedürfnis für die Sünde Genüge tat. Dass der Mensch nicht länger den Zorn eines grimmigen Gottes fürchten muss, ist Teil der guten Botschaft des Evangeliums. Christi Werk am Kreuz lässt den Sünder in Frieden leben mit Gott und söhnt Gott, andersherum ausgedrückt, mit dem Sünder aus.

Meine Kindlein, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigen möget. Wenn aber Jemand sündigt, so haben wir beim Vater einen Fürsprecher, Jesus Christus, der gerecht ist; und Er ist selbst die Sühne für unsere Sünden, und nicht nur für die Unseren, sondern auch für die der ganzen Welt (1.Jo 2:1-2).

Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt hat und sandte Seinen Sohn zur Versöhnung unserer Sünden (1.Jo 4:10).

Die körperlichen Schmerzen des Kreuzestodes fürchtete unser Herr weniger (Mat 26:36-46), als den Zorn Gottes zu ertragen. Wer seinen Glauben und sein Vertrauen auf die Person und das Werk Christi gesetzt hat, ist sich dessen bewusst, dass der Zorn, den Er trug, uns galt, denn als Ungläubige waren wir „Kinder des Zorns“ (Eph 2:3). Wer auf Christus vertraut, muss den Zorn Gottes nicht länger fürchten, denn unser Herr hat ihn an unserer Stelle erlitten.

Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm (Joh 3:36).

Gott aber erweist Seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. Um wieviel mehr werden wir durch Ihn also nun, da wir durch Sein Blut gerecht gemacht worden sind, vor Gottes Zorn bewahrt werden. Denn wenn wir, während wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, um wieviel mehr werden wir dann jetzt, wo wir versöhnt worden sind, durch Sein Leben gerettet werden (Rö 5:8-10).

Wie andere Menschen jener Zeit auch, durchlebten Noah und seine Familie die Qualen der Sintflut. Der entscheidende Unterschied bestand für Noah darin, dass er in der Arche war und die Anderen draußen. Die Arche widerstand dem Zorn des Unwetters und rettete die, die in ihr lebten. Auf die gleiche Art kann ‚in Christus zu leben’ einen Mann oder eine Frau retten. Ihn traf der Zorn Gottes. In Ihm überstehen wir Gottes Zorn und in Ihm haben wir das ewige Leben. Zu wissen, dass Gottes gerechter Zorn durch Christus Genüge getan wurde, ist Teil der Freude über unsere Erlösung.

Richtig durchgeführt zerstreut die elterliche Züchtigung den Zorn genauso, wie die göttliche Züchtigung es tut. In erster Linie tut die elterliche Zucht dem gerechten Zorn der Eltern Genüge. In meiner Zeit als Lehrer an einer öffentlichen Schule war es immer wieder interessant, das Gefühl der Entspannung in der ganzen Klasse (und besonders bei dem, der gezüchtigt worden war) zu spüren, wenn wir aus dem Vorraum wieder hereinkamen und ich den Schlagstock in den Schrank zurück stellte. Die Schüler wussten, es war jetzt vorbei – erledigt. Der Gerechtigkeit war Genüge getan worden.

Ich glaube, in einer etwas anderen Weise vertreibt die Rute auch den Zorn desjenigen, der gezüchtigt wird. Ich habe viele Kinder erlebt, die richtiggehende Feindseligkeit in sich aufgebaut hatten – aber nach einem kurzen Intermezzo im Vorraum war ihr Zorn verflogen. Mit den Tränen bringt die Rute, so scheint es, auch den Zorn zum Ausbruch, der sich in einem Kind aufstauen kann. Ein Kind, das nicht zurechtgewiesen, das „sich selbst überlassen“ wird (Spr 29:15), baut leicht immer mehr Aggressionen auf, die schließlich in irgendwelchen destruktiven Verhaltensweisen zum Ausbruch gelangen können. Die Rute entlastet den Druck solcher Gefühle, indem sie diese vertreibt.

Ein biblisches Beispiel dafür finde ich bei David, als er versäumte, sich mit seinem Sohn Absalom auseinanderzusetzen. Amnon vergewaltigte Absaloms Schwester Tamar. David wurde darüber sehr zornig, aber er versäumte es, irgendetwas zu unternehmen (2.Sa 13:21-22). Auch Absalom war erzürnt über diese Tat. Wie sein Vater tat er nichts dagegen – zumindest eine Zeit lang. Schließlich aber rächte sich Absalom und tötete Amnon (13:23-29). Absalom floh in die Verbannung, und David versäumte es, als er sich über Amnons Tod getröstet hatte, nach ihm zu schicken, so lange, bis er schließlich dazu gedrängt wurde (14:1-21). Aber selbst nachdem David Absalom zurückgeholt hatte, setzte er sich nicht mit der bösen Tat auseinander, die dieser begangen hatte, sondern befahl, dass Absalom in seinem eigenen Hause bleiben und das Angesicht des Königs nicht sehen sollte (14:24). Infolgedessen wurde Absalom verbittert im Geist und entwickelte die Absicht, seinem Vater das Königtum wegzunehmen.

Hätte David Amnon mit Entschlossenheit gezüchtigt, so hätte Absalom wohl nie einen Mord begangen. Und hätte sich David mit der Sünde seines Sohnes Absalom auseinandergesetzt, wäre in seinem Königreich wahrscheinlich niemals eine solche Unruhe ausgebrochen. Denn wenn David Absalom für seine Sünde angemessen gezüchtigt hätte, wären dessen Zorn und Bitterkeit beschwichtigt worden.

Schlussfolgerung

Ich möchte in keiner Weise menschlichen, sündigen Zorn heilig sprechen; denn die Bibel lehrt uns, dass solcher Zorn abgelegt werden muss. Mancher, der diese Botschaft liest, mag vielleicht versucht sein, sie zur Rechtfertigung seiner Unbeherrschtheit und seiner Brutalität gegenüber seiner Frau, seinen Kindern und anderen Menschen heranzuziehen. Der ganz überwiegende Teil unseres Ärgers aber ist sündig, nicht geistlich. Gott verbietet uns, Sein Wort zu benutzen, um unsere Sünden zu ‚heiligen’, denn das ist ein Teil des alten Selbst, das wir ablegen müssen (Kol 2:5-11).

Wenn ich mich über meine Kinder und ihre Handlungen ärgere, entspricht das zugegebenermaßen meistens nicht der rechten Art von Zorn, und ich gehe auch oft mit meinem Zorn nicht bibelgemäß um. Trotzdem muss ich aber sagen, dass es andererseits wohl an der Zeit ist, wenn Sie und ich, die wir uns angewöhnt haben, Passivität und Selbstzufriedenheit als fromm zu betrachten, endlich einmal aus der Haut fahren. Wenn wir gottgemäß sein wollen, müssen wir erzürnt sein, wenn Jemand sündigt, und auch Etwas dagegen unternehmen – und sei es nur, dass wir darüber beten (vgl. Ps 37; 73). Manche Christen sündigen vielleicht, indem sie zornig werden; viel mehr Christen aber sündigen, weil sie nicht zornig werden, wo es angebracht wäre.

Von Henry Ward Beecher wird das folgende Zitat überliefert:

Ein Mensch, der nicht zornig sein kann, kann auch nicht gut sein. Ein Mensch, der nicht bis ins Innerste seines Herzens entrüstet sein kann über Schlechtigkeiten, ist entweder ein Schwamm oder ein böser Mensch.57

Und Powell Davies schreibt:

Damit ist etwas wirklich Ernst zu Nehmendes mit der Mehrheit der so genannten normalen Menschen passiert: Sie haben vergessen, wie man sich entrüstet. Und das liegt nicht daran, dass sie von Menschlichkeit und Güte überfließen, sondern daran, dass sie moralisch weich und nachgiebig geworden sind. Wenn sie Böses und Ungerechtigkeit erleben, werden sie von Schmerz aber nicht von Abscheu erfüllt. Sie murren und brummeln, [aber] nie schreien sie. Sie begehen die Sünde des Nicht-zornig-Seins.

Und doch wäre ihr Zorn über alles Andere hinaus das, was sie zählen ließe. Wenn sie schon keinen Kreuzzug anführen oder eine Reform in die Wege leiten können, so könnten sie doch zumindest die Bedingungen dafür schaffen, dass ein Kreuzzug wirkungsvoll und eine Reform erfolgreich wird. Der Zorn der Mehrheit könnte Anstand und Integrität ins öffentliche Leben zurück bringen, er könnte den korrupten Demagogen erschreckt zum Schweigen bringen und den Rufmörder in die Vergessenheit befördern. Er könnte ehrlichen Führern die Gelegenheit geben sich durchzusetzen.58

Wie George Matheson, der schottische Liederdichter und Prediger einmal sagte: „Es gibt Zeiten, wo ich gut daran tue, zornig zu sein, aber ich habe mich in den Zeiten geirrt.“59

Wenn gesagt wird, dass man nicht im Zorn züchtigen soll, heißt das für manche Menschen, dass man sein Kind niemals züchtigen darf, wenn man zornig ist – was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass Mancher von uns so selten züchtigt. Und die Anderen versäumen es zu züchtigen, weil sie nicht zornig genug sind. Zu sagen, dass man nie im Zorn züchtigen sollte, ist dasselbe wie zu sagen, dass man nie essen sollte, wenn man hungrig ist, oder nie weinen, wenn man traurig ist. Es ist in Ordnung, Zorn zu empfinden, so lange er angemessen begründet ist und angemessen auf sein Ziel begrenzt wird. Wenn uns der Zorn dagegen die Selbstbeherrschung verlieren und Kinder verletzen oder misshandeln lässt, müssen wir lernen, ihn zu beherrschen, so wie wir auch andere Gefühle und Gelüste zu beherrschen lernen müssen. Aber wir wollen den Zorn nicht pauschal verurteilen – das ginge zu weit.

Denen, die uns weismachen wollen, ein Kind zu schlagen bedeute, ihm „eine Kostprobe aus dem Urwald“ zu geben, kann ich nur sagen, dass es grausamer und unmenschlicher ist, das Kind nicht zu schlagen (oder in anderer Weise zu züchtigen) als Gebrauch von der Rute zu machen. Viele Eltern haben ihre Kinder schon misshandelt, weil sie die Rute nicht eingesetzt haben. Der Zorn der Eltern baut sich dann immer weiter auf, bis sie schließlich so in Rage geraten, dass sie das Kind mit der Faust schlagen oder mit einer Lampe, oder es erschießen. Auch manches Kind ist immer zorniger und feindseliger geworden, weil es nicht gezüchtigt wurde, wie das Beispiel von Absalom zeigt.

Lassen Sie uns zuerst die Freude erfahren zu wissen, dass Gottes Zorn über die Sünder versöhnt worden ist, dass ihm Genüge getan wurde durch das Erlösungswerk des Kreuzes. Lassen Sie uns dann die Grundsätze der göttlichen Züchtigung und der Rute zu verstehen und Erziehungsprozess anzuwenden suchen, durch Gottes Gnade und zu Seinem Ruhm.


54 Margaret Johnston Hess, “What to Do with Your Anger” [Was tun, wenn man sich ärgert]. Eternity, April 1972.

55 Ibid.

56 Es ist wichtig, hier zwischen Gottes Zurechtweisung, der Züchtigung Seiner Kinder, und Gottes Gericht über die Ungläubigen zu unterscheiden. Gottes Zorn über die Ungläubigen kommt nicht sofort zum Ausdruck, damit die Menschen noch Gelegenheit zur Buße bekommen (2.Pe 3:9). Wenn Gottes Zorn nämlich erst einmal über die Ungläubigen hereinbricht, wird es kein Zurück mehr geben (vgl. 2.Th 2:11-12) und Sein Zorn wird ewig sein. Dass sich Züchtigung (für die Gläubigen) und Gericht (über die Ungläubigen) unterschiedlich vollziehen, liegt also größtenteils daran, dass eine jeweils andere Absicht dahinter steht: Züchtigung soll zurechtweisen, das Gericht aber bestrafen.

57 Keine Literaturstelle bekannt.

58 Norman V. Hope, “How to Be Good – and Mad” [„Wie man ein guter Mensch wird – und ein wütender“]. Christianity Today [Christentum heute], 19. Juli, S. 119.

59 Ibid.

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19. Weisheit und Kindererziehung (Teil VI)

Die Ziele, der Ablauf
und das Privileg der göttlichen Züchtigung

Einleitung

Immer, wenn ich gebeten werde zwei Menschen miteinander zu verheiraten, versuche ich unter Anderem herauszufinden, wie weit jeder von den Beiden zu einer dauerhaften Beziehung entschlossen ist. Eine solche Selbstverpflichtung zur Dauerhaftigkeit hat tiefgreifenden Einfluss auf die Beziehung. Ich will Ihnen erläutern, warum das so ist.

In jüngerer Zeit werden allzu viele Ehen nur auf einer bedingten Verpflichtung aufgebaut. Jeder fühlt sich dem Anderen genau so lange verpflichtet, wie der seinen Erwartungen entspricht, so lange, wie beide glücklich sind und Erfüllung finden. Sobald sich in der Beziehung Probleme auftun, wird jedem der Beiden bewusst, dass es ja noch eine andere Möglichkeit gibt, eine Ausflucht – die Scheidung. Wenn man aber davon ausgeht, dass man eine unerfreuliche Beziehung nur so lange ertragen muss, wie einem der Sinn danach steht, dann bringt man erheblich weniger Mühe auf, um diese Beziehung wachsen und tiefer werden zu lassen. Wenn man in eine Ehe investiert, die vielleicht schon bald wieder zu Ende ist, macht das ungefähr genau so viel Sinn, wie wenn man einen höheren Beitrag zur Sozialversicherung einzahlen würde.

Eine christliche Ehe soll man mit der Verpflichtung zur Dauerhaftigkeit eingehen. Unser Herr drückte das so aus: „Was also Gott zusammengefügt hat, das soll kein Mensch trennen“ (Mat 19:6). Wenn ein christliches Paar einen Konflikt erlebt (was unweigerlich auf es zukommen wird), müssen Beide bei ihrer Auseinandersetzung stets den Gedanken im Kopf haben: „Egal, was passiert, mit diesem Menschen zusammen werde ich den Rest meines Lebens verbringen.“ Ich kann Ihnen sagen, dass die Art, in der wir Probleme in unseren Beziehungen lösen, durch eine solche Festlegung ganz schön beeinflusst wird. Wenn Sie Ihre Frau sicher nie wiedersehen würden, könnten Sie leicht versucht sein, mancherlei hässliche Dinge zu sagen und zu tun. Da Sie aber wissen, dass Sie morgen und übermorgen und überübermorgen immer noch mit ihr leben, mit ihr arbeiten und mit ihr sprechen werden, sehen Sie sich sicher eher vor, Ihre Beziehung nicht zu beeinträchtigen. Die Dauerhaftigkeit einer Beziehung bestimmt also, wie wir die Konflikte angehen, die innerhalb dieser Beziehung auftreten.

Wenn wir Kinder erziehen, gilt genau der gleiche Grundsatz im Hinblick auf das Vorgehen bei einer Zurechtweisung. Göttliche Zucht ist Gottes Art, im Leben Seiner Söhne zu wirken, um sie zu gehorsamen und loyalen Kindern zu machen. Egal, was passiert – wenn wir einmal Kinder Seines Glaubens in Christus geworden sind, werden wir immer Seine Kinder bleiben. Gottes Umgang mit uns wird durch die Tatsache bestimmt, dass wir Seine Kinder sind und immer bleiben werden. Genauso werden wir uns bei der Bestrafung eines Kindes durch die Tatsache leiten lassen, dass wir das Kind in der Zucht halten wollen. Das Verhältnis zwischen uns und unserem Kind bestimmt, wann und wie wir die ‚Rute’ einsetzen.

In dieser Botschaft möchte ich mich auf einige wichtige Grundsätze konzentrieren, die den Erziehungsprozess leiten sollen. Der erste Grundsatz hat mit den Zwecken und Zielen der Züchtigung zu tun. Der Zweite bestimmt die Durchführung der Züchtigung. Der Dritte erinnert uns daran, dass Züchtigung ein Privileg ist. Lassen Sie uns diese wichtigen Tatsachen im Auge behalten, wenn sich jetzt unsere Studien über die Kindererziehung in den Sprüchen dem Ende nähern.

Die Ziele der göttlichen Züchtigung

Das Verhältnis eines Menschen zu Gott ist Ausschlag gebend dafür, wie Gott sich ihm gegenüber verhalten wird, und macht den Unterschied zwischen Züchtigung und Verdammnis aus. Wenn Gott Jemanden zu ewiger Verdammnis verurteilt, lässt Er ihm damit nur das zuteil werden, wonach derjenige selber strebt und was er andererseits auch verdient. Gott handelt absolut gerecht und richtig in SeinemGericht über den Sünder.

Wenn Gott einen Sohn züchtigt, tut Er das weniger, um ihn zu bestrafen, als um ihn zu bessern. Rehabilitation – dieser Begriff, der häufig auf unser Gefängnissystem bezogen gebraucht wird –, hat viel mehr Bedeutung für einen Christen als für einen Kriminellen. Gott züchtigt Seine Söhne, damit sie sich von ihren bösen Wegen abkehren und dem Weg der Weisheit und Gerechtigkeit zuwenden. Gottes Kinder müssen nicht bestraft werden, denn Christus hat ihre Strafe am Kreuz von Golgatha übernommen. Daher ist göttliche Züchtigung eher eine Zurechtweisung als eine Strafe.

Göttliche Züchtigung dient zwar vielerlei Zwecken; hier möchte ich mich aber nur auf den der Wiedervereinigung oder Versöhnung konzentrieren. Sünde trennt den Menschen von Gott. Als Adam und Eva sündigten, zogen sie sich damit aus der engen Gemeinschaft zurück, die sie zuvor mit Ihm genossen hatten (Gen 3:8). Und die, die Gottes Angebot zur Erlösung in Christus zurückweisen, werden in Ewigkeit aus der Gegenwart Gottes ausgesondert werden (2.Th 1:9). Der Tod Christi hat die Mauer zwischen Gott und Mensch beseitigt. Die ihr Vertrauen in Christus gesetzt haben, sind dagegen mit Gott versöhnt worden (Rö 5:10; 2.Kor 5:18; Kol 1:20-21).

Ein Christ kann durch die Sünden in seinem Leben niemals in dem Sinne von Christus getrennt werden, dass er seine Erlösung verlieren würde. In jedem Fall beeinträchtigt Sünde jedoch die Vertrautheit und die Freude in der Beziehung zwischen einem Heiligen und seinem Erlöser. Dieser Verlust der Vertrautheit zwischen einem Christen und dem Herrn wird oft als ‚being out of fellowship’ [‚die Gesellschaft Gottes verlassen’] bezeichnet. Ich empfinde hier zwar den Begriff ‚Gesellschaft’ als nicht besonders passend; aber der Zustand, den dieser Begriff zu beschreiben versucht, existiert tatsächlich. Wenn ein Mann und eine Frau streiten, ‚verlassen sie nicht ihre Ehe’, sondern es ist einfach so, dass ihr Verhältnis sich für die Zeit ihrer Uneinigkeit verschlechert und nicht mehr das ist, was es eigentlich sein könnte. Genauso kann auch ein Christ sein Verhältnis zu Gott nicht in vollem Ausmaß genießen, wenn er absichtlich sündigt.

Als ich stillschwieg über meine Sünde, verzehrte sich mein Körper durch mein andauerndes Stöhnen. Tag und Nacht lag Deine Hand schwer auf mir; meine Lebenskraft wurde mir entzogen wie in der Fieberhitze des Sommers. Schließlich erkannte ich meine Sündigkeit an vor Dir und verbarg meine Unzulänglichkeit nicht mehr; ich sagte: „Meine Verfehlungen will ich vor dem Herrn bekennen“, und Du vergabst die Schuld meiner Sünden (Ps 32:3-5; vgl. Ps 51).

Eines der Ziele göttlicher Züchtigung besteht darin, die Schranken zu beseitigen, die dem Genuss der ‚Gesellschaft’ mit Gott entgegen stehen, und das Verhältnis zwischen Gott und dem sündigen Heiligen wieder herzustellen – zu Vertrautheit und Freude statt Unbehaglichkeit und Entfremdung. Der Ungläubige wird am Ende bestraft, indem er in Ewigkeit aus Gottes Gegenwart ausgesondert wird (2.Th 1:9); der Heilige, der sündigt, aber wird gezüchtigt, damit er die vertraute Gemeinschaft mit Gott wieder erlangen kann:

„Die Ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun. Siehe, Ich stehe an der Tür und klopfe an; und wenn einer Meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde Ich zu ihm eingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit Mir“ (Off 3:19-20).

Göttliche Züchtigung verfolgt also mindestens zwei Ziele: Gerechtigkeit und ein intaktes Verhältnis. Gottes Züchtigung sucht den eigensinnigen Heiligen von der Sünde zur Heiligkeit zurückzubringen und sein Verhältnis zu Gott von der Belastung durch die Sünde zu befreien, damit Vertrautheit und Gemeinschaft wieder hergestellt werden.

Manchmal erfordert göttliche Züchtigung eine vorübergehende Entfremdung oder Trennung, um dadurch die Buße und Wiedervereinigung zu erreichen. Im Falle des in offensichtlicher Sünde lebenden korinthischen Christen forderte Paulus, dass dieser gemieden, aus der Gesellschaft ausgeschlossen, ja sogar Satan zur Bestrafung übergeben werden sollte; aber das Ziel dieser Züchtigung war letztendlich doch die Wiederherstellung der Gemeinschaft (vgl. 1.Kor 5:1-13). Im Falle des Verlorenen Sohnes in Lukas 15 war es der Sohn selbst, der sich aus der Gemeinschaft entfernte, am Ende aber kehrte er dorthin zurück.

Ich weiß, dass manche Menschen die Isolation als eine nicht besonders gute Form der Strafe darstellen, aber ich kann diese Auffassung eigentlich nicht teilen. Warum sollte man die Isolation nicht als eine mögliche Option betrachten, wenn die elterliche Züchtigung doch nach dem Vorbild der göttlichen Züchtigung gestaltet werden soll? Sünde selbst trennt. Christen sollen sich von bestimmten Sündern fernhalten (Mat 18:15-17; 1.Kor 5), und es steht fest, dass Gott die Ungläubigen aus Seiner Macht und Gegenwart aussondern wird (2.Th 1:9). Ein zeitweiliger Ausschluss oder eine vorübergehende Trennung gibt einen Vorgeschmack auf die Folgen der Sünde und kann daher durchaus ein angemessener Weg zur Züchtigung eines ungehorsamen Kindes sein.

Der Haupteinwand gegen eine Isolation ist der, dass sie Groll und Bitterkeit erzeugen kann. Das stimmt sicherlich, aber auch eine Tracht Prügel kann Groll auslösen – wenn das Kind denn töricht darauf reagieren will. Wir müssen daran denken, dass der Heilige Geist im Herzen eines Kindes arbeitet, und eine kurze Zeit der Einsamkeit kann genau die richtige Voraussetzung zum Nachdenken und Gewissenskampf sein. Ein Kind alleine auf sein Zimmer zu schicken, sollten wir deshalb nicht voreilig und gedankenlos als Möglichkeit zur Züchtigung verwerfen.

Ausschlag gebend bei der göttlichen Züchtigung ist die Tatsache, dass sie immer in der Hoffnung auf Buße und auf die Wiederherstellung der Vertrautheit mit Gott stattfindet, da unser Verhältnis als Kinder Gottes durch die Sünde ja nicht beendet wird. Das Gericht über die Sünder dagegen trägt keine solche Hoffnung in sich. Wo immer ich in der Bibel von Gottes Züchtigungen lese, sucht Gott doch immer – egal wie schwer oder langdauernd die Sünde gewesen sein mag – die Reue des Sünders zu bewirken und bietet immer Hoffnung auf Vergebung und Wiedervereinigung. Selbst im tiefsten Leid, das Israel seiner großen Sünden wegen zu tragen hatte, konnte das Volk auf Gott schauen und wissen, dass Er mitleidig und barmherzig ist und dass es immer Hoffnung gibt:

Tatsächlich enden niemals die Taten der Güte des Herrn, denn Sein Erbarmen versagt nie. Sie sind alle Morgen neu, und groß ist Deine Treue. „Der Herr ist mein Teil“, sagt meine Seele, „darum hoffe ich auf Ihn.“ Der Herr ist freundlich zu denen, die auf Ihn harren, zu dem Menschen, der Ihn sucht. ... Denn der Herr wird nicht auf immer verstoßen; denn wo Er Leid verursacht, wird Er Sich wieder erbarmen nach der Fülle Seiner Güte. Denn nicht aus Seinem eigenen Herzen bedrückt er oder betrübt die Menschensöhne (Klg 3:22-25, 31-33).

Noch die Warnungen Gottes vor dem drohenden Gericht beinhalten explizit oder implizit die Zusicherung, dass Er Seinen Zorn zurückhalten möchte, wenn Sein Volk nur bereut und sich von seinem bösen Weg abkehrt:

Dann erging das Wort des Herrn an mich: „Kann Ich nicht; o Haus Israel, mit dir verfahren, wie es dieser Töpfer tut?“ spricht der Herr. „Siehe, wie der Ton in des Töpfers Hand bist du in Meiner Hand, o Haus Israel. In einem Augenblick mag Ich über ein Volk oder ein Königreich sprechen, dass Ich es ausrotten, niederreißen oder zerstören werde; wenn sich aber das Volk, gegen das Ich gesprochen habe, von seiner Bosheit abkehrt, wird Mich auch das Unheil reuen, das Ich über sie zu bringen dachte (Jer 18:5-8).

Jeremia wusste, dass Gott Seinem Volk aufs Neue Barmherzigkeit erweisen würde, nachdem Er sie gezüchtigt hatte, um ihre Herzen zu Ihm zurück zu bringen. Er würde sie zurück in das Land bringen und dort Seine Segnungen über ihnen ausgießen:

„Und es wird geschehen, dass Ich Mich, nachdem Ich sie ausgerissen habe, wieder über sie erbarme; und Ich werde sie zurück bringen, einen Jeden zu seinem Erbteil und auf sein Land“ (Jer 12:15).

Fast immer, wenn Gott Seine Propheten sandte, um Sein Volk vor Seinem kommenden Zorn zu warnen, bereitete Er gleichzeitig einen „Ausweg“, auf dem die Strafe abgewendet und die Vertrautheit mit Gott erneuert werden konnte:

Hört und merkt auf, und seid nicht hochmütig, denn der Herr hat gesprochen. Gebt dem Herrn, Eurem Gott, die Ehre, bevor Er Finsternis bringt und eure Füße auf den Bergen in der Dämmerung stolpern und Er das Licht, auf das ihr noch hofft, zu tiefer Dunkelheit macht und in Düsternis verwandelt (Jer 13:15-16).

An einem bestimmten Punkt gab es kein Zurück mehr für das Volk Gottes. Als Jesaja zum Prophetentum berufen wurde, hatte Israel die Zeit zur Reue schon verpasst, und Jesajas Worte kündeten von der bevorstehenden Düsternis (vgl. Jes 6:9-12). Und doch gab es selbst dann noch Hoffnung, denn Gott versprach einen Rest des Volkes zu bewahren, an dem Er alle Zusagen Seines Bundes erfüllen würde (Jes 6:13; vg. Rö 11:1-10).

Hier stoßen wir auf einen der wichtigsten Zwecke des Prophetentums – die Hoffnung selbst im größten Leid aufrecht zu erhalten. Viele der Prophezeiungen sind zwar Warnungen vor dem, was geschehen wird, wenn Gottes Volk in seiner Sünde verharrt – aber die Übrigen beinhalten dafür großenteils das Versprechen dessen, was Gott an Heilung und Segnungen bewirken wird, wenn Seine Züchtigungen erst einmal ihren Zweck erfüllt haben:

Dies ist das Wort, das vom Herrn an Jeremia erging: „So spricht der Herr, der Gott Israels: ‚Schreibe alle die Worte, die Ich zu dir gesprochen habe, in ein Buch. Denn siehe, es wird eine Zeit kommen,’ spricht der Herr, ‚wo Ich die Geschicke Meines Volkes Israel und Juda wenden werde.’ Der Herr spricht: ‚Und Ich werde sie zurück bringen in das Land, das Ich ihren Vorvätern gab, und sie werden es besitzen’“ (Jer 30:1-2).

„Und fürchte dich nicht, o mein Knecht Jakob,“ spricht der Herr, „und sei nicht bestürzt, o Israel. Denn siehe, Ich will dich aus der Ferne erretten und deine Nachkommen aus dem Land ihrer Gefangenschaft. Und Jakob soll zurückkehren und Ruhe haben und ohne Sorge sein, und niemand soll ihn schrecken. Denn Ich bin bei dir,“ spricht der Herr, „um dich zu erretten; denn Ich will all die Völker vollständig vernichten, unter die Ich dich zerstreut habe, nur dich will Ich nicht vollständig vernichten. Aber Ich will dich in gerechtem Maße züchtigen und werde dich keineswegs ungestraft lassen (Jer 30:10-11).

Der Herr erchien mir von ferne und sprach: „Ich habe dich mit immerwährender Liebe geliebt; darum habe Ich dich zu mir gezogen mit lauter Güte. ... Hört das Wort des Herrn, ihr Völker, und verkündet an den fernen Küsten und sprecht: „Der Israel zerstreut hat, wird es wieder sammeln und es behüten wie ein Hirte seine Herde. ... Denn Ich werde ihre Trauer in Freude verwandeln und sie trösten und ihnen Freude statt Betrübnis geben (Jer 31:3,10,13b).

Auch die vielleicht bedeutsamste Stelle findet sich in diesem Kapitel im Buch Jeremia. Inmitten allen Kummers, den sie um ihrer Halsstarrigkeit Willen erleiden, lässt Gott hier einen Ton der Hoffnung und des Triumphes erklingen. Gott hat Sein Volk gezüchtigt, um sie zur Reue zu bewegen und sie an den Platz zurückzubringen, den sie aus eigenem Willen aufgegeben hatten:

So spricht der Herr: „Mäßige das Weinen in deiner Stimme und die Tränen in deinen Augen. Denn deine Mühe soll belohnt werden,“ spricht der Herr, „und sie sollen aus dem Land ihrer Feinde zurückkehren. Und es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft,“ spricht der Herr, „und deine Kinder sollen wieder in ihre Heimat kommen. Ich habe wohl gehört, wie Ephraim klagt: ‚Du hast mich gezüchtigt, und ich wurde gezüchtigt wie ein junger Stier, der noch nicht abgerichtet ist. Bring mich zur Umkehr, dass ich wieder hergestellt werde, denn Du bist der Herr, mein Gott. Denn nachdem ich bekehrt worden war, bereute ich, und nachdem ich zur Einsicht gebracht worden war, schlug ich mir an die Brust. Ich wurde beschämt und gedemütigt, denn ich trug die Schande meiner Jugend.’ Ist Ephraim Mein teurer Sohn? Ist er ein liebes Kind? So oft Ich auch gegen ihn gesprochen habe, gedenke Ich seiner doch gewiss auch weiterhin. Darum sehnt sich Mein Herz nach ihm, und Ich werde Mich seiner gewiss erbarmen,“ spricht der Herr (Jer 31:16-20).

In diesen prophetischen Texten (vor Allem in dem Letzten), finde ich eine bemerkenswerte Parallele zu der Züchtigung von Kindern, wie sie uns das Buch der Sprüche lehrt. Ist Ihnen aufgefallen, dass Gottes Liebe zu Seinem Volk mit der eines Vaters für seinen Sohn gleich gesetzt wird (vgl. Spr. 3:11-12)? Die Zucht oder Züchtigung, die Israel erhielt, wird ausdrücklich mit der verglichen, die einem Jugendlichen typischerweise zuteil wird (Jer 31:19). Gottes Züchtigung, so schwerwiegend sie auch sein mochte, galt denen, die er von Herzen liebte, und geschah zu dem Zweck, sie zur Reue und Umkehr zu bewegen (vgl. 31:18-19).

Damit finden wir in den Sprüchen die Züchtigung als lebensrettend und Leben spendend beschrieben. Die elterliche Erziehung sollte nicht nur von Hoffnung getragen sein, sondern auch dem Kind Hoffnung geben:

Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Lehre ist ein Licht; Und die Zurechtweisungen der Zucht sind der Weg des Lebens (6:23).

Wer die Zurechtweisung befolgt, ist auf dem Pfad des Lebens, Aber wer die Zucht verlässt, geht in die Irre (10:17).

Die Lehren der Weisen sind ein Quell des Lebens, Um sich abzuwenden von den Schlingen des Todes (13:14).

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Strenge Zucht ist für den, der den Weg verlässt; Und wer Zurechtweisung hasst, wird sterben (15:10).

Züchtige deinen Sohn, denn darin liegt die Hoffnung; Lass dich nicht hinreißen, zu seinem Tod beizutragen (19:18, NIV).

Daraus lernen wir, dass elterliche Zucht ein Kind niemals zur Verzweiflung, sondern vielmehr zur Reue bringen soll. Elterliche Zucht, die nach dem Vorbild von Gottes Zucht gestaltet wird, sollte zwar die Rute einsetzen, gleichzeitig aber auch klar machen, dass Gott ein Mittel zur Heilung der Sünder bereit hält. Wenn Menschen durch die Zucht demütig gemacht und dazu gebracht werden, ihre Sünden zu bekennen und zu bereuen, so wird Gott ihnen vergeben und sie erneut an den Ort vertrauter Gemeinschaft mit Ihm setzen.

Wer seine Übertretungen zudeckt, wird kein Gelingen haben, Doch wer sie bekennt und von ihnen lässt, wird Barmherzigkeit finden. Wohl dem, der allezeit Scheu empfindet; Aber wer sein Herz verhärtet, wird ins Unglück fallen (28:13-14).

Wo immer göttliche Züchtigung in der Bibel beschrieben wird, kann man feststellen, dass sie im Rahmen einer vertrauten Beziehung geschieht. Gottes ungehorsames Volk wird als Seine Braut (z.B. Jer 31:32) oder Sein Sohn (Jer 31:20) bezeichnet. Gottes Züchtigung entspringt Seiner Fürsorge und Betroffenheit als liebender Vater. Züchtigung ist notwendig, um den Ungehorsam von Gottes Volk zu beheben und das Verhältnis wieder herzustellen, das durch die Sünde beeinträchtigt wurde. Gott züchtigt nicht um zu zerstören, sondern um wieder herzustellen. Gott hält immer ein Heilmittel bereit und bietet immer eine Hoffnung. Gottes ungehorsames Kind weiß, dass sein himmlischer Vater leidenschaftlich darauf wartet, dass Sein eigensinniges Kind zurück kommt. Mit Sicherheit ist das eine der Aussagen der Geschichte vom Verlorenen Sohn (Luk 15:11-32).

Eine Lektion, die für uns Eltern daraus erwächst, ist, dass die Hoffnung auf Reue und Umkehr bis zu einem gewissen Grad von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung abhängt. Was Reue und Wiedervereinigung für den Sünder so attraktiv macht, sind doch die unvergleichlichen Segnungen, die er als Kind Gottes in Harmonie mit Ihm erfährt. Der Verlorene Sohn hätte wenig Veranlassung zu seinem Vater zurückzukehren, wenn sein Verhältnis zu ihm nicht so wäre, dass er es wiederhergestellt zu haben wünschte. Viele von uns haben vielleicht kein solches Verhältnis zu ihren Kindern, das zu Reue und Wiedervereinigung motiviert.

Lassen Sie uns in dieser Hinsicht versuchen Gott-ähnlich zu sein. Lassen Sie uns danach streben, dass wir ein Verhältnis zu unsereren Kindern entwickeln, in dem sich Liebe und Sorge ausdrücken. Lassen Sie uns unsere Kinder so züchtigen, dass sie ihre Sünden ablegen und dass unser Verhältnis zu ihnen nicht mehr unter der Entfremdung durch Sünde leiden muss. Lassen Sie uns auf so vielerlei Arten wie möglich ausdrücken, dass Züchtigung stets in Liebe und mit Hoffnung durchgeführt wird. Lassen Sie uns solche Eltern sein, zu denen unsere eigensinnigen Kinder gerne zurückkehren, nachdem sie zu sich selbst gefunden haben.

Der Ablauf
der göttlichen Züchtigung

Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich Schwierigkeiten mit einigen Stellen in den Sprüchen, die eigentlich zu vielversprechend scheinen. Stellen wie die folgenden scheinen doch zu versprechen, dass die Rute ein Kind unbedingt zur Gerechtigkeit bringen wird:

Hiebe und Wunden säubern vom Bösen, Und Schläge reinigen das innerste Wesen (20:30, NIV).

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft; Aber die Rute der Zucht wird sie von ihm entfernen (22:15).

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Auch wenn du es mit der Rute schlägst, wird es nicht sterben. Du sollst es mit der Rute schlagen Und seine Seele vor dem Scheol bewahren (23:13-14).

Können Schläge wirklich die Sünde aus dem Leben eines Kindes vertreiben? Ist eine „ordentliche Tracht Prügel“ eine Art Allheilmittel für ein Kind? Bringen wir ein Kind durch einen Stock weg von der Sünde und hin zu Gott? Ich glaube, die Antwort auf mein Dilemma ist am besten in dem folgenden Vers zusammengefasst:

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird, bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Die Rute war nie als ein Allheilmittel gedacht, sondern immer nur als ein Element der Kindererziehung. Die Rute als solche lehrt ein Kind nur wenig; aber zusammen mit einer verbalen Anleitung kann sie ein Kind von der Torheit zur Weisheit, von der Sünde zur Frömmigkeit bringen. Die Rute ist kein Allheilmittel, sondern nur ein Teil der Kindererziehung. The rod was never intended to be a cure-all, but only a part of the process of child-training.

Wenn Gott im Alten Testament Gebrauch von der ‚Rute’ der Züchtigung macht, geschieht das nie isoliert, sondern immer als Teil eines umfassenderen Geschehens, das Seine Kinder zu größerer Reife, Glauben und Gehorsam bringen sollte. Ich will versuchen, die einzelnen Schritte im Ablauf solcher Zurechtweisung und Züchtigung zu beschreiben, so wie ich sie gegenwärtig verstehe.

Erster Schritt: Festlegung des Herrschaftsrechts. Wie wir gesehen haben, wird das Wort ‚Züchtigung’ in Deuteronomium 4:36, 8:5 und 11:2 dort gebraucht, wo Gott Seine Größe zeigt, indem Er Israel aus Ägypten befreit und dann in der Wüste und am Berg des Gesetzes Seine Majestät und Macht offenbart. All das diente dem Zweck, Gottes Autorität – Sein Herrschaftsrecht – über das Volk Israel zu etablieren.

Auch Eltern müssen ihre Autorität etablieren, indem sie ihren Kindern deutlich machen, dass sie die Verantwortlichen sind. Sicher sollten wir auf unsere Kinder hören und ihre Meinungen und Gefühle berücksichtigen, doch die Verantwortlichkeit und Autorität zur Kindererziehung hat Gott den Eltern übergeben. Kinder sind nicht gleichberechtigt, so wie wir auch nicht gleichberechtigt mit Gott sind. Kindererziehung basiert auf der Voraussetzung, dass es die Eltern sind, die die Verantwortung tragen.

Zweiter Schritt: Aufstellung der Regeln. Nachdem Gott Seine Autorität festgelegt hatte, gab Er Seinem Volk das Gesetz – die Verhaltensregeln, die Er für sie aufgestellt hatte. In Abhängigkeit von Israels Gehorsam oder Ungehorsam diesem Gesetz gegenüber würde Gott das Volk entweder segnen oder züchtigen. Weil Gott heilig ist, musste auch Sein Volk ein heiliges Leben führen. Das Gesetz beschrieb daher die Art der Lebensführung, die dem Volk Gottes angemessen war.

Auch Eltern müssen die Verhaltensregeln für ihre Kinder festlegen. Wir müssen nicht nur deutlich machen, dass wir das Recht haben, die Regeln aufzustellen, sondern wir müssen die Regeln dann auch tatsächlich festlegen. Die Maßstäbe, die Gott setzte, waren klar und einfach (ich sage nicht: leicht). Die Maßstäbe, die wir setzen, sollten ebenfalls realistisch, klar und schlüssig sein.

Dritter Schritt: Darstellung der Folgen einer Sünde wie auch des Weges zur Heilung. Das Gesetz, das Gott Seinem Volk gab, enthielt eindeutige Aussagen über die Folgen der Sünde. Sowohl Deuteronomium 28 als auch Levitikus 26 beschreiben die Konsequenzen von Redlichkeit wie auch Unredlichkeit. Israel wusste genau, was Gott tun würde, wenn es Seinem Gesetz gegenüber ungehorsam werden würde.

Gott wusste um die Schwachheit Seines Volkes, und daher traf Er auch Vorsorge für ihre Sündigkeit. Das eingesetzte Opferungssystem ermöglichte nicht nur unmittelbar die Befreiung von einer Sünde, sondern nahm auch in prophetischer Weise die endgültige Erlösung vorweg, das Opfer des ‚Lammes Gottes’, das die Sünde der Welt hinweg nehmen würde (vgl.Joh 1:29; Heb 10:1-18).

Auch die elterliche Zucht sollte eine Ermahnung bezüglich der Konsequenzen ungehorsamen Verhaltens beinhalten. Unsere Kinder müssen wissen, dass die Regeln, die wir festgelegt haben, ihrem Leben Segen zu bringen beabsichtigen und dass ein Verstoß gegen diese Regeln unangenehme Folgen nach sich zieht. Kinder lassen sich eher durch die Schmerzen des Ungehorsams beeindrucken als durch die einzelne Vorschrift oder Aufforderung selbst. Wie Gott sollten Eltern daher ihre Kinder die Konsequenzen aus einer Sünde wissen lassen, bevor noch eine Regel übertreten wird.

Mehr noch als über die schmerzlichen Folgen der Sünde müssen Eltern aber mit ihren Kindern über die Fürsorge Gottes sprechen, die Er für die Sünder in der Person Seines Sohnes bereitet hat. Im Alten Testament fand jede Sünde ihre Strafe; aber Gott sorgte auch für eine Möglichkeit, die dem Gesetzesübertreter Vergebung und Versöhnung bot.

Vierter Schritt: Darlegung der Gründe für die Regeln. Es reichte nicht aus, dass dem Volk die Regeln einmalig durch Moses bekannt gegeben wurden, sondern dieses dem Moses gegebene Gesetz sollte auch weiterhin von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Die Verantwortung für diese Belehrung lag primär bei den Eltern, besonders beim Vater (vgl. Ex 12:24-27; Deu 6). Zusätzlich setzte Gott zur Belehrung jeder neuen Generation religiöse Führer ein, Männer wie die Priester, die Schreiber (Esr 7:6; Ne 8:1-18) und die Propheten. Jede Generation musste aufs Neue über das Ziel und die Bedeutung des Gesetzes belehrt werden. In jeder Generation mussten die Männer und Frauen wieder an Gottes Maßstäbe erinnert werden.

Kein Buch des Alten Testamentes enthält so viele ausdrücklich an ‚Söhne’ gerichtete Lehren wie das Buch der Sprüche. Das Gesetz wird als gegeben vorausgesetzt und nun in praktischer Hinsicht ausgelegt – in Hinsicht darauf, wie man sein Leben führen soll. Die Folgen der Sünde wie auch die Vorteile des Gehorsams gegen Gott werden eindeutig dargestellt. Über die reinen Vorschriften hinaus aber geben uns die Sprüche Grundsätze an die Hand, von denen unser Leben geleitet werden sollte.

Im Neuen Testament werden die Väter aufgefordert, ihre Kinder „in der Zucht und der Ermahnung des Herrn“ zu erziehen (Eph 6:4). Immr wieder ist es die Verantwortung der Eltern (in erster Linie) und Anderer (in zweiter Linie), einen jungen Menschen Gottesfurcht und Gehorsam zu lehren. Da jede folgende Generation aufs Neue belehrt werden muss, ist dieser Vorgang niemals abgeschlossen. Was ein Sohn von seinem Vater gelernt hat, muss er seinerseits seine Kinder lehren (vgl. Spr 4:3-9).

Fünfter Schritt: Verbale Zurechtweisung. Es bleibt nicht aus, dass wir sündigen. Egal wie gut wir die Regeln selbst und ihre Gründe kennen – am Ende werden wir sie doch irgendwann einmal missachten. Selbst Salomo, der einen großen Teil der Sprüche schrieb, missachtete seine eigenen Ermahnungen. Die Rolle der Propheten im Alten Testament bestand unter Anderem darin, auf einzelne Sünden hinzuweisen, auf bestimmte Fälle, in denen Gottes Gesetz verletzt worden war. So tadelte Nathan David (2.Sa 12) und die Propheten des Alten Testaments klagten Israel und Juda zunächst ihrer Sünden wegen an (vgl. auch Ne 13:15). Erst nachdem Gottes Volk anhaltend Sein Wort missachtet und Seine Propheten abgewiesen hatte, sah sich Gott schließlich gezwungen, die ‚Rute’ der Züchtigung einzusetzen:

„Und du sollst zu ihnen sagen: ‚Das ist das Volk, das der Stimme des Herrn seines Gottes nicht gehorcht und keine Zucht angenommen hat; die Wahrheit ist dahin und von ihrem Munde weggetilgt worden’“ (Jer 7:28).

„Aber sie hörten nicht und neigten ihre Ohren nicht zu mir, sondern wurden halsstarrig, um nicht zu hören und keine Zucht anzunehmen“ (Jer 17:23).

„Und der Herr hat euch wieder und wieder all Seine Diener, die Propheten, gesandt; ihr aber habt ihnen nicht zugehört noch eure Ohren geneigt, um sie zu hören“ (Jer 25:4).

Idealerweise muss die Züchtigung nicht über eine verbale Zurechtweisung hinaus gehen. Die Sprüche beschreiben den Weisen als Einen, der aus einem einzigen Wort des Tadels lernt und die ‚Rute’ nicht benötigt (vgl. 13:1, 15:31-32, 17:10-11). David, der ein Mann nach Gottes Herzen war, reagierte sofort auf den bloßen Tadel Nathans (2.Sa 12:13).

Sechster Schritt: Die Rute. Am Ende wird es immer Einige unter uns geben, die auf die einfache Art nicht lernen wollen. Demzufolge ist dann die ‚Rute’ nötig, um die Lehre und verbale Zurechtweisung zu unterstreichen, die bis dahin missachtet wurde. Wenn Gott Seine ‚Rute’ in Israel einsetzte, so geschah das, weil Israel Seine Zurechtweisung durch die Propheten zurückgewiesen hatte:

„Daher spricht der Herr der Heerscharen: ‚Weil ihr Meinen Worten nicht gehorcht habt, siehe, so will Ich ausschicken und alle Familien des Nordens holen,’ spricht der Herr. ‚Und ich werde zu Nebukadnezar, dem König von Babylon, Meinem Knecht, senden und sie gegen dieses Land aufbringen und gegen seine Bewohner und gegen all die Nationen ringsumher. Und ich werde sie bis auf den Grund zerstören und sie zum Gegenstand des Entsetzens und des Spottes und der immerwährenden Verwüstung machen’“ (Jer 25:8-9).

Besonders bemerkenswert an den Worten des Jeremia und an ihrer Erfüllung ist es, dass die ‚Rute’, die Gott hier bei Seinem Volk einsetzte, ganz genau dem entsprach, was im Gesetz und durch die Propheten angekündigt worden war. Gottes Züchtigung war genau so, wie Er zuvor gewarnt hatte.

Siebter Schritt: Reue und Versöhnung. Die Rute ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel – ein Mittel, um die Belehrung und die verbale Zurechtweisung zu unterstreichen, die ihr vorangegangen sind. Wenn Jemand sich nicht durch bloße Worte belehren lässt, dann macht die Unbelehrbarkeit des Sünders, wie uns die Sprüche (29:19) sagen, den Einsatz der Rute erforderlich. Die Rute zielt darauf ab, den Sünder demütig zu machen, ihn zur Reue zu bewegen, und schließlich das Verhältnis wieder herzustellen, das durch die Sünde belastet worden ist. Der Vorgang der Züchtigung ist nicht abgeschlossen, bevor nicht der Verletzende und der Geschädigte wieder in den Genuss ihrer vertrauten Beziehung zueinander gekommen sind. Das ist die bewegende Kraft, die hinter den folgenden Worten aus dem dritten Kapitel der Offenbarung steht:

„Die Ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun. Siehe, Ich stehe an der Tür und klopfe an; und wenn Einer Meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde Ich zu ihm eingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit Mir“ (Off 3:19-20).

Unter den kulturellen Gegebenheiten jener Zeit fand die engste Gemeinschaft zwischen Freunden und innerhalb der Familie am Esstisch statt. In dieser Textstelle ergeht die Einladung an den eigenwilligen Sünder, damit er auf Gottes Züchtigung reagiere, bereue und in den vertrauten Status als Kind Gottes wieder eingesetzt werde. Dieser Text stellt keine Einladung zur Erlösung dar, sondern eine Ermahnung für den eigensinnigen Christen, auf die züchtigende Hand Gottes zu antworten, seine Sünden zu bereuen und in die vertraute Gesellschaft wieder aufgenommen zu werden, die er zuvor erfahren hatte.

Auch als Eltern sollten wir dies als das Ziel unserer Züchtigung ansehen. Wir sollten danach streben, dem Kind zu zeigen, dass die Züchtigung durch seine Sünde und durch die Weigerung, auf eine verbale Zurechtweisung zu hören, erforderlich wurde. Wenn das Kind zu aufrichtiger Reue gelangt ist, sollte es unmittelbar die Erleichterung der Vergebung und den Genuss der erneuerten Vertrautheit spüren dürfen. Wie immer man es nennen will, soll dies das Ende und das Ziel jeder Züchtigung sein – die Wiedervereinigung und die Gemeinschaft.

Das Privileg der Züchtigung

Der Vorgang der Züchtigung ist von Natur aus schmerzhaft. Trotzdem aber ist er auch ein großes Privileg. Am Ende unserer Betrachtungen über die elterliche Zucht möchte ich Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen, welche Segnungen die ‚Rute’ sowohl für die Eltern als auch für das Kind mit sich bringt. Überall in den Schriften finden wir geschrieben, dass die ‚Rute’ zwar Schmerzen bringt, aber auch tröstet:

Dein Stock und Dein Stab, sie trösten mich (Ps 23:4).

Das Tröstende an der Rute ist die Tatsache, dass Züchtigung ein Beweis für unsere Kindschaft ist. Die Rute ist der Beweis dafür, dass wir Kinder Gottes sind und dass Er uns viel zu sehr liebt, um die Sünde in unserem Leben zu ignorieren. Da die Sünde unserer Beziehung mit Ihm im Wege steht, sucht Er nachdrücklich, Sich mit unseren Sünden auseinanderzusetzen und die Segnungen und die Vertrautheit unserer Beziehung wieder herzustellen. Deswegen können wir die Zucht als ein Geschenk der Gnade Gottes ansehen.

Eliphas hat diese Tatsache in Bezug auf Hiobs Leiden vielleicht missverstanden, aber die Tatsache als solche bleibt doch bestehen:

„Siehe! Glücklich ist der Mann, den Gott zurechtweist, So verwirf du nicht die Zucht des Allmächtigen. Denn Er fügt Schmerzen zu und gibt Erleichterung; Er verwundet, aber Seine Hände heilen auch“ (Hi 5:17-18).

Der Psalmist konnte von Gottes Zucht sagen:

Selig ist der Mann, den Du in Zucht nimmst, o Herr, und lehrst ihn aus Deinem Gesetz (Ps 91:12).

Bevor ich gepeinigt war, ging ich in die Irre, Nun aber halte ich Dein Wort. Zu meinem Guten wurde ich gepeinigt, Damit ich Deine Bestimmungen lerne. Ich weiß, o Herr, dass Deine Entscheidungen gerecht sind Und dass Du mich in Treue gepeinigt hast (Ps 119:67,71,75).

Das ist gleichermaßen auch die Botschaft der Sprüche:

Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, gleich wie ein Vater den Sohn, an dem er Gefallen hat (Spr 3:12).

Am umfassendsten befasst sich der Hebräerbrief mit den Segnungen der Zucht:

Zur Züchtigung dient euch, dass ihr erduldet; Gott behandelt euch als Seine Söhne; denn wo ist der Sohn, den sein Vater nicht züchtigen würde? Wenn ihr aber ohne die Zucht seid, deren Teilhaber nun alle geworden sind, so seid ihr illegitime Kinder und nicht Söhne. Zudem hatten wir irdische Väter, die uns züchtigten, und wir respektierten sie; sollen wir uns dann nicht umso mehr dem geistigen Vater unterwerfen und leben? Denn sie züchtigten uns für eine kurze Zeit, wie es ihnen am besten erschien; Er aber züchtigt uns zu unserem Besten, damit wir an Seiner Heiligkeit teilhaben mögen. Für den Augenblick scheint jede Züchtigung nicht erfreulich, sondern betrüblich, doch nachher trägt sie denen, die durch sie erzogen wurden, die Frucht von Frieden und Gerechtigkeit ein (Heb 12:7-11).

Selbst wenn wir sie also für den Augenblick als schmerzhaft empfinden, sollte eine Züchtigung doch ein Quell des Trostes sein, denn sie zeigt uns nicht nur Gottes Liebe, sondern sie sucht auch die Sünde in unserem Leben zu heilen und die vertrauliche Gesellschaft und Gemeinschaft mit Gott wieder herzustellen. In gleicher Weise sollte unsere elterliche Zucht mit der Sünde im Leben der Kinder umgehen und das Band der Liebe und der Hingebung zwischen uns und ihnen vertiefen.

Die Züchtigung unserer Kinder stellt auch für uns Eltern ein Privileg dar. Sie stellt unseren Gehorsam Gott gegenüber wie auch unsere Liebe dem Kind gegenüber auf den Prüfstand. Die Sprüche fordern von Eltern, ihre Kinder zu züchtigen und betonen, dass das ein Beweis elterlicher Liebe ist (vgl. 13:24, 22:15, 23:13). Einer der Vorzüge einer Züchtigung liegt meiner Meinung nach darin, dass sie Eltern die Gelegenheit gibt, die Botschaft des Evangeliums in einem sehr anschaulichen Zusammenhang zu vermitteln. Befreiung von der Sünde ist genauso wenig in der ‚Rute’ zu finden wie in der Opferung eines Stiers oder Ziegenbockes in alter Zeit (vgl. Heb 9). Befreiung von der Sünde ist nur im Blut unseres Herrn Jesus Christus zu finden, das Dieser am Kreuz von Golgatha für uns vergossen hat.

In Johannes 16 spricht unser Herr vom Dienst des Heiligen Geistes. Er sagt:

„Er aber, wenn Er kommt, wird der Welt die Augen öffnen bezüglich der Sünde und der Gerechtigkeit und des Gerichts“ (Joh 16:8).

Mit was, frage ich Sie nun, befasst sich die elterliche Zucht? Hat sie nicht mit Sünde, Gerechtigkeit und Gericht zu tun? Es gibt keine bessere Gelegenheit, um die Problematik der Sünde im Leben eines Kindes hervorzuheben, als wenn die ‚Rute’ zum Einsatz kommen muss. Und es gibt keine andere Lösung für die Sünde als das Gericht, das unser Herr am Kreuz von Golgatha auf sich nahm. Lassen Sie uns also die Gelegenheit der Züchtigung nutzen, um unseren Kindern die endgültige Lösung für ihre Sünde nahe zu bringen, und lassen Sie uns dafür beten, dass Gott dann unsere Kinder zu Sich zieht. Nicht die ‚Rute’ rettet, sondern das Kreuz. Wir wollen niemals die ‚Rute’ gebrauchen, ohne dabei auf das Kreuz zu verweisen.

Möge Gott uns als Eltern befähigen, so zu züchtigen, wie Er Selbst es tut – zu Seinem Ruhm und zu unserem Besten.

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20. Weisheit und der Wille Gottes

Einleitung

Viele Christen suchen göttliche Führung mithilfe von schlichten Formeln: „Betrachte die Schriften, dein Gefühl und die Umstände. Wenn alle drei übereinstimmen, dann ist das der Wille Gottes.“ Ich glaube nicht, dass die Bibel uns derlei Formeln bietet. Christliches Leben wird aus dem Glauben und in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes gelebt; und das Wort Gottes wird dabei mithilfe der uns von Gott verliehenen Weisheit umgesetzt (vgl. Jak 1:5). In der Einleitung zum Buch der Sprüche sichert der Verfasser dem Leser zu, dass dieses Buch ihm wertvolle Einsichten in den Willen Gottes verschaffen wird:

Die Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel: um Weisheit und Zucht zu erwerben; um Worte der Einsicht zu verstehen; um ein züchtiges und kluges Leben zu erlangen; um zu tun, was richtig und gerecht und redlich ist; um dem Einfältigen Klugheit zu verleihen und dem jungen Menschen Erkenntnis und Urteilsvermögen – auf dass der Weise zuhöre und an Wissen gewinne und der Einsichtige Führung erhalte (Spr 1:1-5, NIV).

Es ist meine Überzeugung, dass kein anderes Buch des Alten Testamentes und vielleicht auch kein Buch des Neuen Testamentes bessere Einsicht in den Willen Gottes verschafft als das Buch der Sprüche. Am Ende unserer Studien in diesem sehr praxisorientierten Buch wollen wir das Thema der göttlichen Führung, so wie es hier dargestellt wird, eingehend betrachten.

Die Notwendigkeit göttlicher Führung

Die Sprüche gehen davon aus, dass göttliche Führung unentbehrlich ist, wenn man ein Leben in Weisheit und Frömmigkeit führen will. Wenn wir den Wert der göttlichen Führung richtig würdigen wollen, müssen wir zuerst einmal verstehen, warum der Mensch ihrer so dringend bedarf. Wir wollen daher zunächst drei Gründe betrachten, warum der Mensch die Führung Gottes braucht.

1. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH EINFÄLTIG IST. Nach Auffassung der Sprüche bedeutet Einfältigkeit, unerfahren, beeinflussbar und verletzlich zu sein. Dieser Zustand ist zwar besonders typisch für die Jugend, stellt aber auch eine Krankheit der Menschheit im Allgemeinen dar. Der menschliche Verstand ist nicht in der Lage, Gottes Geist und Herz zu erfassen, es sei denn durch übernatürliche Veranlassung und Befähigung (vgl. 1.Kor 2:6-16).

Vor dem Sündenfall waren Adam und Eva noch nicht durch eine der Sünde zugeneigte Wesensart belastet; in ihrer Unschuld jedoch waren sie auch unerfahren. Satan führte sie in Versuchung, indem er ihnen eine Erfahrung anbot, die Gott ihnen verboten hatte. In ihrer Naivität erkannten sie die täuschende und listige Natur Satans nicht und erfassten auch nicht in vollem Umfang die Gefahren eines Ungehorsams Gott gegenüber. Auch in den Sprüchen wird dem Unerfahrenen von Madam Torheit eine Erfahrung angeboten (9:16-17), aber in beiden Fällen handelt es sich um Erfahrungen, von denen wir uns nachher wünschen, dass wir sie besser nicht gemacht hätten. Gottes Wort klärt die Menschen über die verborgenen Gefahren des Lebens auf, die wir noch nicht erfahren haben und hoffentlich auch nie erfahren werden. Göttliche Führung klärt den Menschen über die Dinge auf, die er (durch Unwissenheit und Unerfahrenheit) nicht weiß, aber wissen muss, wenn er ein gottgemäßes und weises Leben führen will.

2. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH SÜNDIG IST. Die Sprüche sagen uns, dass der Mensch, der tut, was „von Natur aus kommt“, Dinge tut, die sowohl töricht sind als auch genau entgegen gesetzt zu dem, was Gott will. Der junge Mann wird angehalten, nicht auf seine eigene, sondern auf Gottes Weisheit zu vertrauen (3:5-7). Um weise zu werden, muss man sich von seiner eigenen Torheit abkehren und Gott fürchten lernen (1:22, 2:2, 8:5, 10:13, 9:6). Das grundlegende Problem des Menschen liegt in dem Zustand seines Herzens (4:23): Unser böses Herz neigt zur Sünde und Torheit und nicht zur Gerechtigkeit (6:14,18). Unsere Unfähigkeit, Gottes Wege und Seinen Willen zu erfassen, rührt nicht nur von unserer menschlichen Unzulänglichkeit (unserer Einfältigkeit) her, sondern auch daher, dass wir Gefallene sind. Wo unser Menschsein uns daran hindert, Gottes Willen zu erkennen, hindert uns unsere Sündigkeit daran, nach diesem Willen zu suchen und uns ihm zu unterwerfen. Wo wir durch unser Menschsein Gottes Willen nicht erkennen, suchen und finden wir ihn durch unsere Verderbtheit nicht:

„Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen; da ist Keiner, der Erkenntnis hat, da ist Keiner, der Gott sucht“ (Rö 3:10-11).

3. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH VON ANDEREN ZUR SÜNDE VERLEITET WIRD. Satan wird als ein aggressiver Feind dargestellt, der die Menschen zu täuschen und Gottes Wort zu verdrehen sucht (z.B. 1.Pe 5:8). Erstmalig geschah das im Garten Eden (Gen 3; vgl. 1.Tim2:14, 4:1-5). Häufig benutzt Satan Andere für seine teuflischen Pläne (vgl. 2.Kor 11:13-15). Im Buch der Sprüche sehen wir, wie Menschen durch gewalttätige Männer (z.B. 1:10-19) und verführerische Frauen (z.B. 2:16-19) verleitet werden. Während wir unsererseits den Willen Gottes nicht von selbst erkennen und aufgrund unserer Verderbtheit auch nicht geneigt sind, ihn zu erforschen, gibt es auf der anderen Seite Viele, die uns einreden wollen, dass sie schon Pläne für uns gemacht haben, und zwar Pläne, die unsere sündige Natur gerne anzunehmen gewillt ist. Göttliche Führung ist erforderlich, um das Gute vom Bösen unterscheiden zu können, und das Törichte vom Weisen.

Kennzeichen der göttlichen Führung

Die meisten Christen sind sich der Notwendigkeit göttlicher Führung deutlich bewusst; weit weniger deutlich wissen sie aber Bescheid darüber, wie man die göttliche Führung selbst erkennt. Aus dem Buch der Sprüche wie auch aus anderen Stellen der Schriften kann man verschiedene Kennzeichen der göttlichen Führung herauslesen.

1. GÖTTLICHE FÜHRUNG ERKENNT MAN ANHAND IHRER WEISHEIT. J.I. Packer hat in seinem – zurecht mit ‚Knowing God’ [Gott erkennen] betitelten – Buch ein Kapitel (20) über die Führung geschrieben. Es trägt den Titel ‚Thou Our Guide’ [Du, unser Führer] und wurde ursprünglich als Broschüre unter dem Titel ‚Guidance and Wisdom’ [Führung und Weisheit] veröffentlicht. Packer meint, dass Weisheit und Führung nicht voneinander zu trennen sind, und diese Auffassung wird im Buch der Sprüche ebenfalls vertreten. Indem ihr Zweck darin besteht, den Menschen zur Weisheit zu verhelfen, bestätigen die Sprüche doch gleichzeitig auch, dass Weisheit eines der Hauptmerkmale ist, durch die Gott Seinen Willen zu erkennen gibt:

Die Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel: um Weisheit und Ermahnung zu verstehen; um die Rede der Einsicht zu erkennen; um Anweisung zu erhalten für weises Verhalten, Gerechtigkeit, Recht und Gleichheit; um den Unerfahrenen Klugheit zu verleihen und der Jugend Erkenntnis und Urteilsvermögen; ein weiser Mann wird hören und an Wissen gewinnen und der Verständige wird weisen Rat erhalten (Spr 1:1-5).

In Vers 2 des obigen Textes beziehen sich die Worte ‚Einsicht’ und ‚erkennen’ beide auf den gleichen hebräischen Wortstamm mit der Bedeutung ‚zwischen’.60 Erkenntnisvermögen zu besitzen bedeutet, dass man fähig ist, den Unterschied zwischen zwei Möglichkeiten zu festzustellen. Weisheit versetzt einen Menschen in die Lage, zwischen Gut und Böse und auch zwischen Gut und Besser zu unterscheiden.

In Vers 4 bezieht sich der Begriff ‚Urteilsvermögen’ ebenfalls auf die Entscheidungsfindung.61 Von noch größerer Bedeutung ist aber vielleicht der Ausdruck ‚weiser Rat’ in Vers 5. Meiner Meinung nach ist es richtig, wenn die NIV das ursprüngliche Wort mit ‚Führung’ überträgt. Der entsprechende hebräische Begriff geht wohl auf ein Wort zurück, das die Seile bezeichnete, die auf den Schiffen des Altertums am Steuerruder befestigt waren und es dem Kapitän ermöglichten, den Kurs des Schiffes zu bestimmen.62

Wer ‚weisen Rat’ aus dem Buch der Sprüche zieht, hat mit Gottes Wort das Seil am Steuerruder zu fassen gekriegt, das ihn nun durch sein Leben steuern wird. Wenn Gott uns aber hauptsächlich durch Weisheit leitet, ist es wichtig zu wissen, was zur Weisheit gehört. Wir wollen das im Folgenden bei der Betrachtung der Kennzeichen göttlicher Führung berücksichtigen.

2. WEISHEIT UND GÖTTLICHE FÜHRUNG MÜSSEN AUF GÖTTLICHE OFFENBARUNG GEGRÜNDET SEIN. Viele Christen erwarten, dass Gott Seinen Willen auf spektakuläre und absonderliche Weise offenbaren wird – anstatt zu akzeptieren, dass Gott Seinen Willen (was die allermeisten Dinge betrifft) durch Sein Wort schon offenbart hat. Salomo wusste, dass das Gesetz des Alten Testamentes Gottes Maßstäbe für das menschliche Verhalten darstellte:

Als nun für David die Zeit zu sterben nahte, gebot er Salomo, seinem Sohn, und sprach: „Ich gehe hin den Weg alles Irdischen. Sei du daher stark und erweise dich als ein Mann. Und du sollst der Verpflichtung dem Herrn deinem Gott gegenüber nachkommen, dass du wandelst auf Seinen Wegen und einhältst Seine Satzungen, Seine Gebote und Sein Zeugnis, damit du Erfolg habest in Allem, was du tust, und wo immer du dich hinwendest“ (1.Kö 2:1-3).

In den Sprüchen gibt es nur wenige direkte Bezüge auf das Wort Gottes selbst – auf Seine göttliche Offenbarung für die Menschen durch die Schriften –, und doch wird diese Offenbarung vorausgesetzt und als unfehlbares, autoritatives Wort von Gott angesehen, das als Maßstab für die Gedanken und Taten der Menschen dient. Gelegentlich findet sich in den Sprüchen auch ein ausdrücklicher Bezug auf das Gesetz (28:4,7,9). Die biblische Offenbarung wird auch als „das Wort“ (13:13, 16:20) oder als „Wort Gottes“ bezeichnet.

Jedes Wort von Gott ist geläutert; Er ist ein Schild denen, die zu Ihm Zuflucht nehmen. Füge Nichts zu Seinen Worten hinzu, Damit Er dich nicht zurechtweise und du als ein Lügner überführt werdest (30:5-6).

Göttliche Offenbarung kann verschiedene Formen annehmen, darunter die Formen der Vorschrift, der Grundregel und des Musters. Vorschriften sind diejenigen Gebote Gottes, die konkret und eindeutig formuliert sind. So findet sich in den Sprüchen, wie auch an anderen Stellen, das Verbot, die Sünde des Ehebruchs zu begehen (vgl. Ex 20:14; Spr 5: 1-23, 6:29). Ebenso ist auch Lügen eine Sünde (vgl. Ex 20:16; Spr 6:19, 19:5,9). Bezüglich der Sünde lassen die Sprüche keinerlei Spielraum, denn Richtig und Falsch werden in den Schriften in ganz konkreten Begriffen festgelegt:

Wer seine Übertretungen zudeckt, wird kein Gelingen haben, Doch wer sie bekennt und von ihnen lässt, wird Barmherzigkeit finden (28:13).

Eine falsche Wägung ist dem Herrn ein Gräuel, aber ein volles Gewicht ist Sein Wohlgefallen (11:1).

In einigen Fällen sprechen die Sprüche von „dem Gebot“ und scheinen sich dabei auf das Gesetz des Mose zu beziehen:

Wer das Wort verachtet, wird in seiner Schuld sein, Aber der das Gebot fürchtet, wird belohnt (13:13).

Meistens aber, wenn in den Sprüchen von „Geboten“ die Rede ist, sind die der Eltern gemeint:

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen Und meine Gebote in dir bewahren wirst (2:1).

Mein Sohn, behalte meine Worte Und bewahre meine Gebote in dir. Halte meine Gebote, dass du am Leben bleibst, und hüte meine Lehren [wörtlich: mein Gesetz] wie deinen Augapfel (7:1-2).

Obwohl elterliche Ermahnungen nie als inspiriert, ohne Irrtum oder unfehlbar gelten konnten, waren sie doch notwendig, um jeder neuen Generation Gottes Gesetz zu vermitteln (vgl. Ex 12:26-27, 13:14-15; Deu 6:6-9,20-25). In den Sprüchen geben die Eltern (1:8, 3:1, 4:2, 6:20,23) und andere weise Menschen (z.B. 5:13, 13:14) Anweisungen. So weit ich es beurteilen kann, waren die ‚Gebote’ der Eltern Wiederholungen, Erklärungen oder praktische Anwendungen der Gebote aus dem Gesetz des Mose. Meiner Meinung nach versuchten Eltern und weise Menschen, jeder neuen Generation das Gesetz Gottes zu vermitteln und ihr Ermahnung und Anleitung auf der Grundlage der Offenbarung des göttlichen Willens in den Schriften zu geben, wie sie zu dieser Zeit verfügbar waren.

Zusätzlich zu den klar umrissenen Anweisungen der Sprüche (‚Vorschriften’) wurden auch Grundregeln festgelegt, die allgemeinerer Natur sind und eine umfassendere Anleitung für diejenigen darstellen, die den Willen Gottes kennen lernen und befolgen möchten:

Durch jederlei Arbeit ergibt sich ein Vorteil, Aber bloßes Reden führt nur zu Armut (14:23).

Eine milde Antwort wendet Zorn ab, Aber ein unfreundliches Wort rührt Ärger auf (15:1).

Das Herz des Weisen lehrt seine Zunge Und fügt seinen Lippen Überzeugungskraft hinzu (16:23).

Der Erste, der seine Sache vertritt, erscheint gerecht, Bis ein Anderer kommt und ihn befragt (18:17).

Bereite deine Arbeit draußen Und mache sie dir auf dem Feld zurecht; Danach dann baue an deinem Haus (24:27).

Zusätzlich zu den Vorschriften und Grundsätzen gibt es auch etwas in der Schrift, was wir ‚Verhaltensmuster’ nennen könnten. Ich weiß nicht, ob ‚Verhaltensmuster’ wirklich das beste Wort dafür ist – aber ich meine damit die Wahrheiten in der Schrift, die für uns zwar von großer Bedeutung sind, aber nicht so direkt wie die Vorschriften oder Grundregeln. Wenn die Schriften uns berichten, wie Gott Selbst ist – Seine Wesensart und Sein Verhalten –, dann können wir daraus schließen, dass wir wie Gott, gottgemäß sein sollten. Elterliche Zucht, beispielsweise, sollte nach dem Muster der göttlichen Zucht für Seine Kinder gestaltet werden.

Die Sprüche sagen uns, dass Gott Bosheit (6:16-19, 15:8-9), böse Absichten (12:2, 15:26), Unehrlichkeit (11:1, 20:10,23), Falschheit (11:20), Unaufrichtigkeit (12:22), Stolz (16:5) und Missachtung des Gesetzes (28:9) hasst. Sie sagen uns auch, dass Gott an Gerechtigkeit (15:8-9), Güte (12:2), Ehrlichkeit (11:1), Lauterkeit (11:20), Wahrhaftigkeit (12:22) und Weisheit (8:35) Wohlgefallen hat. Es fällt nicht schwer zu folgern, dass wir aufgeben sollen, was Gott hasst, und nach dem streben sollen, was Ihm Freude macht.

3. GÖTTLICHE FÜHRUNG KANN DURCH WEISEN RAT ERLANGT WERDEN. Führung bieten uns nicht nur die Gebote in den Schriften, sondern auch die Ratschläge der Weisen:

Glücklich ist der Mann, der nicht im Rat der Bösen wandelt Noch auf den Weg der Sünder tritt (Ps 1:1).

Bei mir ist Rat und praktische Weisheit; Ich bin die Einsicht, bei mir ist Macht (Spr 8:14).

Der Weg des Toren ist recht in seinen Augen, Aber wer auf einen Rat hört, ist weise (Spr 12:15).

Durch Anmaßung entsteht Nichts als Streit, Aber Weisheit ist mit denen, die sich raten lassen (Spr 13:10).

Es gibt zwei Arten von Ratschlägen: die Worte der Weisen und den Rat der Bösen (vgl. auch Jak 3:13-18). Die Sprüche sagen uns, dass kein guter Rat je in Widerspruch zu Gottes Wesensart oder Geboten steht:

Es gibt weder Weisheit noch Erkenntnis Noch irgendeinen Rat gegen den Herrn (21:30).

Jeder neuen Generation hat Gott ältere und weisere Menschen zur Seite gestellt, damit sie von der Erfahrung und dem Wissen derer lernen kann, die auf dem Pfad der Gerechtigkeit schon weiter fortgeschritten sind als sie selbst. Göttliche Führung ist im Ratschlag derer zu finden, die Weisheit erlangt haben.

4. GÖTTLICHE FÜHRUNG ERFORDERT VERTRAUEN UND HINGABE. Bevor wir auf die Frage „Was soll ich tun?“ eine Antwort finden können, müssen wir uns zuerst fragen: „Auf wen verlasse ich mich?“ Eine selbstbewusste und selbstgerechte Haltung ist das größte Hindernis, das der Suche nach dem Willen Gottes und dem Bestreben, ihn zu erfüllen, entgegen steht. Die Sprüche lehren uns, dass ein böser Mensch arrogant und anmaßend ist. Er kann die Gerechtigkeit nicht erfassen und wird nicht nach ihr streben. Wer aber den Weg der Weisheit zu betreten wünscht, wird zu allererst das Vertrauen auf sich selbst, auf seine naturgegebenen Beweggründe aufgeben:

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:5-7).

Niemals wirft Gottvertrauen jede Vernunft über den Haufen, aber jede rein menschliche Vernunft muss davor beiseite stehen (z.B. Mat 16:23). Wir können nur dann Weisheit erlangen und Gottes Willen erkennen, wenn wir nicht mehr unserer eigenen Vernunft vertrauen, die ja durch die Auswirkungen des Sündenfalls beeinträchtigt ist, sondern dahin gelangen, dass wir uns voll und ganz auf Gottes Offenbarung, auf Seine Weisheit verlassen und nicht auf unsere eigene.

Zudem erfordert die göttliche Führung unsere Zuversicht. Die menschliche Vernunft ruht nur auf dem, was wir sehen können, auf unserer eigenen Wahrnehmung der Dinge, wie wir unter den gegebenen Umständen sehen. Göttliche Führung dagegen beruht auf den Verheißungen Gottes, auf den „Dingen, die man nicht sieht“ (vgl. Heb 11:1). Das ist der Kernpunkt des 11. Kapitels des Hebräerbriefes. Männer und Frauen des Glaubens sind diejenigen, die ihr Leben im Lichte von Gottes Verheißungen leben, obwohl diese erst noch eintreffen müssen. Den Willen Gottes erkennen nur diejenigen, die bereit sind, ihre Zukunft in die Hand des Gottes der Bibel zu legen.

Das hilft uns zu verstehen, warum der Wille Gottes nicht immer leicht zu erkennen ist. Er gewährt Seine Führung großenteils auf dem Wege der Weisheit; und so ist diese Führung nicht ohne Weiteres zu haben, weil auch die Weisheit nicht ohne große Anstrengungen zu erwerben ist. Wiederholt sagen uns die Sprüche, dass Weisheit nur demjenigen zukommt, der mit Fleiß nach ihr sucht:

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen und meine Gebote in dir bewahren wirst, Leihe der Weisheit dein Ohr und neige dein Herz der Erkenntnis zu; Denn wenn du nach Unterscheidungsvermögen rufst und deine Stimme für die Erkenntnis erhebst, Wenn du dich um sie bemühst wie um Silber und nach ihr suchst wie nach verborgenen Schätzen, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen und die Erkenntnis Gottes finden (Spr 2:1-5).

Gott wirft Seine Perlen nicht vor die Schweine. Er macht die Weisheit nicht leicht verfügbar, und nur der Ausdauernde wird sie erwerben. So schwierig es aber schon ist, Weisheit zu erwerben, so ist es doch noch schwieriger, sie in die Tat umzusetzen. Wir sollten nicht erwarten, dass uns die göttliche Führung mit Leichtigkeit zufällt, noch sollten wir uns darüber hinweg täuschen, dass wir ihr nur unter Opfern und durch Hingabe folgen können. Je länger ich mich mit dem Thema der göttlichen Führung in den Schriften beschäftige, umso klarer wird mir, dass unser größtes Problem in der Hingabe liegt: darin, dass wir das auch tun, von dem wir erkannt haben, dass es richtig ist.

Diese Woche las ich im 42. Kapitel des Buches Jeremia von einem Ereignis, anhand dessen sich das Problem verdeutlichen lässt, das die meisten von uns mit der göttlichen Führung haben: Ein kleiner Rest des jüdischen Volkes war im Land Kanaan verblieben, nachdem das Volk in die Gefangenschaft nach Babylon fortgeführt worden war. Diese Übrigen kamen zum Propheten und forderten von ihm, dass er für sie um göttliche Führung nachsuche:

„Bitte lass doch unser Anliegen vor dir gelten und bete für uns zum Herrn deinem Gott, für diesen ganzen Überrest – da nur Wenige von den Vielen übrig geblieben sind, wie deine Augen uns hier sehen -, dass der Herr dein Gott uns den Weg zeigen möge, auf dem wir wandeln sollen, und die Dinge, die wir tun sollen“ (Jer 42:2-3).

Nach zehn Tagen wurde Gottes Wille dem Jeremia bekannt gemacht: Dieser Überrest sollte nicht nach Ägypten in Sicherheit fliehen, sondern auf Gott vertrauen und im Gelobten Land bleiben. Wie groß die Gefahr in Kanaan auch erschien, versprach Gott doch, die dort Verbleibenden zu beschützen und zu segnen, und sagte all denen die Vernichtung voraus, die bei irgendjemandem oder irgendetwas außer Ihm Schutz suchen sollten. Trotz dieser eindeutigen Anweisung von Gott durch den Propheten Jeremia wanderte aber der Überrest nach Ägypten aus, weil sie auf den ‚Arm des Fleisches’ statt auf Gott vertrauten.

Ist das nicht das Problem, das wir alle haben? Wir wollen göttliche Führung, aber wir wollen auch, dass sie mit unserer eigenen Einschätzung, was zu tun ist, übereinstimmt. Am Anfang der göttlichen Führung steht das Misstrauen unserer menschlichen Vernunft gegenüber und das Vertrauen auf göttliche Offenbarung und Verheißungen. Göttliche Führung setzt voraus, dass wir uns darauf festlegen, den Willen Gottes sorgfältig zu erforschen und ihn dann auch zu befolgen – egal ob er unser eigenen Meinung entspricht oder nicht.

5. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST EINE FRAGE DES CHARAKTERS. Wir hören oft die Redensart: „Wie Jemand denkt, so ist er auch.“ Das ist sogar eine biblische Weisheit (Spr 23:7). Aber die Bibel hat noch weit mehr als das über das Verhältnis zwischen Charakter und Taten eines Menschen zu sagen. Soviel ich weiß, fährt die Schrift hier fort und sagt: „Wie ein Mensch ist, so denkt er und so handelt er auch.“ Das heißt, der Charakter eines Menschen bestimmt sein Denken und sein Handeln. Ich möchte diese grundlegende Voraussetzung zunächst begründen und im Weiteren dann ihre Auswirkungen untersuchen.

Wenn ich vom Charakter eines Menschen spreche, so meine ich damit seine moralische Einstellung, die auf seinem Weg überall und in vorhersehbarer Weise Ausdruck findet. Der Ausdruck ‚Weg’ oder ‚Wege’ wird in den Sprüchen oft gebraucht, um Jemandes Charakter zu beschreiben. Auch Tiere haben ihren ‚Weg’, nämlich vorhersehbare und in sich schlüssige Verhaltensmuster, die Teil ihrer Natur sind:

Drei Dinge gibt es, die mir zu wunderbar sind, Und vier, die ich nicht erfassen kann: Der Weg eines Adlers am Himmel, Der Weg einer Schlange auf einem Felsen, Der Weg eines Schiffes mitten auf dem Meer, Und der Weg eines Mannes bei einem jungen Mädchen. So ist der Weg einer ehebrecherischen Frau: Sie isst und wischt sich den Mund ab und sagt: „Ich habe nichts Unrechtes getan“ (Spr 30:18-20).

Geh zur Ameise, du Fauler, Sieh ihre Wege und werde weise (6:6-8).

Wie Sprüche 30:19-20 (s.o.) ausweist, haben auch Menschen ihren ‚Weg’. Jemandes Charakter, sein ‚Weg’, kann anhand seiner Verhaltensmuster erkannt werden:

Den Pfad des Lebens betrachtet sie [die Ehebrecherin] nicht; Ihre Wege sind unstet, sie weiß es nicht (5:6).

Verkehre nicht mit einem Mann, der voller Wut ist, Noch mit einem jähzornigen Mann, Damit du nicht seinen Weg lernst Und dir selber eine Schlinge legst (22:24-25).

Gib nicht den Frauen deine Kraft, Noch deine Wege dem, was Könige vernichtet (Spr 31:3).

In diesen wie in zahllosen anderen Textstellen wird der Charakter eines Menschen als sein ‚Weg’ oder seine ‚Wege’ bezeichnet. So lesen wir im 2. Buch der Chronik von den ‚Wegen Josaphats’ und den ‚Wegen Asas’ (21:12), womit Bezug auf den Charakter dieser Männer genommen wird. Jede einzelne Tat in unserem Leben ist Teil eines Verhaltensmusters, das unseren ‚Weg’, unseren Charakter darstellt.

Auch Gott hat Seine ‚Wege’, und diese sind immer vollkommen:

„Der Fels! Vollkommen ist Sein Werk, denn alle Seine Wege sind Gerechtigkeit; Ein Gott der Treue, ohne Ungerechtigkeit, aufrecht und gerecht ist Er“ (Deu 32:4).

Ich will nachdenken über alle Deine Werke und nachsinnen über Deine Taten. Dein Weg, o Gott, ist heilig; wo ist ein so großer Gott wie Du, unser Gott? (Ps 77:13).

Der Herr ist gerecht in allen Seinen Wegen und freundlich in allen Seinen Taten (Ps 145:17).

Gottes Wege sind unendlich gerechter als die des Menschen:

„Denn Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, noch sind eure Wege Mein Weg,“ spricht der Herr. „Denn wie die Himmel höher sind als die Erde, so sind Meine Wege höher als eure Wege und Meine Gedanken höher als eure Gedanken“ (Jes 55:8-9).

Wenn Menschen vertrauten Umgang mit Gott haben wollen, müssen sie ihre Wege den Seinen anpassen. Wie Gott zum Volk Israel sagte:

„Denn Ich bin der Herr euer Gott. Darum sollt ihr euch heiligen, damit ihr heilig werdet, denn Ich bin heilig“ (Lev 11:44, vgl. 1.Pe 1:16).

Dementsprechend hat Gott den ‚Weg’ vorgeschrieben, auf dem wir in unserem Leben gehen sollen, die Anforderungen an unseren Charakter und an unser Verhalten. Dieser ‚Weg’ wird durch Gottes Wort festgelegt:

Weise mir Deinen Weg, o Herr; ich will wandeln in Deiner Wahrheit; Erhalte mein Herz bei dem Einen, damit ich Deinen Namen fürchte (Ps 86:11).

Ich habe den Weg der Treue gewählt; ich habe Deine Weisungen vor mich gestellt. Ich halte an Deinen Mahnungen fest; o Herr, lass mich nicht zuschanden werden! Ich werde den Weg Deiner Gebote gehen, denn Du wirst mein Herz weiten. Lehre mich, o Herr, den Weg Deiner Satzungen, und ich werde sie bis ans Ende bewahren. Gib mir Erkenntnis, dass ich Dein Gesetz befolge und es von ganzem Herzen halte. Lass mich auf dem Pfad Deiner Gebote wandeln, denn ich habe Gefallen daran. Neige mein Herz zu Deinen Mahnungen und nicht zu unehrlichem Gewinn. Wende meine Augen ab, dass sie nicht auf Eitelkeiten schauen, und lass mich auf Deinen Wegen zu neuem Leben erwachen (Ps 119:30-37).

Unter dem Strich gibt es nur zwei ‚Wege’; und die Sprüche weisen uns andauernd auf diese zwei ‚Wege’ des Lebens hin: den Weg des Bösen, der zu Tod und Vernichtung führt (z.B. 2:12, 4:14,19, 8:3, 10:29, 12:15, 15:19, 16:25, 22:5, 28:10), und den Weg von Weisheit und Gerechtigkeit, der zum Leben führt (z.B. 4:11, 6:23, 9:6, 12:28, 15:10, 16:13, 21:16, 22:6). Weise ist der Mensch, der seine Wege in Einklang mit den Wegen Gottes bringt.

Ich denke, die Sprüche lehren uns, dass der Charakter eines Menschen sein typisches Verhalten bezeichnet. Der Faule hat bestimmte verräterische Eigenschaften, genauso wie auch der Einfältige oder der Tor. Und entsprechend können auch bei einem Weisen kennzeichnende Verhaltensweisen beobachtet werden. Ein Weiser ist langsam zur Rede und wägt seine Worte wohl ab. Ein Weiser bedenkt – im Gegensatz zum Toren – die Folgen seiner Handlungen. Ein Weiser hört auf einen Rat, wohingegen der Tor in seinem Tun verharrt, ohne der Weisheit oder irgendwelchen Warnungen Beachtung zu schenken. Der Charakter eines Menschen (was er ist) wird an dem erkennbar, was er tut.

Im weitesten Sinne besteht Gottes Willen für den Menschen darin, dass der Mensch auf dem Weg gehe, den Er in Seinem Wort vorgeschrieben hat. Der Charakter eines Menschen beschreibt nicht nur allgemein seinen Lauf auf dem Weg des Lebens, sondern beeinflusst auch seine Reaktion auf den offenbarten Willen Gottes. Der Charakter bestimmt, woran einem Menschen gelegen ist: Der Böse hat Gefallen an Schlechtigkeit, während der Gerechte sich an dem erfreut, was heilig, rein und weise ist:

Ein Begehren, das verwirklicht wird, ist der Seele angenehm, Aber vom Bösen zu weichen, ist dem Toren ein Gräuel (Spr 13:19).

„Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen?“ (Spr 1:22).

Die sich freuen, Schlechtes zu tun, Und frohlocken über die Verrücktheit des Bösen (Spr 2:14).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

Das Begehren der Gerechten ist nur gut, Doch die Erwartung der Bösen ist Zorn (Spr 11:23).

Gib mir dein Herz, mein Sohn, Und lass deine Augen an meinen Wegen Gefallen finden (Spr 23:26).

Eines Menschen Charakter ist, was er selbst ist, und bestimmt, was er denkt, auf wen er hört und was er tut. In Sprüche 17:4 lesen wir:

Ein Übeltäter hört auf böse Lippen, Ein Lügner schenkt zerstörerischer Zunge Gehör (17:4).

Ein Lügner (Charakter) hört nicht auf weisen Rat, sondern schenkt seine Aufmerksamkeit nur denen, deren Ansichten mit seinen eigenen übereinstimmen (Unmoral).

Auch das Neue Testament lehrt diese Tatsache. Im Epheserbrief lesen wir:

Auch ihr wart tot in euren Übertretungen und Sünden, in denen ihr früher wandeltet nach dem Lauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Macht der Lüfte und des Geistes, der nun sein Werk treibt in den Söhnen des Ungehorsams. Unter ihnen lebten auch wir alle früher nach den Lüsten unseres Fleisches und frönten dem Verlangen des Fleisches und der Sinne und waren von Natur aus Kinder des Zorns, gleich den Anderen (Eph 2:1-3).

Von Natur aus waren wir verloren, tot in unserer Sünde. Wir kannten Gott nicht noch dienten wir Ihm. Statt dessen waren wir Nachfolger Satans und ließen unsere Gedanken wie auch unser Fleisch in der Sünde schwelgen.

Im Epheserbrief wie auch in anderen Briefen ermahnt Paulus die Christen, ihren Charakter mit ihrer Berufung und ihrem Glaubensbekenntnis in Einklang zu bringen (vgl. Eph 4:1-6:20; Kol 3:1-4:6). Jakobus schreibt, dass er sich wenig um das Bekenntnis eines Menschen kümmere, da doch allein durch unser Verhalten und unseren Charakter echte Bekehrung offenbar wird. Unser Charakter formt unser Denken und unser Handeln. Was wir sind, bestimmt, wass wir denken und was wir tun:

Den Reinen ist Alles rein; aber den Befleckten und Ungläubigen ist Nichts rein, sondern sowohl ihr Sinn als auch ihr Gewissen sind befleckt. Sie bekunden Gott zu kennen, doch mit ihren Taten verleugnen sie Ihn, weil sie verabscheuungswürdig und ungehorsam sind und nicht zu gebrauchen für irgendein gutes Werk (Tit 1:15-16).

Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass der Charakter eines Menschen eine der mächtigsten Einflusskräfte auf seine Entscheidungen darstellt. Deshalb würde ich sagen, dass kein Faktor wichtiger für die göttliche Führung ist als der Charakter desjenigen, der nach Führung sucht. Wie wir in Sprüche 17:4 sahen, wird der Lügner auf Niemanden hören als auf den Bösen, und das aus dem einfachen Grunde, weil ein böser Mensch keinerlei Neigung und Absicht hat, etwas Reines und Gerechtes zu tun. Der bloße Gedanke, dass er vom Bösen ablassen und Gutes tun könnte, ist dem Bösen zuwider, weil er seine Freude daran hat, Schlechtes zu tun

Um göttliche Führung zu erlangen ist es nach den Sprüchen Ausschlag gebend, einen gottgemäßen Charakter zu entwickeln. Deshalb verwendet das Buch so viel Mühe darauf, die schlechten Charaktere des Faulen, des Einfältigen, des Spötters und des Toren zu beschreiben. Die Sprüche suchen zu unserer charakterlichen Entwicklung beizutragen, indem sie uns anleiten, wie wir weise und gottgemäß werden können. Fromme Männer und Frauen werden nicht nur nach Gottes Willen forschen und ihn finden – sie werden ihn auch tun. Böse Menschen suchen gar nicht erst nach göttlicher Führung, noch würden sie ihr folgen, wenn sie sie gefunden hätten.

Der Charakter eines Menschen kann ihn also zu bestimmten Entscheidungen veranlassen. Zusätzlich gibt es aber mindestens noch zwei weitere Arten, auf denen Charakter und göttliche Führung miteinander zu tun haben. Gottes Charakter nämlich sollte den Gläubigen unbedingt dazu bewegen, nach göttlicher Führung zu suchen und ihr zu folgen. Gottes Charakter ist das Vorbild für unsere Gedanken und Taten, aber er ist auch die Basis für unser Vertrauen darauf, dass Er uns auf dem rechten Weg führen wird. So wie mein Vertrauen auf den Arzt mich dazu bringt, seinen medizinischen Rat zu befolgen, inspiriert mich mein Vertrauen auf Gott dazu, Seinen Willen zu erforschen und ihn zu befolgen.

Und dann gibt mir auch der Charakter anderer Menschen Anhaltspunkte für die göttliche Führung. Eines der besten Kriterien für die Auswahl eines Lebensgefährten ist ein gottgemäßer Charakter (vgl. Spr 31:10-31). Der Charakter soll Ausschlag gebend für die Wahl unserer Freunde und Gefährten sein (Spr 20:19, 22:24, 24:21). Wie ich auf einen Menschen reagiere, soll ich, so sagen mir die Schriften, anhand meiner Einschätzung von dessen Charakter festlegen. Beispielsweise werde ich angehalten, einen weisen Menschen zurechtzuweisen, dagegen soll ich keinen Toren oder Spötter zu verbessern versuchen (vgl. Spr 12:15, 13:1, 14:16, 15:12, 17:10, 23:9, 26:4-5).

Weisen Menschen wird geraten, einen Toren nicht zu belehren oder zu verbessern, weil er den weisen Rat missachten und das richtige Handeln verachten wird. Sehen Sie, was ich meine? Man kann einen Toren nicht anleiten, weil ein Tor keine Anleitung erhalten will. Daher ist der Charakter Ausschlag gebend, was die göttliche Führung anbelangt. Nur der Fromme wird auf den Pfaden von Gerechtigkeit und Weisheit geleitet werden. Der Tor wird unweigerlich zum Weg der Torheit zurückkehren, wie der Hund zu seinem Erbrochenen (Spr 26:11).

Schlussfolgerung

Vieles, was ich über die göttliche Führung gesagt habe, ist nichts Neues, aber es muss trotzdem immer wieder zur Erinnerung gesagt werden (vgl. 2.Pe 3:1). Führung erkennt man vor Allem durch Weisheit, und Weisheit erhält man durch die Gebote aus dem Wort Gottes, durch den Ratschlag der Weisen und durch die hingebungsvolle Suche nach dem Willen Gottes.

Zudem haben wir gelernt, dass unser Charakter wohl der entscheidende Faktor für unsere Reaktion auf die göttliche Führung ist. Wer weise ist, wird die Führung Gottes erkennen (Spr 1:1-6), während die Törichten es versäumen, danach zu suchen. Deshalb konzentrieren sich die Sprüche so sehr auf unseren Charakter. Das Böse entspricht in den Sprüchen den Charakterzügen, die mit Weisheit und Gottgemäßheit unvereinbar sind, wie zum Beispiel Einfalt, Torheit, unkontrollierte Launen, Unmoral und Faulheit.

Während ich das Verhältnis zwischen Charakter und göttlicher Führung untersuchte, fiel mir auf, dass wir hier – wie auf vielen anderen Gebieten des christlichen Lebens – uns schuldig gemacht haben, „die Mücken auszusieben, aber das Kamel herunterzuschlucken“ (Mat 23:24). Wir haben unsere Aufmerksamkeit auf die Einzelheiten von Gottes Willen gerichtet, dabei aber die Wege vernachlässigt, die das Wort Gottes so deutlich vorzeichnet.

Ich glaube, viele von uns fragen nach göttlicher Führung, wenn sie irgendeine bestimmte Entscheidung auf dem Weg unseres Lebens zu treffen haben, wenn sie auf dem falschen Weg sind. Unsere Suche nach der göttlichen Führung entspricht dann ungefähr der des Jona, der zu Gott betete, ihn ein Schiff nach Tarsis finden zu lassen, obwohl Gott ihm doch aufgetragen hatte, nach Ninive zu gehen. Wir müssen gar nicht versuchen herauszufinden, ob es Gottes Willen entspricht, dass Sally unsere Frau wird, wenn Sally ungläubig oder bekanntermaßen von schlechtem Charakter ist.

Ich bin überzeugt davon, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Entscheidungen, die wir als Christen aufgerufen sind zu treffen, anhand des Weges getroffen werden kann, auf dem wir uns befinden, anhand des Weges, der in den Schriften so deutlich vorgezeichnet wird. Ich glaube außerdem, dass Einzelentscheidungen, die keinerlei moralische Dimension haben, die weder ‚gut’ noch ‚schlecht’ sind, deshalb der Freiheit des Christen anheim gestellt sind und für Gott nicht von Wichtigkeit sind. Wenn das nicht der Fall sein sollte, kann Gott uns mit Sicherheit dabei lenken, so wie Er Seine Kinder immer gelenkt hat. Wenn es für Ihn einen Unterschied macht, ob wir dieses Haus kaufen oder jenes, dieses Auto oder ein anderes, dann wird Er sicherlich mithilfe der göttlichen Vorsehung intervenieren.

Wenn ich die in den Schriften aufgezeichneten schlechten Entscheidungen der Menschen überdenke, stelle ich fest, dass diese eher aus einem nicht-gottgemäßen Charakter als aus ungenügender oder unklarer Führung resultieren. Simson, beispielsweise, war ein Mensch mit charakterlichen Schwächen, wenn es um Frauen ging. Er ging immer wieder ausländischen, gottlosen Frauen nach, auch wenn das Gesetz etwas Anderes vorschrieb und auch seine Eltern ihn darauf aufmerksam machten (Ri 14:3).

Davids Sünde mit Bathseba war ebenfalls auf eine Charakterschwäche seinerseits zurückzuführen. In 2.Samuel 11:1 wird uns gesagt:

Und es geschah im Frühjahr, zu der Zeit, da Könige in die Schlacht ausziehen, dass David Joab aussandte und mit ihm seine Knechte und ganz Israel, und sie vernichteten die Söhne Ammons und belagerten Rabba. David aber blieb in Jerusalem.

Im zweiten Vers eben dieser Stelle erfahren wir, dass David nicht nur zu Hause geblieben war, als er hätte in den Krieg ziehen sollen – nein, er schlief zudem bis spät in den Nachmittag hinein. Nun muss ich sagen, dass Davids Charakter sich drastisch verschlechtert hatte seit den Tagen, als er durch Saul verfolgt worden war. David geriet eher durch den Wohlstand in Versuchung als durch die Verfolgung. Er war ein so großer Anführer, muss er sich wohl gesagt haben, dass er den Krieg auch von seinem Bett aus führen konnte. Bathseba hätte nicht in Davids Bett liegen sollen – aber er selbst auch nicht. Darauf bezog sich in Wirklichkeit auch die treffende Zurechtweisung aus dem Munde Urias, der Davids loyaler Untertan und Bathsebas Ehemann war (2.Sa 11:11). Davids Sünde mit Bathseba geschah nicht einfach so; sie war das Ergebnis einer ernsthaften charakterlichen Verfehlung in Davids Leben. Übrigens war Bathsebas Sünde vielleicht von der gleichen Art wie die Davids. Sollte sie wirklich irgendwo gebadet haben, wo sie von Anderen gesehen werden konnte?

Ich möchte behaupten, dass die meisten schlechten Entscheidungen unseres Lebens wie bei David die Folge unseres Charakters sind. Denken Sie einen Moment darüber nach. Welche Versuchungen quälen Sie am meisten im Leben? Sind es nicht gerade die Versuchungen, die die schwächsten Seiten Ihres moralischen Bewusstseins betreffen? Wenn sie Schwierigkeiten haben, sich selbst zu beherrschen – ein Charakterfehler, der an vielen Stellen in den Sprüchen beschrieben wird (19:19, 22:24, 29:22) –, dann werden Sie immer wieder dagegen ankämpfen müssen, nicht zu explodieren. Je mehr Sie diesen Fehler hätscheln, umso größer wird die Versuchung sein und umso sicherer ein Straucheln beim nächsten Mal. Wenn Jemand zulässt, dass sich seine (oder ihre) Gedanken immer mit unmoralischen Dingen beschäftigen, so wird er oder sie sich bald einer moralischen Versuchung gegenüber sehen. Wenn nur genügend Zeit vergeht und sich eine passende Gelegenheit ergibt (wie bei David), so wird derjenige, der unmoralische Gedanken hegt, schließlich einer moralischen Sünde verfallen.

Gottes Willen leitet uns zwar ganz konkret an, bis hin zu winzigen Details unseres Lebens, am meisten und am stärksten offenbart sich Sein Wille aber in Bezug auf den Weg, den wir gehen: „Er erquicket meine Seele; Er führet mich auf den Pfaden der Gerechtigkeit um Seines Namens Willen“ (Ps 23:3).

Gottes Wille ist es, dass wir moralisch rein sind:

Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung; das heißt, dass ihr euch von geschlechtlicher Unmoral enthaltet (1.Th 4:3).

Ob wir die Prüfung wahrer Geistlichkeit und Reife bestehen, hängt von unserem Charakter ab. Die Ältesten und Gemeindevorsteher mussten Männer von gottgemäßem Charakter sein (1.Tim 3; Tit 1). Die Frucht des Geistes ist die Ausbildung eines gottgemäßen Charakters (Gal 5:22-23); und die Dinge, nach denen alle Christen streben sollen, stellen verschiedene Aspekte des gottgemäßen Charakters dar (2.Pe 1:5-11). Die Reife eines Heiligen ist eine Frage seines Charakters:

Denn obwohl ihr mittlerweile Lehrer sein solltet, habt ihr doch selber wieder Jemanden nötig, der euch die maßgeblichen Grundlagen der Sprüche Gottes lehrt, und ihr seid dahin gekommen, dass ihr wieder Milch braucht statt feste Speise. Denn Jeder, der nur Milch zu sich nimmt, ist unbewandert im Wort der Gerechtigkeit, denn er ist ein kleines Kind. Feste Speise aber ist für den Reifen, der durch Übung seine Sinne geschärft hat, dass sie das Gute und das Böse unterscheiden können (Heb 5:12-14).

Es sind die Unreifen, denen der gottgemäße Charakter fehlt, die wanken und schwanken, wo sie weise Entscheidungen treffen sollten:

Auf dass wir nicht länger wie die Kinder seien, die hierhin und dorthin geworfen werden von den Wellen und davongetragen werden von jedem Hauch einer Lehre, von den Betrügereien der Menschen, vom einem geschickt täuschenden Plan (Eph 4:14).

Er bitte aber ohne jedes Zweifeln und im Glauben; denn wer zweifelt, ist gleich der Meereswoge, die vom Wind umhergetrieben und umhergeworfen wird. Denn ein Solcher denke nicht, dass er irgendetwas vom Herrn empfangen wird, da er doch ein unentschlossener Mensch ist und unbeständig auf allen seinen Wegen (Jak 1:6-8).

Vor allem Anderen lassen Sie uns danach streben, einen gottgemäßen Charakter zu entwickeln und zu bewahren. Mehr als alles Andere wird uns das dazu bringen, der Führung gehorsam zu sein, die Gott Seinen Kindern zuteil werden lässt.

Gut und aufrecht ist der Herr; darum weist Er Sündern den Weg. Er führt den Demütigen in Gerechtigkeit, und Er lehrt den Demütigen Seinen Weg. Alle Pfade des Herrn sind Güte und Treue für die, die Seinen Bund und Seine Gebote halten. Um Deines Namens Willen, o Herr, vergib mein Vergehen, denn es ist groß. Wer ist der Mann, der den Herrn fürchtet? Er wird ihm den Weg weisen, den er wählen soll (Ps 25:8-12).


60 „Sowohl das Verb als auch das Substantiv sind mit einer hebräischen Proposition mit der Bedeutung ‚zwischen’ verwandt und bezeichnen die Fähigkeit, angemessene Unterscheidungen zu treffen. In diesem Falle ist die Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch gemeint.“ A. Cohen, Proverbs [Die Sprüche], London: Soncino Press, 1967, S. 1.

61 McKane nennt das ‚Urteilsvermögen’ ‚Findigkeit’ und sagt im Weiteren über den Erziehungsprozess, durch den sie entwickelt werden sollte: „Wichtig war dabei, dass Verhandlungsgeschick vermittelt und ein solides Urteilsvermögen genährt werde, damit ein Individuum von Einfluss und Gewicht daraus hervorgehe.“ William McKane, Proverbs [Die Sprüche], Philadelphia: Westminster Press, n.d., S. 265.

62 „Es ist also der Begriff für eine Art nautischer Expertise, für die Fähigkeit, inmitten der offenen See einen Kurs zu halten; und man kann es leicht zu einer Metapher weiterentwickeln für das Geschick, ein Problem zu bewältigen, indem man Anfang und Ende des Problems zu erkennen und jede Handlung am richtigen Ort und zur richtigen Zeit durchzuführen in der Lage ist.“ Ibid, S. 266.

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