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Where the world comes to study the Bible

2. Trinitarismus oderTheologie im engeren Sinne

Trinitarismus bezeichnet die Lehre vom dreieinigen Gott. Häufige Themen sind: rationale Argumente für die Existenz Gottes, die Eigenschaften Gottes, die Namen Gottes, die Dreieinigkeit und die Disposition oder der Plan Gottes.

Rationale Argumente für die Existenz Gottes

Gleich zu Beginn muss gesagt werden, dass die Bibel nirgendwo Argumente für die Existenz Gottes in einer Weise aufführt, wie man es sich bei solchen „Beweisen“ vorstellt. Ganz überwiegend ist die Ausrichtung der biblischen Schreiber so, dass sie Gottes Existenz voraussetzen und darauf aufbauen. Auch wird die Kraft derartiger Argumente unterschiedlich beurteilt: manche Menschen finden sie hilfreich und – besonders in der Zusammenschau – allgemein überzeugend, während andere sich dadurch kein bisschen überzeugen lassen. Man darf bezweifeln, dass die Ablehnung irgendeiner ihrer Prämissen oder Behauptungen notwendigerweise einen logischen Fehler beinhaltet, denn in vielen Fällen gehen die Diskussionsgegner schlicht von einem unterschiedlichen Satz von Axiomen aus. Zudem gibt es viele Abwandlungen (z.B. mehr als ein kosmologisches Argument) der hier aufgeführten Argumente. Für eine vertiefte Diskussion sollte man ein Lehrbuch für Religionsphilosophie heranziehen.8 Auch sollte man sich dessen bewusst sein, dass diese Argumente nicht nur von Atheisten kritisiert werden. Viele Christen haben laut über ihren Wert, ihre Wirksamkeit, Zuverlässigkeit und Wichtigkeit nachgedacht. Das Folgende soll einfach als Einführung verstanden werden.

Das Argument der Schöpfung

Das Argument der Schöpfung, auch unter der Bezeichnung kosmologisches Argument bekannt, sagt in seiner grundlegendsten Form aus, dass alles, was wir in der Schöpfung oder im Universum sehen, eine Ursache hat (d.h. kontingent ist) Die Kette der Ursachen aber kann nicht unendlich weit zurückgeführt werden. Daher hat das Universum selbst eine Ursache ohne weitere Ursache, und diese Ursache ist Gott. In der einen oder anderen Form wurde dieses Argument von Plato, Aristoteles, Thomas von Aquin, Leibniz und in jüngster Zeit auch von Richard Swinburne vorgebracht. Eine mögliche Widerlegung besteht darin, dass man es ablehnt, nach einer äußeren Ursache der Schöpfung zu suchen: die Schöpfung könnte ja einfach schon immer bestanden haben. Dagegen argumentieren andere, dass eine solche Reaktion eigentlich Drückebergerei ist, weil sie nicht erklärt, warum das Universum der geschaffenen und offenbar kontingenten Wesen immer weiter existiert. Auch fordert die ex cathedra-Postulierung einer unendlichen Kette von Ursachen weitere Fragen heraus, wenn ein solches Argument doch logisch trivial und nach Auffassung vieler Philosophen und Physiker absurd ist. Eine unendliche Kette von Ursachen ist intellektuelle Drückebergerei, so argumentieren sie, und verletzt das Prinzip der hinreichenden Begründung.

Das Argument der Gestaltung

Das Argument der Gestaltung, auch als das teleologische Argument bekannt, betrachtet die Harmonie, Ordnung und Gestaltung der Dinge innerhalb der Schöpfung. Es sagt dann, dass eine solche Gestaltung und Ordnung eine Absicht voraussetzt und es daher einen intelligenten Designer geben müsse, und dass dieser Designer Gott ist. Auch dieses Argument wurde seit den griechischen Philosophen immer wieder vorgebracht und wurde von Thomas von Aquin als sein Fünfter Weg, von William Paley und in jüngerer Zeit auch von Swinburne dargelegt. Ein mögliches Gegenargument ist die offensichtliche Zufälligkeit bestimmter Dinge und Ereignisse in der Schöpfung und das scheinbare Fehlen von Gestaltung. Auch die Häufigkeit des Bösen passt in diesen Problemkreis. Vertreter des Gestaltungsargumentes bringen oft vor, dass es tatsächlich zufällige Ereignisse u.s.w. zu geben scheint, dies aber nicht davon ablenken kann, dass wir die Gestaltung ganz überwiegend als sinnhaft erfahren. Ohne eine solche Gestaltung wäre es zweifelhaft, ob die Menschen überhaupt so lange überleben könnten oder überlebt hätten.

Das Argument des Seins

Anselms Argument9 des Seins, auch das ontologische Argument genannt, fordert, dass Gott das ist, „über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“. Da die Existenz eine notwendige Eigenschaft des vollkommensten Wesens ist, muss er wirklich existieren, denn sonst wäre er nicht das perfekteste Wesen, das man sich vorstellen kann. Eine Möglichkeit, dieses Argument zu widerlegen, liegt in der Feststellung, dass es die Vorstellung von Gott bereits in seiner Prämisse enthält. Es setzt daher das voraus, was es zu beweisen versucht. „Die Katze beißt sich in den Schwanz“, könnte man sagen.

Das Argument der Moralität

Das Argument der Moralität stützt sich auf die Tatsache der Moralität, nicht auf die Existenz der scheinbar unterschiedlichen Moralvorstellungen. Es sagt aus, dass die Gegebenheit von Gewissen und Moralität notwendigerweise auf einen moralischen Gesetzgeber hinweist. Ein mögliches Gegenargument bildet die Behauptung, dass Moralität ein evolutionäres Phänomen sei und man als Begründung für ihre Existenz keinen Gott postulieren müsse. Ebenso versuchen andere zu argumentieren, dass es viele unterschiedliche Moralvorstellungen gibt – was einen, wie sie sagen, nicht unbedingt zu der Überzeugung führt, dass es nur einen Gott gibt, wie der Theismus behauptet. Vertreter des Moralitätsargumentes weisen darauf hin, dass die Evolutionisten sich entscheiden müssen: Der Mechanismus der Evolution wird im Allgemeinen als „Survival of the Fittest“ in irgendeiner Form angesehen. Wenn Moral ein evolutionäres Phänomen wäre, sollte man also nicht erwarten, dass Menschen sich um die Alten sorgen, den Kranken helfen und Krankenhäuser und die medizinische Forschung aufbauen, finanzieren und voranbringen. Aber so etwas tun wir, und wir fühlen uns irgendwie schuldig, wenn wir es nicht tun. Auch ist es keineswegs sicher, dass es wirklich viele verschiedene Moralvorstellungen unter den Menschen auf diesem Planeten gibt. In der Tat sagen die Ergebnisse der Soziologie ganz überwiegend aus, dass die Menschen sich bezüglich ihrer grundlegenden Moralvorstellungen über Mord, Diebstahl, Lüge etc. größtenteils sehr ähnlich sind. Das heißt nicht, dass die Lüge nicht manchmal belohnt würde; es bedeutet, dass die entsprechende Kultur nicht mehr funktionierte, wenn Lügen nachhaltig und allgemein praktiziert würde.

Die Attribute Gottes

Die Attribute Gottes sind diejenigen Qualitäten und Eigenschaften, die ihn als Gott auszeichnen und anhand derer wir ihn als Solchen erkennen. Theologen unterscheiden gerne zwischen den Attributen, die ihm alleine zukommen, und denjenigen, die seine Schöpfung in abgeleiteter und endlicher Form mit ihm teilt. So sprechen sie von „absoluten und relativen“, „immanenten und transitiven“ und – als die beliebteste Unterscheidung bei den reformierten Theologen – von „nicht-mitteilbaren und mitteilbaren“ Attributen. In der Liste der Nicht-mitteilbaren werden allgemein aufgeführt: die Existenz aus sich selbst heraus, Unwandelbarkeit, Unendlichkeit und Einheit. Unter der Überschrift „mitteilbare Attribute“ werden unter anderem anfgeführt: Geistigkeit, intellektuelle und moralische Attribute sowie Attribute der Souveränität und Macht.

Die Namen Gottes

Gott hat sich im Verlauf der Geschichte auf vielerlei Arten offenbart. Diese sind für uns heutige Menschen in der Heiligen Schrift aufgezeichnet – ein lebendiger und inspirierter Bericht seiner Enthüllungen darüber, wer er ist und was seine Absichten, sein Plan, sein Wesen und sein Wille sind. Bei vielen Gelegenheiten gab er für uns einen Namen an, durch den er sein Wesen entdeckte und durch den wir ihn daraufhin begreifen sollen. Solche Namen sind unter anderem: Jahwe (Der Aus Sich Selbst Heraus Ist)10, Jahwe Shalom (Jahwe Ist Frieden), Jahwe Maccadeshem (Jahwe, Der Dich Heiligt), Jahwe Rah (Jahwe Ist Mein Hirte), Jahwe Shammah (Jahwe, Der Gegenwärtig Ist), Jahwe Rapha (Jahwe, Der Heilt), Jahwe Elohim (Jahwe, Der Mächtige), Adonai (Herr oder Meister), Elohim (Der Mächtige oder Majestätische), El Olam (Der Mächtige In Ewigkeit), El Elyon (Der Höchste Mächtige), El Roi (Der Mächtige, Der Sieht), El Shaddai (Allmächtiger Gott), Jeshua (Jesus, Gott Rettet), Christos (Christus, Messias, Der Gesalbte), Kyrios (Herr), Soter (Retter), Abba (Vater) und Theos (Gott).

Die Dreifaltigkeit Gottes

Die Doktrin der Dreifaltigkeit bekräftigt aufgrund der Beweise aus der Schrift, dass es einen Gott gibt, der in Ewigkeit in drei voneinander unterscheidbaren Personen, nämlich dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, existiert. Eine besondere Art, dieses Phänomen zu beschreiben, besteht darin zu sagen, dass Gott im Kern / in der Substanz Einer (homoousios), in der Existenz aber Drei ist. Der herausragende Beitrag des AT zur Dreifaltigkeitslehre besteht darin, dass es wiederholt die Einheit Gottes in numerischer wie in qualitativer Hinsicht bestätigt, wobei es auch Stellen enthält, die manche als Beweis für die Göttlichkeit des Sohnes und des Geistes ansehen. Im NT wird diese Einheit unter dem Aspekt der Ankunft und der Lehre Christi jedoch noch weiterentwickelt und gezeigt, dass sie viel komplexer ist, als man bis dahin gewusst oder erkannt hatte. Im NT wird von allen Dreien (d.h. vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist) gesagt, dass sie göttlich sind, dass sie das Werk Gottes tun und dass sie als Gott zu verehren sind. Der Vater ist eindeutig göttlich im NT. Der Sohn ist Gottheit (Joh 1:1, Tit 2:13), und doch sagt er ständig, dass er vom Vater und vom Geist verschieden sei. Und vom Heiligen Geist wird gesagt, dass er Gott (Mat 28:19-20, Apg 5:3-5) und dass er verschieden vom Vater und vom Sohn ist. In der biblischen Darstellung gibt es also keinen Raum für drei Götter (Tritheismus) oder für einen Gott, der sich in drei verschiedenen Arten manifestieren kann (Modalismus). Die biblische Darstellung Gottes ist vielmehr die der Dreieinigkeit.

Der Plan Gottes

Die beste Beschreibung von Gottes „Plan“ – oder „Ratschluss“, wie er manchmal auch bezeichnet wird – findet man im Westminster Shorter Catechism [Kleiner Westminster Katechismus]: „Der Ratschluss Gottes ist seine ewige Absicht, gemäß dem Rat seines Willens, wodurch er, zu seinem eigenen Ruhm, vorherbestimmt hat, was immer geschieht“ (Q7). Diese Doktrin kann man an verschiedenen Stellen finden; die bekanntesten davon sind Römer 9 und in Epheser 1:11: „in den auch wir berufen worden sind, nachdem wir vorherbestimmt wurden nach dem Plan dessen, der alle Dinge gemäß dem Rat seines Willens bewirkt.“

Das muss man unterscheiden vom Willen Gottes, wie er aus seinen Geboten und Verboten hervorgeht, die im Dekalog eindeutig niedergelegt, von den Propheten erweitert und praktisch umgesetzt und im NT zu einem christozentrischen Brennpunkt gebracht wurden. Der Sündenfall des Menschen lag demnach in Gottes Ratschluss; dennoch hatte Gott das Gebot, „nicht von der Frucht zu essen“, sehr deutlich gemacht und kann also in keiner Weise als der Urheber der Sünde angesehen werden. Nichts lehrt uns deutlicher als die Sünde, dass der Mensch mit einem Quantum echter und verantwortlicher Wahlmöglichkeit ausgestattet wurde. So gibt es eine geheimnisvolle Beziehung zwischen dem, was in der Geschichte geschieht (d.h. der Erfüllung von Gottes Ratschluss), und den moralischen Forderungen, die wir in der Schrift finden. Dieses Geheimnis kann man am deutlichsten in dem quintessenziellen Ereignis des Kreuzes und in dessen Darstellung in der Heiligen Schrift sehen (vgl. Apg 2:22-24; 1.Pe 1:20). Das Endresultat ist natürlich die Offenbarung von Gottes Ruhm (Joh 12:23-27)!

Jesus lehrte, dass sein Tod kein „Unfall der Geschichte“ war, sondern im Einklang mit dem vorherbestimmten oder beschlossenen Plan Gottes stand. In Lukas 22:22 sagt er: „Der Menschensohn geht hin, wie es beschlossen ist“ (ho„rismenon). Über die Kreuzigung und die Rollen der dabei Beteiligten sagt Petrus, dass Jesus nach „Gottes festgesetztem Plan und Vorherwissen“ ausgeliefert wurde (ho„rismene„ boule„ kaiprogno„sei tou theou). Und doch werden in beiden Fällen die Taten der Menschen keineswegs heruntergespielt oder deren moralische und geistliche Konsequenzen verharmlost. Jesus sagt „Wehe“ dem, der ihn verraten wird, und Petrus bezeichnet die Männer als „böse“ (Apg 2:22-24). Die frühe Gemeinde legte Herodes, Pontius Pilatus, den Juden und den Heiden insgesamt diese schreckliche Tat zur Last und meinte, dass sie getan hätten, was „Gottes Hand und Willen im Voraus zu geschehen bestimmt hatten“ (he„ cheir sou kai he„ boule„ sou proorisen genesthai). Vergleichen Sie wiederum Apostelgeschichte 2:22-24. Diese Texte bestätigen eher die Augustinische / Calvinistische Doktrin, dass Gottes Ratschluss nicht identisch ist mit seinem Vorherwissen; er kennt die Zukunft, weil was auch immer geschieht in seinem Ratschluss liegt.

Die Diskussion über die Reihenfolge der Beschlüsse ist von theologischer Wichtigkeit, kann hier aber nicht ausführlich dargestellt werden. Diejenigen, die die Ansicht vertreten, dass Gott zuerst beschloss zu erschaffen, dann, den Sündenfall zuzulassen, dann, einige zu erretten und andere zu verdammen, einen Erlöser zu schaffen u.s.w., werden als Infralapsarier bezeichnet und bilden den größten Teil der Calvinisten. Diejenigen, die die Ansicht vertreten, dass Gott zuerst beschloss, die Auserwählten zu erretten und die Nicht-Erwählten zu verdammen, dann, die Auserwählten und die Nicht-Erwählten zu erschaffen, dann, den Sündenfall zuzulassen, und schließlich, einen Erlöser zu schaffen, werden als Supralapsarier bezeichnet.


8 Ich empfehle C. Stephen Evans, Philosophy of Religion, Contours of Christian Philosophy [Religionsphilosophie, Abriss einer christlichen Philosophie], Hrsg. C. S. Evans (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1982), S. 31-76.

9 Anselm wollte aus der Idee des „Seins“ eigentlich kein Argument für die Existenz Gottes per se machen. Sein Proslogion (1079 n.Chr.) war einfach eine Meditation und ein Lobpreis der Größe Gottes. Und ein Teil dieser Größe besteht, zumindest nach Anselms Meinung, darin, dass er notwendigerweise existiert.

10 Bei der Festlegung der richtigen Bedeutung des Namens Jahwe gibt es viele und sehr unterschiedliche Schwierigkeiten. Versuche, die Bedeutung unter Einsatz der vergleichenden Philologie zu klären, sind bestenfalls dürftig; aber diejenigen, die die Wurzel des Wortes analysieren, sind auch nicht besser. Im Hinblick auf die Verwendung in Exodus 3:14 wurde immer argumentiert, dass der Begriff wohl etwas wie Gottes Existenz aus Sich Selbst heraus oder zumindest Einen, der seit den Zeiten der Patriarchen mit dem Volk Israel war, beschreibt.

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3. Christologie: Jesus Christus

Der Begriff Christologie (vom griechischen cristos, das „der Gesalbte“ oder „der Christus“ bedeutet) bezeichnet das Studium Christi. Eingeschlossen sind Themen wie die Präexistenz und die Ewigkeit Christi, Prophezeiungen des AT über Christus, Christi Menschsein, Gottsein und Fleischwerdung sowie die Aspekte seiner Versuchungen und seiner Sündlosigkeit, sein Tod, seine Auferstehung, Himmelfahrt und Erhöhung, sein dreifaches Amt und seine Stellungen.

Christi Präexistenz

Es gibt im NT mehrere Textstellen, die in der einen oder anderen Weise von der Präexistenz Christi sprechen. Johannes sagt, dass das „Wort“ Fleisch wurde – was bedeutet, dass er bereits vor seiner Inkarnation existierte (Joh 1:1,14). Jesus selbst spricht in einer Reihe von Bibeltexten von seiner Präexistenz. Er sagt, dass er Herrlichkeit bei Gott hatte, ehe die Welt war (Joh 17:5) und dass er vom Vater gekommen sei (Joh 5:43, 6:38). Diese Aussagen implizieren seine Präexistenz. Auch wenn Paulus Christus als den letzten Adam bezeichnet, impliziert er Christi Präexistenz, denn viele Juden gingen davon aus, dass sowohl Adam als auch Moses präexistierten. Das Gleiche gilt, wenn er sagt, dass Christus „reich“ war, aber „arm“ wurde, dass er „in Gottesgestalt existierte“, aber „sich erniedrigte“, und dass er „vor allen Dingen“ war (Kol 1:17). Beide Zitate beziehen sich auf die Erniedrigung durch die Inkarnation und sagen somit aus, dass Christus schon vor seiner Herabkunft auf die Erde existierte (s. 1.Kor 15:45 und Php 2:6).

Prophezeiungen über Christus

Wenn man den gesamten Schriftenkanon und die historische Tatsache der Auferstehung betrachtet und dabei die jüdische Hermeneutik berücksichtigt, gibt es im Alten Testament zahlreiche Prophezeiungen über Christus. Die bekannteren darunter betreffen seine Geburt (Gen 3,15; Gal 4:4), seine Abstammung (Gen 49:10; Luk 3:33), seinen Geburtsort (Mi 5:2; Luk 2:4-7); seinen mitleidigen Dienstes und seine Verurteilung in Galiläa (Jes 9:1-2; Mat 4:14-16), dass er der angekündigte Prophet sei (Deut 18:15; Apg 3:20,22), dass er als Priester wirken würde (Ps 110:4; Heb 5:5-6), dass er verraten werden würde (Ps 41:9; Luk 22:47-48), dass er für dreißig Silberlinge verkauft werden würde (Sach 11:11-12; Matt 26:15, 27:1-10), seinen gewaltsamen Tod (Sach 12:10; Joh 20:27), seine Auferstehung (Ps 16:10; Luk 24:7, Apg 2:25-28), seine Erhöhung zur Rechten Gottes (Ps 110:1; Apg 2:33-34), seine ewige Herrschaft, durch die das Versprechen erfüllt wurde, das David erhielt (2.Sa 7:12-16, Ps 110:1, Jes 55:3; Apg 2:33-34, 13:22-23,32-34).

Christi Menschsein

Durch die Schrift ziehen sich mehrere Indizienketten, die zusammen gesehen beweisen, dass Jesus vom Standpunkt der Bibel aus wirklich und vollständig Mensch war. Jesus trug menschliche Namen (nämlich Jesus, der Sohn Davids); er wurde von anderen als menschliches Wesen wahrgenommen (Joh 9:16); er hatte einen Körper (1.Joh 1:1); er sprach normale menschliche Sprache(n) und bezeichnete sich selbst als einen Menschen (Joh 8:40); andere sprachen von ihm als von einem Menschen (Apg 3:22); er machte in seinem Leben die Erfahrungen eines menschlichen Wesens (Luk 2:52) einschließlich der Beschränkungen durch Hunger (Mat 4:2), Durst (Joh 19:28), Müdigkeit (Joh 4:6), tiefe Sorge und Qual (Joh 11:35; Luk 13:34-35) sowie Unwissenheit (Mar 13:32); er hatte eine menschliche Seele (Luk 23:46) und er starb (Heb 2:14-15).

Christi Gottsein

Desgleichen ziehen sich mehrere Indizienketten durch die Schrift, die zusammen gesehen beweisen, dass die biblischen Schreiber Jesus als einen Menschen, aber auch als mehr als einen Menschen ansahen. Sie sahen ihn als göttlich an. Johannes sagte, dass er göttlich oder Gott sei (Joh 1:1). Paulus sagte, dass er die „Gestalt Gottes selbst“ (morfe thou; Php 2:6) und unser großer Gott und Retter (Tit 2:13) sei. Er wird bezeichnet als Herr (Mat 2:43-45), Jahwe (vgl. Rö 10:9,13 und Joel 2:32) und König der Könige (diese Bezeichnung würde ein Jude wie Johannes niemals für einen anderen als für Gott selbst verwenden – Off 19:6). Er tut Werke Gottes, wie erschaffen (Joh 1:3; Kol 1:15-20), erhalten (Heb 1:3-4), erretten (Matt 1:23), Tote auferwecken (Joh 5:25), Gericht halten (Joh5:27), den Heiligen Geist aussenden (ein Werk, das auch Gott, dem Vater zugeschrieben wird – s. Joh 14:26, 15:26) und seine Kirche errichten (Mat 16:18). Er nimmt, wie Gott selbst, Anbetung von Menschen (Mat 14:33) und von Engeln (Heb 1:6) entgegen, und eines Tages werden sich alle Menschen vor ihm verneigen (was Gott nur für sich selbst akzeptiert – Php 2:10; Jes 45:23).

Wir sehen also, dass die Doktrin des gleichzeitigen Gottseins und Menschseins Christi keine Erfindung eines Kirchenkonzils aus dem vierten oder fünften Jahrhundert darstellt (z.B. Nizza [325 n.Chr.] oder Chaldäa [451]), sondern eindeutig in der Schrift gelehrt wird. Die genaue Formulierung (bzw. eine Arbeitshypothese), wie dies sein konnte, musste vielleicht bis zu den Reaktionen auf die Häresie der Arianer und zu anderen Entwicklungen der Christologie (wie auch auf Anleihen aus der griechischen metaphysischen Sprache) warten; die wesentlichen Züge der Doktrin aber finden sich schon in den apostolischen und frühkirchlichen Bekenntnissen.

Inkarnation und Entäußerung

Jesus Christus wurde in Erfüllung der Prophezeiung Jesajas (Jes 7:14) von der Jungfrau Maria geboren (Mat 1:23; Gal 4:4). Von einem eher theologischen Standpunkt aus betrachtet sagt Johannes, dass das ewige göttliche Wort Fleisch wurde und Gott so, gleichsam wie in der Stiftshütte, unter uns weilte (Joh 1:1,14; Ex 40:34-35). Die Doktrin von der Inkarnation sagt aus, dass die zweite Person der Dreifaltigkeit menschliche Fleischlichkeit annahm. Jesus Christus ist für alle Zeit und ohne eine Vermengung der jeweiligen Attribute sowohl unvermindert Gott wie auch vollkommen Mensch: eine Person – zwei Wesen (göttlich / menschlich).

Gott wurde Mensch, um seine Schöpfung zu erlösen und über sie zu herrschen. So kam er als der verheißene König (Luk 1:31-33) und erfüllte das Versprechen, das David erhalten hatte (Luk 1:31-33). In seiner Funktion als Herr und König offenbart er den Menschen Gott (Joh 1:18), errettet die Sünder (Gal 1:4), zerstört die Werke des Teufels (1.Jo 3:8), richtet über die Menschen (Apg 17:31) und bringt alle Dinge der Schöpfung zurück zur Unterwerfung unter Gott (1.Kor 15:20-28; Eph 1:10-11).

Bezüglich der zweifachen Natur Christi hat es immer schon auch zahlreiche Irrtümer gegeben, von denen wir hier einige kurz erwähnen wollen. Die Ebioniten stritten Christi göttliches Wesen ebenso ab (er habe erst bei der Taufe den Heiligen Geist erhalten), wie es auch die Arianer taten (vgl. in der heutigen Zeit die Zeugen Jehovas, die entsprechend behaupten, dass Jesus das erste und höchste der erschaffenen Wesen sei). Die Gnostiker (d.h. der Doketismus) betonen, dass Jesus nur scheinbar ein Mensch war, und streiten ab, dass er wirklich ein menschliches Wesen hatte. Nestorius stritt ab, dass das göttliche und das menschliche Wesen in einer Person vereinigt seien (das Göttliche beherrsche das Menschliche vollständig), und Eutyches bestritt überhaupt jede wirkliche Unterscheidbarkeit von Christi Wesen (die menschliche Natur sei in die göttliche eingebettet gewesen, was zu einer dritten, neuartigen Wesensart geführt habe). Apollinarius schließlich bestritt nur einen bestimmten Aspekt des Menschseins Christi, nämlich dass er einen menschlichen Geist gehabt habe (die Stelle eines menschlichen Geistes habe der göttliche Logos in Jesus eingenommen). All das sind in Anbetracht der biblischen Fakten Irrtümer, die zurecht bei den verschiedenen kirchlichen Konzilen verworfen wurden.

Es gab schließlich – besonders seit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts und dem Aufkommen der Psychologie – zahlreiche Versuche, die Bedeutung des Wortes kenosis in Philipper 2:7 zu klären. Nach einer Auffassung bedeutet der Begriff Kenosis, dass Christus willentlich einige seiner wesentlichen Attribute – wie Allwissenheit, Allgegenwart und Allmacht – abgelegt habe, um die Menschheit zu erlösen. Diese Lehre ist in ihren unterschiedlichen Formen als Kenotische Theologie11 bekannt geworden. Aber entspricht das wirklich dem, was Paulus in Philipper 2:6 sagt: dass Jesus den Gebrauch oder Besitz bestimmter göttlicher Attribute aufgegeben habe? Das erscheint wenig wahrscheinlich. Tatsächlich erklärt der Apostel ja, was er meint, wenn er sagt, dass Christus sich entleerte, indem er das Wesen eines Knechtes annahm. Also ist es nicht das Ablegen göttlicher Attribute, über das hier in Philipper 2 gesungen12 wird, sondern die Erniedrigung des Sohnes Gottes, der die Gestalt eines Menschen und „eines Knechtes“ annahm. Und genau das ist natürlich der Punkt, den Paulus der philippischen Gemeinde klarzumachen versucht: Auch sie sollen nach dem Beispiel Christi das demütige Leben von Knechten führen.13

Christi Sündlosigkeit

Im Hinblick auf das wahre Gottsein und das wahre Menschsein Christi erhebt sich die Frage, ob seine Versuchungen wirklich Versuchungen waren und ob er tatsächlich die Möglichkeit hatte zu sündigen. War Christus fähig, nicht zu sündigen, oder war er nicht fähig zu sündigen? Manche sagen, dass sein wahres Menschsein auch die Möglichkeit einschloss zu sündigen. Andere behaupten wiederum, dass sein Gottsein es ihm unmöglich machte zu sündigen. Alle evangelikalischen Gelehrten erkennen die Echtheit seiner Versuchungen und die Tatsache, dass er nicht sündigte, an. Darüber hinaus aber gibt es nur wenig Einigkeit. Das oft zitierte Bild zweier Jungen in einem Schlauchboot, die einen Flugzeugträger (mit Stöcken und Steinen) angreifen – wobei die Stöcke und Steine für die Versuchung und der Flugzeugträger für Jesus stehen –, mag weitgehend zutreffen, soweit es die Göttlichkeit und Schuldlosigkeit Jesu betont; der Realität und Intensität der Attacken Satans aber wird es einfach nicht gerecht (vgl. Matt 4:1-11). Unter dem Strich bleibt von der ganzen Debatte jedenfalls übrig, dass Jesus Gott und Mensch war, dass er die Versuchung siegreich überwand (Heb 4:15) und uns deshalb in Zeiten der Schwäche zur Seite stehen kann (Heb 2:18). Seine Versuchungen sagen uns, dass wir auf sein mitfühlendes Herz vertrauen können. Darüber hinaus wissen wir eigentlich nicht viel. Wir können nur sagen, dass kein Mensch die Kraft, Bosheit und Falschheit der Versuchung besser kennt als er, und zwar genau deshalb, weil er ihr nie nachgab.

Christi Tod

Alle vier Evangelien berichten über Christi Tod (unter Pontius Pilatus), der schon im Voraus durch Christus selbst als ein Tod für die Vergebung der Sünden, die Errichtung des Neuen Bundes und den Sieg über Satan gedeutet wird (Luk 22:15-20; Joh 12:31; 16:11). Der Kern von Christi Lehren zu diesem Thema wurde dann auch zur autoritativen Lehre der Apostel (in Übereinstimmung mit den Zusagen des AT darüber). Mehr über die richtige Deutung von Christi Tod werden wir bei der Diskussion der Doktrin von der Erlösung sagen. Hier genügt es erst einmal zu erkennen, dass die Beweise für seinen Tod durch Kreuzigung geradezu überwältigend sind.

Christi Auferstehung

Alle vier Evangelien enthalten Aufzeichnungen über das leere Grab und die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (Mat 28; Mar 16; Luk 24; Joh 20). Er erschien Maria Magdalena (Joh 20:11-18), einer anderen Maria (Mat 28:1-2), Kephas (1.Kor 15:5), den zwei Jüngern auf der Straße nach Emmaus (Luk 24:13-35), Jakobus (1.Kor 15:7), zehn Jüngern (Luk 24:36-43), Thomas und den anderen zehn Jüngern (Joh 20:26-29), sieben Jüngern am See von Tiberias (Joh 21:1-14), mehr als 500 Menschen (1.Kor 15:6), den elf Jüngern bei seiner Himmelfahrt (Matt 28:16-20; Apg 1:1-11) und zuletzt auch Paulus (1.Kor 15:8). Er erschien den Jüngern über einen Zeitraum von etwa 40 Tagen (Apg 1:3).

In der letzten Zeit lassen die Wissenschaftler immer mehr ihre naturalistischen Theorien fallen, die bislang zur Erklärung der Auferstehung und der darüber überlieferten Fakten vorgebracht wurden (z.B. Ohnmacht oder Halluzinationen). Praktisch jeder Wissenschaftler unterstützt jetzt die Auffassung, dass „etwas geschah“, und die meisten sind sich wohl darüber einig, dass die Auferstehung der springende Punkt in einem biblisch definierten Christentum ist. Die Frage, die sich nach Gary Habermas14 am dringendsten stellt, ist die, ob das Kerygma (die verkündigte Botschaft von der Auferstehung Christi) selbst ausreicht, um die überlieferten Fakten zu erklären, oder ob dazu eine buchstäbliche Auferstehung plus das Kerygma notwendig sind. Habermas weist darauf hin, dass es sich hier nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen Evangelikalen und hochrangigen Kritikern handelt, sondern auch um eine Auseinandersetzung zwischen den hochrangigen Kritikern selbst und skizziert die wesentlichen Antwortmöglichkeiten in Form von vier verschiedenen Szenarien. Erstens gibt es Menschen wie Rudolph Bultmann, die die Meinung vertreten, dass der Grund für die Erlebnisse der Jünger nicht mit Sicherheit festzustellen ist; er liegt im Text des NT verborgen. Zweitens argumentieren Wissenschaftler wie Karl Barth und Søren Kjerkegaard, dass die Auferstehung buchstäblich stattfand, aber nicht wissenschaftlich untersucht werden kann, da sie außerhalb des Rahmens unserer geschichtlichen Erfahrung liegt. Sie muss vielmehr allein durch Glauben angenommen werden. Eine dritte Gruppe von Wissenschaftlern, zu denen Jürgen Moltmann gehört, unterstützt die Auffassung, dass es tatsächlich ein leeres Grab und eine geschichtliche Erklärung für den Umschwung vom Kummer zur Freude bei den Jüngern gab; aber auch sie sagen, dass das Ereignis der Auferstehung selbst endgültig erst in der Zukunft begründet oder verifiziert werden wird. Viertens gibt es auch noch Wissenschaftler, nach deren Meinung die verfügbaren geschichtlichen Hinweise darauf hindeuten, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist. Wolfhart Pannenberg ist ein Vertreter dieser Denkweise, obwohl er gegen einen physischen Leib und stattdessen für eine geistlichen Leib argumentiert, der als Jesus erkannt wurde und zu den Jüngern sprach, bevor er schließlich in den Himmel fuhr.

Es gibt allerdings a priori keinen stichhaltigen Grund abzustreiten, dass die Auferstehung so geschah, wie sie in der Schrift dargestellt wird. Für gewöhnlich liegt es an jemandes Theologie der Geschichte, ob derjenige Auferstehungen für möglich hält oder nicht. Auf jeden Fall: das leere Grab, die Aussage von Augenzeugen, die Lebensänderung von früheren Gegnern wie Jakobus und Paulus, die Existenz der Kirche, die Unfähigkeit der Jüdischen Führer, die Auferstehung und die Behauptungen der Apostel zu widerlegen, das frühe Datum und der definitive Charakter der Behauptungen über die Auferstehung (1.Kor. 15:3-4), wie auch die Sicherheit der damit verbundenen Zeichen wie Jesu Existenz, Dienst, Tod durch Kreuzigung und Begräbnis. Die Erklärung, die die Dinge am besten erklärt, am plausibelsten ist (nicht ad hoc) und die besten Chancen hat, dass sie am Ende nicht widerlegt wird, ist die, dass Jesus von Nazareth tatsächlich von den Toten auferweckt wurde und vielen Menschen erschien. Sein Körper war ein physischer Leib, der auch für eine spirituelle Existenz geeignet und nicht länger dem Tod und anderen Beschränkungen unterworfen war.

Die theologische Deutung der leiblichen Auferstehung Christi schließt die Aussagen ein, dass diese Auferstehung ausschlaggebend für Leben und Hoffnung des Christen ist (1.Kor 15), dass sie zeigt, dass Christus der Sohn Gottes ist (Rö 1:4), und dass er eines Tages zurückkehren wird, um über die ganze Welt zu richten (Apg 17:31). Auf dem Gebiet der Soteriologie ist die Auferstehung das Fundament unserer Erneuerung und unseres spirituellen/ethischen Lebens (Rö 6:4-5; 1.Pe 1:2), unserer Rechtfertigung (Rö 4:25; Eph 2:6), unseres gegenwärtigen Dienstes und der Arbeit für den Herrn (1.Kor 15:58), unserer Hoffnung auf Verklärung und unserer ewigen Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist (1. Kor 15:12-28).

Christi Himmelfahrt und Erhebung

In Lukas 24:50-53 und Apostelgeschichte 1:11 zeichnet Lukas für uns die geschichtlichen Fakten und das Wesen von Jesu Himmelfahrt auf. Seine Wortwahl impliziert offenbar, dass Jesus leibhaftig an irgendeinen Ort im Raum-Zeit-Kontinuum auffuhr, dass wir aber nicht in der Lage sind zu sehen, wohin er fuhr.

Sehr deutlich macht Lukas dagegen, was die Himmelfahrt theologisch gesehen bedeutet. Bei der Himmelfahrt verschwand Jesus nicht einfach irgendwohin, sondern sie war der Beginn seiner Einsetzung auf den Thron und in das Herrschaftsrecht über die Schöpfung, die Völker und die Kirche. Gemäß der davidischen Hoffnung (Ps 110:1; Apg 2:34-35) wurde er zur Rechten Gottes erhoben (an einen Platz der Macht und Autorität) und herrscht nun über das Universum (Eph 1:20-22a) und ist das Haupt alldessen, was zu seiner Kirche gehört (Eph 1:22b-23; 1.Pe 3:22). Als göttlicher Begründer, Führer, Befehlshaber und Endpunkt der Kirche sandte er den Heiligen Geist (Apg 2:33), um sie mit Leben, Liebe und Kraft auszustatten; und eines Tages wird er wiederkehren, um sie dorthin zu holen, wo er selbst ist, und alle Dinge im Himmel und auf Erden seiner Herrschaft zu unterwerfen. Er empfing und empfängt Ruhm, Preis und Ehre dafür, wer er ist und was er getan hat (Off 5:12). Jeder sollte die Knie beugen vor Gottes Christus, den erhabenen Herrn des Universums. Eines Tages werden es alle tun (Phil 2:9)!

Christi Wiederkunft

Die Bibel sagt voraus, dass Jesus Christus eines Tages wiederkehren wird, und zwar plötzlich, leibhaftig und mit großer Herrlichkeit für alle sichtbar (Mat 24:30; Off 19:11ff). Dann wird er über Satan und seine Engel, über die Lebenden und die Toten richten und sein Reich in Vollendung errichten. Art und Ablauf der Verklärung und die Eigenschaften des kommenden Reiches werden wir im Abschnitt Eschatologie behandeln.

Christi Stellungen

Reformierte und anderere systematische Theologen sprechen gerne von den zwei Stellungen Christi: (1) der Erniedrigung und (2) der Erhebung. Einige Details zu diesem Thema wurden schon behandelt, aber wir werden sie hier noch einmal im Hinblick auf diese beiden Begriffe betrachten. Das soll dazu beitragen, dass der Lernende für seine weitere Lektüre gerüstet ist, in der diese Konzepte zweifellos irgendwo diskutiert werden. Christi Erniedrigung beinhaltet (1) seine Inkarnation, (2) sein Leiden, (3) seinen Tod und (4) sein Begräbnis. Auch seine Erhebung umfasst vier Aspekte: (1) die Auferstehung, (2) die Himmelfahrt, (3) die Einsetzung (dass er zur Rechten Gottes gesetzt wird) und (4) seine Wiederkunft in Herrlichkeit.

Die Inkarnation der zweiten Person der Dreifaltigkeit beinhaltet nicht die „Aufgabe“ irgendwelcher göttlicher Attribute, und doch bedeutet sie, dass Christus sich willentlich den Beschränkungen und der Schwäche des Menschseins unterwarf und tatsächlich sogar ein Knecht unter den Menschen wurde. Sein Leiden an geistlicher Qual, an körperlichem Mangel und an emotionalen Schmerzen war Teil seines Leidens an der Erniedrigung. Jesu Erniedrigung wurde dann noch verstärkt, indem er einen außerordentlich ungerechten, grausamen und schändlichen Tod erlitt, durch den er die Sünden einer verfluchten Menschheit am Kreuz auf sich nahm. Und obwohl er vermutlich nicht in die Hölle hinabfuhr, war er doch drei Tage lang tot. Vom Stall in Bethlehem an bis zu seinem Tod erfuhr er, seinem Vater gehorsam, Erniedrigung für die Rettung der Auserwählten und die Erlösung des Kosmos.

Jesu Auferstehung in einen dauerhaften physischen Leib, der für ein geistliches Leben vollkommen gerüstet ist, markiert den Wendepunkt seiner Erniedrigung. Jetzt wird er gerechtfertigt und sein Sieg über alle seine Feinde steht fest. In Erfüllung von Psalm 110:1 (Apg 2:34-36) erhielt er bei seiner Himmelfahrt die Herrlichkeit und das Herrschaftsrecht, was sich daran zeigt, dass er zur Rechten Gottes gesetzt wird. Obwohl die Welt das letzte Stadium der Vollendung von Christi Rechtfertigung und der Erlösung und dem Gericht über die Welt noch nicht erlebt hat, wird Christus eines Tages doch leibhaftig wiederkehren (Apg 1:11) und alle seine Feinde, den Tod eingeschlossen, vernichten. Er wird das letzte Stadium seiner Erhebung über alle Dinge vollenden.15

Die drei Ämter Christi

Frühe Kirchenväter sprachen zwar schon von verschiedenen Ämtern Christi, doch erst Johann Calvin stellte in seinen Institutiones (2.15) ein systematisches Konzept über das dreifache Amt Christi auf: (1) Prophet, (2) Priester und (3) König.

In Deuteronomium 18:18 sagte Moses voraus, dass Gott dem Volk Israel einen weiteren Propheten wie ihn selbst senden würde. Sowohl Johannes als auch Petrus sahen Jesus als diesen Propheten an (Joh 6:14, 7:40; Apg 3:22-24; s.a. Mat 13:57; Joh 4:44). Die Bezeichnung „Prophet“ findet sich allerdings nicht in den Apostelbriefen. Dennoch ist klar, dass Christus als der vollendete Prophet wirkte – als Einer, der sowohl Offenbarung von Gott gab (in Aussagen und Voraussagen) als auch selbst wesentlich Offenbarung von Gott war (Joh 1:18). In dieser Hinsicht unterscheidet er sich von anderen Propheten – und das ist vielleicht der Grund für das offensichtliche Fehlen dieses Titels in den Briefen.

Jesus Christus wirkte auch im Amt eines Priesters. Während ein Prophet Gott vor dem Volk vertrat, vertrat ein Priester das Volk vor Gott. Im Gegensatz zu den Priestern aus dem Stamm der Leviten brachte Jesus aber keine Tieropfer für unsere Sünden dar, sondern er brachte sich selbst dar, ein unbeflecktes Opferlamm von ewiger Gültigkeit. Als ein Priester ist er in das Allerheiligste eingetreten, nicht in dessen Abbild auf Erden im Tempel, sondern in den himmlischen Ort, und er kann uns deshalb in die Gegenwart Gottes führen – eine eindeutig priesterliche Obliegenheit. Er tritt nicht nur einmal im Jahr in das Allerheiligste ein, sondern lebt nun dort tatsächlich und für immer. Und schließlich lehrt uns sowohl Römer 8:34 als auch Hebräer 7:25, dass sein priesterliches Wirken auch jetzt noch fortwährt, indem er „immerdar lebt um einzutreten“ für uns in unserer Schwäche!

Schließlich erfüllt Jesus Christus auch die Aufgaben eines Königs. Aber im Gegensatz selbst zum größten König Israels, zu David, herrscht Christus über die ganze Welt, ja das Universum, einschließlich der Kirche (Eph 1:20-23). Er ist der vollendete König, der weise, aufmerksam und mit unwiderruflicher Autorität und Gerechtigkeit regiert (Ps 2:8-9). Kurz gesagt, er herrscht als Gott-Mensch über den gesamten Kosmos, und wenn er wiederkommt, wird er alle Hindernisse und Widernisse, die seiner verdienten Herrschaft entgegenstehen, endgültig aus dem Weg räumen. Dann wird er „der König der Könige“ genannt werden (Off 19:16).


11 Siehe S.M. Smith, “Kenosis, Kenotic Theology” [„Kenosis, Kenotische Theologie“] in Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikalisches Theologisches Wörterbuch], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 600-602. Diese spekulativen Theorien über die Inkarnation haben wenig mit der Auslegung von Philipper 2:7 zu tun. Siehe auch B.E. Foster, “Kenoticism” [„Kenotismus“] in New Dictionary of Theology [Neues Theologisches Wörterbuch], Hrsg. Sinclair B. Ferguson, David F. Wright and J. I. Packer (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 364.

12 Dieser Abschnitt (d.h. 2:6-11) im Philipper-Brief ist wahrscheinlich ein alter Hymnus. Auch das sollte uns davon abhalten, in theologischer Hinsicht zu viel aus diesen Aussagen zu machen, denn sie stellen keine theologische Argumentation per se dar, sondern vielmehr den anbetenden Ruf des Herzens zu Gott – dessen Theologie der Gemeinschaft / den Gemeinschaften, in der/denen sie zum Ausdruck gebracht wurde, zweifellos gut bekannt war. Uns Heutigen aber ist sie bis zu einem gewissen Grade verloren gegangen.

13 Eine weitergehende Diskussion über den Vorwurf der Inkohärenz, der oft gegen die Inkarnationslehre erhoben wird, und über mögliche Lösungen in einem modifizierten „Kenotismus“ oder dem Bild der „zwei Geistesverfassungen“ findet sich in Thomas D. Senor, „Incarnation and the Trinity“ [„Inkarnation und Dreifaltigkeit“] in Reason for the Hope Within [Ein Grund für die Hoffnung, die in euch ist], Hrsg. Michael J. Murray (Grand Rapids: Eerdmans, 1999), S. 238-260.

14 Siehe Gary Habermas, “Resurrection of Christ” [„Die Auferstehung Christi“] in Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikalisches Theologisches Wörterbuch], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 938-941.

15 Siehe Wayne A. Grudem, “States of Jesus Christ” [„Die Stellungen Jesu Christi“] in Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikalisches Theologisches Wörterbuch], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 1052-1054; Louis Berkhof, Systematic Theology [Systematische Theologie], 2. überarb. Aufl. (Grand Rapids: Eerdmans, 1941), S. 331-355.

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4. Pneumatologie: Der Heilige Geist

Der Begriff Pneumatologie leitet sich von zwei griechischen Wörtern ab, nämlich pneuma mit der Bedeutung „Wind“, „Atem“ oder „Geist“ (das den Heiligen Geist bezeichnet) und logos mit der Bedeutung „Wort“, „Sache“ oder „Ding“. So wie der Begriff in der christlichen systematischen Theologie gebraucht wird, bezeichnet er das Studium der biblischen Lehren über den Heiligen Geist. Dies umfasst im Allgemeinen Themen wie die Persönlichkeit des Geistes, die Göttlichkeit des Geistes und das Wirken des Geistes überall in der Heiligen Schrift.

Die Personhaftigkeit des Heiligen Geistes

Im gesamten Verlauf der Kirchengeschichte gab es Gruppierungen, die die Persönlichkeit (und also „Personhaftigkeit“) des Heiligen Geistes bestritten. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Substantiv, das im NT für „Geist“ steht, pneuma und also sächlich ist und dass man vom Geist daher korrekterweise eher als von einem „Es“ denn als von einem „Er“ sprechen müsste. Dementsprechend wird er [es] – fast wie bei der gnostischen Vorstellung einer Emanation aus dem wahren, göttlichen Einen – von manchen als „Gottes wirkende Kraft“ bezeichnet. Bevor wir die biblischen Aussagen betrachten, muss aber unbedingt darauf hingewiesen werden, dass im Koine-Griechischen das grammatische und das persönliche Geschlecht nicht notwendigerweise übereinstimmen. Damit ist es schlicht falsch zu sagen, dass der Geist ein „Es“ sein muss, nur weil das griechische Substantiv pneuma sächlich ist.

Also kommt es mehr darauf an zu schauen, was in den Schriften über seine Personhaftigkeit gesagt wird, d.h.: Ist er wirklich eine Person, wenngleich eine göttliche? Das ist besonders in einer Kultur wichtig, die sich immer mehr in Richtung auf New-Age-Denkweisen und Pantheismus bewegt. Der Heilige Geist ist nicht der „Gott“ in uns, den wir aufgrund unserer eigenen Natur besitzen, und genauso wenig ist er irgendein formloses Gefühl oder eine „wirkende Kraft“. All diese Sichtweisen verunglimpfen ihn und verdienen es zurecht, abgelehnt zu werden.

Es gibt verschiedene Hinweise im NT, die für die Persönlichkeit des Heiligen Geistes sprechen. Erstens sagte Jesus, dass er „einen anderen“ an seiner Stelle senden würde (Joh 14:16). Das griechische Wort für „ein anderer“ ist allos und bezeichnet einen anderen, der genauso ist wie Jesus. Daraus kann man schließen, dass der Geist eine Person ist, denn Jesus ist eindeutig eine Person. Außerdem bezeichnete Jesus ihn als parakle„tos (Befähiger, Ermunterer, Tröster o.Ä.), was sein Person-Sein voraussetzt, denn die Funktionen eines parakle„tos sind persönliche Funktionen: Jesus war den Jüngern ein parakle„tos.

Zweitens sprechen die Tatsachen, dass der Geist auswählt (1.Kor 12:11), lehrt (Joh 14:26), Jesus verkündet (Joh 16:14), Schuldige überführt (Joh 16:8), Gläubigen das Siegel aufdrückt (2.Kor 1,21-22) und einen vernünftigen Geist besitzt (Rö 8:26-27; 1.Kor 2:11-13), dass man ihn betrüben (Eph 4:30), lästern (Mat 12:31), belügen (Apg 5:3-4), auslöschen (1.Th 5:19) und ihm widerstehen kann (Apg 7:51) und dass er bei vielen Gelegenheiten vom Vater und vom Sohn unterschieden und doch mit ihnen als Mitarbeiter und Mitempfänger der Anbetung in Verbindung gebracht wird, definitiv für seine Personhaftigkeit (Mat 28:19-20; 2.Kor 13:14).16

Die Göttlichkeit des Heiligen Geistes

Wie wir oben bereits gesehen haben, wird der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn unterschieden und doch eng mit ihnen in Verbindung gebracht – und das auf gleichberechtigter Ebene. Er empfängt die Anbetung, die dem Vater und dem Sohn zusteht (2.Kor 13:14), und tut göttliche Werke; z.B. inspiriert er die Schrift (2.Pe 1:20-21; Mat 19:4-5), erneuert die Herzen (Tit 3:5) und erschafft und erhält alle Dinge und gibt ihnen Leben (Gen 1:2; Hi 26:13, 34:14-15; Ps 104:29-30). Er wird als ewig (Heb 9:14; nur Gott ist ewig) und allwissend (1.Kor 2:10-11) und ausdrücklich als Gott (Apg 5:3-4; 1.Kor 3:16, 6:19-20) bezeichnet. Es gibt kaum einen Zweifel: der Heilige Geist ist eindeutig göttlich.

Biblische Metaphern für den Heiligen Geist

Die Schrift gebraucht verschiedene bedeutungsvolle metaphorische Begriffe, um den Geist, sein souveränes Wesen und sein unergründliches und doch offenkundiges Wirken zu beschreiben. Jesus sprach beispielsweise von ihm als von einem Wind – eine Metapher, die wohl die unergründliche Art unterstreichen soll, in der er die Herzen der Menschen bewegt, um ihnen Leben zu geben und sie zum Glauben zu bringen (Joh 3:8).

In Bezug auf seinen persönlichen und herrlichen Dienst an den Menschen bezeichnete Jesus ihn in Johannes 7:37-39 als Wasser. Dieses Bild stellt den Geist dar als den Einen, der die tiefste Sehnsucht des Herzens erfüllen kann, das Gott erfahren, d.h. ewiges Leben genießen will (Joh 4:14, 17:3). In diesem Sinne spricht die Metapher auf ganz neue und kraftvolle Weise von der verheißenen messianischen Segnung und der Gegenwart des Reiches (Jes 12:3, 32:15, 44:3; Hes 39:29; Sach 14:16-18; Joel 2:28-32; Sukk 5:55a).

In Matthäus 3:16 (vgl. auch Mar 1:10; Luk 3:22; Joh 1:32) ist die Rede davon, dass der Geist als eine Taube vom Himmel herab kommt. Das Symbol der Taube steht wahrscheinlich für den Beginn eines gesegneten Zeitalters und das Ende des Gerichts, oder vielleicht symbolisiert es auch den Beginn einer neuen Schöpfung durch das Werk des verheißenen, vom Geist ermächtigten Davidischen Messias. 17

Eine weitere Metapher für den Geist ist Gewand (Apg 1:8). Diese Vorstellung beinhaltet das Eingekleidet-Werden durch eine andere Person, so dass man daraufhin durch die neue Kleidung gekennzeichnet wird. Auf den Geist bezogen bezeichnet die Metapher dessen Geschenk der Kraft an uns, durch das wir im Einklang mit dem Evangelium leben und es mutig überall in der Welt predigen können.

Der Geist wird auch als Garantie oder Pfand für die Verherrlichung der Christen bezeichnet (Eph 1:14; 2.Kor 1:21-22). Diesbezüglich besteht das gegenwärtige Geschenk des Geistes in dem Versprechen, dass die Gesamtheit alldessen, was uns verheißen worden ist, eines Tages erfüllt werden wird (Rö 8:30). BAGD (das griechische Lexikon, das üblicherweise für Untersuchungen des NT herangezogen wird), erklärt den „Geist“ an diesen Stellen als „erste Rate, Kaution, Anzahlung [oder] Pfand, wodurch ein Teil des Kaufpreises im Voraus erstattet und so ein gesetzlicher Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand gesichert oder ein Vertrag gültig gemacht wird“.18

Eng verwandt mit der Vorstellung vom Geist als „Pfand“ ist die vom Geist als Siegel oder als dem Einen, mit dem die Christen von Gott versiegelt werden. In 2.Korinther 1:22 und Epheser 1:14, 4:30 wird gesagt, dass Christen von Gott durch den Geist „versiegelt“ werden. In der Antike war ein „Siegel“ ein „Zeichen (mit einem Siegel), das der Identifizierung diente, und zwar in dem Sinne, dass das Zeichen einerseits den Besitz, gleichzeitig aber auch den Schutz durch den Besitzer anzeigte (s. Off 7:3). ... Auf dieser Basis kann die symbolische Aussage verstanden werden, dass diejenigen, die der christlichen Gemeinschaft beitreten, mit dem oder durch den Heiligen Geist versiegelt werden.19 Das „Siegel“ des Geistes spricht also für Gottes Eigentum an den Christen, das sich gleichzeitig mit Sicherheit und Schutz übersetzen lässt. Das bedeutet nicht, dass ein Christ niemals sündigen oder von Gott gezüchtigt werden wird (1.Jo 1:9; Heb 12:1-11), aber es heißt, dass Gott ihn niemals verlassen wird, weder in diesem noch im kommenden Leben (vgl. Rö 8:38-39). Dies werden wir später unter „Soteriologie“ oder „Erlösung“ weiter diskutieren.

Der Geist von Pfingsten wird in Apostelgeschichte 2:3 auch mit Zungen von Feuer verglichen. Feuer steht für die heilige Gegenwart Gottes, wie beispielsweise bei dem „brennenden Busch“ in Exodus 3:2-5. Man denke auch an die Feuersäule (Ex 13:21-22), an das Feuer auf dem Berg Sinai (Ex 24:17) oder an das Feuer über der Stiftshütte in der Wildnis (Ex 40:36-38).20 In allen diesen Fällen geht es um die Heiligkeit Gottes. Erinnern wir uns nun, dass der Christ zur Heiligkeit und Christähnlichkeit erwählt wird (Rö 8:29; Eph 1:4), so nimmt der Geist in unseren Herzen Wohnung, um diese Verwandlung Wirklichkeit werden zu lassen (2.Kor 3:18).

Das Wirken des Heiligen Geistes in der Offenbarung

Der Apostel Petrus sagt deutlich, dass der Heilige Geist für die Abfassung der Schriften (d.h. graphe„s) des AT verantwortlich war, indem er die Menschen führte, die Gottes Botschaft frei niederschrieben. Auch Paulus bestätigt die Beteiligung des Heiligen Geistes an der Abfassung der Heiligen Schriften (2.Tim 3:16 – theopneustos). Wenn wir uns dem AT zuwenden, erkennen wir dieses Phänomen an mehreren Stellen, nicht zuletzt an dem eindeutigen Beispiel in Hesekiel 2:2: „Als er zu mir sprach, kam der Geist in mich und stellte mich auf meine Füße, und ich hörte ihn zu mir sprechen“ (s. auch 8:4, 11:1,24). Andere Beispiele dafür, dass der Geist zu Menschen spricht, sind Balaam (Num 24:2) und Saul (1.Sa 10:6,10). Außerdem sagte Jesus, dass David mithilfe des Heiligen Geistes gesprochen habe (Mat 22:43; vgl. Apg 2:30).21

In keinem der beiden Testamente wird eigentlich viel über das Verhältnis zwischen dem Geist und den Menschen bei der Abfassung der Schriften gesagt. Petrus gebraucht das Bild vom Wind, der die Segel eines Schiffes füllt. Daraus können wir schließen, dass der Geist die Initiative ergriff und die Arbeit lenkte, dabei aber in keiner Weise die Persönlichkeit der menschlichen Verfasser, einschließlich ihres emotionalen und intellektuellen Beitrags, unterdrückte. In der Tat scheint es so, dass er von alldem (und mehr) sogar Gebrauch machte, denn die spirituelle / emotionale / ethische Erfahrung Davids, als er (zum Beispiel in den Psalmen) lyrische Poesie schrieb, war nicht dieselbe wie Paulus’ Erfahrung, als er den 1. Thessalonicher-Brief schrieb, oder Esras Erfahrung, als er das gleichnamige Buch schrieb, oder Johannes’ Erfahrung, als er die Offenbarung schrieb. Die Tatsache, dass es eine enge Beziehung zwischen Gottes Geist und den Verfassern der Schriften gibt, spricht nicht für ein mechanisches Diktieren, noch nicht einmal für eine Eingebung auf begrifflicher Ebene (vgl. Gal 3:16), sondern vielmehr für ein göttlich-menschliches Ineinanderwirken (1.Kor 2:12-13).

Das Wirken des Heiligen Geistes im Alten Testament

So wichtig das schon an sich ist, umfasst das Wirken des Geistes im AT noch weit mehr als nur die Abfassung der Schriften. Der Geist war an der Erschaffung des Kosmos beteiligt (Gen 1:2; Hi 26:13), gegenwärtig hat er auf vielschichtige Weise an der Erhaltung der Schöpfung Teil (Ps 104:29-30), und eines Tages wird er sie, in einer Zeit außerordentlicher Segnungen Gottes, vollständig erneuern. Die Art, in der der Geist uns gegenwärtig dient, legt Zeugnis ab für dieses künftige Wirken (Jes 32:15; Rö 8:18-27).

Der Heilige Geist kam über manche Menschen, um ihnen Weisheit und praktische Fertigkeiten, Stärke und Fähigkeit zu verleihen, so zum Beispiel während der Errichtung der Stiftshütte, der Bundeslade und der gesamten Einrichtung der Stiftshütte (Ex 31:1-11). Und er war auch die treibende Kraft hinter der Errichtung des Tempels (Sach 4:6).

Der Geist war an der Leitung der Nation Israel beteiligt, indem er die Gaben der Führung und Weisheit verlieh (Gen 41:38; Num 11:25; Deu 34:9). Er erhob auch die nationalen Führer während der elenden Zeit der Richter. Er verlieh verschiedenen Menschen Fähigkeiten wie Stärke, Mut, Geschick zur Kriegsführung und Führerschaft (Ri 3:10, 6:34, 14:19). Im weiteren Verlauf salbte er Saul, David und Salomo für die Führerschaft, indem er ihnen Kraft und die Fähigkeit zur Weissagung verlieh. Im Falle von Saul aber zog sich der Geist in der Folge aufgrund von dessen Ungehorsam wieder zurück (1.Sa 10:10, 16:13).

Der Heilige Geist war auch an der Erneuerung (Hes 36:26-28), Anleitung und Heiligung Israels im AT beteiligt (Ne 9:20; Ps 51:11, 143:10; Jes 63:10). Ebenso wird gesagt, dass er im messianischen Zeitalter Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit unter dem Volk Gottes herstellen wird (Jes 11:2-5, 32:15-20).22

Das Wirken des Heiligen Geistes im Leben Christi

Der Heilige Geist wirkte an der Geburt Christi mit, was dazu führte, dass Christus – wenngleich im vollen Sinne ein Mensch – vollkommen ohne Sünde war (Mat 1:18; Luk 1:35). Der Heilige Geist war auch an Christi Salbung für den messianischen Dienst (d.h. an seiner Taufe [Luk 3:21-22]) beteiligt, er erfüllte ihn während der Versuchungen (Luk 4:1; Joh 3:34) und offenbarte Art und Ablauf seines Dienstes (Luk 4:14,18). Der Heilige Geist war auch verantwortlich für Christi Fähigkeit, Wunder zu vollbringen und Dämonen auszutreiben (Mat 12:28). Er war auch am Tod und an der Auferstehung Christi beteiligt (Heb 9:14; Rö 1:4, 8:11). Zudem ist die beste Auslegung von 1.Petrus 3:18-20 vielleicht die, dass Christus vor seiner Inkarnation mithilfe des Geistes durch den Mund Noahs zu den schlechten Menschen dieser Tage vor der Sintflut predigte.23

Das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche

Wir werden die verschiedenen Aspekte dieses Wirkens des Geistes in Bezug auf die Kirche unter den Überschriften „Soteriologie“ und „Ekklesiologie“ besprechen. Hier soll nur gesagt werden, dass der Geist an den Aufgaben der Berufung, der Erneuerung und der Vereinigung des Glaubenden mit Christus beteiligt ist, dass er in dem Glaubenden wohnt, ihn erfüllt, ihn belehrt und leitet, ihm Gaben und Kräfte verleiht und ihn heiligt. Sein hauptsächlicher Dienst besteht darin, dem Glaubenden die Gegenwart Christi und die Erkenntnis Gottes zu vermitteln (Joh 16:13-14).24


16 Manche Wissenschaftler wollen ein Argument für die Persönlichkeit des Geistes darin sehen, dass in Epheser 1:14 das Relativpronomen „der“ im griechischen Text männlich und nicht wie zu erwarten (und zu pneuma passend) sächlich ist. Aber es gibt hierzu eine schwierige textliche Variante, nämlich das Neutrum-Relativpronomen, und es ist ausgesprochen schwierig, mit ausreichender Sicherheit festzulegen, welches das Original ist. Im Grunde sollte man dieser Textstelle nicht zu viel Gewicht beimessen. Ebenso argumentieren Manche, dass das Demonstrativpronomen in Joh 16:14 männlich ist und sich auf den „Geist“ in 16:13 bezieht. Dass dieses männliche Pronomen mit Bezug auf den Geist gebraucht werde, zeige seine Persönlichkeit an. Auch dieses Argument ist bestenfalls spekulativ.

17 Siehe Donald A. Hagner, Matthew 1-13, Word Biblical Commentary [Matthäus 1-13, Word Bibelkommentare], Hrsg. David A. Hubbard und Glenn W. Barker, Bd. 33a (Dallas: Word, 1993), in loc.

18 BAGD, s.v. ajrrabwn.

19 BAGD, s.v. sfragivzw.

20 Andere meinen, dass „Öl“ eine Art oder ein Symbol des Heiligen Geistes im Alten Testament sei. Es stellt das kraftvolle reinigende und erleuchtende Wirken des Geistes dar. Siehe Paul Enns, The Moody Handbook of Theology [Moody Handbuch der Theologie], (Chicago: Moody Press, 1989).

21 Siehe Millard J. Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], (Grand Rapids: Baker, 1985), S. 867.

22 Diese Zusammenfassung über das Wirken des Heiligen Geistes im AT basiert weitgehend auf der Arbeit von Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 866-869. Siehe auch Louis Berkhof, Systematic Theology [Systematische Theologie], 4. Aufl. (Grand Rapids: Eerdmans, 1941), S. 95-99; und insbesondere James I. Packer, “Holy Spirit” [„Der Heilige Geist“] in: New Dictionary of Theology [Neues theologisches Wörterbuch], Hrsg. Sinclair B. Ferguson, David F. Wright und J.I. Packer (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 316-319.

23 Siehe Buist M. Fanning, “A Theology of Peter and Jude” [“Theologie von Petrus und Judas”] in: A Biblical Theology of the New Testament [Biblische Theologie des Neuen Testaments], Hrsg. Roy B. Zuck und Darrell L. Bock (Chicago: Moody, 1994), S. 448-450.

24 J.I Packer, Keep in Step with the Spirit [Bleib im Takt mit dem Geist] (Grand Rapids: Fleming H. Revell, 1984), S. 49.

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5. Anthropologie & Hamartologie: Der Mensch und die Sünde

Der Begriff Anthropologie stammt von zwei griechischen Wörtern ab, nämlich von anthro„pos mit der Bedeutung „Mensch“ und logos mit der Bedeutung „Wort“, „Sache“ oder „Ding“. Wir bezeichnen mit dem Wort Anthropologie das Studium des Menschen, und eine biblische Anthropologie ist das Studium des Menschen, so wie er primär in der Schrift gesehen wird. Daher beschäftigt sich die biblische Anthropologie oft mit der Diskussion über die besondere Erschaffung des Menschen, über den Menschen „zum Bilde Gottes“, über die konstitutionelle Natur des Menschen und über den Menschen nach dem Sündenfall. Zu ihren Themen gehören weiterhin die menschliche Würde, Freiheit, Verderbtheit, Kultur und Gesellschaft. – Der andere Begriff, Hamartologie, stammt ebenfalls von zwei griechischen Begriffen ab, nämlich von hamartia mit der Bedeutung „Sünde“ und von logos. Damit betrifft er die biblische Lehre von der Sünde, einschließlich ihres Ursprungs, ihres Wesens, ihrer Verbreitung, ihrer Auswirkungen und ihrer Verurteilung im Gericht.

Die Erschaffung des Menschen

Die Erzählung in Genesis über die Erschaffung des Menschen (Gen 1-2) beinhaltet mehrere wichtige Aussagen und Konzepte, die in der übrigen Schrift weiter ausgeführt und entwickelt werden. Erstens: Der Ursprung des Menschen liegt nicht in einer naturalistischen Evolution, sondern im Geist und Sinn Gottes. Der Mensch war nicht irgendein nachträglicher Einfall oder das Ergebnis blinder Evolutionskräfte, sondern er wurde gemäß der Absicht und dem Plan und zum Wohlgefallen Gottes erschaffen. In Genesis 1:26 sagt Gott: „Lasst uns Menschen machen ...“. Zweitens: Der Mensch hat eine bestimmte Stellung als der Höhepunkt der Schöpfung. Wir wurden „zum Bilde“ Gottes gemacht. Nichts anderes sonst, noch nicht einmal die Engel, wird als zum Bilde Gottes gemacht bezeichnet. In dieser Hinsicht sind wir also einmalig in der geschaffenen Ordnung, und wir haben damit sowohl ein Vorrecht als auch eine Verantwortung (vgl. Gen 3). Beide zusammen, Mann und Frau, spiegeln das Bild Gottes wider. Darüber in Kürze mehr. Drittens: Wir haben ein besonderes Verhältnis zu Gott. Gemäß unserer ursprünglichen Erschaffung, so wie wir aus der Hand Gottes kamen, waren wir heilig, aufrichtig und vollkommen, und es gab keine Feindschaft zwischen Gott und uns. Viertens: Wir spielen eine bestimmte Rolle innerhalb der Schöpfung. Wir wurden erschaffen, um über Gottes erschaffene Erde zu regieren, d.h. um die Herrschaft über sie auszuüben. Fünftens: Der Mensch wurde offenbar in einem momentanen Akt Gottes erschaffen, bei dem dieser Materielles und „den Odem des Lebens“ zusammenbrachte. Auch darüber werden wir in Kürze noch sprechen; hier soll nur gesagt werden, dass wir nicht aus irgendeinem bereits existierenden Tier entwickelt wurden. Gemäß Genesis 2:7 erwächst aus der Art unserer Erschaffung die zweifache Natur unserer Erfahrungen, und so orientieren wir uns sowohl himmelwärts (spirituell) als auch erdwärts (materiell).25

Der Mensch zum Bilde Gottes

Der Ausdruck Bild Gottes – der, wie wir annehmen, so etwas heißen soll wie die „Ähnlichkeit mit Gott“ – ist in seiner genauen Bedeutung nur schwer festzulegen. Es gab zahlreiche Versuche, ihn auf unterschiedliche Aspekte des menschlichen Seins zu beschränken oder irgendeine Beziehung zu den Bestimmungen herzustellen, die der Mensch in der Welt erfüllt. So wurde gesagt, dass sich der Begriff nur auf bestimmte besondere Eigenschaften des Menschen beziehe, zum Beispiel auf sein vernunftbegabtes Wesen, sein Moralempfinden oder seine Anlage zur Religiosität. Andere, zum Beispiel die Mormonen, vertraten die Meinung, dass das Bild Gottes physisch gemeint sei. Und wieder andere meinten, dass das Bild eher einen Beziehungsaspekt bezeichne und die menschliche Erfahrung des Bezogenseins auf Gott, auf andere Menschen und auf die Schöpfung beschreibe. Manche reduzierten die Bedeutung des Bildes auch auf die gottgegebene Aufgabe des Menschen, die Herrschaft über die Erde auszuüben. In dieser letzteren Einschätzung bezieht sich das Bild auf die Fähigkeit des Menschen zu herrschen (vgl. Gen 1:26; Ps 8:5-6).

Jede dieser Ansichten trägt etwas zum Verständnis bei, doch es erscheint zweifelhaft, ob der funktionale oder der Beziehungsaspekt tatsächlich die Frage beantworten, was das Bild tatsächlich ist (nicht tut). Die funktionale Sicht beschreibt bestimmte Wirklichkeiten, die aus der Erschaffung zum Bilde Gottes hervorgehen, aber sie beschreibt nicht das Bild als Solches. Die substanzielle Sichtweise, die im Verlauf der Kirchengeschichte sehr lange vertreten wurde, ist insgesamt gesehen die beste Sichtweise, aber es vielleicht zu eng gedacht, wenn man sie auf „Erkenntnis“, „Gerechtigkeit“, „Heiligkeit“, „Moralität“, unsere Fähigkeit zu rationalem Denken etc. beschränkt. Vielmehr ist es all das und noch viel mehr, was uns wie Gott sein lässt, wobei man natürlich die notwendigen und biblischen Unterscheidungen zwischen Schöpfer und Schöpfung (entgegen dem Glauben der Mormonen) aufrechterhalten muss.

Die konstitutionelle Natur des Menschen

Auch in der Theologie wurde die Frage nach der konstitutionellen Natur des Menschen aufgeworfen. Die meisten Naturalisten vertreten wohl die Meinung, dass der Mensch monistisch, d.h. rein physisch sei und zu seinem Sein keine Seele und keine immaterielle Substanz gehöre. Unter den konservativen Theologen würden viele ähnlich argumentieren, obwohl sie andererseits trotzdem die Menschen (zumindest die Erlösten) als eine besondere Schöpfung Gottes mit einem besonderen Schicksal ansehen. Aus der Schrift heraus gibt es aber mehrere gute Gründe, die monistische Erklärung der menschlichen Veranlagung abzulehnen. Erstens: Da Gott eine Person ist und keinen Körper hat, sondern Geist ist, kann man mit Sicherheit sagen, dass einen Körper zu haben keine conditio sine qua non für eine Person ist. Das heißt, „Persönlichkeit“ kann auch ohne Körperlichkeit existieren. Desweiteren könnte man Gott geradezu als Musterbeispiel der Persönlichkeit betrachten. Wenn das aber so ist, dann können nur Wesen, die Ähnlichkeit (d.h. entsprechende Eigenschaften, nicht nur Funktionen) mit diesem Paradigma haben, selbst als Personen angesehen werden. Zweitens: Der Begriff nephesh aus dem AT kann sich zwar auf einen Körper oder auf Teile eines Körpers beziehen, bezeichnet andererseits aber oft eine Person nach ihrem Tod. Damit bezieht er sich auf die Seele/Person, die einen Körper verlassen hat, dabei selbst noch immer bewusst ist und als der immaterielle Aspekt der Person in den Körper zurückkehren kann, so Gott will (Gen 35:18; 1.Kö 17:21-22). Drittens: Das AT stellt den Menschen als aus materieller wie auch immaterieller Substanz erschaffen dar (Gen 2:7; Hes 37:6,8-10,14). Viertens: Jesus existierte nach seinem Tod und vor seiner Auferstehung weiter, was doch anscheinend bedeutet, dass sein (menschliches) Sein auch einen immateriellen Teil hatte. Fünftens: Menschliche Wesen werden im körperlosen Zustand als lebende Geister angesehen (Heb 12:23; Off 6:9-11 [Seelen]). Sechstens: Die zukünftige Auferstehung aller Menschen weist darauf hin, dass es einen Zwischenzustand für die dahingeschiedenen Seelen gibt, die dieser Auferstehung harren. Abraham, Isaak und Jakob leben noch (Mat 22:37). Moses und Elia leben ebenfalls noch (Mat 17:1-13). Die Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann geht offenbar von einem bewussten Leben nach dem körperlichen Tod aus (Luk 16:19-31). Und schließlich: Jesus unterschied in Matthäus 10:28 klar zwischen der Seele und dem Körper: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet euch vielmehr vor dem, der sowohl die Seele als auch den Leib in der Hölle vernichten kann.“ Alle diese Feststellungen lassen sich leicht auf der Grundlage eines substanziellen Dualismus im Menschen verstehen (d.h. der Mensch ist sowohl materiell als auch immateriell).26 Davon ausgehend wollen wir uns nun mit den zwei Hauptansichten über den immateriellen Aspekt des Menschen befassen.

Viele christliche Theologen sprechen sich für ein dreigeteiltes Bild des Menschen aus: dass er nämlich Körper, Seele und Geist sei, wobei jeder dieser Begriffe eine jeweils andere Substanz bezeichne. Diese Sichtweise wurde besonders im Hinblick auf Textstellen wie 1.Thessalonicher 5:23, Hebräer 4:12 und 1.Korinther 14:14 vorgebracht. Das größte Problem bei dieser Sichtweise – und der Grund, warum sie heute nicht mehr zustimmend aufgenommen wird – ist die fast einhellig vertretene Erkenntnis, dass die Bibel Seele und Geist synonym gebraucht (Luk 1:46-47; Joh 12:27, 13:21). Außerdem führt Markus 12:30 vier Aspekte des Menschen auf: Herz, Seele, Gemüt und Kraft. Sollen wir das so verstehen, dass jeder davon eine unterschiedliche Substanz darstellt? Das ist es nicht, was Jesus hier oder Paulus in 1.Thessalonicher 5:23 ausdrücken wollte. Es geht in 1.Thessalonicher 5:23 und Hebräer 4:12 nicht darum, den Christen darüber zu unterrichten, welche Substanzen genau sein immaterielles Wesen bilden, sondern vielmehr darüber, dass Heiligung die ganze Person umfasst. Also ist es, gelinde gesagt, unbegründet, wenn man aus diesen zwei Textstellen spezifische Einzelheiten über unser immaterielles Wesen ableiten will.

Wenn man all die biblischen Hinweise zusammennimmt, scheint die beste Betrachtensweise jedenfalls irgendeine Form von Dichotomie zu beinhalten. Jede Sichtweise vom Menschen muss dabei jedoch zwei Dinge im Auge behalten: (1) dass der Mensch ein Kompositum ist, das sowohl komplexe materielle wie auch komplexe immaterielle Aspekte aufweist; und (2) dass er in der Schrift als ein einheitliches Wesen dargestellt wird, so dass alles, was er durch seinen Körper tut, auch seinen Geist betrifft und alles, womit sich sein Geist beschäftigt, auch den Körper betrifft. Tatsächlich scheinen beide an allem, was wir tun, beteiligt zu sein. Diese Sichtweise vom Menschen setzt ihn in einen angemessenen Bezug zu seinem Schöpfer im Himmel und zu seinem Auftrag auf der Erde. Und sie erfasst auch die biblischen Angaben in einer Weise, die etwas besser mit dem Gebrauch der Begriffe in der Schrift übereinstimmt (nämlich damit, dass zwei oder mehrere Begriffe dieselbe immaterielle Substanz bezeichnen können).

Im Hinblick auf unsere gegenwärtige Kultur muss man schließlich noch darauf hinweisen, dass wir mit der Argumentation für einen immateriellen Aspekt des menschlichen Seins und mit Begriffen wie Seele und Geist nicht sagen wollen, dass wir alle „Gott“ in uns haben – so wie es viele Vertreter der New-Age-Bewegung behaupten. Wir wollen vielmehr damit ausdrücken, dass wir aus mehr als nur Materie bestehen, dass wir auch geistig ausgerichtete Wesen sind, die zum Bilde Gottes erschaffen wurden (nicht aber, dass wir in irgendeinem Sinne „Götter“ seien).

Der Sündenfall des Menschen und das Bild Gottes

Genesis 3 beschreibt uns einen der teuflischsten und traurigsten Momente unserer frühesten Geschichte. Gott hatte Adam geboten, nicht von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens zu essen. Das Gebot war kurz und prägnant, aber eindeutig, und die Folge eines Zuwiderhandelns wurde klar und eindrücklich dargestellt: „Du wirst gewiss sterben“ (Gen 2:16-17). Mit dem Auftritt der Schlange aber, die, wie wir heute wissen, Satan selbst war (2.Kor 11:3), kamen auch Täuschung und Trickserei in die Welt. Sie war geschickter als alle die wilden Tiere, die Gott der Herr gemacht hatte, und sie sagte zu der Frau ... (Gen 3:1). Nun, Sie kennen den Rest der Geschichte: Wir aßen von der verbotenen Frucht, erlitten den geistigen Tod (was der Teufel vergaß [versäumte?] zu erwähnen), wurden sofort von Gott bestraft (Gen 3:6-19), der Tod durch Mord kam fast sofort dazu (Gen 4), und am Ende starben wir auch physisch (vgl. „und er starb“, Gen 5). Von unseren ersten Vorfahren empfangen wir sowohl die Schuld der Sünde als auch die verdorbende Natur (Rö 5:12-21).

Als Folge des Sündenfalls ist das Bild Gottes nun gelöscht, aber es ist nicht vollständig ausgetilgt. Der Bund mit Noah, der unter den Menschen autoritative Maßnahmen für den Umgang mit Mord festlegte (Gen 9:6-7), das Gebot sich zu vermehren oder das Verbot von Dingen wie Begünstigung (Jak 3:9) – sie alle gründen sich darauf, dass das „Bild Gottes“ auch noch nach dem Sündenfall im Menschen existiert: all diese Gebote beziehen sich auf das Bild Gottes unter den Bedingungen nach dem Sündenfall.

Das Bild Gottes wurde beim Sündenfall gravierend verzerrt, doch für die, die „in Christus“ sind, wird es fortlaufend erneuert (im Sinne der „Erkenntnis“ in Kolosser 3:10). Und wenn die Heiligen dann im Himmel wohnen, wird das Bild Gottes in ihnen schließlich vollkommen wiederhergestellt werden. Kurz gesagt hat Gott uns dazu erwählt, dass wir in seinen Augen heilig und zu vollkommener Übereinstimmung mit dem Bild Seines Sohnes gebracht werden (Eph 1:3-4; Rö 8:29; 1.Kor 15:49), von dem gesagt ist, er sei „das Bild Gottes“ (2.Kor 4:4; Kol 1:15).

Die Doktrin von der Sünde

Eine kurze Rekapitulation des Sündenfalls des Menschen führt uns ganz von selbst in eine Diskussion über das eigentliche Wesen der Sünde, sowie über ihren Ursprung, ihre Verbreitung, ihre Auswirkungen und ihre Bestrafung.

Viele Theologen definieren Sünde zurecht als jede Art von mangelnder Übereinstimmung mit dem moralischen Gesetz Gottes – auf das Wesen, die Neigung oder die Taten bezogen. Wieder gilt, dass das mit gewissen Einschränkungen eine zutreffende Definition ist (vgl. 1.Jo 3:4) und vielleicht eine bessere, als wenn man die Erfahrung von persönlicher Begrenztheit, Existenzangst, Kontrollbedürfnis, Egoismus oder sexueller Unmoral als Sünde bezeichnet. Der entscheidende Fehler dieser Definition liegt jedoch darin, dass sie das abscheuliche, aggressive und gemeine Wesen der Sünde eigentlich nicht erfasst. In der biblischen Darstellung ist Sünde mehr als ein „Mangel an Übereinstimmung“. Sünde ist Rebellion „durch und durch“, der heimtückische Plan, Gott und seine gerechte Herrschaft über unser Leben persönlich niederzuwerfen. Sie ist der törichte Versuch eines Staatsstreichs – der Versuch, nicht nur Seine Gebote, Verpflichtungen und weisen Verbote auszulöschen, sondern auch seine Gegenwart für null und nichtig zu erklären und das Wissen von ihm auszulöschen – und das mit jedem einzelnen Hieb.

Damit ist die Sünde von ihrem Wesen her spirituell/ethisch und trägt in ihrem Kern die Vorstellung von Autonomie und Rebellion. Sie ist vom Wesen her ethisch, nicht ontologisch, denn sie stellt keine wesentliche Einbuße irgendeiner Art dar. Selbst nach dem Sündenfall hat der Mensch noch alle Möglichkeiten, mit denen er erschaffen wurde, aber seine moralische Natur wurde durch die Sünde entstellt. Im Alten Testament gibt es zahlreiche Schlüsselbegriffe, die verschiedene Nuancen innerhalb der Gesamtkonzeption der Sünde ausdrücken. Dazu gehören (1) chata („am Ziel vorbeischießen“, Ex 20:20; 522x), (2) ra („das Böse“ oder „Verderben“, Gen 38:7; 444x) und (3) taah („in die Irre gehen“, Num 15:22). Auch im Neuen Testament kommen verschiedene Ausdrücke vor. Zu den wichtigen und häufiger gebrauchten gehören (1) hamartano („am Ziel vorbeischießen“, Rö 5:12; über 225x), (2) kakos („Krankheit“ oder „Schmutz“ im moralischen Sinne), (3) poneros („das moralisch Schlechte“, Heb 3:12), (4) anomos („Gesetzlosigkeit“, 1.Jo 3:4).

Innerhalb des Kosmos ist der Ursprung der Sünde im Ungehorsam Satans und einiger Engel zu sehen. Jesaja 14:12-15 und Hesekiel 28:12-19 werden wohl widersprüchlich diskutiert; zumindest einige Theologen vertreten aber die Meinung, dass eine oder beide dieser Textstellen auf den Fall Satans anspielen. Jedenfalls ist Satan, wenn er in Genesis 3 die Szene betritt, schon ein Gefallener und sündig (vgl. 2.Ko 11:3). Was andererseits den Eintritt der Sünde in das Menschengeschlecht betrifft, so fand dieser beim Sündenfall statt, der ebenfalls in Genesis 3 beschrieben wird. Wie Paulus in Römer 5:12ff. deutlich sagt, kam die Sünde durch den Ungehorsam unserer allerersten Vorfahren in das Menschengeschlecht.

Es sollte unter Christen keinerlei Zweifel über die biblische Aussage herrschen, dass alle Menschen sündig sind. Allerdings ist es offensichtlich auch so, dass nicht bei allen Menschen diese Sündigkeit in gleichem Ausmaß zum Ausdruck kommt oder kommen wird. Wie aber übertrugen unsere ersten Vorfahren die Sünde auf uns? Wenn es zutrifft, dass die Sünde durch Adams Sünde in das Menschengeschlecht kam – wie wurde sie dann weitergegeben an seine Nachkommen und damit an die Menschheit als Ganzes, vorausgesetzt dass wir alle von dem einen Mann abstammen (vgl. Apg 17:26)?

Manche Menschen sind der Meinung, dass es zwischen der Sünde von Adam und Eva und der Sünde jedes einzelnen Mitglieds des Menschengeschlechts gar keine direkte Verbindung gibt, sondern dass sich vielmehr jeder Einzelne – vielleicht nach dem Vorbild Adams – selbst dafür entscheidet zu sündigen und Gottes Willen zuwider zu handeln. Mit der Vorstellung, dass „alle gesündigt hatten“ (Rö 5:12), steht diese Interpretation vielleicht (zumindest formell) im Einklang, der Gesamtaussage von Paulus in Römer 5:12-21 aber wird sie nicht gerecht. Dort wird nämlich mindestens fünfmal gesagt, dass die Sünde durch einen Menschen in das Menschengeschlecht kam (Übertretung) und dass das gesamte Geschlecht davon betroffen wurde – durch die Sünde Adams und nicht dadurch, dass sie alle selbst sündigten.

Damit besteht also doch eine direkte Verbindung zwischen der Sünde Adams und dem Gefallensein des gesamten Menschengeschlechts. Manche sehen diese Verbindung als eine tatsächliche an, andere eher als eine legale. Erstere vertreten die Meinung, dass das Menschengeschlecht als Ganzes im Samen Adams gegenwärtig war und damit sündigte, als er sündigte. Das scheint dem „alle hatten gesündigt“ in Römer 5:12 Genüge zu tun und wird auch durch die Abraham/Levi/Melchisedek-Parallele in Hebräer 7:10 unterstützt. Die Bedeutung dieses „alle hatten gesündigt“ sollte allerdings eher im Einklang mit dem Hauptakzent von Römer 5:12-21 festgelegt werden, und der liegt offenbar darauf, dass Adam die direkte Ursache unserer Sündigkeit ist: irgendein vermittelnder Mechanismus scheint aus Römer 5:12-21 nicht ersichtlich zu sein.

Am besten versteht man Adam vielleicht als das föderalistische Oberhaupt des Menschengeschlechts, und als eines solchen wurde seine Schuld uns zugeschrieben (d.h. unserem Konto angelastet), so dass auch wir vor dem Gesetz schuldig sind. So macht wohl die direkte Verbindung, die in Römer 5:12-21 ausgedrückt wird, am meisten Sinn. Um es nochmals zu sagen: Mehr als fünfmal erscheint in diesem Abschnitt der Satz „denn so, wie durch den Ungehorsam des einen Menschen viele zu Sündern gemacht wurden“ (so oder ähnlich).

Nun ist die Vorstellung, dass zwischen einem Menschen und seiner Nachkommenschaft eine legale, nicht nur eine biologische Verbindung besteht, in der Schrift nicht unbekannt. Das wird gelegentlich als Corporate Solidarity, gemeinschaftliches Einstehen, bezeichnet. Das bekannteste Beispiel für dieses Konzept stellt vielleicht die Sünde Achans dar (Josua 7). Seine Sünde, „die Reichtümer der Stadt“ geraubt zu haben, wird als Sünde des Volkes Israel gewertet (Jos 7:1,11), und tatsächlich wurde seine gesamte Familie dafür bestraft. In ähnlicher – genau genommen aber nicht identischer – Weise sehen wir heute oft, wie die Sünde eines Menschen direkte Auswirkungen auf andere hat. Wenn jemand ein Flugzeug mit 130 Menschen an Bord entführt und dann abstürzen lässt, leiden alle, die an Bord sind, aufgrund der Entscheidung eines Einzelnen.27 Die Entscheidungen eines einzelnen Menschen haben oft „repräsentativen“ Charakter.

Nun wenden sich manche Menschen gegen diese Lehre mit der Begründung, dass uns hier die Schuld an etwas gegeben werde, was wir gar nicht selbst getan haben. Darauf gibt es verschiedene Antwortmöglichkeiten; am Ende muss man aber einsehen, dass alle Menschen – auch Sie und ich – Sünder sind und für ihre eigene und willentliche Rebellion gerichtet werden. War es denn fair, dass Christus für uns starb, damit wir Gottes Zorn entrinnen könnten? Ist es fair, dass Gott uns die Gerechtigkeit Christi zurechnet, nur weil wir an Seinen Sohn glauben? Wenn es hier wirklich um Fairness aus menschlicher Sicht ginge – wer von uns könnte dann in Seiner Gegenwart bestehen?

Wir befinden uns aber nicht nur im Zustand der Schuld vor Gott, sondern haben bei unserer Geburt darüber hinaus ein sündiges Wesen empfangen – daher unsere eigene und willentliche Rebellion. Und es ist nicht so, dass unser Gefallensein nur einige wenige Teile von uns betrifft; vielmehr sind wir als ganze Person, mit allem was dazu gehört, gefallen und der Sünde versklavt. Auch das ist eine Folge von Adams Sünde. Wir beweisen jeden Tag, dass wir eine sündige Natur haben (vgl. Gal 5:19-21). Das Abstreiten der Sünde, neurotische Verhaltensweisen, die Entfremdung von denen, die wir lieben, Feindseligkeit unter Arbeitskollegen, die Unfähigkeit zu lieben und Liebe von anderen anzunehmen, Lügen, Diebstahl, Mogeleien und eine Vielzahl von anderen Sünden suchen uns täglich heim. Wir wurden geboren als – und sind damit von unserem Wesen her – Kinder des Zorns (vgl. Eph 2:1-3).

Der Christ und die Sünde

Oft erhebt sich die Frage, welche Auswirkungen die Sünde auf das Leben eines Christen hat. Manchmal stellt sich diese Frage ganz unmittelbar in der Form: „Verliert ein Christ die Erlösung, sobald (nicht falls) er sündigt?“ Damit können wir uns hier nicht im Detail befassen, aber diese Frage wird im Abschnitt Soteriologie ausführlicher behandelt. Hier soll nur gesagt werden, dass die Sünde eines Christen geradeso sündig ist wie die eines Nicht-Christen. Sünde bleibt Sünde, egal wer sie begeht; und sie beleidigt und verletzt Gottes Heiligkeit. Aber der Christ befindet sich ein für allemal in einer Position des Gerechtfertigt-Seins (Rö 5:1). Sein Stand bzw. seine Stellung vor dem Herrn ist unveränderlich. Seine persönliche Gemeinschaft mit dem Herrn und Seinem Volk aber wird, unter Umständen ernsthaft, durch die Sünde beeinträchtigt. Irgendwann wird ihn der Herr wahrscheinlich dafür züchtigen und in manchen Fällen auch sein Leben der Sünde wegen verkürzen (1.Ko 11:30; Heb 12:1-13). Wenn ein Christ aber sündigt, sollte er das sofort dem Herrn bekennen und bereuen, in dem Wissen, dass Gott ihm zuverlässig die Sünde vergeben und ihn von ihr reinigen wird (1.Jo 1:9). In vielen Fällen wird er seine Sünde auch einem Betroffenen bekennen und wiedergutmachen müssen. Wenn man es versäumt, eine Sünde zu bekennen, derer man sich bewusst ist, führt das zu geistiger und moralischer Verhärtung und zur Selbsttäuschung über den eigenen Zustand (Heb 3:12-13).

Die Strafe der Sünde

Gott bestraft Sünde in erster Linie und hauptsächlich um zu zeigen, dass er gerecht ist. Am umfassendsten tat er das natürlich durch das Kreuz (Rö 3:21-26, 9:19-23). Der zweite Grund, warum Gott die Sünde bestraft, ist der, dass er verirrte Kinder zurückbringen oder andere vom Sündigen abschrecken will.

Geistiger Tod, leiblicher Tod und ewiger Tod sind Strafen für die Sünde, so wie auch manches Leiden in diesem Leben. Ohne Frage stellt aber der ewige Tod die schwerwiegendste Strafe für die Sünde dar, die man sich vorstellen kann. In diesem Fall verwehrt Gott dem Sünder, der außerhalb der rettenden Barmherzigkeit Christi stirbt, sich je mit Ihm zu versöhnen. Qual wird ihr ewiges Schicksal sein und sie werden in Ewigkeit von Gott getrennt sein, „für immer ausgeschlossen aus der Gegenwart des Herrn“, wie Paulus sagt (2.Th 1:8-9; vgl. auch Mat 25:41,46).

Sünde hat immer Konsequenzen, für das gegenwärtige wie für das kommende Leben. Ein Christ kann den Folgen der Sünde in diesem Leben oder dem Gericht über die Sünde im nächsten nicht entrinnen, aber seine Erlösung wird durch dieses Gericht nicht aufgehoben. Er wird dennoch immer beim Herrn sein, das Gericht aber hat Einfluss auf die Art seines Lohns (1.Ko 3:10-15; 2.Ko 5:10; Rö 14:10-12).


25 Ich meine damit nicht irgendeinen platonischen oder gnostischen Dualismus oder irgendetwas anderes in dieser Art. Ich sage nur, wie C.S. Lewis es bei einer Gelegenheit ausdrückte, dass wir zum Leben in zwei Welten gleichzeitig gemacht wurden.

26 Lesen Sie für eine weitergehende Diskussion dieses Themas Wayne Grudem, Systematic Theology [Systematische Theologie], (Grand Rapids: Zondervan, 1994), S. 472, 474 und 483; J.P. Moreland und Scott B. Rae, Body and Soul: Human Nature & The Crisis in Ethics [Körper und Seele: Die menschliche Natur und die Krise der Moral], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 2000), S. 17-47; Erickson, Theology [Theologie], S. 519-539. – Für eine Verteidigung der monistischen Position siehe J.A.T. Robinson, The Body [Der Leib], (London: SPCK, 1952), und die betreffenden Artikel in Warren S. Brown, Nancy Murphy und H. Newton Maloney (Hrsg.), Whatever Happened to the Soul: Scientific and Theological Portraits of Human Nature [Was auch immer mit der Seele geschah: Wissenschaftliche und theologische Darstellungen der menschlichen Natur], (Minneapolis, MN: Fortess, 1998).

27 Ich will damit nicht sagen, dass die anderen in dem Flugzeug sich der Entführung schuldig machen (in dem Sinne, wie wir aufgrund von Adams Sünde als schuldig angesehen werden). Worum es mir geht, ist nur zu zeigen, dass die schlechten Entscheidungen eines Einzelnen oft negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von Menschen haben.

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6. Angelologie: Engel

Der Begriff Angelologie leitet sich von zwei griechischen Wurzeln ab, nämlich von aggelos (ausgesprochen: angelos), das „Bote“oder „Engel“ bedeutet, und logos mit der Bedeutung „Wort“, „Sache“ oder „Ding“. In der christlichen systematischen Theologie wird der Begriff benutzt, um das Studium der biblischen Doktrin von den Engeln zu bezeichnen. Angelologie schließt Themen ein wie den Ursprung, die Existenz und das Wesen der Engel, die Einteilung der Engel in verschiedene Klassen, den Dienst und die Werke der Engel, sowie auch die Existenz, die Aktivitäten und die Verurteilung Satans und der Dämonen (als gefallene oder böse Engel). Es gibt aber auch Theologen, die Satan und die Dämonen unter einer separaten Überschrift, nämlich der Dämonologie, abhandeln.

Das Wesen der Engel

Ein Engel ist ein geistiges Wesen, das von Gott geschaffen und mit einer besonderen Aufgabe im Rahmen der Verwirklichung Seines Planes betraut wurde (z.B. Kol 1:16; Heb 1:14). Engel haben außerordentliche, aber (als geschaffene Wesen) begrenzte Kräfte und Kenntnisse. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament werden sie als „Boten“ bezeichnet, und als solche führen sie das Werk Gottes aus. Obwohl einige Wissenschaftler abstreiten, dass sie Personen sind, geht doch aus der Schrift klar hervor, dass sie tatsächlich eine Persönlichkeit haben: sie denken (1.Pe 1:12), fühlen (Luk 2:13) und entscheiden sich (Jud 6), und die heiligen Engel bringen Gott geistreichen und hervorragenden Lobpreis dar. Sie gehören zu einem höheren Stand als der Mensch, wie Psalm 8:4-5 darlegt, stehen aber niedriger als Christus (2.Sa 14:20; Luk 20:36; Heb 1). Fortpflanzen können sie sich offensichtlich nicht (Mat 22:30).

Im Alten Testament werden die Engel auch als „die himmlischen Heerscharen“, „die Söhne Gottes“ und als „Heilige“ bezeichnet (1.Sa 17:45; Hi 1:6, 2:1; Ps 89:5,7). Der erstere Ausdruck, „himmlische Heerscharen“, bezieht sich auf ihre unermesslich große Anzahl und ihre Macht im Kampf für Gottes Volk (vgl. Heb 12:22). Der zweite Ausdruck, „die Söhne Gottes“, betont ihr enges Verhältnis zu Gott, ihre gottähnlichen Eigenschaften und das Höchstmaß an Leistung, das sie vor ihm erbringen. Der dritte Ausdruck, „die Heiligen“, unterstreicht ihren moralisch reinen Charakter.

Die verschiedenen Klassen von Engeln

In der Schrift wird nicht sehr viel über die Einteilung der Engel in verschiedene Klassen offenbart. Man würde sich mehr Informationen darüber wünschen, denn das, was gesagt wird, lässt wohl vermuten, dass es „Rangstufen“ oder „Klassen“ bei ihnen gibt – viel mehr kann man darüber hinaus aber kaum sagen. Gleich zu Beginn sollte jedoch Folgendes angemerkt werden: Es wird behauptet, einige Engel seien in den Abyssus (Abgrund) verbannt worden, als sie sündigten, andere aber nicht. Diese Behauptung, die mit Stellen wie 2.Petrus 2:4 begründet wird, ist wahrscheinlich nicht richtig. Alle gefallenen Engel werden bis zum festgesetzten Tag des Gerichts in Gruben dichter Finsternis festgehalten, doch von dort aus sind sie noch in der Lage, ihre bösen Pläne gegen Gott, sein Volk und seine Schöpfung auszuführen.

Michael wird in Judas 9 als Erzengel bezeichnet – und dieser Titel wird in der Schrift keinem anderen Engel zuteil (Trotzdem kann es natürlich noch viele andere Erzengel geben.). Das bedeutet offenbar, dass er über viele andere Engel Autorität ausübt, und er selbst steht dabei unter der Autorität Gottes. Er wird auch als „der große Fürst“ bezeichnet, und hier scheint der Begriff Fürst wiederum einen Autoritätsrang unter den Engeln zu beinhalten (Da 9:21, 12:1). Es gibt auch Engel, die über bestimmte Länder herrschen, wie man beispielsweise in Daniels Erwähnung des „Fürsten des Königreichs Persien“ sieht (10:13).

Über Schutzengel sind sich die Gelehrten uneins, aber es scheint doch so zu sein, dass Jesus in Matthäus 18:10 von so etwas wie Schutzengeln ausgeht.

In Jesaja 6:2-4 werden auch Seraphim erwähnt. Leider ist das die einzige Stelle in der Schrift, in der sie vorkommen, so dass man nicht viel über sie aussagen kann. Der Begriff Seraphim bedeutet „die Brennenden“ und spielt möglicherweise auf ihre leuchtende Erscheinung an; aber es ist doch interessant zu sehen, dass sie ihre Füße und Gesichter vor dem Leuchten des Einen Heiligen Israels bedeckten. So scheint es, dass sie die Heiligkeit Gottes sehr wichtig nehmen und ihm in Demut dienen. Im Falle Jesajas suchten sie den Propheten auf und vermittelten ihm im Auftrag Gottes die Erkenntnis, dass seine Sünden vergeben worden waren. Nachdem er durch die brennende Heiligkeit Gottes gereinigt worden war, war er nun darauf vorbereitet, im Auftrag Gottes zu dem ungehorsamen Volk Israel zu sprechen.

Auch Cherubim werden viele Male im Alten und einmal im Neuen Testament (Heb 9:5) erwähnt. Sie haben anscheinend mit dem Schutz der Heiligkeit Gottes sowie des Zugangs oder der Beziehung zu ihm zu tun. So wurden sie vor dem Garten Eden aufgestellt und verhindern dort, dass der Mensch in den Garten zurückkehren und vom Baum des Lebens essen kann (Gen 3:22-24). In ähnlicher Weise werden sie in Exodus 25:18-22 mit dem Gnadenthron und dem Gesetz in Verbindung gebracht; dort am Gnadenthron war es, wo Gott den sündigen Menschen, d.h. den Israeliten, begegnete. Sie sind die Lebendigen, die Hesekiel in seiner Vision sah (Hes 1:4-28, 10:15), und sie hatten offenbar vier Flügel und Gesichter wie Löwen, Ochsen, Adler und Menschen. Sie hatten Hände wie Menschen, Füße wie Kalbshufe, etc. Lesen Sie Hesekiel 1:4-14 für die weiteren Einzelheiten. Auch sie – wie diejenigen, die Jesaja sah – leuchteten hell, wie polierte Bronze. Sie werden auch mit Feuer, Blitz und der heiligen Anbetung des wahren und barmherzigen Gottes in Verbindung gebracht (vgl. Off 4:4-8).

Der Dienst der Engel

Man kann unmöglich alle Dienste beschreiben, die die Engel auf Gottes Geheiß hin ausführen. Im Folgenden finden sich zumindest einige dieser Dienste, die in Verbindung mit dem Erlösungswerk, dem Gericht und der Lenkung der menschlichen Geschichte durch Gottes Vorsehung stehen. In Bezug auf die Erlösung spielten die Engel eine Rolle bei der Herabkunft, dem Tod und der Auferstehung Christi. Sie überbrachten Maria die Nachricht, dass sie das Christuskind gebären würde (Luk 1:26-38), und sie verkündeten ihn als den Erlöser vor den Hirten (Luk 2:13). Sie waren Christus zudiensten in der Zeit seiner Versuchungen in der Wüste und genauso stärkten sie ihn auch während seiner Prüfungen in Gethsemane (Luk 22:43). Auch waren sie bereit, auf seinen Befehl hin für ihn zu kämpfen (Mat 26:53). Außerdem rollten sie den Stein von seinem Grab fort und verkündeten seine Auferstehung (Mat 28:2,6).

Der Verfasser des Hebräerbriefes fasst die Rolle der Engel im Leben eines Gläubigen in Hebräer 1:14 zusammen: „Sind nicht alle Engel dienstbare Geister, ausgesandt zur Hilfe derer, die die Erlösung erben werden?“ Als solche sind sie brennend interessiert und nehmen Teil an unserem eigenen geistigen Wachstum und an unserem Auftrag, das Evangelium bis an die Enden der Welt zu tragen. Sie können uns, wenn Gott will, ermutigen und sogar aus leiblichen Gefahren erretten, damit wir Gottes Werk der Evangeliumsverkündigung fortsetzen können (Apg 12:7, 27:23-24). Sie haben ein tiefes Interesse an der Rettung der Verlorenen und freuen sich, wenn ein einziger Sünder bereut und zu Gott zurückkehrt (Luk 15:10). In der Tat wurde Philippus von einem Engel beauftragt, hinauszugehen und den äthiopischen Eunuchen auf der verlassenen Straße zu treffen, damit dieser Mensch gerettet werden konnte (Apg 8:26). Engel sind auch an der Fürsorge für die sterbenden Gläubigen beteiligt (Luk 16:22).

Engel werden vom Herrn auch für das Gericht über die Ungläubigen eingesetzt. Das geht aus Genesis 19:12-13 hervor, wo die Engel Lot auffordern, Sodom zu verlassen; denn auf Befehl des Herrn und aufgrund der Schlechtigkeit dieser Stadt bereiteten sie deren Zerstörung vor. Manchmal verhängen sie Strafen (Apg 12:23), und in Offenbarung 8-9 und 16 werden sie unmittelbar mit den Gerichten der Posaunen und Schalen in Verbindung gebracht.28 Am Ende dieses Zeitalters werden sie es sein, die die Ungerechten zum Gericht versammeln (Mat 13:41-42).

In dem Sinne, dass Engel an der Herabkunft Christi, an der Erlösung, dem Wachsen und der Bewahrung der Christen und am Gericht über die Ungläubigen beteiligt sind, sind sie an der Erfüllung der göttlichen Vorsehung und des göttlichen Plans beteiligt, der alle Dinge der Welt umfasst. Das wird auch anhand der Führung der Nationen (Da 10:13,20-21) deutlich.

Satan, ein gefallener Engel

Das Wort Satan bedeutet in der hebräischen Bibel „Gegner“, und die Verfasser des Neuen Testaments übertrugen den Namen einfach unverändert ins Griechische. Satan ist ein gefallener, ein böser Engel, möglicherweise ein Cherub, aber das ist keineswegs sicher (vgl. Hes 28:14).

Über Satan (und seine Dämonen) ist viel spekuliert worden, und seine Existenz und Persönlichkeit wurden dabei auch angezweifelt. Dazu muss erstens gesagt werden, dass der Teufel oder die Dämonen von jedem neutestamentarischen Verfasser bezeugt wurden und auch in einigen Büchern des AT erscheinen. Zweitens hatte Jesus Christus selbst bei mehreren Gelegenheiten mit Satan und seinen Dämonen zu tun (z.B. Mat 4:1-11; Mar 5:1-20). Und drittens bestätigen einige besonders ungeheuerliche Übel im Verlauf der Geschichte – wie zum Beispiel der Holocaust –, dass das biblische Bild von Satan, den Dämonen und ihren destruktiven Anlagen und Taten tatsächlich zutreffend ist.

Außerdem wird Satan in der Schrift eindeutig als Person dargestellt. Trotzdem wird die Auffasssung vertreten, dass die biblische Vorstellung von Satan und den Dämonen entmythologisiert werden sollte; d.h. dass Satan und die Dämonen zwar zur Weltsicht eines Christen (oder anderen Menschen) im ersten Jahrhundert gehörten, wir Heutigen über so etwas seit dem Aufkommen einer wissenschaftlichen Weltsicht aber längst erhaben sind. Wir wissen doch inzwischen, dass die körperlichen Leiden, die unsere Vorfahren noch auf Satan zurückführten, eigentlich Krankheiten sind, die durch mikroskopisch kleine Bakterien und Viren verursacht werden. Diese Sichtweise ist insofern unzutreffend, als die Christen (und andere Menschen) im ersten Jahrhundert gar nicht alle, sondern nur einzelne körperliche Gebrechen Satan zuschrieben und damit keineswegs so naiv waren, wie es diese Sichtweise impliziert. Außerdem ist es schlicht arrogant, um nicht zu sagen naiv, zu behaupten, dass ihre metaphysischen Ansichten unbedingt unreif, kindisch und unplausibel waren, unsere dagegen unbedingt wissensbasiert sind, nur weil sie damals lebten und wir jetzt leben. Vielleicht wissen wir ja nicht, was wir eigentlich wissen sollten. Außerdem ist die Wissenschaft gar nicht in der Lage, diese Streitfrage zu entscheiden, denn die Wirklichkeit der Dinge, über die hier gesprochen wird, liegt außerhalb ihres Gebietes, ihrer Methoden und der Paradigmen ihrer Fragestellungen.

Manchmal wird auch gesagt, dass der Teufel eigentlich eine Redensart sei, um über die Kräfte des Bösen in unserer Kultur zu sprechen. Das aber ist weit entfernt von dem, was die Bibel uns über Satan und seine Sendboten lehrt. Satan betreffend lehrt die Bibel, dass er eine Person ist (d.h. er hat eine Persönlichkeit, aber er ist kein Mensch). Er ist sehr listenreich (Gen 3:1; 2.Ko 11:3), er wird wütend, wenn ihm jemand einen Strich durch die Rechnung macht (Off 12:17), und er will Menschen einfangen, die nicht auf die Wahrheit hören wollen (2.Ti 2:26). All das sind Dinge, die man als Person ausführt; und er wird selbstverständlich Gott Rechenschaft ablegen müssen für alles, was er getan hat, was er tut und was er tun wird (Joh 12:31; Off 20:10). Also ist er moralisch verantwortlich; und damit ist er nicht nur eine – böse oder sonstige – kulturelle Kraft, sondern er ist eine Person, die zwar eine üble Rolle bei den kulturellen und weltlichen Ereignissen spielt, aber dennoch nicht mit der Kultur gleichgesetzt werden sollte (1.Jo 5:19). Auch Dämonen haben eine Persönlichkeit und sind nicht die Seelen toter Menschen, die außerhalb der erlösenden Gnade Christi sündigten.

In der Schrift läuft Satan (der „Gegner“) unter vielen Namen und Titeln, die beleuchten, wie er durch sein Tun Gottes Absichten und Plänen entgegenwirkt und seinem Volk ein Widersacher ist. Zu seinen Namen gehören: (1) der Teufel („Verleumder“, Mat 4:1, 13:39; Off 12:9)29, (2) Beelzebul („der Herr des Himmels“; Mat 12:24; dieser Begriff wurde von den Pharisäern benutzt, um Satan zu bezeichnen, aber sein Ursprung und seine Bedeutung sind unsicher: Es könnte ursprünglich die Bezeichnung für die kanaanitische Fruchtbarkeits-Gottheit, den Hauptwidersacher der israelitischen Religion, gewesen sein. In diesem Falle bedeutet Baal „Herr“ und zebul heißt „Himmel“30) und (3) Belial („der sich Gott widersetzt“, 2.Ko 6:15).31

Viele der Titel, mit denen Satan bezeichnet wird, offenbaren auch seine Bemühungen, mit denen er sich Gottes Werk entgegenstellt und den Heiligen Leid verursacht. Er ist bekannt als der Gott dieses Zeitalters – eines Zeitalters, das durch Sünde und Widersetzlichkeit gegen Gott gezeichnet ist. Er arbeitet gegen das Evangelium, indem er den Geist der Menschen für die Wahrheit blind macht (2.Ko 4:4). In ähnlichem Sinn wird er auch als der Fürst dieser Welt bezeichnet (Joh 12:31). Damit wird ausgedrückt, dass die ganze Welt in seiner Hand liegt (1.Jo 5:19). Er ist der Fürst der Macht der Lüfte (Eph 2:2; Kol 1:13) und herrscht als solcher über die Dämonen, die seinen Willen tun, und über die ungläubigen Menschen, die Kinder des Ungehorsams. Sein Name „der Böse“ drückt sein Wesen aus und die Art seines Wirkens, durch das er das Böse unter den Menschen fördert und die Gerechtigkeit und Wahrheit bekämpft. Weiterhin ist er bekannt als (1) ein gemeiner Dieb, der stiehlt, tötet und vernichtet (Joh 10:10), (2) der Versucher (1.Th 3:5), (3) ein Mörder (Joh 8:44), (4) der Vater der Lüge (Joh 8:44) und (5) der Große Drache, der die gesamte Welt irreführt (Off 12:9). Was ist es doch für eine wunderbare Nachricht, dass der Dienst Jesu ihn im Kern seiner Macht traf und er als Feind nun besiegt ist und seiner Verurteilung harrt. Sein endgültiges Ende wird er schließlich im Feuersee finden, wo er für alle Zeiten Tag und Nacht gequält werden wird (Off 20:10).

Dämonen, die gefallenen Engel

Satan ist ein gefallener Engel, und er wird als der „Fürst der Dämonen“ bezeichnet (Mar 3:22). Also sind auch die Dämonen gefallene Engel, und sie stehen unter seinem Befehl. Gelegentlich werden sie „unreine Geister“ und „böse Geister“ genannt, und beide Bezeichnungen beziehen sich auf ihre moralische und geistige Bosheit (Mat 10:1, 12:43; Mar 1:23,26). In Römer 8:38-39, 1.Korinther 15:24 und Kolosser 2:8-15 werden sie auch als „Reiche und Gewalten“ bezeichnet. Sie haben die Fähigkeit, in einen Menschen zu fahren und aus ihm zu sprechen (Mar 1:34) oder auch ein Tier zu befallen (Mar 5:12). Sie trachten danach, Krankheit zu verursachen – andererseits ist nicht jede Krankheit durch sie verursacht (Mat 12:22-24). Sie möchten Christen in die Irre führen (2.Ko 11:14) und so weit bringen, dass sie sie anbeten (1.Ko 10:20); und deshalb muss man ihnen entschieden Widerstand leisten (Eph 6:12-18; Jak 4:7; 1.Pe 5:8). Wir sollten uns Satans und seiner Ränke stets bewusst sein (2.Ko 2:11). Die Quintessenz ist die: Wie ihr Vater, der Fürst der Dämonen, wollen die Dämonen das Werk Gottes durchkreuzen, indem sie Gottes Volk dazu verleiten zu sündigen oder andere Dinge zu tun, die dazu führen, dass sie sich weniger für Ihn einsetzen. Sie würden auch liebend gerne die ganze Welt von der Wahrheit in Christus abbringen und zerstören, wenn Gott es nur zuließe (vgl. Joh 10:10). Letztendlich besteht ihre Absicht darin, das Reich des Lichtes durch das Reich der Finsternis zu stürzen und Gott zu entthronen.

Das Gericht über die Engel

Es könnte scheinen, als wollten wir durch die bisherigen Ausführungen eine Art Gleichberechtigung zwischen den Kräften des Guten und den Kräften des Bösen vertreten. Das aber ist nicht der Fall. Der Teufel und seine Engel sind uneingeschränkt und in jeder Hinsicht der Gewalt Gottes unterworfen. Zum Beweis dafür werden sie letztendlich im Feuersee enden (Off 20:10). Um es kurz zu machen: ihre Verurteilung wurde durch das Kreuz und die Auferstehung Christi begründet, denn durch dieses großartige Geschehen wurde der Fürst dieser Welt ausgestoßen (Joh 12:31). Mag auch der Krieg noch nicht vorüber sein – durch den Sieg des Kreuzes ist der endgültige Sieg schon sicher.

Geistliche Kriegsführung: Wie man mit Dämonen fertig wird

Jeder Christ würde wohl sagen, dass wir zumindest ein gewisses Maß an Macht über Satan haben. Schließlich können wir ihm widerstehen und sind nicht gezwungen, uns seiner Macht zu unterwerfen (Jak 4:7). Es gibt auch Zeiten, in denen wir in einen Kampf „Mann gegen Mann“ gegen Satan und seine Kräfte eintreten müssen (Eph 6:12-18). Andere Christen gehen noch weiter und behaupten, dass wir – gleich unserem Herrn – Dämonen austreiben können, wenn wir mit ihnen konfrontiert werden. Auch das scheint den Schriften zu entsprechen und ist gelegentlich auch tatsächlich notwendig. Wir sitzen gegenwärtig mit Christus in den himmlischen Gefilden und haben Teil an seiner Herrschaft. Das will Paulus in Römer 16:20 offenbar ausdrücken, wenn er sagt, dass der Gott des Friedens Satan in Kürze „unter eure Füße“ zermalmen wird – eine Anspielung auf Psalm 110:1 und die Herrschaft des Messias. 32 Das Eschaton bricht in die Gegenwart herein, und wir haben nun in Christus die Macht, die Werke des Bösen zu überwinden.

ZUR BEACHTUNG: Ein Wort über das Besessensein durch Dämonen: Der Begriff „besessen“ kommt im Hinblick auf Dämonen oder Satan nicht in den griechischen oder hebräischen Schriften vor, sondern stellt eine unglückliche Fehlübertragung dar. Die Bibel spricht auf zwei Arten über den Einfluss, den die Dämonen auf den Menschen ausüben können. Man kann „dämonisiert“ sein oder „einen Dämonen haben“. Das ist nicht dasselbe wie Besessenheit im heutigen, modernen Wortgebrauch, wo dieser Begriff meist aussagt, dass ein Dämon vollständige Kontrolle über einen Menschen erlangt hat und ihn/sie nach Belieben benutzen kann. So etwas ist, selbst in den Evangelien, nur selten der Fall. Meistens scheint die Ausdrucksweise „einen Dämon haben“ oder „dämonisiert sein“ auf einen dämonischen Einfluss hinzuweisen, der mehr oder weniger ausgeprägt sein kann.

Innerhalb der weltweiten evangelikalischen Gemeinschaft gibt es beträchtliche Uneinigkeit darüber, ob ein Christ, der den Heiligen Geist hat, von Dämonen befallen werden kann. Wir können diese Frage, so wichtig sie auch ist, hier nicht im Detail beantworten. Niemand aber, egal auf welcher Seite er argumentiert, kann es sich leisten, den tiefgreifenden Einfluss zu ignorieren, den Satan und seine Dämonen auf die Christen haben können. Und manchmal geht dieser Einfluss so weit, dass auch ein Befallensein von Dämonen nicht auszuschließen ist. Auf jeden Fall müssen wir unsere Stellung in Christus fest behaupten. Wenn Satan angreift, müssen wir ihm durch das Wort Gottes und das Gebet Widerstand leisten. Vor allem aber müssen wir ein heiliges Leben führen, damit wir ihm keinen Angriffspunkt bieten. Zudem müssen wir uns vorsehen, nicht jede Sünde und Krankheit ihm allein anzulasten und unsere eigene Teilhabe an dem Bösen zu vergessen. Das „Hinter-jeder-Ecke-lauert-ein-Dämon“-Syndrom kann genauso tödlich für den Glauben sein wie die Leugnung von Satans Existenz.


28 Siehe Sydney H.T. Page, Powers of Evil: A Biblical Study of Satan and Demons [Die Mächte des Bösen: Eine biblische Untersuchung zu Satan und den Dämonen] (Grand Rapids: Baker, 1995), 255-261.

29 BAGD, s.v. diavbolo. Der Name wird manchmal synonym zu Satan gebraucht (Mat 4:1,10; Mar 4:15; Luk 8:12)

30 Siehe G.H. Twelftree, “Demon, Devil, Satan” [“Dämon, Teufel, Satan”] in: Dictionary of Jesus and the Gospels [Wörterbuch Jesus und das Evangelium], Hrsg. Joel B. Green, Scot McKnight, I. Howard Marshall (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1992), S. 164.

31 Der genaue Ursprung dieses Namens lässt sich nur sehr schwer festlegen. Er wurde wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit irgendeiner „Persönlichkeit“ des AT gebraucht, sondern findet sich erst in späteren jüdischen Schriften und in Qumran. Er bezeichnet wohl jemanden, der sich Gott und seinen Absichten widersetzt. Siehe Ralph P. Martin, 2 Corinthians [2. Korinther], Word Biblical Commentary [Words Bibelkommentar], Hrsg. David A. Hubbard und Glenn W. Barker, Bd. 40 (Dallas: Word, 1986), elektronische Ausgabe, in loc.

32 Die Zukunftsform “wird…zermalmen” bezieht sich auf das Eschaton, wenn Satan vollständig besiegt sein wird. Beachten Sie aber, dass wir – wie in jener Zeit, so auch schon jetzt – an seiner Unterwerfung teilhaben. Im Römerbrief beinhaltet dies die Zerstörung seiner Macht, mit der er uns versuchen kann, solange Sünde und Tod uns innewohnen.

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7. Soteriologie: Erlösung

Der Begriff Soteriologie leitet sich von zwei griechischen Wurzeln ab, nämlich von so„ter mit der Bedeutung „Retter“ oder „Erlöser“, und von logos mit der Bedeutung „Wort“, „Sache“ oder „Ding“. In der christlichen systematischen Theologie wird der Begriff gebraucht, um das Studium der biblischen Doktrin von der Erlösung zu bezeichnen. Er umfasst Themen wie die Art und das Ausmaß der Versöhnung sowie auch den gesamten Vorgang der Erlösung, der als ein ewiger, göttlicher Plan zur Rettung der verlorenen und in die Irre gegangenen Sünder angesehen werden kann, die so zurück in die ewige Gemeinschaft mit Gott gebracht werden. Viele betrachten diesen Prozess als das Hauptthema der Schrift überhaupt, und sein Endziel ist die Herrlichkeit Gottes.

Das Wesen der Versöhnung

Im Verlaufe der Kirchengeschichte wurden eine Reihe verschiedener Ansichten über das Wesen der Versöhnung (d.h. über die theologische Bedeutung von Christi Tod) vorgebracht. Die Rekapitulations-Hypothese wurde von Irenäus (ca. 120 bis ca. 200) aufgestellt. Nach seiner Ansicht vereinigt Christus dadurch, dass er alle Stadien des menschlichen Lebens durchlief, – ohne je der Versuchung zu erliegen, – dann starb und von den Toten auferstand, alles Menschsein in sich. Von seinem Leben, Tod und seiner Auferstehung können daher alle profitieren, die durch den Glauben an Ihm teilhaben.

Die Hypothese vom moralischen Einfluss oder Beispiel (oder „subjektive“ Hypothese) wurde von Theologen wie Pelagius (ca. 400), Faustus und Laelius Socinus (16. Jahrhundert) oder Abelard (1079-1142)33 vorgebracht. Sicherlich gibt es unterschiedliche Hypothesen über das moralische Beispiel34; im Kern aber stimmen sie alle insofern überein, als sie die Auffassung beinhalten, dass das Kreuz als ein Zeichen für die übergroße Liebe Gottes in unseren Herzen selbst die Liebe erweckt und wir deshalb leben, wie Jesus selbst lebte. Obwohl diese Vorstellung sich biblisch untermauern lässt (z.B. durch Php 2:6-11; 1.Pe 2:21), ist sie doch, so formuliert, unvollständig und geht an wichtigeren Aspekten der biblischen Lehre zu diesem Thema vorbei.

Eine weitere Theorie über die Versöhnung, die in der frühen Gemeinde formuliert – und tatsächlich bis zu Anselms Zeit als die gängige Ansicht beibehalten – wurde, ist die Hypothese vom Lösegeld an Satan. Origenes (185-254) war einer der Hauptvertreter dieser Vorstellung, die davon ausgeht, dass Christi Tod ein Lösegeld darstellte, das an Satan gezahlt wurde, um die Befreiung seiner Geiseln – der sündigen Männer und Frauen – zu sichern. Das Vokabular einer Geiselnahme wird in der Schrift zwar benutzt, wenn es um die Versöhnung geht (z.B. Mar 10:45); aber es ist wahrscheinlich dennoch falsch, damit die Vorstellung zu verbinden, dass ein „Preis“ an Satan gezahlt wurde. Eine solche Auffassung wird nirgendwo in der Schrift vertreten.

In seiner Arbeit Christus Victor [Christus, der Sieger] vertritt der schwedische Theologe Gustav Aulén (1879-1977) bezüglich der Versöhnung die Ansicht vom Göttlichen Triumph oder Drama, die der Lösegeld-Theorie von Origenes und der frühen Kirche recht ähnlich ist. Gemäß der Hypothese vom Drama überwand Gott alle Mächte der Hölle und des Todes durch das Kreuz, und darin machte er seine versöhnende Liebe zum Menschen sichtbar. Auch diese Auffassung findet teilweise Unterstützung in der Bibel, aber sie umfasst wohl kaum die gesamte Offenbarung der Schrift zu diesem Thema in adäquater Weise.

Anselm (1033-1109) vertritt in seiner Genugtuungs- oder Handels-Hypothese die Auffassung, dass der Mensch Gott durch seine Sünden entehrte und dass durch den Tod des vollkommenen, sündlosen Gott-Menschen Jesus Christus diese Ehre und mehr – einschließlich der Niederlage Satans – vor Gott wiederhergestellt wurde. Auch diese Theorie findet Unterstützung in der Schrift, aber wiederum wurde mehr als die Ehre Gottes durch den Tod seines Sohnes wiederhergestellt.

Die Regierungs-Hypothese, die von Hugo Grotius (1583-1645) vorgestellt wurde, misst der Gerechtigkeit Gottes und den Forderungen seines heiligen Gesetzes hohen Wert bei. Nach dieser Auffassung unterstützt Christi Tod Gottes moralische Herrschaft, indem er zeigt, dass Sein heiliges Gesetz für Ihn voll und ganz verbindlich ist. Auch ohne den Tod Christi hätte er den Menschen vergeben können, dann aber wäre der Mensch ohne das tiefe Wissen um Seine Hingabe an Sein Gesetz geblieben. Der Tod Christi geschieht dann nicht stellvertretend für den unseren, sondern stellt vielmehr Gottes Aussage darüber dar, wie er seine moralische Herrschaft über das Universum sieht. Für diese Sichtweise spricht Vieles, aber als globale Theorie betrachtet kann sie einfach nicht die enge Verbindung zwischen drei wichtigen biblischen Tatsachen erklären: (1) der Versöhnung des glaubenden Sünders mit Gott, (2) der Vergebung der Sünde und (3) dem Tod Christi. Petrus sagt, dass „Christus ein für allemal für die Sünden starb, der Gerechte für die Ungerechten, damit er [uns] zu Gott bringe“ (1.Pe 3:18; vgl. Rö 5:8).

Die Hypothese von der stellvertretenden Bestrafung35 – diejenige Auffassung von der Versöhnung, die am häufigsten mit den Reformierten (insbesondere Calvin) in Verbindung gebracht wird – sagt aus, dass Christus anstelle des Sünders starb und den Zorn Gottes über die Sünde stillte. Diese Sichtweise enthält damit ein ganzes Bündel von Vorstellungen, wie die der Tilgung (Lösegeld), des Opfers, des Stellvertreters, der Sühne und der Versöhnung. Obwohl diese Hypothese gewisse innere Spannungen aufweist und obwohl auch die anderen Hypothesen wichtige Erkenntnisse zur neutestamentarischen Konzeption der Versöhnung in Christus beitragen, hat sie doch die beste Grundlage in der Heiligen Schrift und bringt die Heiligkeit und die Liebe Gottes, das Wesen und das Opfer Christi und die Sündigkeit des Menschen so zusammen, dass sie all diesen Aspekten gerecht wird. Wichtig ist dabei aber, dass die substanziellen Erkenntnisse aus den anderen Hypothesen durch dieses Modell nicht verloren gehen oder aufgehoben werden sollten.

Der Umfang der Versöhnung

Oft wird die Frage gestellt: „Für wen ist Christus gestorben?“ Für die Evangelikalen sind im Allgemeinen zwei verschiedene Antworten auf diese Frage möglich. Beide scheinen in der Schrift, der Tradition und der Logik ihre Unterstützung zu finden. Diese beiden Antworten sind, dass „er für alle Menschen starb“ (die Hypothese von der allgemeinen Erlösung) oder dass „er für die Erwählten starb“ (die Hypothese von der eingeschränkten oder der besonderen Erlösung). Niemand unter den Evangelikalen glaubt, dass Christus starb, um die gesamte Welt in dem Sinne zu retten, dass jeder Mensch, auch der Letzte, durch seinen Tod in den Himmel kommen wird. Das wär Universalismus und wird von bibelfesten Christen zurecht abgelehnt. Alle Evangelikalen begrenzen also bis zu einem gewissen Grade die Gültigkeit der Versöhnung – das sollte man unbedingt festhalten!

Beide Seiten sind sich in diesem Streit darüber einig, dass das Evangelium allen Menschen aufrichtig angeboten werden kann und soll, dass aber nicht alle Menschen gerettet werden. Im Endeffekt werden die unterschiedlichen biblischen Aussagen wohl am schlüssigsten darin zusammengefasst, dass Christus nur für die Auserwählten starb. So verstanden trug er die Strafe nur für die Sünden der Auserwählten, und alle anderen Menschen werden ihre eigenen Sünden durch die ewige Vernichtung sühnen müssen. In diesem Konzept wirkt die Gottheit einheitlich zusammen, indem der Vater bestimmte Menschen von Ewigkeit her erwählt hat, Christus für diese Menschen in der geschichtlichen Zeit stirbt (er stirbt nicht für alle Menschen, nur für diejenigen, die der Vater erwählt hat) und der Heilige Geist diesen Tod für die Erwählten nutzt und sie bis zum Tag Christi aufbewahrt. Genau das ist das Bild, das wir in Epheser 1:3-14 (s.a. Joh 3:16) präsentiert bekommen. Im Falle der besonderen oder eingeschränkten Versöhnung bedeutet der Begriff „die Welt“ in der Schrift (z.B. Joh 3:16) also nicht alle Menschen ohne Ausnahme, sondern alle Menschen ohne Unterschied; und der Begriff „erkauft“ in 2.Petrus 2:1 bedeutet schließlich nicht wirklich „erkauft“ im Sinne einer Errettung, sondern nur, dass Gott der rechtmäßige Besitzer dieser Menschen ist, obwohl sie dies durch ihre Lehren verleugnen (vgl. Deu 32:6).36

Der Vorgang der Errettung

Bedingungslose Erwählung

Der Begriff „Erwählung“ bezieht sich auf Gottes Auswahl – vor der Schöpfung – derjenigen aus der Masse der Menschheit, die er segnen wollte, indem er sie vor der ewigen Verdammnis rettete und ihnen ewiges Leben garantierte. Es ist dies ein Auserwähltsein, das in keiner Weise enttäuscht werden kann, da es sich auf die Verwirklichung in der Dreieinigkeit gründet.

Der Ausdruck „bedingungslos“ bedeutet im Zusammenhang mit der „Erwählung“, dass Gottes Auswahl nichts mit irgendwelchen vorhersehbaren Verdiensten des Objektes seiner Wahl zu tun hat. Er erwählte sie ohne Bedingung, er erwählte aus freien Stücken wertlose Sünder aufgrund seiner Liebe, nicht weil sie in irgendeiner Weise die Errettung verdienten.

Diejenigen, die eine bedingte Erwählung lehren, argumentieren oft, dass Gott den Glauben eines Menschen vorhersieht und ihn auf dieser Basis erwählt. Nach dieser Vorstellung ist Gottes Vorherwissen neutral in Bezug auf die Ereignisse, die in der Zukunft liegen. Aber auch hier gilt wieder, dass Begriffe wie yada‘ im Hebräischen und progino„sko„ im Griechischen nicht auf Neutralität hindeuten, sondern auf eine positive Beziehung zu den vorhergewussten Dingen (vgl. 1.Pe 1:20).37 Außerdem ist die Vorstellung einer bedingten Erwählung mit dem entscheidenden Makel behaftet, dass die Menschen durch die Sünde tot und nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft zu glauben oder sich selbst zu erretten (Rö 2:9-11,Eph 2:1). Auch lehrt die Schrift nirgendwo, dass Gott sich entschließt, einen Menschen zu erwählen, weil derjenige Glauben hat. Vielmehr ist es umgekehrt: ein Mensch glaubt, weil Gott ihn erwählt hat. Von Anfang bis Ende macht die Schrift es ganz klar, dass die Menschen durch Gott errettet werden und sich ihm niemals zuwenden würden, ja, das gar nicht könnten, wenn sie sich selbst überlassen wären (Joh 6:65; Apg 13:48; Rö 9:15-16,20-22). Ebenso wenig gibt es irgendwo eine biblische Aussage über eine grundsätzlich vorhandene Gnade, die es allen Menschen ermöglicht zu glauben. Wer an Christus glaubt, glaubt aufgrund von Gottes Wirken in seinem Herzen.

Der wirksame Ruf

Allgemein gesagt gibt es in der Schrift zwei „Rufe“.38 Es gibt einen allgemeinen Ruf, durch den die gute Nachricht allen Kreaturen unter dem Himmel verkündet wird. Er beinhaltet die Predigt des reinen Evangeliums in Verbindung mit der Aufforderung zu bereuen und zu glauben. Jesus rief jeden auf, der mühselig und beladen war, bei ihm erquickt zu werden (Mat 11:28-30; Jes 45:22). Viele kamen nicht, aber einige taten es doch.

Daneben gibt es etwas, das als der besondere oder wirksame Ruf bezeichnet wurde, durch den der Heilige Geist die Predigt des Evangeliums benutzt, um einen Sünder / eine Sünderin zu bekehren und zum Glauben zu bringen. Wer von Gott frei erwählt wurde (also durch die bedingungslose Erwählung), erhält diesen besonderen Ruf. Ein Ungläubiger kann Gottes wirksamen Ruf in seinem Herzen nicht hintertreiben, aber das bedeutet nicht, dass die Menschen gegen ihren Willen und „sich mit Händen und Füßen sträubend“ in das Königreich kommen. Vielmehr ist ihre Entscheidung authentisch,39 wenn sie auch durch den Geist erzeugt, aufrechterhalten und zur Frucht gebracht wird. Diesen besonderen Ruf an die Auserwählten finden wir in Römer 1:7, 8:30, 11:29; 1.Korinther 1:9; 2.Timotheus 1:9.

Erneuerung

Die Erneuerung wird oft auch als „Geburt“ (d.h. „wiedergeboren sein“) bezeichnet. Sie wurde für uns in drei grundlegenden Texten beschrieben, nämlich in Johannes 1:12-13, 3:3 und Titus 3:540 (s.a. Jak 1:18; 1.Pe 1:3). Sie ist ein ein-für-allemal gültiger Akt, der nicht durch den menschlichen Willen oder aufgrund guter Taten geschieht, sondern durch Gottes Geist (eigentlich sagt man von jedem Mitglied der Dreieinigkeit, dass es in der einen oder anderen Weise daran beteiligt ist) und durch den ein Mensch spirituell erneuert und in Christus lebendig gemacht wird: Er wird ein Kind Gottes und in dessen Familie „hineingeboren“ und erfreut sich dann Gottes besonderer Vaterschaft. Sie ist das Werk der Gnade durch den Geist und entspricht den Verheißungen des Neuen Bundes, unergründlich aus menschlicher Sicht, doch offensichtlich in ihren Auswirkungen: der Liebe zu Gott, die zu Ihm ruft „Abba“, Vater, dem Gebet im vollständigen Vertrauen auf Gott, dem Hass gegen die Sünde und der Liebe für andere Christen und auch für diejenigen, die Christus nicht haben. Logischerweise geht die Erneuerung dem rettenden Glauben voraus, denn wer tot ist durch die Sünde, kann nicht glauben. Niemand kommt in das Reich Gottes, sagte Jesus, wenn er nicht zuvor wiedergeboren wird (vgl. Joh 3:5).

Bekehrung

Wo Erwählung, wirksamer Ruf und Erneuerung (vgl. auch Rechtfertigung und Verherrlichung) objektive Aspekte der Erlösung, d.h. Gottes Wirken bei der Erlösung, beschreiben, beschreibt Bekehrung die menschliche oder subjektive Reaktion auf Gottes gnädiges Wirken. Zur Bekehrung gehört, dass das reine Evangelium gehört und mit rettendem Glauben und aufrichtiger Reue verbunden wird. Bekehrung beinhaltet also zwei eng miteinander verwandte Aspekte: den Glauben und die Reue. Der Glaube seinerseits beinhaltet es, die Botschaft von der Erlösung durch Christus zu verstehen, ihr zuzustimmen und Christus persönlich zu vertrauen, dass er dich rettet. Ein wesentliches Element dieses Vertrauens liegt darin, die Sünden zu bereuen, derer man sich bewusst ist, und das wiederum beinhaltet, sich von der Sünde ab- und Christus um Vergebung zuzuwenden. Also bereut rettender Glaube, und aufrichtige Reue glaubt; sie besteht nicht nur in weltlichem Bedauern (Apg 20:21; Heb 6:1; 2.Ko 7:10). Glaube besteht ebensowenig wie biblische Reue nur in mentaler Zustimmung,. Im Evangelium haben wir es nämlich nicht einfach mit historischen Tatsachen zu tun – obwohl es sich tatsächlich darauf gründet –, sondern mit einer Person, mit „einem verzehrenden Feuer“, wie es ein biblischer Schreiber formuliert hat (Heb 12:29).

Wenn eines der beiden Elemente – Glaube oder Reue – in einem Bibeltext nicht erwähnt wird, dürfen wir daraus nicht schließen, dass der Verfasser den jeweiligen Anteil nicht als wichtig für das Evangelium ansieht. Vielmehr kann es sein, dass der Verfasser zwar einen Anteil mehr als den anderen betonen will, nicht aber mit der Betonung des einen den anderen ausschließen will. An vielen Stellen wird nur Glauben erwähnt (z.B. Joh 3:16, 5:24; Rö 3:22) und an etlichen anderen nur Reue (z.B. Luk 24:46-47; Apg 3:19, 17:30; Rö 3:22). Eine aufrichtige Antwort auf das Evangelium umfasst beide Bestandteile. Jemand hat einmal gesagt, dass Reue und Glaube zwei Seiten derselben Medaille sind. Gemeinsam stellen sie für uns eine aufrichtige Antwort auf Gottes gnädiges Angebot zur Vergebung in Christus dar.

Gemeinschaft in Christus

Der Ausdruck „in Christus“ (sowie Ableitungen davon) wird im NT gebraucht, um unsere Gemeinschaft als Glaubende mit Christus auszudrücken. Er umfasst das gesamte Spektrum unserer Errettung, von ihrem Entwurf in Gottes Sinn an bis dahin, wo wir in den neuen Himmeln und der neuen Erde ihre Nutznießer werden. Unsere Erwählung geschah ebenso „in Christus“ (Eph 1:4) wie alles, was uns daraus folgend gewährt wird: unser Ruf, unsere Erlösung, Erneuerung, Bekehrung, Rechtfertigung, Annahme, Heiligung und Verherrlichung (Rö 8:29-30,38-39; 1.Ko 1:30; Joh 15:1-11; 1.Jo 2:5-6). Unsere gesamte gegenwärtige Erfahrung und unser künftiges Schicksal sind „in Christus“.

Der Sünde Tod und die Auferstehung zu einem neuen Leben erfahren wir im Lichte unserer Gemeinschaft mit Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung. So sind nicht nur wir „in Christus“, sodern auch er (ebenso wie der Vater und der Heilige Geist) ist in uns (Joh 14:23), und durch Seinen uns innewohnenden Geist werden wir in Christus geheiligt und immer mehr zu seinem Bild umgeformt und ihm angeglichen (Rö 8:29, 2.Ko 3.18). Zudem sind alle Gläubigen „ein Leib“ in Christus Jesus. Dabei handelt es sich um eine geistliche Wirklichkeit, die die wahren Glaubenden zur Einigkeit (nicht Uneinigkeit und auch nicht Einförmigkeit) untereinander anspornen sollte (Rö 8:29; 1.Ko 10:17; Eph 4:4).

Rechtfertigung

Die Doktrin von der Rechtfertigung ist nicht nur eine Doktrin, die in der Hitze des Gefechts im Galaterbrief entwickelt wurde, sondern sie ist essenziell für das richtige Verständnis des Evangeliums.41 Verschiedene Aspekte dieser Doktrin sollen kurz angeführt werden. Erstens bezeichnet Rechtfertigung die verbindliche Erklärung Gottes, dass unsere Sünden – vergangene, gegenwärtige und zukünftige – durch Christus vergeben sind und Christi Gerechtigkeit uns zugerechnet wird. Zweitens ist es die ein-für-allemal gültige Entscheidung, uns aus seiner Sicht für gerecht zu erklären (nicht, uns gerecht zu machen), so dass keinerlei legaler Zugriff oder Anklage gegen uns verbleibt. Auf diese Bedeutung bezieht sich Paulus, wenn er in Römer 8:33-34 fragt: „Wer wird gegen die Erwählten Gottes irgendeine Anklage erheben? Gott ist es, der gerechtspricht.“ Drittens beantwortet die Rechtfertigung, da sie die Vergebung der Sünden und die Auseinandersetzung mit unserer Verurteilung beinhaltet, abschließend die Frage nach unserer Schuld: Wir befinden uns nicht länger im Zustand der Schuld. Viertens besitzen wir nach Gottes Ansicht die Gerechtigkeit Christi; und da Gott das so sieht, ist es tatsächlich wahr. Es ist keine Vorstellung, wie manche meinen, sondern Wirklichkeit, obwohl die Doktrin von der Rechtfertigung sich nicht direkt mit der Praxis, sondern mit dem Stehen vor Gottes Gesetz befasst. Unser Stand hat sich für immer geändert, wir sind nicht mehr schuldig und das Gesetz hat keinen Zugriff mehr gegen uns. Fünftens geschieht die Rechtfertigung durch den Glauben und nicht durch die Werke, wie Paulus in Römer 3:26-28, 4:4-5 deutlich macht. Wir verdienen diesen Stand nicht, sondern er wird uns durch den Glauben an Christus gutgeschrieben. Sechstens wird die Reinheit des Evangeliums von Gottes Gnade gefährdet, wenn man Vorstellungen von moralischer Besserung in die Doktrin von der Rechtfertigung bringen will. Rechtfertigung ist zwar unauflöslich mit Heiligung verbunden, aber diese beiden Begriffe bezeichnen trotzdem nicht dieselbe Tatsache und sollten nicht miteinander verwechselt werden. Rechtfertigung bedeutet nicht, dass Gott uns Gerechtigkeit einflößt, damit wir seine Gnade empfangen können (die dann keineswegs mehr Gnade im neutestamentarischen Sinne wäre). Noch einmal: Rechtfertigung bezieht sich auf unseren Stand vor dem Gesetz und auf die Zurechnung von Christi Gerechtigkeit für uns; sie bezieht sich nicht auf unser Wachstum von Tag zu Tag im Herrn. Siebtens hat die Rechtfertigung ein eschatologisches Ziel. Wie N.T. Wright sagt: „Das Urteil, das in der Gegenwart auf der Grundlage des Glaubens gesprochen wird (Rö 3:21-26) nimmt zutreffend das Urteil vorweg, das im Jüngsten Gericht auf der Grundlage des gesamten Lebens gefällt werden wird.“ 42

Annahme

Annahme bezeichnet Gottes Entscheidung, uns zu Mitgliedern seiner Familie zu machen und uns alle Vorteile und (ethischen) Standards des Lebens „unter seinem Dach“ anzubieten. Rechtfertigung bezieht sich auf meinen legalen Stand vor Gott als ein Sünder; Annahme dagegen bezieht sich auf meine familiäre Beziehung zu dem Richter: Ich bin nun durch Adoption eines seiner eigenen Kinder geworden (Gal 3:26) und er ist mein Vater geworden. An vielen Stellen – viel öfter als im Alten Testament – postuliert das Neue Testament, dass Gott unser ganz besonderer Vater durch das Evangelium ist und dass wir seine Kinder sind. Und im Zusammenhang mit dieser neuen Beziehung erfahren wir viele und große Segnungen. Erstens ist Gott unser Vater, derjenige, der für uns und alle unsere Bedürfnisse sorgt. Er ist derjenige, zu dem Jesus uns anbefahl zu beten, denn unser „himmlischer Vater weiß, was wir benötigen, schon ehe wir ihn überhaupt fragen“ (Mat 6:25-34). Zweitens vergibt Er uns, wenn wir unsere Sünde bekennen, denn er ist ein heiliger Vater, aber auch ein Vater, der unsere Schwäche kennt und uns in Zeiten der Not zur Seite tritt (Mat 6:12-14). Drittens diszipliniert und züchtigt er uns für unsere Sünden, damit wir teilhaben können an seiner Heiligkeit (Heb 12:10). Er liebt uns so sehr, dass er uns nicht lange umherstreifen lässt, sondern uns immer wieder zurück an seine Seite zieht. Tatsächlich führt er uns durch Seinen Geist zu immer tieferer Erfahrung seiner Heiligkeit. Das bedeutet es im Wesentlichen, ein Sohn oder eine Tochter Gottes zu sein (Rö 8:14). Schließlich werden wir durch unsere Kindschaft Erben Christi – einschließlich des Leidens in unserem gegenwärtigen Leben (Gal 4:7; Rö 8:17) – und Erben Gottes und alles dessen, was das ewige Leben für uns bereithält.

Wir stellen auch fest, dass die Kindschaft oder Annahme in Gottes Familie zu einer neuen Lebenshaltung führt.43 Wir sind aufgefordert, unseren Vater nachzuahmen, der uns mit so großer Liebe bedachte. Wir sind aufgefordert, andere gemäß dem Beispiel zu lieben, das er uns gab (Eph 5:1, 1.Pe 1:15-16). Durch die Erneuerung werden wir moralisch und geistig transformiert, so dass wir wie Kinder Gottes leben können und nicht wie Sklaven, die ihren Herrn nicht kennen.

Heiligung

Die Lehre von der Heiligung kann auf drei Zeiten bezogen werden. In Bezug auf die Vergangenheit wurden wir ausgesondert, um Gott sowohl (von der Stellung her gesehen) zu gehören als auch (praktisch gesehen) zu dienen. Im Moment der Bekehrung wurden wir geheiligt und als vor dem Gesetz heilig und zu Gott gehörig erklärt (1.Ko 6:11). In Bezug auf die Zukunft werden wir eines Tages in unseren verherrlichten Leibern vollkommen geheiligt sein. Zu dieser Zeit wird unser praktisches Handeln dann unserer Stellung bzw. unserem Stand vor Gott vollständig entsprechen. Zur gegenwärtigen Zeit werden wir geheiligt, das heißt, immer mehr zu einem Bildnis des Herrn umgeformt (2.Ko 3:18). Damit besteht das Wesen der Heiligung in einer Umgestaltung; wir werden immer mehr dem Bild des Sohnes angeglichen, der für uns starb. Darin liegt Gottes erklärte Absicht (Rö 8:29).

Heiligung besteht also in gegenwärtiger Zeit in dem Prozess unserer Umgestaltung in ein Abbild Christi, und die effektive Ursache für diese glorreiche Veränderung ist der Geist, der in uns lebt (2.Ko 3:18). Er vermittelt die Gegenwart Christi für uns und enthüllt uns den moralischen Willen Gottes (Joh 16:13-14; 1.Ko 3:16, 6:19-20). Der Geist macht Gebrauch von Gottes Volk (Kol 3:16), von Gottes Wort (2.Ti 3:16-17), von den Umständen, die Gott dazu bestimmt hat, uns zu formen und zu bilden (Rö 8:28), und von den Sakramenten der Taufe und des Abendmahls (Mat 28:19-20; 1.Ko 11:23-26). Wir befinden uns auf seiner Töpferscheibe und nicht in einer Tretmühle – Beziehung, Umformung und Heiligkeit sind die Ziele, nicht Erschöpfung.

Was der Geist in unserem Leben beabsichtigt, ist also unsere Christ-Ähnlichkeit; und der Grad unserer Angleichung an ihn entspricht dem Grad unserer Heiligung. Unser Leben sollte daher gekennzeichnet sein von den Früchten der Liebe, der Freude, des Friedens, der Geduld, der Freundlichkeit, der Güte, der Treue und der Selbstbeherrschung (Gal 5:23-24). Unsere Umformung wurzelt in der Mit-Kreuzigung und Mit-Auferstehung mit Christus (Rö 6:3-4), und in diesem Leben wird dieser Prozess nicht vollendet werden (Php 3:12-13). Dennoch streben wir die Vollkommenheit an (1.Pe 1:15-16) – in dem Wissen, dass wir diese nicht erreichen werden, bis der Erlöser vom Himmel kommen und unsere Leiber der Niedrigkeit umgestalten wird (Php 3:20). Bis dahin ist dieser Prozess vom Kampf gegen die Welt (1.Jo 2:15-16), gegen das Fleisch (Rö 8:6-7; Gal 5:17) und gegen den Teufel (Eph 6:12) gekennzeichnet.

Unsere Rolle in dem Heiligungsprozess bezieht sich direkt nur auf die gegenwärtige Zeit. Sie besteht darin, die Taten des Leibes zu schmähen – das heißt, alles abzutöten, was zu unserer irdischen (fleischlichen) Natur gehört (Kol 3:5), – und statt dessen Christus anzuziehen (Rö 13:14). Wenn wir durch den Geist die falschen Handlungen unseres Leibes zu Tode bringen, werden wir mit Sicherheit in den Genuss der ganzen Kraft, allen Trostes und aller Freuden des geistigen Lebens kommen (vgl. Rö 8:13). Wir müssen in unserem Kampf gegen die Sünde (und für die Gerechtigkeit) jedoch daran denken, dass wir in einer Beziehung mit Gott auf der soliden Grundlage unserer Rechtfertigung leben. Wir strengen uns an, ihm zu gefallen, aber nicht damit er unser Vater wird und uns aufnimmt, sondern vielmehr weil er seine Vaterschaft für uns schon erklärt hat und weil er Selbst es ist, der in uns darauf hinarbeitet. Unsere Verantwortlichkeit wiederum kann unter dem Begriff der „Mitarbeit“ zusammengefasst werden. Gott ist Der, der in uns Beides wirkt, „das Wollen und das Handeln“ (Php 2:12-13).

Ausharren

Die Doktrin vom Ausharren der Heiligen entspricht eigentlich der Vorstellung von einer Heiligung, die ein ganzes Menschenleben lang andauert. Gott ist der Urheber der Erlösung, und er ist auch ihr Vollender. Wie Paulus sagt: „Er wird die guten Werke zur Vollendung bringen, die er in Christus begonnen hat (Php 1:6). Indem der Glaube selbst eine Gabe Gottes ist (Eph 2:8-9), befähigt Gott die Glaubenden durch die Kraft des Geistes, in ihrer Zuversicht auszuharren und sich der Christ-Ähnlichkeit immer mehr anzunähern, auch wenn sie vielleicht einmal eine ganze Zeit lang in Sünde umherirren. Gott nimmt seinen Ruf nicht zurück und annulliert die Rechtfertigung nicht, die er einmal festgelegt hat (Rö 11:32). Die er berufen hat, ... hat er auch verherrlicht (Rö 8:30). Er wird sein Eigen niemals verderben lassen (Joh 10:28-30).

Textstellen wie Hebräer 6:4-6 wurden oft herangezogen, um die Doktrin vom Ausharren der Heiligen zu widerlegen. Diese Textstellen aber sagen nicht aus, dass ein Mensch seine Erlösung einbüßen kann (vgl. Heb 6:9). Vielmehr zieht der Schreiber seine Schlüsse aus den Dingen, die er sieht (d.h. aus der Handlungsweise seiner Zuhörer). Wie ein guter Seelsorger warnt er die Menschen vor den realen Folgen, die ihnen drohen, wenn sie in ihrem Leben das Opfer Christi bewusst oder unbewusst missachten. Er weiß nicht, ob jeder Einzelne gerettet werden wird, sondern nur, dass man sicher fragen muss, ob ein Mensch Christus wirklich kennt, der von Christentum/Verfolgung in den politisch sicheren Hafen des Judentums zurückweicht. Und so warnt der Schreiber vor den ewigen Folgen eines Lebens getrennt von Christus. Der springende Punkt, den diese so genannten Warnstellen verdeutlichen, besteht darin, dass kraftvolle Predigt und ein Wort des Tadels eines der Mittel darstellen, mit denen Gott seine Heiligen schützt und in die Lage versetzt auszuharren.

Die Doktrin vom Ausharren der Heiligen – oder von der ewigen Sicherheit der Glaubenden, wie sie gewöhnlich genannt wird (was eigentlich nicht genau dasselbe ist) – führt schließlich im christlichen Leben nicht zur Trägheit oder zu einem Mangel an Eifer. Erstens enthält sie in dieser Hinsicht ernstliche Warnungen, wie wir oben sahen. Zweitens bedeutet Ausharren, dass der Geist mit uns ausharrt, um die Früchte des Geistes in uns hervorzubringen. Das hat er von Anfang an getan, denn als wir noch tot in der Sünde waren, hauchte er uns erneuerndes Leben ein. Warum sollte er damit aufhören, nachdem wir gerettet wurden? Wir sind jetzt nicht sündiger, als wir es damals waren. Drittens sind wir erwählt zu Heiligkeit und Verherrlichung, und der trinitarische Plan kann nicht unterlaufen werden (Eph 1:4; Rö 8:30). Viertens beinhaltet die Auffassung, dass ein Glaubender seine Erlösung einbüßen könnte, ein falsches Verständnis vieler biblischen Textstellen, und man unterwirft das Werk der Heiligung damit letztendlich dem menschlichen Willen. Das ist unbiblisch und läuft hauptsächlich auch dem Prinzip der Gnade zuwider. Und schließlich müssten diejenigen, die aufgrund von Hebräer 6:4-6 argumentieren, dass die Gläubigen durch einen fehlerhaften Lebenswandel ihre Erlösung einbüßen können, auch die Tatsache akzeptieren, dass die einmal so eingebüßte Erlösung niemals wiedergewonnen werden kann – wie es der Text ja deutlich sagt. Im Gegensatz dazu lehrt die Bibel jedoch nachdrücklich die ewige Sicherheit des Glaubenden (Rö 8:38-39).

Wir müssen auch daran denken, dass nicht jeder, der behauptet zu glauben, auch ein Glaubender ist und gerettet werden wird – so die Warnung vieler Schreiber. Viele werden an jenem Tag zu Ihm sagen „Herr, Herr“, und er wird zu ihnen sagen: „Weicht von mir, denn ich habe euch nie gekannt“ (Mat 7:21-23). Dass ein Mensch behauptet, an Jesus zu glauben, bedeutet also nicht unbedingt, dass er es auch tut. Die Doktrin von der ewigen Sicherheit bezieht sich nur auf diejenigen, die wahrhaftig wiedergeboren sind und daher bis zum Ende ausharren werden.

Verherrlichung

Die Verherrlichung ist der Moment, in dem sich das Leben Gottes eindrucksvoll in uns manifestiert, wenn wir unsere auferstandenen Leiber erhalten und damit perfekt für das Sein in Ewigkeit ausgerüstet sein werden. Eine gewisse Ähnlichkeit wird zwischen unseren sterblichen Leibern und unseren verherrlichten Leibern existieren, wie das Beispiel von Jesus nach seiner Auferstehung zeigt (z.B. Joh 21:4ff), aber große Unterschiede werden bestehen zwischen dem, was in Unehre gesät wurde, und dem, was in Herrlichkeit auferweckt wird (1.Ko 15:35-49). Der Leib wird seinem Vorläufer so weit ähnlich sein, wie ein Same der Pflanze ähnelt, zu der er heranwächst. Aber er wird nicht von Unehre, Vergänglichkeit, Schwachheit und Mangel an geistigem Leben gekennzeichnet sein. Im Gegenteil – es wird ein materieller Körper sein, der eigens für die geistige Existenz ausgerüstet und mit Würde, Macht und Herrlichkeit gekleidet ist. Er wird nach dem Muster von Christi eigenem auferstandenen Leib gestaltet sein (1.Ko 15:49). In diesen verherrlichten Leibern wird es vollkommene Übereinstimmung geben zwischen Wunsch und Erfüllung, was unseren Gehorsam und Dienst für unseren großen Herrscher betrifft. Und auch unsere Erfahrung Gottes wird die einer vollkommenen Erfüllung sein. Dann werden wir wahrhaft menschlich sein und fähig, Gott so anzubeten und zu preisen, wie es ihm rechtmäßig zusteht (s. den entsprechenden Abschnitt unter „Persönliche Eschatologie“ weiter unten).


33 Es lässt sich kaum mit Sicherheit sagen, ob diese Hypothese Abelards Ansicht entsprach oder ob er sie einfach neben anderen, orthodoxeren Sichtweisen herausstellen wollte.

34 Die Sichtweise von Socinus betont die menschliche Natur Christi, um ihn als ein Beispiel für die Liebe darzustellen, die wir Gott zeigen sollen. Die Theorie vom moralischen Einfluss, wie sie von Abelard und später von Horace Bushnell in den U.S.A. vertreten wurde, betrachtet Christi Tod dagegen als eine Demonstration der göttlichen Liebe, so dass Jesu göttlicher Aspekt betont wird. Siehe Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 785.

35 Wir betrachten hier die Versöhnung in dem Sinne, dass sie wichtige Vorstellungen, wie Stellvertreterschaft, Opfer, Versöhnung und Tilgung einschließt.

36 Siehe Grudem, Theology [Theologie], S. 594-603. Für eine modifizierte calvinistische Sichtweise siehe Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 825-835. Auch könnte „erkauft“ (agorazo„) in 2.Petrus 2:1, wie bereits angedeutet, sprachlich aus dem AT stammen, aber es könnte auch die besondere Sprechweise der Gegner des Petrus sein, d.h. ihre Einschätzung ihrer selbst. Dann würde Petrus das in einer sarkastischen Absicht benutzen. Auch könnte Johannes, wenn er sagt, dass Christus nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für (peri + Gen.) die Sünden der ganzen Welt starb (1.Jo 2:2), schlicht auf eine beginnende Form der Gnostik reagieren, die die Initiation auf einige wenige Auserwählte beschränkte. Johannes sagt: „Nein, dieses Evangelium gilt gleichermaßen für alle Menschen.“ Für eine erschöpfende Diskussion dieses Themas möchten wir den Leser zum Studium anregen von John Owen, The Death of Death in the Death of Christ [Der Tod des Todes in Christi Tod], The Works of John Owen [John Owens gesammelte Werke], Hrsg. William H. Goold, Bd. 10 (Edinburgh: Banner of Truth, 1967).

37 Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 926; siehe auch BDB, S. 394.

38 Wir befassen uns hier nicht mit dem „Ruf“ als Berufung zu einer bestimmten Aufgabe.

39 Damit ist eine Entscheidung gemeint, die Verstehen, Zustimmung und Annahme des Werkes Christi am Kreuz umfasst.

40 In der frühen Kirche scheint die Erneuerung mit der Taufe in Verbindung gebracht worden zu sein. Aber man muss grundsätzlich sagen, dass die Schrift nirgendwo einen Glauben rechtfertigt, der die Erneuerung materiell zu irgendetwas anderem als dem vom Geist aus der Taufe gehobenen, rettenden Glauben in Beziehung setzt. Der Ritus der Taufe ist das christliche Symbol für die Erlösung und oft von Glauben begleitet, trägt aber an sich gesehen nichts zur Rettung bei.

41 Paulus führt sie in Römer 8:30 als integralen Bestandteil des Erlösungsprozesses an. Dort steht sie gemeinsam mit anderen wichtigen Wahrheiten wie Gottes Vorherbestimmung der Erwählten, seinem geschichtlichen Ruf zur Erlösung und seiner Zusage, sie in der Zukunft sicher zur Verherrlichung zu bringen. Die Rechtfertigung ist als Doktrin auch wichtig für die Bestimmung von Gottes Volk, das weiß, dass es nicht durch die Vollbringung von Werken, sondern durch die Gnade Gottes gerettet wird.

42 N.T. Wright, “Justification” [“Rechtfertigung”], in New Dictionary of Theology [Neues Wörterbuch der Theologie], Hrsg. Sinclair B. Ferguson, David F. Wright und J.I. Packer (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1988), S. 360.

43 Diese hat natürlich direkt mit der Erneuerung und Heiligung zu tun.

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8. Ekklesiologie: Die Kirche

Das Wesen der Kirche

Heutzutage ist es erforderlicher denn je, den Wesenskern der Kirche von den Lehren der Schrift her zu verstehen, und nicht in erster Linie von dem her, was manche als ihre Rolle innerhalb der Gesellschaft fordern. Wir dürfen die Kirche nicht länger existenziell, d.h. nach ihren Interaktionen mit der Welt und den Veränderungen, die sie aufgrund dessen durchmacht, definieren. Wir müssen vielmehr mit dem Wort Gottes beginnen, um zu erfassen, welcher Art ihr Wesen ist. Davon ausgehend können wir dann entscheiden, welcherlei Aufgaben sie übernehmen sollte.

Überall im Neuen Testament wird vorwiegend der Ausdruck ekkle„sia für die Kirche benutzt (etwa 114x; nicht in 1. und 2.Petrus). Um ihn zu verstehen, können wir seine Verwendung im klassischen Griechisch betrachten; noch wichtiger ist aber sein Gebrauch in der Septuaginta. Im klassischen Griechisch bezeichnet der Begriff meistens eine „Versammlung“, die regelmäßig aus politischen Gründen einberufen wird und in der die Menschen beispielsweise über die Angelegenheiten ihrer Stadt abstimmen.

In der Septuaginta (dem griechischsprachigen AT) wird der Ausdruck ekkle„sia oft zur Übersetzung des hebräischen Ausdrucks lh^q* benutzt. Dieser kann für eine Versammlung in Angelegenheiten der Bürgerschaft (1.Kö 2:3) oder zur Kriegführung (Num 22:4), für eine Nationalversammlung oder für eine Reihe anderer Zusammenkünfte stehen, unter anderem und vor allem auch für Israels religiöse Zusammenkünfte (Deu 9:10; 2.Ch 20:5; Joel 2:16).44

Der Begriff ekkle„sia kann sich im NT auf die Versammlung der „Kirche Gottes“ in einem Haushalt (Rö 16:5), in einer bestimmten Stadt (1.Ko 1:2; 1.Th 1:1), in einer Region (Apg 9:31) oder in einem größeren Gebiet, wie z.B. ganz Asien (1.Ko 16:19), beziehen. Wenn wir alle diese Angaben zusammenfassen, erkennen wir, dass die Kirche eigentlich ein universeller Verband ist und sich aus allen Menschen zusammensetzt, die wahrhaft an Christus glauben und in Ihm durch den Geist vereinigt sind. In bestimmten geographischen Regionen und im Verlauf der Geschichte hat es hier und da besondere Prägungen der Kirche gegeben. Obwohl es aber viele lokale „Kirchen“ gibt, gibt es doch in Wirklichkeit nur eine Kirche (Eph 4:4; Heb 12:23). 45

Von daher kommt man ganz von selbst zu der Vorstellung, dass die Kirche sowohl sichtbar als auch unsichtbar ist. Sie ist insofern unsichtbar, als Gott weiß, wer wahrhaftig Christ ist und wer nicht. Sie ist insofern sichtbar, als sie lokale Ausformungen hat, zu denen sich Christen jeweils bekennen. Desweiteren erfordert das Christ-Sein nicht unbedingt die Zugehörigkeit zu einer lokalen Kirche, doch aus Gehorsam gegen Christus wird man sie natürlich trotzdem anstreben. Andererseits ist nicht jeder Mensch, der zur Kirche geht, auch tatsächlich ein Teil des spirituellen Leibes Christi.

Wir wollen uns nun einer Abhandlung der verschiedenen Metaphern zuwenden, die in Bezug auf die Kirche verwendet werden. Dadurch werden wir weitere Einsicht in das eigentliche Wesen der Kirche erlangen. Die Liste der bildlichen Vergleiche ist lang, und wir werden uns auf einige wenige konzentrieren.

Bildliche Beschreibungen der Kirche

Neutestamentarische Schreiber benutzen zur Bezeichnung der Kirche einige inhaltsreiche Metaphern. Erstens wird die Kirche als Ganzes in 1.Korinther 12:12-27 als der Leib Christi bezeichnet; in Epheser 1:22-23 ist sie der Leib und Christus ist das Haupt. Zweitens wird sie auch als Gottes Familie bezeichnet: wir sind alle Söhne und Töchter des Herrn (2.Ko 6:18). Drittens wird ihre enge und abhängige Beziehung zu ihrem Herrn mit einem Weinstock und seinen Reben verglichen (Joh 15:1-11). Viertens wird sie in ihrem Verhältnis zur Welt als Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit bezeichnet (1.Ti 3:15). Fünftens wird sie als Ganzes als ein Gebäude bezeichnet (1.Ko 3:9), als ein lebendinger und wachsender Tempel (Eph 2:20-21) und als ein heiliger Tempel, in dem Gott wohnt (1.Ko 3:16). Sechstens wird sie aufgrund ihres Dienstes vor Gott und ihres Verhältnisses zu ihm als Sein Volk auch als eine „heilige Nation“ und eine „königliche Priesterschaft“ bezeichnet (1.Pe 2.9), und jedes ihrer Mitglieder wird mit einem lebendigen Stein verglichen, gebaut um den auserwählten und kostbaren Eckstein, den Christus selbst darstellt. Siebtens wird sie vom Herrn als das Salz und das Licht der Welt bezeichnet (Mat 5:1315; Apg 13:47; Kol 4:5-6).

Die Kirche und das Reich Gottes

Eine weitere Frage stellt sich, wenn wir das Wesen der Kirche genau bestimmen wollen, nämlich die nach dem Verhältnis zwischen der Kirche und dem Reich Gottes. Das Reich Gottes kann man sich vorstellen als die Herrschaft Gottes und die Kirche als denjenigen Bereich, in dem sich diese Herrschaft sichtbar manifestiert. Aber die Kirche ist nicht selbst das Reich, wie einige Theologen sich darzulegen bemüht haben, wenngleich beide nicht voneinander getrennt werden sollten. Über das Verhältnis von Kirche und Reich Gottes macht Ladd fünf hilfreiche Bemerkungen: (1) die Kirche ist nicht selbst das Reich; (2) die Kirche wird durch das Reich hervorgebracht; (3) die Kirche bezeugt das Reich Gottes; (4) die Kirche ist ein Instrument des Reiches und (5) die Kirche ist Hüter und Wächter des Reiches.46

Die Kirche und Israel

Viele amilleniaristische Theologen vertreten bezüglich des Bundes die Auffassung, dass die Kirche das Volk Israel in Gottes Segensplan ersetzt hat. Sie selbst habe die Verheißungen Israels ererbt und sei so das Neue Israel geworden. Diese Theologen sagen, dass der Bund mit David gegenwärtig in der Kirche und zukünftig in der Ewigkeit erfüllt werden wird und dass die Nation Israel und die ethnisch jüdischen Menschen keine besondere Zukunft erwartet. Auf der anderen Seite gibt es etliche prämilleniaristisch-dispensationalistische Theologen, die die Meinung vertreten, dass die Kirche und Israel zweierlei Dinge sind und nicht miteinander verschmolzen werden sollten. Sie behaupten, dass der davidische Bund (da er mit der Nation Israel geschlossen wurde) nicht gegenwärtig in der Kirche erfüllt wird, sondern zusammen mit all den anderen Zusagen, die Gott Israel gab, im Milennium erfüllt werden wird. In diesem System müssen Israel und die Kirche als zwei unterschiedliche Entitäten auseinandergehalten werden: die eine erfüllt Gottes irdische Zusagen und die andere seine himmlischen Zusagen.

Es gibt allerdings auch noch Positionen zwischen diesen beiden Extremen. Viele prämilleniaristische Theologen vertreten die Meinung, dass es zukünftig, was Paulus wohl in Römer 11 meint, eine Erneuerung vieler ethnischer Juden geben wird, aber nicht im Sinne der nationalen Wiederherstellung, die der klassische und der revidierte Dispensationalismus vertreten. Auf der anderen Seite gibt es progressive Dispensationalisten, die der Auffassung sind, dass der davidische Bund zwar gegenwärtig in der Kirche erfüllt, dadurch aber nicht die Erfüllung des Bundes für das Volk Israel nach der Vorstellung des AT aufgehoben wird. Diese Dispensionalisten argumentieren, dass alle Menschen Gottes (Israel im AT und die Kirche im NT) soteriologisch gleich sind, es dabei aber strukturelle Unterschiede gäbe, die bis zu einem gewissen Grad während der tausendjährigen Herrschaft Christi wie auch in der Ewigkeit aufrecht erhalten würden.

Aus dieser kurzen Übersicht kann man bereits entnehmen, dass das Verhältnis zwischen Israel und der Kirche gelinde gesagt, eine komplexe Frage ist. Wahrscheinlich sollte man beide nicht als vollkommen voneinander unabhängige Entitäten ansehen, da so viele Aussagen und Verheißungen des AT als im Messias und seiner Verbindung zur Kirche erfüllt angesehen werden (z.B. Apg 13:33; Gal 3:29). Auf der anderen Seite mag man mit Recht in Frage stellen, ob die ganze Breite und Tiefe mancher alttestamentarischer Verheißungssprüche durch die Kirche angemessen ausgelotet wird und ob man sagen darf, dass Gott das, was er zugesagt hat, tatsächlich schon erfüllt hat. Diese Vermutung wird dadurch untermauert, dass die Synopsis, der Römerbrief und die Offenbarung in Bezug auf das Reich von einer Zeit des Vollzugs sprechen – eine Zeit, die ohne große Schwierigkeiten mit der alttestamentarischen Hoffnung in Einklang gebracht werden kann.

Dienst und Zweck der Kirche

Der Zweck der Kirche liegt darin, das Werk Christi fortzuführen, indem sie das Evangelium verkündet und ein Licht für die Welt darstellt (Joh 14:13-14; Apg 1:8, 13:47). Damit steht das Evangelium mit seinem lebensverändernden Charakter im Zentrum der Kirche und sollte sich in ihren Mitgliedern widerspiegeln.

Die Kirche muss einen Gott zugewandten Kernpunkt in Anbetung, Lobpreis und Gebet haben. Dazu gehören die freimütige Anbetung des Dreieinigen Gottes und das Gebet füreinander wie auch für alle anderen in der Welt, einschließlich unserer politischen Führer (1.Ti 2:1-3). Die Kirche ist auch beauftragt, neue Gläubige im Glauben aufzubauen und auszurüsten. Dazu gehört die Lehre über das Evangelium und seine ethischen Aspekte, d.h. die Gehorsamkeit gegen Gottes Wort, die Liebe füreinander und die verantwortliche und heilige Lebensführung in einer gefallenen Welt. Auch soll die Kirche, wie oben bereits erwähnt, der Welt anhaltenden Dienst leisten durch Taten der Barmherzigkeit und durch die Bezeugung der Wahrheit und Wirklichkeit Gottes und des Evangeliums. So erkennt eine gesunde Kirche, dass ihre Berufungen nach oben, nach innen und nach außen eigentlich drei Aspekte eines einzigen Rufes sind: Christus zu erkennen und bekannt zu machen. Die oberste Autorität, die ihre Handlungen leitet, ist dabei selbstverständlich die Heilige Schrift, und bei ihrer Auslegung und Anwendung verlässt sich die Kirche auf den Geist und die Weisheit, die sie im Verlaufe ihrer Geschichte erlangt hat.

Die Kirchenleitung

In der Geschichte der Kirche gab es verschiedene grundlegende Formen der Kirchenleitung, unter anderem (1) die episkopalische, (2) die presbyterianische, (3) die kongregationale und (4) Kirchen ohne Leitung. Wir werden die drei ersteren Formen hier kurz beschreiben, aber aus Platzgründen können sie nicht ausführlich diskutiert werden.

In der episkopalischen Kirche hat ein Erzbischof (und davon gibt es mehrere) Autorität über den Bischof, der seinerseits über eine Diözese herrscht, d.h. über mehrere Kirchen, die von einem Pfarrer oder Vikar versorgt werden. Sie alle, der Erzbischof, der Bischof und die Pfarrer sind ordinierte Priester innerhalb des episkopalischen Systems der Kirchenleitung. Diese Art der Kirchenleitung findet man in der Methodistischen, der Anglikanischen und – mit der ausgedehntesten Hierarchie (d.h. mit vielen Bischofsrängen) – in der Katholischen Kirche.

Verschiedene Glaubensgemeinschaften bedienen sich der presbyterianischen Form der Kirchenleitung, bei der die lokalen Gemeinden die Ältesten für die „Versammlung“ (Presbyterianische Kirche) oder das „Konsistorium“ (Reformierte Kirche) wählen. Einige (oder alle) dieser Ältesten sind Mitglieder einer übergeordneten leitenden Körperschaft, dem „Presbyterium“ (Presbyterianische Kirche) oder „Kirchenrat“ (Reformierte Kirche). Mitglieder des Presbyteriums oder Kirchenrates werden vom Presbyterium (oder Kirchenrat) wiederum ausgewählt, um eine Synode zu bilden. Daneben gibt es in der presbyterianischen Kirche noch eine weiter übergeordnete Körperschaft, die als die Generalversammlung bezeichnet wird. Diese setzt sich aus Laien und kirchlichen Vertretern aus den Presbyterien zusammen. Die Generalversammlung ist verantwortlich für alle Gemeinden einer Region oder eines Landes.

Die kongregationale Form der Kirchenleitung betont die Autonomie (bei gleichzeitiger Unterordnung unter Christus) der lokalen Gemeinden und die Rechte der einzelnen Mitglieder. Die diesem System zugrunde liegende Überzeugung ist die, dass es nirgendwo im NT Hinweise auf eine Kontrolle von Gemeinden durch außenstehende Individuen oder durch andere Gemeinden gibt. In der Tat trug Paulus Titus auf, die Führer der Gemeinden aus den Reihen der Kreter selbst zu bestimmen (Titus 1:5). Nirgendwo wird erwähnt, dass diese Führer Außenstehenden gegenüber verantwortlich gewesen wären bezüglich ihres Budgets oder ihrer alltäglichen, praktischen Entscheidungen. In diesem System wird die Priesterschaft der Glaubenden als wichtig angesehen. Dennoch werden in den meisten Fällen dieser Art von Kirchenleitung ein oder mehrere Führer gewählt werden (nur in extremen Fällen ist das nicht der Fall); aber diese dürfen in keiner Weise den Dienst und das Engagement der Mitglieder ersetzen.47

Am ehesten scheint das Neue Testament das Konzept eines am jeweiligen Ort amtierenden pluralistischen Ältestenrates48 zu stützen (Apg 14:23, 20:17; .1.Ti 4:14; Tit 1:5; Heb 13:17; 1.Pe 5:1-2), nicht aber die Vorstellung einer darüber hinaus entwickelten hierarchischen Struktur. Die Autorität der Apostel wird uns durch die Schriften mitgeteilt, die sie zu unserer Unterrichtung hinterließen. „Presbyterien“ oder „Generalversammlungen“ aber, denen wir Rechenschaft schuldig wären, sind nicht notwendig. Tatsächlich sind derlei Organisationen oft die Ursache gewesen, wenn eine lokale Gemeinde Irrtümern in der Lehre verfiel. Durch freie und erwünschte Verbindungen zu anderen christlichen Gemeinschaften können Gemeinden und ihre Führer ein hohes Maß an doktrinärer und moralischer Reinheit bewahren, aber gleichzeitig auch das Bewusstsein dafür, was um sie herum vorgeht und wie sie in anderen Situationen Dienst leisten können.

Ein Mensch, der für die Aufgabe eines Älteren in Betracht gezogen wird, sollte bestimmte Qualifikationen erfüllen. Dazu gehören moralische Qualitäten (d.h., er muss über jeden Tadel erhaben sein), eine gute häusliche Führerschaft und die Fähigkeit zu lehren. Außerdem sollte ein solcher Kandidat nicht erst kürzlich zum Glauben übergetreten sein (s. 1.Ti 3, Tit 1). Zu den grundlegenden Aufgaben der Älteren gehören die Führerschaft, die Lehre und der Schutz der Kirche Gottes.

Geradeso wie für die Älteren gibt es auch für die Diakone bestimmte Qualifikationen, die sie erfüllen müssen, bevor sie für dieses Amt innerhalb von Gottes Kirche in Betracht gezogen werden können. Diese Qualitäten werden in 1.Timotheus 3:8-13 aufgelistet und umfassen moralische Eigenschaften ebenso wie eine gute häusliche Führung; über die Glaubenslehre wird hier allerdings nichts gesagt. Es scheint, dass zu den vielfältigen Pflichten der Diakone administrative Aufgaben und vielleicht auch die Verwaltung der Gemeindefinanzen gehörten.

Der Kirche verliehene Ordinierungen

Zwei Ordinierungen49 wurden der Kirche vom Herrn verliehen: die Taufe und das Abendmahl, wobei das Letztere allgemein auch als die Eucharistie bezeichnet wird. Wir werden unsere Betrachtungen mit einer Übersicht über die Taufe beginnen und uns mit der Aufforderung zur Taufe, ihrem Ablauf, ihrer Bedeutung und Wichtigkeit sowie mit dem Gegenstand und der Wirkung der Taufe beschäftigen. Auch das Abendmahl werden wir kurz behandeln.

Das erste, was wir über die christliche Taufe festhalten wollen, ist, dass der auferstandene Herr den Auftrag dazu im Rahmen des Jünger-Machens gab. In Matthäus 28:19-20 trug er seinen Jüngern auf hinauszugehen und alle Völker zu Jüngern zu machen. Das sollten sie auf zweierlei Art tun: (1) indem sie sie im Namen des Dreieinigen Gottes tauften und (2) indem sie sie lehrten, alles zu befolgen, was Christus bestimmt hatte. Nicht jede lokale Kirche hat die Möglichkeit, neue Gläubige zu taufen, und in allen Gemeinden sind es nur bestimmte Mitglieder, die die Taufe durchführen dürfen (vgl. 1.Ko 1:17). Die frühe Kirche war sich der Wichtigkeit der Taufe bewusst und praktizierte sie getreulich mit jedem Neubekehrten.

Meistens bedeutet das Verb „taufen“ sowohl in der griechischen Literatur wie im Neuen Testament „tauchen“, „eintauchen“ oder „untertauchen“,50 nicht aber „besprengen“. Mehrere Tatsachen sprechen dafür, dass die Vorstellung des „Untertauchens“ den Aussagen des Neuen Testaments entspricht und sie am besten erklärt: Erstens taufte Johannes die Menschen im Jordan und nicht auf dem Trockenen – was am leichtesten damit erklärt werden kann, dass er das durch Untertauchen und nicht durch Besprengen tat. Das trifft natürlich auch auf Jesu Taufe zu, von der gesagt wird, dass er hinab in das Wasser stieg und wieder aus dem Wasser heraufkam.51 Zweitens taufte Johannes in Aenon nahe bei Salim, weil es dort reichlich Wasser gab (hoti hudata polla e„n ekei). Man sollte doch vernünftigerweise annehmen, dass so viel Wasser nicht nötig gewesen wäre, wenn Johannes die Methode des Besprengens mit Wasser benutzt hätte (s. Joh 3:23). Drittens gibt es da noch die Geschichte von Philippus und dem äthiopischen Eunuchen in Apostelgeschichte 8:37-38. Wenn eine Taufe einfach durch Besprengung mit Wasser geschehen wäre, hätten die beiden wohl nicht damit warten müssen, bis der Äthiopier ein größeres Gewässer fand. Warum außerdem stiegen beide, Philippus und der Äthiopier in das Wasser hinab, wenn es nur um ein Besprengen ging? Die passendste Auslegung des Wortes baptizo„, bei der es auch Sinn macht, dass Philippus und der Eunuch zusammen im Wasser waren, ist die, dass Philippus den Äthiopier bei der Taufe im Wasser untertauchte und ihn dann wieder heraushob. 52 Viertens sprach Petrus im Zusammenhang mit der Taufe von der Reinigung des Leibes von Schmutz (vgl. 1.Pe 3:21). Das zeigt, dass er dabei an viel mehr als ein bloßes Besprengen mit Wasser dachte, und steht eher in Einklang mit der Vorstellung eines Eintauchens. Schließlich gebraucht Paulus die Wassertaufe in Römer 6:4 als ein Symbol für das „Begraben- und Auferwecktwerden“ mit Christus. Die Parallele zum „Begraben- und Auferwecktwerden“ ist viel leichter verständlich, wenn Paulus dabei an die Methode des Untertauchens dachte (s.a. Kol 2:12).

Insofern als die Taufe äußerliches Zeichen einer inneren spirituellen Wahrheit und einer neuen Vereinigung zwischen Christus und dem Glaubenden ist, sollte sie nur an Glaubenden vollzogen werden. Sie wirkt nicht ex opere operato, wie es die Katholische Kirche lehrt (vgl. 1.Pe 3:21), sondern wird als Ordination denen gegeben, die sich persönlich und im vollen Bewusstsein ihrer Handlung Christus anvertraut haben. Mehrere Stellen in der Apostelgeschichte verdeutlichen dies (Apg 2:41, 8:12, 10:44-48, 16:14-15). Andere Stellen, die anscheinend davon sprechen, dass ein ganzes Haus getauft wurde (Apg 16:32-33; 1.Ko 1:16), sollten also nicht so verstanden werden, dass auch Kleinkinder oder ungläubige Erwachsene bei der Taufe eingeschlossen wurden, sondern vielmehr so, dass jeder (oder fast jeder) in diesem Haus das Evangelium annahm und daher getauft wurde.

Manche Menschen vertreten auch die Meinung, dass die Taufe Voraussetzung für die Erlösung ist. Um ihre Ansicht zu untermauern, zitieren sie oft (aber nicht nur) Apostelgeschichte 2:38. Andere begegnen diesem Argument, indem sie den entsprechenden Vers folgendermaßen übersetzt sehen wollen: „Petrus sagte zu ihnen: ‚Bereut, und jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi wegen (eis) der Vergebung eurer Sünden, dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.’“ Wenn das die richtige Übersetzung wäre, wäre das obige Argument für eine Taufe als Voraussetzung für die Erlösung ja erledigt. Aber die Anzeichen dafür, dass eis mit wegen übersetzt werden sollte, sind, kurz gesagt, nicht sehr überzeugend. Allerdings gibt es andere Anhaltspunkte.

Da in der Apostelgeschichte die Reue der Taufe vorausgehen kann (vgl. 3:19, 26:20) und die Erlösung aus reiner Gnade gewährt wird (z.B. 10:43,47, 13:38-39,48), kann die Taufe, auch wenn dieser Text sie in einen engen Zusammenhang mit dem Glauben bringt, für Gott keinen unabdingbaren Aspekt bei der Erlösung darstellen. Am besten sollte man die Taufe hier als die Wassertaufe verstehen und berücksichtigen, dass für die frühe Kirche die Taufe sowohl die spirituelle Wahrheit als auch das körperliche Symbol beinhaltete.53

Die Vorstellung, dass das Getauftsein für die Erlösung nicht unbedingt notwendig ist, lässt sich weiter erhärten, wenn wir Paulus’ Anmerkung in 1.Korinther 1:17 lesen. Dort sagt er, dass Christus ihn nicht aussandte um zu taufen, sondern um das Evangelium zu predigen. Wenn aber die Taufe wesentlicher Bestandteil der erlösenden Annahme des Evangeliums gewesen wäre, hätte Paulus sie niemals unterlassen – was er nach seiner eigenen Aussage jedoch tat. Das bedeutet, dass er die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst der Taufe voneinander getrennt sah. Damit ist die Taufe kein wesentlicher Teil des Evangeliums. Auch Petrus sagt etwas Entsprechendes, wenn er die Taufe mit der an Gott gerichteten Bitte um ein gutes Gewissen gleichsetzt, und nicht mit der Reinigung vom Schmutz des Fleisches (1.Pe 3:21). Wenn man die Taufe, d.h. einen äußerlichen Ritus, in das Evangelium einschließt, kommt man außerdem in einen unüberwindlichen Widerspruch zu Römer 4:1-12 und vermischt – ungeachtet aller gegenteiligen Behauptungen – Glauben und Werke miteinander (Eph 2:8-9). So etwas entspricht nicht dem Evangelium, das Paulus predigte, und ist strikt abzulehnen (Gal 1:6-7). Schließlich und endlich hätte auch der Dieb am Kreuz nicht auf den Himmel hoffen können, den Jesus ihm versprach (Luk 23:43), wenn die Taufe unabdingbar wäre für den Glauben, der zur Erlösung führt.

Die Taufe symbolisiert also die Vereinigung des Glaubenden mit Christus zur Abtötung der Sünde (und des Lebens in Adam) und Auferstehung zu einem neuen Leben. Eng damit verbunden ist die Vorstellung, die beispielsweise in Titus 3:5 ausgedrückt wird, dass die Taufe ein „Abwaschen“ oder „Reinigen“ bedeutet und dass die „im Namen Christi“ Getauften54 als rein angesehen werden und ein heiliges Leben führen sollen. In Bezug auf das „Zeugnis“ symbolisiert die Taufe die Aufnahme des Glaubenden in die Gemeinschaft des Messias, damit er im Leib des Herrn mit denen lebt, die dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist angehören.

Die andere Ordinierung, die der Kirche verliehen wurde, ist die des Abendmahls. Während die Taufe als Initiationsritus den endgültigen Bruch mit unserem alten Leben in Adam und unsere unwiderrufliche Vereinigung mit Christus symbolisiert, ist das Abendmahl oder die Eucharistie ein sich wiederholender Ritus, der für unsere anhaltende Gemeinschaft mit Christus und unsere stetige Verkündigung der Bedeutung seines Todes (nämlich für die Vergebung der Sünden) steht.

Unter gläubigen Christen gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie oft man am Abendmahl teilnehmen sollte. In den synoptischen Evangelien sind keine Aussagen Jesu aufgezeichnet, wie oft es gefeiert werden sollte. Die Tatsache, dass sich das Abendmahl auf den Neuen Bund bezieht und das Blut Jesu symbolisiert, das für Viele vergossen wird, deutet aber wohl darauf hin, dass Jesus es von Anfang an auf alle bezog, die ihm künftig nachfolgen würden, bis hin zu der Zeit, da er selbst leiblich mit uns beisammen sitzen und es in seines Vaters Reich aufs Neue trinken wird (Mat 26:29). Lukas fügt die Aussage hinzu, dass die Jünger dies, d.h. das Brechen des Brotes, zu meinem Gedächtnis tun sollten. Auch das deutet darauf hin, dass das Abendmahl ein wiederkehrendes Ereignis sein würde (s. 1.Ko 11:24). Dennoch gibt es keinen Bibeltext, der uns sagt, dass wir jede Woche, einmal im Monat, viermal im Jahr oder wie häufig auch immer daran teilnehmen sollten. Aus 1.Korinther 11:20ff. kann man wohl entnehmen, dass die Korinther es recht regelmäßig durchführten. Wie oft sie es genau taten, ist aber unsicher, und natürlich ist das auch nicht gerade das Problem, das Paulus in 1.Korinther 11:27-34 anspricht. In Anbetracht dessen, dass das Abendmahl eine „Erinnerung“ darstellt, scheint es durchaus angebracht, es häufiger einmal zu feiern – vorausgesetzt, dass dies in einer Weise geschieht, die dem Herrn Ehre macht und den anwesenden Seinen Mut macht.

Über das Wesen des Abendmahls und die Beziehung seiner Bestandteile (d.h. Brot und Wein) zum tatsächlichen, physischen Leib des Herrn gibt es ebenfalls unterschiedliche Ansichten. Die römisch-katholische Kirche vertritt eine Auffassung, die als Transsubstantiation bezeichnet wird und behauptet, dass das Brot und der Wein auf geheimnisvolle Weise buchstäblich in den Leib und das Blut des Herrn umgewandelt werden, so dass der Herr in Form dieser Dinge tatsächlich zugegen ist. Schließlich sagte Christus tatsächlich zu seinen Jüngern „dies ist mein Leib“ und „dies ist mein Blut“. Allerdings geht diese Interpretation über das hinaus, was die vom Herrn benutzte Sprachfigur beinhaltet. Wir dürfen sicher annehmen, dass die Jünger dies als Metapher verstanden (was aber nicht bedeuten muss, dass es keine buchstäbliche Bedeutung gibt), da Jesus selbst ja direkt vor ihnen saß. Sollen wir also auch den „Kelch“ als den „Neuen Bund“ selbst ansehen, da Jesus doch sagte „dieser Kelch ist der Neue Bund“ (Luk 22:20)? Bei anderer Gelegenheit, als er sich selbst als eine „Tür“ bezeichnete, verstanden sie die Metapher ganz gut als solche und stellten sich nicht vor – wie auch wir es nicht tun sollten –, dass Jesus jedes Mal buchstäblich zu einer Tür wird, wenn jemand ein Christ wird. Diese obige Ansicht basiert außerdem großenteils auf der unbiblischen Vorstellung, dass dieses Sakrament ex opere operato wirksam sei. Die Erlösung geschieht aus Gnade durch den Glauben und nicht durch das Empfangen von Sakramenten.

Im Gegensatz zu der katholischen Auffassung vertritt Luther eine Ansicht, die als Konsubstantiation bezeichnet wird. Er ist der Meinung, dass die Sprechweise „dies ist mein Leib“ und „dies ist mein Blut“ schon eine gewisse, besondere körperliche Anwesenheit des Herrn beinhaltet. Seiner Ansicht nach ist der Herr daher „in, mit und unter“ den Bestandteilen des Abendmahls gegenwärtig. Diese Ansicht beruht allerdings auf der Vorstellung, dass der Herr in seiner Natur als Mensch allgegenwärtig sei. Das Problem dabei ist, dass die Schriften aussagen, dass Jesus in seinem irdischen, verherrlichten Leib in den Himmel auffuhr, aber von einem allgegenwärtigen Leib ist nirgendwo die Rede.

Die beste Sichtweise beruht vielleicht auf der Erkenntnis, dass Jesus hier – wie bei vielen anderen Gelegenheiten – tatsächlich eine Metapher benutzt und dass die Metapher, die er benutzt, auf seine spirituelle Anwesenheit hindeuten will. Wenn wir also das Abendmahl feiern, erinnern uns dessen Bestandteile daran, dass er für uns starb, dass wir durch seinen gebrochenen Leib und sein vergossenes Blut Vergebung erfahren und dass wir durch ihn freie Teilhaber und Nutznießer des von ihm begründeten Neuen Bundes werden dürfen. Wann immer wir über diese Dinge nachdenken, ist Jesus geistig bei uns anwesend, um uns zu stärken und sich selbst zu verherrlichen. Das Abendmahl, das dem Herrn im Glauben dargebracht wird, verleiht also heiligende und nicht rettende Gnade.

Das Abendmahl schließlich ist zwar nur für die Glaubenden; es sollte aber nicht auf die getauften Gläubigen beschränkt werden, während andere, die aus welchem Grund auch immer noch nicht getauft sind, davon ausgeschlossen werden. Jeder sollte sich zudem selbst prüfen, ob seine Gemeinschaft mit und sein Verhalten gegenüber anderen Christen mit dem Anspruch in Einklang steht, dass er hier an dem einen Leib Christi teilhat. Die Korinther wurden vom Herrn ziemlich streng behandelt, weil sie den anderen Gliedern des Leibes Christi keine aufrichtige Liebe entgegenbrachten. Sie waren arrogant und schwelgten selbstsüchtig beim Abendmahl, während andere Not litten. Sie verachteten, kurz gesagt, die Kirche Gottes, und dafür strafte Gott sie mit Krankheit und Tod (1.Ko 11:17-34; vgl. Vers 30).

Der Kirche verliehene Gaben

Von Anfang an war es Gottes ungeteilte Absicht, eine Kirche zu erschaffen – eine Gruppe von Menschen, die aus der Finsternis in das wundervolle Licht seiner Gegenwart und Segnung gerufen würden (Gen 12:3; Lev 26:12; Jer 32:38; Hes 37:27; 2.Ko 6:16; Off 21:3-4). Zahlreiche Gaben hat er über uns ausgegossen, unter anderem die Gabe der Erlösung selbst. Mit dieser großartigen Erlösung geht zudem einher, dass der Geist uns innewohnt und jedes einzelne Mitglied des Leibes Christi mit unterschiedlichen geistigen Gaben ausstattet. Im Folgenden finden Sie keine Auslegung der verschiedenen Texte, in denen diese Gaben zur Sprache kommen, sondern eine allgemeine Erörterung der Gaben sowie im Anschluss daran eine pastorale Erklärung zum Thema der zeichenhaften Gnadengaben des Geistes.

Was man als allererstes über die geistigen Gaben im Kopf behalten muss, ist dies: sie werden von Gott verliehen, nach seinem Ermessen und zum Besten des Leibes. Das stellt Paulus mehr als deutlich klar in 1.Korinther 12:7,11. Und in Anbetracht dessen, dass der Herr allein es ist, der seinen Leib gestaltet (1.Ko 12:18), ist es weder notwendig noch förderlich, wenn man um eine bestimmte Gabe betet. Zweifellos aus diesem Grund werden wir nirgendwo aufgefordert, darum zu beten, dass wir persönlich irgendwelche geistigen Gaben erhalten, sondern nur darum, dass wir diejenige(n), die uns frei gegeben wird oder werden, erkennen und wohl gebrauchen mögen und allen anderen Menschen die Freiheit lassen, von den ihren Gebrauch zu machen (1.Ko 14:1). Auf diese Weise vermeiden wir den Reduktionismus, der in der korinthischen Kirche so allgemein und so zerstörerisch vorhanden war (nämlich den Irrtum, dass nur eine bestimmte Gaben wirklich zählt). Gott wird jedem Mitglied die geistige(n) Gabe(n) nach Seinem Beschluss (und ohne unsere Bitten oder Ratschläge) geben, denn er hat im Bezug auf die Bedürfnisse des Leibes das große Ganze im Auge.

Der souveräne Herr ist es also, der die Gaben verleiht. Als Nächstes müssen wir verstehen, dass nicht alles, was im Namen Christi und der geistigen Gaben geschieht, auch tatsächlich von Gott kommt. Das wird deutlich, wenn wir 1.Korinther 12-14 betrachten (s. Verse 12:1-3, die als Überschrift über diesem gesamten Abschnitt stehen könnten). Wir erkennen dann, dass man über die Gaben und ihren Zweck und Gebrauch durchaus irrige Ansichten haben und daher Zurechtweisung gebrauchen kann. Demut ist also „das Gebot der Stunde“. Wir müssen uns durch die Schrift über diese Dinge belehren lassen, damit wir nicht wie die Korinther in die Irre gehen. Auf der anderen Seite vertrete ich nicht unbedingt die in manchen Kirchen gängige Vorstellung, dass jedes übernatürliche Geschehen „außerhalb der Norm“ vom Teufel und dämonisch sei. Wer so lebt, würde gut daran tun, sich Jesu Lehre über die Blasphemie des Geistes (Mat 12) in Erinnerung zu rufen. Fahren wir also fort.

In fünf Textabschnitten werden die Gaben ausdrücklich erwähnt: (1) Römer 12:4-8, (2) 1.Korinther 1:7, 12-14 (Apg 21:9), (3) Epheser 4:11-12, (4) Hebräer 2:3-4 und (5) 1.Petrus 4:10-11. Anhand dieser Texten lassen sich mehrere Feststellungen treffen. Erstens gibt es keine zwei Aufzählungen von Gaben, die miteinander übereinstimmen. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Menge der Gaben, so wie sie im Neuen Testament erwähnt werden, nicht vollständig aufgeführt ist. Zu dieser Feststellung passt die Tatsache, dass Paulus die unterschiedlichen Offenbarungen des Geistes als „die Gaben der/des ...“ bezeichnet und damit ausdrückt, dass es wohl mehr als eine Gabe, sagen wir, der „Leitung“, des „Beistands“ etc. gibt. Des Weiteren sind auch diese Ausdrücke selbst, „Leitung“, „Beistand“ etc., recht vage und können beliebig viele mögliche Ausformungen beinhalten. Betrachten Sie schließlich auch Paulus’ Erörterung in 1.Korinther 12:4-6, wo er von der „Vielfalt“ (diaireseis) der Gaben spricht. Er sagt, dass ein und derselbe Geist viele verschiedene „Gaben“ (charismato„n), der Herr mannigfaltige „Dienste“ (diakonio„n) und Gott viele unterschiedliche „Wirkungen“ (energe„mato„n) vermittelt. Sie alle werden als „Offenbarungen des Geistes“ (phanero„sis) bezeichnet.55 Der Apostel vermittelt also den Eindruck, dass er niemals alle Gaben aufzählen könnte, sondern den Korinthern nur einen theologischen und praktischen Rahmen vermitteln will, in dem sie die Inspiration und das Sichtbarwerden des Geistes verstehen sollen. Aber er gibt ihnen eindeutig nirgendwo eine erschöpfende Liste der Gaben selbst.

Zum allgemeinen Nutzen werden also dem Leib Christi durch die Inspiration des Geistes vielfältige Gaben verliehen, doch manchmal missverstehen wir diese auch. Aus der Schrift geht ganz klar hervor, dass die Gaben auf dem Boden der Liebe verwirlicht werden sollen und dass sie kein Unterscheidungsmerkmal darstellen, anhand dessen man erkennen kann, wer geistlich ist und wer nicht. Es kommt daher nicht auf unsere Erfahrung an: Sofern wir von unseren Gaben nicht in Liebe Gebrauch machen, stehen wir nicht in Gottes Willen und tragen nicht wirklich zur Stärkung seiner Kirche bei. Es muss daher wohl nicht weiter gesagt werden, dass es die Frucht des Geistes ist, die den notwendigen Hintergrund für die richtige Ausübung Seiner Gaben darstellt (vgl. Gal 5:22-23).

Im Zusammenhang mit der genauen Bedeutung bestimmter Gaben stellen sich durchaus auch einige schwierige Fragen. In einer Hinsicht sind Gaben wie „Lehren“, „Ermahnen, „Dienen“, „Geben“ und „Leiten“ nicht sehr schwer zu verstehen, und sie stellen gute biblische Beispiele dafür dar, wie dem Fleisch geholfen werden kann, was ja auch ihre Bedeutung ist. Aber über Gaben wie die „Rede der Weisheit“ und die „Rede der Erkenntnis“ kann man nur schwer Genaueres sagen. Wahrscheinlich bezieht sich die „Rede der Weisheit“ auf die Weisheit Gottes in Christus, d.h. auf die Botschaft des Kreuzes und eine entsprechende Ethik. Jemand mit dieser Gabe hatte also vielleicht in besonderer Weise die Fähigkeit zu verstehen, was die Kreuzeslehre der Apostel mit den gegenwärtigen Lebensumständen seiner Kirche zu tun hatte; der Geist lehrte ihn dies zum Besten der Kirche, und er war unter dessen Führung in der Lage, solchen Inhalten Ausdruck zu verleihen. Die „Rede der Erkenntnis“ andererseits könnte sich darauf beziehen, dass jemand Erkenntnisse äußerte, die er durch direkte Offenbarung des Geistes erhalten hatte, oder darauf, dass jemand Gottes Wahrheit geistig erkennen, darlegen und lehren konnte. Aber es ist schwierig, dazu irgendetwas mit Sicherheit zu sagen. Genauso schwierig ist es auch festzulegen, warum diese Gabe als „Erkenntnis“ (gno„sis) bezeichnet wurde und wodurch sie sich genau von der „Rede der Weisheit“ unterscheidet.

Es gibt also einige Unsicherheiten bei der Festlegung der Bedeutung von Begriffen, die zur Beschreibung bestimmter Gaben benutzt werden. Daneben stellt sich auch noch die Frage, ob bestimmte Gaben heute noch immer durch den Geist verliehen werden. Dabei handelt es sich um den Themenkreis der abgeschlossenen oder der fortgesetzten Verleihung der Gnadengaben des Geistes und vielleicht auch der Gabe des Jüngerseins. Werden zum Beispiel Wunderkräfte, Heilkräfte, Zungenreden oder das Zungenauslegen heute noch immer der Kirche verliehen?

Einige Dinge sollten gleich in einer Art Vorwort über die Diskussion zum Thema der abgeschlossenen oder nicht abgeschlossenen Verleihung von Gnadengaben gesagt werden. Erstens herrscht unter denjenigen, die dieses Thema informiert und nicht abwertend behandeln, die klare Erkenntnis, dass es sich dabei nicht um eine Diskussion darüber handelt, ob Gott noch immer Heilungen und Wunder vollbringt oder nicht. Nach bestem Zeugnis tut er es, und das wird von allen informierten Christen aller Lager anerkannt und gefeiert. Ebensowenig handelt es sich um eine Debatte darüber – wie ich schon so oft sagen gehört habe, – ob es heute noch geistige Gaben gibt oder nicht. Kein kundiger Christ irgendeines Lagers bestreitet das. Selbstverständlich verleiht Gott seiner Kirche noch immer geistige Gaben. Die Frage ist vielmehr, ob Gott einzelnen Individuen in der Kirche noch immer Gnadengaben verleiht. Einige beantworten diese Frage mit „ja“, andere mit „nein“, und in beiden Lagern gibt es daneben natürlich auch noch abgestufte Meinungen zu diesem Thema.

Desweiteren gibt es auch im NT selbst offensichtliche Spannungen bei diesem Thema. Es scheint als erwarte 1.Korinther 1:4-9 das Auftreten von Gnadengaben für das gesamte Zeitalter der Kirche, während ein Verfasser der zweiten Generation, der Schreiber des Hebräerbriefes, merkwürdigerweise keinen Bezug auf Wunder in seiner eigenen, gegenwärtigen Erfahrung nimmt, sondern statt dessen auf die Wunder verweist, die vom Herrn und seinen Aposteln vollbracht wurden (Heb 2:3-4). Umfasst außerdem die Tatsache, dass Wunder offensichtlich als Bestätigung der Lehren der Apostel fungierten, notwendigerweise auch die Vorstellung, dass heutzutage keine derartige Bestätigung mehr notwendig ist (vgl. Apg 14:3; Heb 2:3-4). Anders ausgedrückt: War eine solche Bestätigung allein an diese Männer gebunden, oder an ihre Botschaft, oder an beides? Warum sollten wir nicht eine ähnliche göttliche Bestätigung erwarten, wenn wir doch die selbe Botschaft predigen wie sie? Wie erklären wir uns das relative Fehlen von wunderbaren Gaben in der Kirchengeschichte? Und wenn sie doch einmal auftretren, scheinen sie dann nicht weniger markant ausgeprägt zu sein als die im Neuen Testament berichteten? Es ergeben sich also Fragen über die Lehren des Neuen Testaments zu diesem Thema und darüber, wie wir heute diese Gaben erfahren.

Diejenigen, die das Vorhandensein von Gnadengaben bejahen, verweisen jedenfalls allgemein auf ihre eigenen Erfahrungen und dann auf die Schrift, um ihre Auffassung zu bekräftigen. Sie behaupten vielleicht, selbst dabei gewesen zu sein, als jemand ein Wunder tat, oder selbst in Zungen gesprochen zu haben. Sodann neigen sie dazu, die fraglichen Texte der Schrift in diesem Licht zu lesen. Und das ist gar nicht unbedingt etwas Schlechtes, sondern vielmehr etwas ganz Natürliches und Notwendiges. Wir alle lesen die Bibel im Lichte unserer eigenen Erfahrungen; wir können gar nicht anders. Wir können uns nicht frei machen von geschichtlichen Gegebenheiten, wie unserer Abstammung, Kultur (z.B. auch Verbindungen zu einer Kirche), geistlichen Erfahrung, Denkart und so weiter.

All das darf uns aber nicht zu dem Schluss verleiten, dass unsere Interpretation der Bibel und unserer Erfahrungen notwendigerweise richtig ist. Selbst die „geistlichen“ Korinther missverstanden beispielsweise vollständig, was Paulus zum Thema der Beziehungen zwischen Christen und Nichtchristen gesagt hatte (s. 1.Ko 5:9-13). Wenn wir aber auch keine Ansichten sozusagen „aus dem Nichts heraus“ gewinnen können, so können wir doch – bei erhöhter Aufmerksamkeit und gesteigertem Bewusstsein für die Vorbedingungen unserer Erkenntnis – unsere Ansichten korrigieren lassen, indem wir die Bibel verantwortungsvoller als bisher lesen (vgl. den Lernprozess in 2.Ti 3:16-17). Das gilt natürlich für alle Christen und unabhängig vom jeweiligen Thema. Besonders aber trifft es für diejenigen zu, die die Neigung haben, die Schrift kurzsichtig und im Hinblick auf ihre eigenen Erfahrungen zu lesen, d.h., wenn jemand dazu neigt, geschichtsrelevante exegetische Fragen nicht zu stellen und Texte vom Tisch zu wischen, die seine Ansichten – zumindest oberflächlich betrachtet – gefährden könnten.

Auf der anderen Seite gehen diejenigen, die die Frage nach den Gnadengaben des Geistes mit „nein“ beantworten, im Allgemeinen von der Schrift aus und versuchen zu zeigen, dass die Bibel die Fortdauer dieser Gaben nicht lehrt. Ihre Methode und ihre Behauptung basieren auf der zutreffenden Voraussetzung, dass die Schrift in Angelegenheiten des Glaubens und der Religionsausübung die letztgültige Autorität darstellt. Für diese Menschen sehen daher in der Bibel den besten Ausgangspunkt, und vielleicht haben sie ja recht mit ihrer Auffassung. Aber selbst unter der Voraussetzung sola scriptura ist es nicht zwingend logisch, von dort auszugehen. Das „Prinzip der Schrift“ führt also nicht notwendigerweise oder logischerweise eher zu der einen als zu der anderen Herangehensweise, sondern es kommt nur darauf an, dass die Bibel die letzte und entscheidende Stimme in der jeweiligen Angelegenheit hat. Dabei können wir genauso gut bei unserer eigenen Erfahrung anfangen, wie wir es ja auch oft tun, wenn wir an die Schrift herangehen.

In logischer Hinsicht ist der Ausgangspunkt also in beiden Fällen überhaupt nicht problematisch. Das Problem liegt vielmehr darin, dass die meisten Menschen gar nicht über ihren Ausgangspunkt hinaus und zu einer ernsthaften und vertieften Betrachtung des jeweils anderen Endes kommen, nämlich zur Schrift im Falle der „Kontinuierlichen“ und zur eigenen Erfahrung im Falle der „Abgeschlossenen“. Beides muss ernsthaft untersucht und die zentralen Widersprüchlichkeiten so lange zugelassen werden, bis eine echte Synthese daraus hervorgeht.

Kurz und gut, ich will nicht sagen, dass diejenigen, die bei ihrer eigenen Erfahrung anfangen, niemals hin zur Schrift fortschreiten, aber meiner Erfahrung nach gelangen doch viele in diesem Lager nicht zu einer ernsthaften Betrachtung der Schrift, die auch die Lektüre von Bibelauslegungen ihrer verantwortlichen Kritiker einschließt. Wenn sie das täten, würden sie die Stärken und Schwächen jeder Position besser verstehen, vielleicht auch eher dazu geneigt sein, in dieser Hinsicht Demut vor Gott zu zeigen, und darauf vorbereitet, ihren Beitrag gemeinsam mit denen zu leisten, deren Meinung sie nicht teilen. In einigen Fällen mag es dann geschehen, dass Ansichten geändert und eine christliche Integrität entwickelt werden. – Diejenigen, die von der Schrift ausgehen, argumentieren andererseits ständig so, als spiele ihre eigene Erfahrung bei der Ausformung ihrer Ansichten überhaupt keine Rolle (was schlicht naiv ist), und viele von ihnen kommen nie dahin, dass sie (1) die Erfahrungen anderer und (2) Bibeltexte, die ihren Standpunkt schwächen, ernsthaft in Betracht ziehen. Am Ende muss man denjenigen, die die Fortdauer der Gnadengaben vertreten, also denselben Rat geben wie den Vertretern eines Endes der Gaben. Wenn wir so an diese Sache herangehen, sind wir vielleicht auch besser in der Lage, die geistigen Gaben im Allgemeinen und ihre relative Bedeutung für das christliche Leben zu würdigen, und wir erkennen möglicherweise den Weg des Geistes selbst durch dieses Problem.

Abschließend müssen wir noch ein Wort über die Gabe der Zungenrede sagen. Erstens handelte es sich dabei um eine vom Geist inspirierte Gabe, die der Kirche verliehen wurde, und so wie Paulus’ im Brief an die Korinther darüber spricht, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sie, richtig verstanden, dämonisch oder irgendetwas in dieser Art sei. Zweitens diente sie, richtig ausgeübt, dem Nutzen des Leibes. Drittens steht es Ihnen, was immer Sie darüber glauben, nicht frei, Zwietracht innerhalb des Leibes Christi darüber zu säen. Sie glauben, dass diese Gabe existiert – wunderbar! Dann folgen Sie bitte dem Rat des Paulus in 1.Korinther 12-14 über den angemessenen Gebrauch der Gabe und fordern Sie nicht von anderen, dass sie auch in Zungen reden müssten. Wie Paulus sagt, spricht nicht jeder in Zungen (1.Ko 12:30). Gebrauchen Sie die Gabe zum Besseren des Leibes und nur in Anwesenheit eines Übersetzers. Und machen Sie nicht den Fehler, anderer Menschen Spiritualität auf der Grundlage dieser Gabe zu beurteilen, denn damit würden Sie den Heiligen Geist ernsthaft betrüben (vgl. Eph 4:30). Wenn Sie andererseits glauben, dass diese Gabe heute nicht mehr existiert – auch gut! Haben Sie Geduld mit denen, die behaupten, dass sie es doch tut, und halten Sie sie dazu an, immer wieder nach Gottes Willen für ihr Leben zu suchen. Werden Sie nicht stolz, sondern lieben Sie Ihre Brüder und Schwestern und lernen Sie von ihrer Erfahrung. Sehen Sie sich vor, dass Sie nicht die spirituellen Erfahrungen anderer Menschen so weit herunterspielen, bis Sie den Heiligen Geist praktisch gefangen und gezähmt haben. Sie werden sonst vielleicht feststellen, dass er dem Wind doch mehr gleicht, als Sie dachten (Joh 3:3-5).

Kein Christ sollte seine Spiritualität über diese Gabe definieren oder einordnen – und übrigens auch nicht über irgendeine andere Gabe. Christliche Spiritualität entwickelt sich nämlich nicht pimär durch psychologische Erfahrungen, sondern durch ein ethisches (Heiligkeit) und biblisches Leben, in dessen Mittelpunkt die Gemeinschaft mit Christus und das vom Geist inspirierte Bekenntnis zu Ihm als dem Herrn stehen (1.Ko 12:1-3). Das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein des Geistes wird also nicht durch das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein der Gabe des Zungenredens bestimmt. Dies verdeutlicht Paulus in 1.Korinther 12-14, vgl. insbesondere 12:1-3,30. Nun, da wir dies festgehalten haben, müssen wir noch etwas zu den Erzählungen in der Apostelgeschichte sagen.

Die Art, wie die Gabe nach Apostelgeschichte 2, 10 und 19 verliehen wurde (im Falle der Samariter wird sie in Apg 18 nicht erwähnt), sollte die Empfängnis desselben Geistes von Angehörigen verschiedener Ethnien bestätigen und damit Spaltungen innerhalb der frühen Kirche – nämlich zwischen Juden und Heiden – vorbeugen. Aus der Tatsache, dass Heiden wie Cornelius und andere genauso in Zungen sprachen, wie sie selbst es getan hatten, als sie an Pfingsten den Geist empfingen, zogen die Apostel den Schluss, dass diese Heiden dann auch denselben Geist auf dieselbe Art empfangen haben mussten (s. Apg 10:45-46, 11:1-18, bes. Vers 1-3 und 17-18). Der Geist tat also sein Herabkommen durch die Gabe des Zungenredens kund. Die Verleihung der Gabe des Zungenredens geschah damit nicht, weil diese Heiden per se gerettet waren, und sie war auch nicht irgendein sekundärer Akt, sondern vielmehr ein öffentliches Zeichen dafür, dass der Geist nun auch in Heiden leben würde. Auch sie waren also Mitglieder von Gottes Kirche, und es sollte keine Trennung zwischen Juden und Heiden darin geben. Beider Herr ist derselbe Gott, das begannen die Apostel nun zu begreifen!

Auch wenn die Gabe des Zungenredens in Apostelgeschichte 8 nicht erwähnt wird, so ist doch auch das Herabkommen des Geistes auf die Samariter in einer Weise dargestellt, die das Motiv der Einigkeit hervorhebt. Die Apostel Petrus und Johannes verließen Jerusalem, um dem Bericht über die Samariter nachzugehen. Das deutet darauf hin, dass in ihren Köpfen Zweifel über die Echtheit der Bekehrung der Samariter waren (Apg 8:14-17). Aber wenn sie sahen, dass diese Menschen das Wort des Herrn empfangen hatten, legten sie ihnen die Hand auf und die Samariter empfingen den Heiligen Geist. Auch hier ist das spätere Kommen des Geistes – nach dem Empfängnis des Wortes Gottes – nicht so gedacht, dass es für zukünftige Christen immer auch so sein würde (s. Eph 1:13-14). Es sollte vielmehr die Einigkeit betonen, die nun zwischen Juden und Samaritern herrschen sollte – zwischen zwei Gruppierungen also, die sich immer gegenseitig gehasst hatten (s. Joh 4:9). Das Handauflegen der Apostel ist wie ein Stempel der Authentizität und bestätigt, dass sie die Bekehrung der Samariter anerkennen, war für die Errettung selbst aber andererseits nicht notwendig (wie man an den 3000 sieht, die sich am Pfingsttag bekehrt hatten).

Die Verleihung der Gabe des Zungenredens und das Herabkommen des Geistes im Buch der Apostelgeschichte sind also Zeichen, mit denen Lukas vorrangig den Wunsch des Geistes verdeutlichen will, dass es innerhalb der Kirche keine Spaltungen gebe. Der Geist lehrt uns in der Apostelgeschichte nicht, dass er zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt kommt (das widerspricht dem Kernpunkt der Erzählungen in der Apostelgeschichte), sondern dass er gleichermaßen über alle kommt, die die frohe Botschaft glauben, damit sie alle in Einigkeit unter der Herrschaft Christi leben mögen. Das trifft auch im Falle der Jünger von Johannes dem Täufer zu. Auch sie empfingen denselben Geist, als Paulus ihnen die Hand auflegte. Der Geist verzögerte hier sein Kommen aus ebendiesem Grund, dass diese Menschen mit den anderen Mitgliedern der Kirche vereint werden sollten.

Noch viel mehr könnte über die geistigen Gaben gesagt werden, doch der Platz reicht dafür nicht aus. Lassen Sie alles zum Nutzen des Leibes geschehen und brechen Sie über diese Dinge keinen unnötigen Streit vom Zaun. Möge Gott seiner Kirche Weisheit, Kraft und Liebe bei der Vervollkommnung und Ausübung der Gaben verleihen, die sie von Ihm empfängt.


44 Es gibt noch einen anderen Ausdruck im hebräischen AT, nämlich hd*u@, das Israel als eine „zeremonielle Gemeinschaft“ bezeichnet, in deren Zentrum der Kult oder das Gesetz steht. Dieser Ausdruck wird jedoch nie mit ekkle„sia übersetzt. Siehe Jack P. Lewis, “qahal”, in Theological Wordbook of the Old Testament [Theologisches Wörterbuch des Alten Testaments] (Chicago: Moody, 1980), S. 789-790; Lothar Coenen, “Church” [“Kirche”] in The New International Dictionary of New Testament Theology [Neues internationales Wörterbuch des Neuen Testaments], Hrsg. Colin Brown (Grand Rapids: Zondervan, 1975), 1:291-295.

45 Vgl. BAGD, S. 240-241.

46 Seine Rechtfertigung dieser Aussagen findet sich in George Eldon Ladd, A Theology of the New Testament [Eine theologische Betrachtung des Neuen Testamentes], überarb. Aufl.., Hrsg. Donald A. Hagner (Grand Rapids: Eerdmans, 1993), S. 109-117.

47 Für eine vertiefte Diskussion dieser drei grundlegenden Formen der Kirchenleitung, siehe Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 1069-83; Leon Morris, “Church Government” [„Kirchenleitung“] in: Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikales Wörterbuch der Theologie], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 238-41; D. MacLeod, “Church Government” [“Kirchenleitung”] in: New Dictionary of Theology [Neues Wörterbuch der Theologie], Hrsg. Sinclair B. Ferguson, David F. Wright und J.I. Packer (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 143-146.

48 Die „Älteren“ werden im NT auch als „Hirten“, „Aufseher“ und „Bischöfe“ bezeichnet. Siehe Grudem, Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 913-914. Diese Ansicht ist zwar keineswegs sicher, aber dennoch gut vertretbar.

49 Sie werden manchmal auch als „Sakramente“ bezeichnet. Für Manchen legt der Begriff „Sakrament“ die Vorstellung nahe, dass entweder eine Teilnahme an diesen Riten Voraussetzung für die Erlösung ist oder aber dass sie aus sich selbst heraus und unabhängig vom Glauben des Teilhabenden wirksam sind. So werden sie tatsächlich oft in der Katholischen Kirche verstanden.

50 Siehe BAGD, s.v., baptizo„. Siehe auch A. Oepke, “baptizo„” in TDNT, 1:529-546.

51 Matthäus gebraucht den Ausdruck anebe„ apo tou hudatos (Mat 3:16) und Markus sagt anabaino„n ek tou hudatos (Mar 1:10). Beides deutet darauf hin, dass Jesus und Johannes im Wasser und nicht nur an seinem Rande waren.

52 Derselbe Ausdruck, der beschreibt, wie Jesus wieder aus dem Wasser heraufsteigt, wird auch für den Eunuchen benutzt (nämlich avebe„san ek tou hudatos).

53 Siehe Wallace, Exegetical Syntax [Exegetische Syntax], S. 369-371.

54 In dieser oder ähnlicher Form wird in der Apostelgeschichte am häufigsten davon gesprochen, dass jemand getauft wird.

55 Von der Auslegung her ist es unhaltbar, manche Gaben dem Sohn, andere dem Vater und wieder andere dem Geist zuzuschreiben. Obwohl dies in einigen Kirchen gängig ist, trägt es doch nicht zum Verständnis der Gaben oder des gemeinschaftlichen Handelns der Dreieinigkeit bei. Außerdem basiert diese Vorstellung auf einem Missverständnis und einer Harmonisierung der entsprechenden Bibeltexte. Es handelt sich dabei um ein klassisches Beispiel für den Fehlschluss eines Tertium non datur.

Related Topics: Ecclesiology (The Church)

9. Eschatologie: Die Endzeit

Der Begriff „Eschatologie“ leitet sich von den beiden griechischen Begriffen e[scato und lovgo ab, die grob gesagt „das Letzte“, „das Ende“ oder „das Endgültige“, bzw. „die Lehre vom“ bedeuten. Theologisch gesehen bezieht sich also der Begriff Eschatologie auf „die Lehre von den letzten Dingen“ in der Bibel. Das betrifft sowohl auf den Einzelnen bezogene eschatologische Themen wie den Tod oder den Zwischenzustand, als auch Themen mit allgemeinerem bzw. die Allgemeinheit betreffenden Bezug. Zum Letzteren gehören Konzepte wie die Wiederkunft Christi, die Auferstehung, das Gericht, die große Bedrängnis, das tausendjährige Reich und die Ewigkeit.

Eschatologie auf individueller Ebene

Die biblische Darstellung der Eschatologie enthält sowohl individuelle als auch allgemeine Aspekte. Was das Individuelle betrifft, so wird jeder Mensch den leiblichen Tod und den Zwischenzustand durchmachen. Diesbezüglich gibt es zwar einige wenige Ausnahmen in der biblischen Aufzeichnung (z.B. Henoch, und – in der Zukunft – diejenigen Christen, die gerade dann leben, wenn der Herr wiederkehrt und dann offenbar nicht durch den leiblichen Tod gehen, sondern sofort ihren Auferstehungsleib erhalten), aber im Großen und Ganzen können alle Menschen „sich darauf verlassen“, dass sie die Erfahrung des physischen Todes machen werden (Heb 9:27), der von einer Zwischenphase bewusster Existenz bis zur Auferstehung des Leibes gefolgt sein wird.

Der leibliche Tod wird in der Schrift als die Trennung der Seele bzw. des Geistes vom Körper beschrieben, und das bedeutet unmittelbar den Untergang und das Ende des physischen Leibes. Jakobus sagt, dass der Leib ohne den Geist tot sei, und der Schreiber des Predigerbuches sagt über den Tod im Allgemeinen, dass der Leib zu dem Staub zurückkehrt, aus dem er kam, und der Geist zu Gott, der ihn gab (Pr 12:7; vgl. Gen 2:7, 3:19).

Aber der Gebrauch des Todesbegriffs beschränkt sich in der Schrift nicht nur auf den leiblichen Tod. Vielmehr wird dieser Begriff auch zur Beschreibung des geistlichen Zustands aller Menschen (mit Ausnahme von Christus) benutzt, die in diese Welt hineingeboren wurden. So sagt der Apostel Paulus, dass wir „geistlich tot in der Sünde“ sind, bis wir mit Christus lebendig gemacht werden (Eph 2:1-6). Weil wir geistlich tot sind, bringen wir die Werke des Todes, der Finsternis und der tiefen Unkenntnis Gottes hervor (Eph 4:17-19).

Auf diejenigen aber, die im Zustand des geistlichen Todes sterben, kommt noch ein weiterer Tod zu, und dieser Tod ist bleibend, ohne jede Hoffnung auf Veränderung oder Befreiung. Er wird als der zweite Tod bezeichnet und führt in einen Zustand dauerhafter Ausscheidung aus der gnädigen Gegenwart Gottes. Er stellt die ewige Strafe dar für die Sünde und die Absage an Gottes Gegenwart in Christus. In Offenbarung 21:8 wird er als der zweite Tod bezeichnet.56 Und das sagt Johannes über ihn:

Offenbarung 21:8 Die Feigen aber, die Ungläubigen, die Verabscheuungswürdigen, die Mörder, die Hurer und die, die Zauberkünste ausüben, die Götzenanbeter und alle Lügner, ihr Platz wird in dem See sein, der mit Feuer und Schwefel brennt. Das ist der zweite Tod.

Zuvor sagt Johannes in Offenbarung 20:6, dass diejenigen, die an Christus glauben, den zweiten Tod nicht erleiden müssen.

Offenbarung 20:6 Selig ist und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat. Über diese hat der zweite Tod hat keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein, und sie werden mit ihm zusammen tausend Jahre lang regieren.

Der leibliche wie auch der geistige Tod sind das Ergebnis von Adams Sünde (1.Ko 15:21)57. Adam, als dem Menschen par excellence, wurde um den Preis des sicheren Todes befohlen, nicht von der Frucht des Baumes zu essen (Gen 2:17). Diese „Todesstrafe“ beinhaltete mehr als nur den geistlichen Tod, denn dem Menschen wurde es dadurch verwehrt, den Garten wieder zu betreten, vom Baum des Lebens zu nehmen und in seinem sündigen Zustand ewig zu leben (Gen 3:23-24). Die Strafe des Todes für die Sünde beinhaltete also den leiblichen ebenso wie den geistlichen Tod (vgl. den immer wiederkehrenden Vers „und starb“ in Genesis 5).58

Das existenzielle Problem des Todes ist so leidvoll, dass viele Menschen darüber alle Hoffnung und Lebensmut verlieren. Für einen Christen aber hat der Tod nicht das letzte Wort und „Verloren“ ist nicht das letzte Wort in dieser Sache. So traurig, Furcht einflößend und schwierig die Erwartung und Erfahrung des Todes auch ist (Apg 8:2; Php 2:27), hat doch der Christ aufgrund der Auferstehung Christi und durch den Dienstes des ihm innewohnenden Geistes die feste Zusage, dass die Auferstehung und das Leben mit Gott sein/ihr endgültiges Schicksal sein wird (1.Th 4:13). Während wir nun um unsere verstorbenen Lieben trauern, trauern wir nicht für sie – denn insofern sie an Christus glauben, sind sie beim Herrn –, sondern wir trauern für uns selbst in unserem schwer wiegenden und tief empfundenen Verlustgefühl. Wollen wir also in Zeiten der Not zum Thron der Gnade kommen, um dort Barmherzigkeit zu finden und Gnade über Gnade zu empfangen (Heb 4:16). Unserem Herr Jesus Christus sind die Leiden des Todes nicht fremd (1.Ko 15:55-57).

Es ergibt sich allerdings die Frage, was mit den Menschen nach ihrem Tod und vor ihrer Auferstehung geschieht. Diese Zeit wird von Theologen oft als der „Zwischenzustand“ bezeichnet. Verschiedene Antworten sind schon auf diese Frage gegeben worden. Erstens vermuten manche Menschen, dass die Seele bis zur Auferstehung des Leibes in einen bewusstlosen Schwebezustand eintritt.59 Im Allgemeinen behaupten diejenigen, die diesen „Seelenschlaf“ – wie er oft genannt wird – vertreten, dass etwas in der Art gemeint sei, wenn vom „Entschlafen“ eines Christen im Herrn die Rede ist (vgl. 1.Th 4:13-15). Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass „Schlaf“ hier etwas anderes sein soll als eine Metapher (ein Euphemismus) – aus der Sicht trauernder Christen, die noch am Leben sind –, um die geliebten verstorbenen Christen zu bezeichnen, die eines Tages „erwachen“ werden, um im Leben nach der Auferstehung mit Christus (und mit Freunden und Familie) beisammen zu sein. Die Bedeutung dieser Metapher liegt also nicht darin, dass die Verstorbenen sich nun in einem Zustand der Bewusstlosigkeit befänden, sondern darin, dass der Tod nicht ihr endgültiges Schicksal ist – vielmehr ist das das Leben mit Christus nach der Auferstehung (siehe Joh 11:11-14)! Die Metapher zeigt, dass der Tod für einen Christen nur vorübergehend ist. Zudem bekundet auch die Geschichte von Lazarus in Lukas 16:19-31 eine bewusste Existenz nach dem Tode und keinen „Schlaf“ in dem Sinne, wie ihn die Anwälte des „Seelenschlafes“ oft behaupten.

Zweitens vertritt die römisch-katholische Theologie üblicherweise die Meinung, dass die Seelen der Gläubigen noch nicht vollständig geläutert seien und daher ins Fegefeuer gehen, um dort Reinigung und Vorbereitung auf den Himmel und die Gegenwart Gottes zu erfahren. Die Katholiken begründen diese Doktrin häufig mit Elementen aus der kirchlichen Tradition und mit Texten wie (unter anderem) 2.Makkabäer 12:42-45, wo gesagt wird, dass Judas Makkabäus Geld sammelte und als ein Sühneopfer nach Jerusalem schickte, um dadurch „die Toten zu entsühnen, damit sie von ihren Sünden befreit würden“ (NRSV [New Revised Standard Version]). Weitere NT Textstellen, die zur Unterstützung dieser Doktrin herangezogen werden, sind unter anderem Matthäus 5:26 und 12:32, 1.Korinther 3:15 und 2.Timotheus 1:18. Selbst ein kurzer Blick auf diese Stellen offenbart uns aber, dass es nicht legitim sein kann, die Doktrin vom Fegefeuer aus ihnen herauszulesen. Außerdem wird eine solche Behauptung ganz offensichtlich durch den gesamten Tenor der neutestamentarischen Theologie widerlegt und auch durch die Tatsache, dass man jetzt an Christus glauben muss, um erlöst zu werden. Die Apostel sahen nur für denjenigen Hoffnung, der persönlich und in diesem Leben an Christus glaubt.

Drittens gibt es bezüglich des Zwischenzustands auch noch die Auffassung von der „augenblicklichen Wiederauferstehung“. Nach dieser Ansicht – die in unterschiedlicher Form von F.F. Bruce, W.D. Davies und anderen dargelegt wurde – gibt Paulus einem Zwischenzustand der körperlosen Existenz keinen Raum, sondern lehrt in 2.Korinther 5, dass der Christ bei seinem Tode unmittelbar einen Auferstehungsleib empfange, der gegenwärtig noch in der ewigen Ordnung verborgen sei. Diese Interpretation von 2.Korinther 5 ist aber bestenfalls zweifelhaft (vgl. 5:9); und die – oft im Zusammenhang mit einer streng monistischen Anthropologie geäußerte – Annahme, dass der Mensch unbedingt einen Körper brauche, weil er sonst aufhöre zu existieren, muss aufgrund der Schrift (wie oben ausgeführt) klar verworfen werden.

Viertens besteht eine bessere Sichtweise des Zwischenzustandes darin, dass die entleibten Seelen der Gläubigen bei Christus sein (2.Ko 5:8-9) und dort darauf warten werden, dass sie bei seiner Wiederkehr einen Auferstehungsleib erhalten. Der Apostel Paulus sagt, dass die Toten in Christus zum Zeitpunkt der Entrückung mit dem Herrn wiederkommen und dann alle auferstehen (d.h. Auferstehungsleiber empfangen) werden (1.Ko 15:22-23; 1.Th 4:14,16). Wer dagegen fern von Christus stirbt, fährt unmittelbar zur Hölle (Luk 16:23-24) und erwartet dort die Auferstehung zum Gericht (Joh 5:28-29; Mat 25:46).60 In der Schrift gibt es wohl kaum Hinweise darauf, dass wir unmittelbar nach unserem Tode einen Auferstehungsleib empfangen. Vielmehr liegt die Betonung offensichtlich auf einer späteren, zeitgleich mit der Wiederkunft des Herrn geschehenden, Auferstehung der Gläubigen wie auch der Ungläubigen.

Bezüglich der Auferstehung haben sich nun also einige Fragen ergeben. Bevor wir uns aber damit beschäftigen, wollen wir zuallererst einmal festhalten, dass alle Gläubigen ganz gewiss in Auferstehungsleibern verherrlicht werden sollen. Diese Doktrin wird in der Schrift und während der gesamten Kirchengeschichte eindeutig gelehrt (Joh 5:28-29; Rö 8:11; 1.Ko 15:12-58; 2.Ko 5:1-10).

Als Erstes fragen manche Menschen nach der Natur des Auferstehungsleibes. Diese Frage wird gelegentlich so beantwortet, dass unsere Leiber keine eigentliche Körperlichkeit haben werden, da Paulus ja sagte, dass „Fleisch und Blut“ das Reich Gottes nicht erben können (1.Ko 15:50). Diese Sichtweise hat aber einige Schwachpunkte. Erstens ist es unwahrscheinlich, dass Paulus durch „Fleisch und Blut“ den Gegensatz zwischen Nicht-Materiellem und Materiellem ausdrücken will. Vielmehr will er, wie der nachfolgende Satz in 1.Korinther 15:50 zeigt, das Vergängliche (unseren Körper, wie er gegenwärtig unter Adam und der Sünde existiert) dem Unvergänglichen (unserem verherrlichten Leib) gegenüberstellen. Zweitens geht aus der Schrift ziemlich klar hervor, dass Jesu Auferstehungsleib physisch war (Luk 24:39; Joh 20:27; 1.Ko 15:49); und da der unsere nach seinem Vorbild gestaltet ist, können wir davon ausgehen, dass er auch physisch sein wird (Php 3:21). Das heißt nicht, dass unser auferstandener Leib all die Beschränkungen aufweisen wird, denen wir jetzt noch unterworfen sind, sondern es heißt, dass wir tatsächlich einen Körper haben werden (und der wird vielleicht, wie der auferstandene Jesus, zu viel mehr in der Lage sein, als wir uns derzeit auch nur vorstellen können).

Eine weitere Frage, die sich stellt, ist die nach der Identität zwischen der verstorbenen und der auferstandenen Person. Philosophen und Theologen, die an einem monistischen Menschenbild festhalten, können sich noch nicht einmal im Ansatz vorstellen, dass eine Person unabhängig von ihrem Körper existieren könnte, d.h. dass es eine immaterielle Seele gibt. Für sie gibt es also entweder gar kein Leben nach dem Tod, oder – so die Meinung mancher christlicher Theologen – Gott muss die Person bei der Auferstehung wieder neu erschaffen; eine körperlose Existenz ist jedenfalls unmöglich. Daraus erhebt sich dann die Frage nach der persönlichen Identität und danach, wer eigentlich von den Toten auferweckt wird, nachdem eine Person gestorben ist. Für überzeugte Monisten und auch für manch anderen mag das ein Problem darstellen, doch die Schrift spricht ganz eindeutig über die Identität zwischen der verstorbenen Person einerseits und der nachfolgend wieder auferweckten Person andererseits: Sie sind identisch und er/sie ist noch dieselbe Person. Körperlichkeit oder Physis ist keine wesentliche Voraussetzung für Personhaftigkeit, wie uns die Personhaftigkeit Gottes und der Engel lehrt. Noch einmal: Dem unter christlichen Philosophen und Theologen verbreiteten Monismus zum Trotz bezeugt die Schrift eine Anthropologie des substanziellen Dualismus (der engen Verbindung zwischen komplexen materiellen und komplexen immateriellen Anteilen). Die Seele/Person überdauert den Tod und erwartet als solche die Auferstehung, bei der sie einen verherrlichten Leib empfangen wird.

Allgemeine Eschatologie

Die Wiederkunft Christi: Unstrittige Punkte

Sie kommt gewiss, wenn auch ihr Tag unbekannt ist

Eine siegesgewisse Hoffnung lebt in den Seiten des Neuen Testaments, und sie beruht darauf, dass Christus von den Toten auferstand, in den Himmel fuhr (wo er gegenwärtig in Erfüllung der davidischen Verheißung regiert) und eines Tages gewiss zurückkommen wird. Als die Apostel zusahen, wie Jesus in den Himmel aufstieg, erschienen, so erzählt uns Lukas, zwei weißgekleidete Männer und fragten sie: „Warum steht ihr da und schaut in den Himmel empor?“ Vielleicht brachten die Jünger, starr vor Staunen, ihre Anbetung dar; vielleicht dachten sie auch, dass Jesus jeden Augenblick zu ihnen zurückkehren würde. Jedenfalls setzte Jesus seinen Weg in den Himmel fort – die Männer aber sagten zu den Jüngern, dass er in der selben Weise (tropos), in der er jetzt in den Himmel auffuhr, eines Tages ganz gewiss zurückkehren würde (Apg 1:11). Das war dann folgerichtig der feste und weit verbreitete Glaube unter den frühen Christen. Paulus lehrte, dass „der Herr selbst vom Himmel herabkommen“ würde (1.Th 4:16), und Johannes erwähnt im Buch der Offenbarung häufig, dass darin die Hoffnung der Heiligen liege. In Vers 22:12 sagt Jesus: „Siehe, ich komme bald ...“, und das gleiche wiederholt er noch einmal in Vers 22:20. Darüber hinaus zeigt Offenbarung 22:20, dass jeder Christ in seinem Herzen für die baldige Wiederkunft Christi betete und beten sollte (s.a. Php 4:5; Heb 9:28; Jak 5:8, 2.Pe 3:10, 1.Jo 3:2-3).

Es mag viele Gründe für den festen Glauben der frühen Kirche an die persönliche Rückkehr Christi gegeben haben; keiner aber kann entscheidender gewesen sein als der, dass Jesus selbst sie lehrte. Christus kündigte in seiner großen Predigt auf dem Ölberg – in Übereinstimmung mit Daniels Vision vom Menschensohn – an, dass er ganz gewiss zurückkehren werde (Mat 24:3,30; Joh 14:3; Off 1:7).

Noch über einen weiteren wichtigen Aspekt sind sich die Schreiber der Evangelien einig: nämlich darüber, dass niemand den genauen Zeitpunkt der Wiederkunft weiß noch wissen kann. Nicht einmal Jesus selbst kannte den Tag seiner Wiederkehr; nur der Vater kennt ihn (Mat 24:36). Wir können also zwar die Zeichen erkennen (die übrigens von Anfang an geschehen sind), aber wir können die Stunde nicht wissen, zu der der Menschensohn zurückkehren wird. Tatsächlich lenkt das „Fristen-Setzen“ – wie es in gewissen Kreisen bekannt geworden ist – effektiv von dem ab, was wir eigentlich und eindeutig aufgefordert sind in seiner Abwesenheit zu tun: ihm mit Weisheit und Bedacht zu dienen, in der Erwartung seiner sicheren Wiederkehr (Mat 24:36-25:30). Die Faszination am genauen Festlegen eines Datums entspringt aus einem Herzen, das Christus wenig oder gar nicht kennt. So bringt man ahnungslose Menschen, theologisch gesehen, auf eine „Kaninchenfährte“, nur um am Ende festzustellen, dass man gemeinsam mit all seinen Anhängern in die Falle geraten ist. Manch ein Kult und manche eigenwillige christliche Gruppierung legen von dieser Tatsache Zeugnis ab.

Ich will damit nicht sagen, dass eschatologische Lehren unwichtig wären – ganz im Gegenteil. Ich meine damit nur diejenigen, die 88 Gründe dafür angeben, dass die Entrückung 1988 stattfindet. Solche Menschen befinden sich auf Abwegen, und niemand (sei er Christ oder nicht) braucht auf sie zu hören. Tatsächlich legt Christi Lehre selbst uns nahe, dass wir diese Menschen ignorieren sollten. Bezüglich der Eschatologie müssen wir uns also den biblischen Standpunkt zu Eigen machen; und wir sollten uns definitiv nicht in einen Widerspruch zu den eindeutigen Aussagen der Schrift begeben (z.B. dass Jesus selbst sagt, er kenne den Zeitpunkt seiner Wiederkehr nicht) – nur aus dem trügerischen Bestreben heraus, das Unerforschliche zu wissen.

Sie wird persönlich, leibhaftig und für alle sichtbar geschehen

Die zum Teil aus liberalen Kreisen stammende Vorstellung, dass Jesus geistig und nicht leibhaftig wiederkehren werde, ist mit vielen Schriftstellen schwerlich in Einklang zu bringen und wohl eher Ausdruck dessen, dass allgemeine Vorurteile gegen das Übernatürliche in den Text hineingetragen werden. Die Darstellung in Apostelgeschichte 1:11 ist, wie oben gesagt, ganz sicher die einer persönlichen, leiblichen Wiederkehr; und die Aussage „jedes Auge wird ihn sehen“ erhält ihre unmittelbarste Bedeutung nur dann, wenn man Jesu Wiederkehr als leiblich annimmt (Mat 24:30). Auch Paulus lehrte, wie erwähnt, dass der Herr selbst wiederkommen wird (1.Th 4:16).

Sie wird prachtvoll sein

Die Wiederkunft Christ wird nicht in einem verborgenen „Stall“ in einer kleinen Stadt in Juda geschehen. Während seine erste Ankunft noch weitgehend unbemerkt von der Welt stattfand (und dennoch war sie in Johannes’ Augen herrlich), wird seine Wiederkunft nicht unbemerkt bleiben. Jesus mahnt seine Jünger, nicht jedem hinterherzulaufen, der da behauptet „Schaut! Hier ist der Christus“ oder „Schaut! Dort ist der Christus“ (Mat 24:23). Laut Jesus gibt es zwei Gründe, warum wir uns nicht mit solchen müßigen Spekulationen abgeben sollen. Erstens wird manch falscher Christus erscheinen und viele täuschen. Zweitens wird es dann, wenn er wiederkommt, keinen Zweifel mehr darüber geben. Mit anderen Worten: Man muss nicht hierhin und dorthin rennen und rufen „Hier ist er!“, denn „so wie der Blitz, der im Osten aufleuchtet, sichtbar ist bis zum Westen, so wird das Kommen des Menschensohnes sein“ (Mat 24:27). In der Tat wird es Zeichen von kosmischen Ausmaßen im Zusammenhang mit seinem Kommen geben (Mat 24:29).61

Er wird als Richter und Retter kommen

Ein Zwillingsthema wird in den Berichten der Evangelisten mit dem Kommen des Menschensohnens assoziiert: das Gericht über die Ungläubigen und die Erlösung/Belohnung der Erwählten. Jesus ist bei seiner Rückkehr zunächst also sowohl Richter als auch Retter (Mar 13; Luk 21).62

Jesus sagt, dass in der Zeit vor seinem Kommen viele um seinetwillen verfolgt und getötet werden (Mat 24:9-12); wer aber bis zum Ende fest bleibt, wird erlöst (d.h. „gerettet“) werden. Nach der Zeit der großen Bedrängnis – von der Christus sagte, dass sie um der Erwählten Willen verkürzt werden wird (24:22), – wird er also zurückkehren und sein Eigen von den vier Winden her sammeln. Aber er wird auch richten über seine Feinde und über all jene, die sein Kommen gering geachtet haben. Das sind dann die, von denen gesagt ist: sie werden „wehklagen“ (24:30), sie werden „in Stücke gehauen“ und ihnen wird „ein Platz unter den Bösen zugewiesen“ werden (24:51), sie sind „töricht“ und werden vom „Festmahl“ ausgeschlossen werden (Mat 25:3,10-12), sie sind „böse, faule Knechte“ und „wertlose Knechte“, die am „Glück ihres Herrn“ nicht teilhaben, sondern „hinaus in die Finsternis geworfen werden, wo da Heulen und Zähneknirschen sein wird“ (25:23,26,30). Der König wird sie als die Böcke aussondern und zusammen mit dem Teufel und seinen Engeln in das ewige Feuer werfen (25:41). Sie werden „ewige Strafe“ für ihre Sünden empfangen (25:46).

Ein ganz anderes Schicksal erwartet auf der anderen Seite die Gerechen in der Hand des souveränen Herrn. Er ist ihr Befreier (1.Th 1:10) und wird sie – bei seiner Wiederkehr – von den vier Winden her einsammeln (Mat 24:31), denn sie haben bis zu seinem Kommen gewacht (24:42). Sie sind die klugen Knechte und ihnen wird noch viel mehr anvertraut werden (24:47). Sie sind die klugen Jungfrauen, die auf sein Kommen und das Fest vorbereitet waren und daher mit ihm hinein gingen (25:10). Sie verwalteten auch ihre gottgegebenen Talente wohl und ihnen wurde noch viel, viel mehr anvertraut (25:29). Am Ende werden die Gerechten ihr Erbe empfangen, nämlich das Reich, das vom Anbeginn der Welt für sie vorbereitet ist (25:34). Sie werden ewiges Leben erben (25:46).

Die Wiederkunft Christi: Strittige Punkte unter Evangelikalen

Die „unmittelbare“ Wiederkunft Christi

Unter den Evangelikalen bestreitet niemand die biblische Tatsache, dass Christus irgenwann in der Geschichte leiblich zurückkehren wird. Aber über die genaue Art, wie dies geschehen wird, und über die unmittelbaren Auswirkungen seiner Wiederkehr werden verschiedentlich Diskussionen geführt. Fragen über die Art seiner Wiederkehr ergeben sich dadurch, dass es zweierlei Arten von Texten gibt: Texte, die über eine unmittelbare Wiederkunft sprechen (d.h. Christus könnte jeden Moment zurückkehren)63, und Texte, die so klingen, als müssen bestimmte Ereignisse erfüllt (d.h. geschehen) sein, bevor Christus wiederkehren kann. Bibelstellen wie Matthäus 24:42-44 und Lukas 12:40 lehren anscheinend, dass der Herr jeden Moment kommen könnte, während andere Passagen eher so verstanden werden können, dass, bevor Christus wiederkehrt, das Evangelium in der ganzen Welt verkündet sein muss (Mat 24:14), die große Bedrängnis eintreten muss (Mat 24:21), der Mensch der Gesetzlosigkeit erscheinen muss (2.Th 2:3) und „ganz Israel“ gerettet sein muss (Rö 11:25-32). Wieder andere Texte sprechen über „Zeichen“, die geschehen müssen (Mat 24:4-14). Jedenfall scheinen diese letzteren Textstellen darauf hinzudeuten, dass Sein Kommen eigentlich nicht unmittelbar sein kann, da ihm ja bestimmte Zeichen vorausgehen müssen. Um zu einer Synthese all dieser Aussagen zu gelangen, wurden verschiedene Lösungen angeboten.

Für viele liberale Theologen ist es nun typisch, dass sie – in ihrem ständigen Bestreben, die ethischen und universellen Aspekte des Gottesreiches innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen hervorzuheben – den obigen Widerspruch einfach durch die Behauptung lösen wollen, dass sich sowohl Jesus als auch Paulus im Hinblick auf die Wiederkunft irrten. Sie seien in einem antiquierten und unwissenschaftlichen jüdischen Apokalyptizismus befangen und bezüglich der leiblichen Wiederkehr schlicht im Irrtum gewesen, und daher sei für jede so genannte Wiederkunft die Behauptung unzutreffend, dass diese unmittelbar eintreten würde.

Erstens muss wohl nicht gesagt werden, dass die Schreiber der Bibel in der Tat eine ganz andere Weltsicht hatten als ihre liberalen Exegeten des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts. Die Weltsicht der Ersteren lässt göttliche Intervention und Wunder zu, während die der Letzteren das Christentum auf eine nette (naive?) Ethik reduziert und für das Übernatürliche wenig oder gar keinen Raum lässt. Kurz gesagt: der moderne Liberale spricht aufgrund seiner Verpflichtung auf das so genannte wissenschaftliche Paradigma an dieser Stelle zwangsläufig so über die Bibel, als müsse er versuchen, das Missverständnis von Jesus und Paulus aus der Welt zu schaffen. Aber was dann übrig bleibt, hat mit dem Christentum nichts mehr zu tun, sondern ist nur noch irgendeine beliebige, kraftlose Religion. In der Schrift jedenfalls wird die leibliche Wiederkehr Christi eindeutig gelehrt (z.B. Apg 1:11), und daher betrachtet der kundige Christ den Liberalen in diesem (und in vielen weiteren, ähnlichen) Punkten als unwissend und in ungesunder Weise mit der veralteten und unhaltbaren Weltsicht des Modernismus verheiratet.

Wir sollten uns zweitens auch bewusst machen, dass die Art, wie die biblischen Schreiber selbst die Prophezeiungen betrachteten, ebenfalls eine Rolle spielt. Der Gebrauch von Worten wie „bald“ (Off 22:12) und Ausdrücken wie „noch über eine kleine Weile“ (Heb 10:37) in Verbindung mit dem Kommen Christi bedeutet nicht, dass sie dachten, diese Ereignisse würden sogleich eintreten, sondern nur, dass sie die Zukunft als eine unmittelbare Realität wahrnahmen. Auf diese Weise, d.h. durch die prophetische Verkürzung der Perspektive, ist ihre Botschaft für jede Generation nützlich und anwendbar. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bessere und bibelgerechtere Lösungen für diese Frage gibt als die von den unterschiedlichen Spielarten des Liberalismus angebotenen.

In dem Versuch, die Diskrepanzen zwischen den oben erwähnten zwei Arten von Texten zu überbrücken, stellen sich einige evangelikale Wissenschaftler auf den Standpunkt, dass das Kommen Christi kein unmittelbares Ereignis sei, sondern ihm bestimmte andere Ereignisse vorausgehen müssten. Sie geben damit den Texten Vorrang, die die Betonung auf „später“ legen, und betrachten die erstere Gruppe der „Unmittelbarkeits“-Texte aus diesem Blickwinkel. Louis Berkhof sagt beispielsweise, dass Jesus, wenn er in bestimmten Situationen über sein Kommen sprach, „sein Kommen in geistiger Macht zu Pfingsten, manchmal auch sein Kommen zum Gericht bei der Zerstörung Jerusalems“ gemeint habe. Berkhof betont auch, dass das Gleichnis von den Pfunden erzählt worden sei, um die Vorstellung zu korrigieren, das Reich Gottes werde sogleich kommen (Luk 19:11), und dass Jesus und Paulus bei vielen anderen Gelegenheiten gesagt hätten, dass das Reich erst mit Verzug kommen werde (Mat 25:5; 2.Th1:2). Kurz gesagt, vertritt Berkhof die Meinung, dass alle Texte, die von einer unmittelbaren Wiederkunft sprechen, im Lichte derjenigen Textstellen verstanden werden sollten, die von Verzug sprechen. Für ihn stellen die Voraussagen über den „Ruf an die Völker“, die „Fülle Israels“, die „große Apostasie und Bedrängnis“, die „kommende Offenbarung des Antichrist“ und alle möglichen „Zeichen und Wunder“ den Kern dar, um den herum die anderen Texte angeordnet werden müssen.64 Unter dem Strich kommt bei dieser Vorgehensweise heraus, dass die Bibel bezüglich der Wiederkunft Christi keine Unmittelbarkeit, sondern nur Verzug lehrt. Nicht jeder stimmt ihm da jedoch zu.

So ist, bei allem Respekt, Grudem anderer Auffassung als Berkhof. Er meint, Berkhofs Lösung sei zu einseitig und werfe zwei miteinander zusammenhängende Probleme auf: (1) annulliert sie die Mahnungen zu wachen und bereit zu sein für Christi Wiederkehr, da sie ja im Wesentlichen lehrt, dass Christus nicht jeden Moment kommen kann, und (2) legt sie die „Zeichen“ für das Erscheinen Christi in einer Weise aus, wie es in der Schrift nicht beabsichtigt wurde, nämlich als Hinweise darauf, dass sein Kommen nicht mehr fern ist. Aber diese Zeichen wurden sicher vielmehr gegeben, um uns zu lehren, dass sein Kommen bereits vor der Tür steht!65

Nach Meinung mancher Dispensationalisten liegt die Lösung für die besagten Widersprüche darin, dass sich die erstere Gruppe von Textstellen (d.h. die Texte, die von einer unmittelbaren Wiederkehr sprechen) auf eine geheime Ankunft Christi für seine Heiligen und deren Entrückung bezieht, während die zweite Gruppe von Texten von Christi Wiederkunft mit den Heiligen spricht, nach der er über die gesamte Erde herrschen wird. Damit wäre die Entrückung der Kirche unmittelbar, während die Wiederkunft – ein davon getrenntes Ereignis – von vielen Zeichen angekündigt und (in vielen Schemata) sieben Jahre nach der Entrückung stattfinden wird. Diese Auffassung hat den Vorteil, dass beide Arten von Texten ihre Aussage eindeutig und ohne Widerspruch zueinander treffen dürfen. Es ist jedoch dagegen eingewendet worden, dass man aus den Textstellen über die Wiederkunft des Herrn schwerlich zwei Ankünfte ableiten kann und dass die Darstellung der „Entrückung“ in 1.Thessalonicher 4:16-17 alles andere als geheim oder abgeschieden zu sein scheint (vgl. „ein lauter Zuruf“, „die Stimme des Erzengels“, „die Posaune Gottes“).

Eine weitere Lösungsmöglichkeit bietet die Auffassung, dass die Unmittelbarkeits-Stellen nicht über den objektiven Zeitpunkt und Ablauf von Christi Kommen sprechen, sondern über unser subjektives Erleben seiner Ankunft. Das Augenmerk liegt in den mahnenden Textstellen nicht auf Christi Wiederkunft per se, sondern vielmehr darauf, wie wir seine Wiederkehr erleben. Selbst wenn nämlich seine Rückkehr nicht geschehen kann, bevor nicht bestimmte Ereignisse eingetreten sind, wird es doch Menschen geben, die nicht bereit sind und sein Kommen erleben wie ein Dieb in der Nacht. Die Textstellen sagen damit nicht direkt etwas über den Zeitpunkt seiner Wiederkehr aus, sondern nur darüber, wie wir im Hinblick auf diese Wiederkehr leben sollten.

Diese Lösung betont offensichtlich einen wichtigen Aspekt der Texte, nämlich dass wir bereit sein müssen für Seine Wiederkehr. Letztendlich aber muss sie doch als unbefriedigend bewertet werden. Die Texte, die für eine Unmittelbarkeit sprechen – wie beispielsweise „Das Ende aller Dinge ist nahe“ (1.Pe 4:7) und „Ich komme bald“ (Off 22:12) – sprechen über objektive Tatsachen und nicht nur über unsere subjektive Verfassung zum Zeitpunkt seiner Wiederkehr.

Wieder ein anderer Lösungsansatz besagt, dass alle Zeichen bereits aufgetreten seien und Christus daher jeden Moment zurückkehren könnte. Auf diese Weise kann man den Abschnitten, die Christi Wiederkunft erst nach einer Reihe von bestimmten Ereignissen erwarten, vollen Glauben schenken. Es ergeben sich allerdings zwei Probleme. Erstens wurde die Doktrin von der unmittelbaren Wiederkunft Christi – wenn sie denn (wovon diese Sichtweise ausgeht) in der Schrift gelehrt wird – im Wesentlichen zur gleichen Zeit gelehrt wie die Doktrin vom Verzug. Das würde bedeuten, dass die Unmittelbarkeitshypothese erst zutraf, nachdem die entsprechenden Ereignisse eingetreten waren, zum Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Verkündigung aber unzutreffend war. Dadurch aber wird die Inspiration der Schrift in Frage gestellt. Zweitens scheint es, dass viele der Ereignisse, zum Beispiel die Verkündigung des Evangeliums und die große Bedrängnis, noch nicht erfüllt sind.

Schließlich gibt es auch noch die Sichtweise, dass die Wiederkunft als unmittelbar verstanden werden kann, wenn wir erkennen, dass sie zwar im Moment unwahrscheinlich ist, aber die Ereignisse vor der Wiederkunft – d.h. die weltweite Verkündigung des Evangeliums, die große Bedrängnis und die Bekehrung der Juden – bereits erfüllt worden sind. Die Stärke dieser Sichtweise besteht darin, dass beide Arten von Texten auf ihre Weise sprechen dürfen und dass sie ein gesundes Maß an Unsicherheit in der Auslegung vieler der relevanten Textstellen belässt. Die Schwäche dieser Betrachtungsweise liegt zugegebenermaßen darin, dass man sich, wie oben erwähnt, nur schwer vorstellen kann, dass die große Bedrängnis und die Reaktion der Juden, wie sie sich Paulus (56-57 n.Chr.) im Römerbrief vorstellte, schon eingetreten wären.66

Art und Zeitpunkt der Entrückung
      Das Wesen der Entrückung

Unter denjenigen, die der Auffassung sind, dass die Bibel eine „Entrückung“ der Kirche lehrt, gehen die Meinungen über die Art dieser Entrückung auseinander. Der Begriff [im Englischen: „rapture“; Anm. d. Ü.] stammt von dem lateinischen Wort rapio mit der Bedeutung „fortreißen“ und stellt damit den Versuch dar, die Bedeutung des griechischen Ausdrucks aJrpavzw (harpazo„) in 1.Thessalonicher 4:17 im Englischen wiederzugeben. Dort sagt der Apostel, dass die Heiligen, die zum Zeitpunkt der Wiederkehr des Herrn am Leben sind, gemeinsam mit den bereits verstorbenen Heiligen „plötzlich fortgerissen“ und dann gemeinsam dem Herrn in der Luft begegnen werden. Wie genau diese „Begegnung“ in der Luft und die darauf folgenden Ereignisse ablaufen werden, wird von einigen Wissenschaftlern infrage gestellt.

Manche vertreten diesbezüglich die Meinung, dass die Heiligen gemeinsam mit dem Herrn sofort wieder auf die Erde zurückkehren werden. Unter vielem anderen führen sie als Indiz dafür an, dass der Begriff ajpavnthsi (apante„sis, „treffen“) in Thessalonicher 4:17 ein Fachausdruck sei. Dieser Ausdruck, so sagen sie, wurde oftmals für eine besondere Delegation gebraucht, die vor die Stadttore ging, um einen ankommenden Würdenträger zurück in die Stadt zu eskortieren, und dies lasse darauf schließen, dass Christus und seine Heiligen unmittelbar zur Erde zurückkehren werden.67 Andere, wie zum Beispiel die meisten Dispensationalisten, vertreten dagegen die Meinung, dass die Kirche nach der Entrückung in den Himmel hinweggenommen werden und dort den Richterstuhl Christi (2.Ko 5:10) und die Hochzeit des Lammes (Off 19:7) erleben wird. Diese Auslegung geht davon aus, dass die spezifisch-fachliche Bedeutung des Begriffs apante„sis in diesem Falle nicht zutrifft, da ja die Heiligen nicht von sich aus hinausgehen, um den Herrn zu treffen, sondern vielmehr sozusagen „weggeschnappt“ werden. Zudem setzt die fachliche Bedeutung, selbst wenn sie gemeint ist, nicht voraus, dass der Herr sofort zur Erde zurückkehrt, sondern nur, dass er das überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt tut – und das, so sagen sie, wird nach der siebenjährigen Bedrängnis geschehen.

Die gegenwärtig bestehenden Fragen über das Wesen der Entrückung beziehen sich also nicht so sehr darauf, wie das Ereignis selbst sich gestalten wird, sondern eher darauf, was wohl gleich nachdem „wir uns in der Luft treffen“ geschehen wird. Werden wir unmittelbar anschließend zurückkehren, oder werden wir bis zum Ende der Großen Bedrängnis in den Himmel fahren? Diese Fragen stehen offensichtlich in engem Zusammenhang mit weiteren Fragen über den Zeitpunkt der Entrückung – und diesen Fragen werden wir uns nun zuwenden.

      Der Zeitpunkt der Entrückung

In diesem Kapitel soll nicht einem bestimmten Standpunkt der Vorrang gegenüber den anderen eingeräumt werden. Unsere Absicht ist es vielmehr, die verschiedenen Auffassungen einfach einmal vorzustellen und kurz zu kommentieren. Jede dieser Auffassungen findet gewisse exegetische und theologische Unterstützung, und jede dieser Auffassungen wird innerhalb der Evangelikalen von frommen und kundigen Laien wie auch von Wissenschaftlern vertreten. Damit sind diese Auffassungen nicht geeignet, um in irgendeiner Weise die Orthodoxie ihrer Vertreter zu überprüfen oder zu demonstrieren, und man sollte sie also auch nicht dazu benutzen. In jeder Zusammenfassung und Verallgemeinerung liegt ja das Risiko, dass man anhand eines Etiketts eine bestimmte Gruppe im Unterschied zu einer anderen zu identifizieren versucht – das kann aber auch hilfreich sein, solange der Leser im Auge behält, dass es innerhalb jedes Lagers kleinere und größere Unterschiede zwischen den einzelnen Vertretern und zwischen den Lagern auf vielen wichtigen Gebieten Übereinstimmungen geben kann.

Erstens also gibt es Wissenschaftler, die die Meinung vertreten, dass die Entrückung vor der Großen Bedrängnis geschehen wird. Sie werden dementsprechend als Prätribulationalisten bezeichnet. Dispensationalistische, prätribulationalistische Wissenschaftler wie Walvoord, Pentecost, Ryrie et al. versuchen zu zeigen, dass Gottes Volk zwar schon immer Prüfungen und Bedrängnis durchlitten hat, eine abschließende Zeit (7 Jahre) nie dagewesener Bedrängnis auf der Erde aber in Erfüllung der siebzigsten Woche im Buch Daniel (Da 9:24-27; Jer 30:7) erst noch bevorsteht. Die Kirche wird allerdings vor dem Beginn dieses Zeitraums entrückt werden (Off 3:10) und dann sieben Jahre später gemeinsam mit dem Herrn bei seiner Wiederkunft vom Himmel zurückkehren.

Ein kleinerer Zweig der Befürworter einer prätribulationalistischen Entrückung steht auf dem Standpunkt, dass nur eine partielle Entrückung stattfinden wird. Die Vertreter dieses Konzeptes sind der Meinung, dass nur die Getreuen in Christus die Entrückung vor der Großen Bedrängnis erleben werden; der Rest aber wird im Verlauf der Bedrängnis entrückt werden. So gesehen stellt die Entrückung eher eine Belohnung für die Getreuen als eine Befreiung der Kirche per se dar.

Zweitens äußern andere Wissenschaftler dagegen die Meinung, dass die Entrückung der Kirche nach der Großen Bedrängnis geschehen wird. Sie werden daher als Posttribulationalisten bezeichnet. Unter den diversen Theologen, die diesen Standpunkt vertreten, gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob es für die Große Bedrängnis einen umschriebenen Zeitraum geben wird (andererseits sind sich alle darüber einig, dass die Kirche von Anfang an in Bedrängnis gewesen ist). J. Barton Payne meinte, dass es keinen festgelegten Zeitraum für die Bedrängnis geben werde, während George Eldon Ladd von einem Zeitraum von dreieinhalb oder sieben Jahren für die Bedrängnis vor Christi Wiederkehr ausging. Beide stimmten aber darin überein, dass die Entrückung erst nach der Bedrängnis geschehen werde (unabhängig davon, ob es sich nun um eine allgemeine Bedrängnis oder die Große Bedrängnis handeln wird).

Die dritte große Richtung vertritt bezüglich der Entrückung der Kirche den mitttribulationalistischen Standpunkt, und die Vertreter dieser Sichtweise werden als Mitttribulationalisten bezeichnet. Ihrer Ansicht nach wird die Entrückung in der Mitte der siebenjährigen Bedrängnis stattfinden, bevor der Zorn Gottes sich schließlich mit voller Macht in den letzten dreieinhalb Jahren (vor der Schlacht von Armageddon) ergießen wird. Die Befürworter dieses Konzepts sind der Meinung, dass man die Ereignisse in Matthäus 24:10-27 und die anderen, von Daniel vorausgesagten Ereignisse der Bedrängnis, sowie die Predigt am Ölberg und Offenbarung 12:14 so am besten miteinander vereinbaren kann.68

Das Wesen des Millenniums (des 1000jährigen Reiches Christi)
      1. Postmillenniarismus

Die Lehre des Postmilleniarismus besagt, dass das Wirken des Geistes durch christliche Predigt- und Lehrtätigkeit im gegenwärtigen Zeitalter der Kirche (vor der Wiederkunft) schließlich bewirken wird, dass die Welt im Großen und Ganzen bekehrt und für Christus gewonnen wird. Dies wird uns in eine Welt führen, die durch allgemeinen Frieden statt Streit, allgemeines Wohlergehen statt Ungleichheit, Frömmigkeit statt Bosheit und so weiter gekennzeichnet ist, wobei die entsprechende Zeitdauer mehr oder weniger als eintausend Jahre betragen kann (da nach einigen postmillenniaristischen Auslegungen die 1000 Jahre aus Offenbarung 20:4-7 als Symbol für eine unabsehbare Zeitdauer verstanden werden können) und das Böse in beschränktem Ausmaß immer noch vorhanden sein wird. Damit konzentriert sich die Gedanken des Postmilleniarismus auf die gegenwärtigen Aspekte des Reiches Gottes und darauf, dass durch den Einfluss des Christentums viele Missstände in Ökonomie, Bildung und Gesellschaft beseitigt werden können. Eine gute Zusammenfassung der postmillenniaristischen Position gibt Kenneth L. Gentry:

Der Postmilleniarismus geht davon aus, dass das vom Geist gesegnete Evanglium Jesu Christi in unserem gegenwärtigen Zeitalter die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen für die Erlösung gewinnen wird. Der zunehmende Erfolg des Evangeliums wird vor Christi Wiederkehr in eine geschichtliche Ära führen, in der die Geschäfte der Menschen und Nationen mehr und mehr durch Glauben, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand geprägt sein werden. Nach einer längeren Zeit unter solchen Gegebenheiten wird der Herr sichtbar, leiblich und mit großer Herrlichkeit zurückkehren, um die Geschichte mit der allgemeinen Auferstehung und dem großen Gericht über die gesamte Menschheit zu beenden.69

Postmilleniarismus (oder postmilleniaristisches Gedankengut) findet sich, so wird gesagt, in der einen oder anderen Form bereits bei Eusebius von Cäsarea (260-340 n.Chr.) und Origines.70 Postmilleniaristische Ideen setzten sich auch im Denken einiger früher Reformatoren wie Theodor Beza (1519-1606) durch, sowie später bei Puritanern wie John Owen (1616-1683), Isaac Watts (1674-1748) oder dem brillianten Denker Jonathan Edwards (1703-1758). A.H. Strong (1836-1921), von 1872 bis 1912 Präsident des Rochester Theological Seminary, war ebenfalls ein geschickter Vertreter postmilleniaristischer Schriftauslegung in Amerika.

Meiner Meinung nach gibt es viele gute und hilfreiche Akzente im postmillenniaristischen Gedankengut. Erstens liegt in der Theologie vieler postmilleniaristischer Denker die Betonung auf Gottes souveräner Macht (mit der er seine Ziele verwirklicht), seiner Vorsorge (Christi Gegenwart, der Geist, das Evangelium) und seinem Vorsatz in Bezug auf die Welt. Das ist gut und löblich (und in unterschiedlichem Ausmaß auch in anderen eschatologischen Ideengebäuden zu finden). Zweitens bemühen sich die meisten Postmillenniaristen – auch wenn das in der Vergangenheit gelegentlich bezweifelt wurde – aufrichtig darum, die Doktrinen des Postmillenniarismus aus der Schrift heraus- und nicht in sie hineinzulesen.71 Die Autorität, mit der Christus die Kirche beauftragt, das Evangelium bis an das Ende der Welt zu tragen (Mat 28:16-20), das allmähliche Wachstum des Reiches, wie es in den Gleichnissen Christi (z.B. vom Senfkorn und vom Sauerteig) gezeigt wird, und das Wachsen der Kirche trotz schwerwiegender Widerstände – all das legt gewissermaßen Zeugnis für ein postmillenniaristisches Verständnis der Schrift ab.

Aber diese Sichtweise hat auch ihre Schwächen; und in der Tat sind die Probleme so groß, dass man schwerlich auf einer postmilleniaristischen Lesart der Schrift beharren kann. Vernichtende Kritik bringen deren Gegner vor allem darüber vor, dass das System als Ganzes gar nicht in der Lage ist, alle biblischen Lehren über das Eschaton unter einen Hut zu bringen, und dass offenbar keine seiner exegetischen Darlegungen wirklich explizit auf einen Postmillenniarismus hinausläuft. Ich selbst, zum Beispiel, konnte kein einziges exegetisches Argument in Gentrys Darstellung des Postmillenniarismus finden, das als spezifische Grundlage des Postmillenniarismus im Gegensatz zum Prä- oder Amillenniarismus dienen könnte. Zudem können auch diejenigen Textstellen, die häufig als Argument für den Postmillenniarismus herangezogen werden – und von denen auch Gentry einige anführt –, mit Leichtigkeit und sogar mit noch mehr Gewinn aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden.72 Um es noch einmal zu sagen: das System ist nicht in der Lage, einige wichtigen Texte (und Themen) adäquat zu behandeln, die das Zeitalter der Kirche als eines des Leidens beschreiben und die zeigen, dass die Hoffnung der Kirche nicht in einer Zeit der Gerechtigkeit ohne Christi physische Gegenwart liegen kann – und daraus erwachsen insgesamt Zweifel an der Richtigkeit dieser Sichtweise.73 Auch dass die Kirche nun schon 2000 Jahre lang besteht und trotzdem noch immer keine Anzeichen einer postmillenniaristischen Entwicklung in der Geschichte zu sehen sind, darf uns, wie Blaising zurecht sagt, zum Nachdenken über eine solche Interpretation der Schrift veranlassen.74

      2. Historischer Prämillenniarismus

Die modernen prämillenniaristischen Theologen sind über das Thema „Millennium“ – wie es sein und wie es kommen wird – ganz anderer Meinung als ihre postmillenniaristischen Brüder und Schwestern. Für sie findet die Vorstellung, dass die Kirche durch ihr vom Geist inspiriertes Predigen ein goldenes Zeitalter voller Gerechtigkeit und Frieden herbeiführen wird, keine Grundlage in der Schrift. Nach Auffassung der Prämillienniaristen kann so etwas erst im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi geschehen, wenn der König sichtbar und leiblich gegenwärtig ist. So weit wären sie also auch anderer Auffassung als die amillenniaristischen Exegeten.

Aber das bedeutet nicht, dass der historische Prämillenniarismus die gegenwärtige Erfüllung der göttlichen Absichten durch Christus in der Kirche noch gar nicht als zum Reich Gottes gehörig sieht. Das tut er schon. Dies wiederum darf aber nicht mit dem tausendjährigen Reich gleichgesetzt werden, während dessen Christus persönlich und leiblich auf der Erde regieren wird.

Viele Prämillenniaristen räumen den Juden einen besonderen Platz im Eschaton ein. Dies wird gelegentlich mit Textstellen wie Römer 9-11 begründet, aus denen – vor allem in 11:25-32 – hervorzugehen scheint, dass Juden zu dieser Zeit in großer Zahl gerettet werden sollen. Dispensationalistische Prämillenniaristen vertreten eine viel wichtigere Rolle für das Volk Israel (aber nicht nur der ihm ethnisch Angehörenden) in der Endzeit (siehe unten).

Das prämillenniaristische Verständnis der Schrift datiert zurück bis zur frühen Kirche, die in den ersten drei Jahrhunderten großenteils prämillenniaristisch dachte. Führende christliche Lehrer wie Justinus der Märtyrer und Irenäus75 waren Prämillenniaristen und glaubten, dass bei der Wiederkunft ein goldenes Zeitalter der Segnungen und der Erneuerung Jerusalems eintreten werde. Im Gegensatz dazu war die alexandrinische Schule, unter Führung von Männern wie Clemens und Origines, gegen solche jüdisch-materialistischen Ansichten über die Zukunft. Unter dem zusätzlichen Einfluss von Augustinus’ Amillenniarismus wurde der Prämillenniarismus im Verlauf des Mittelalters zunehmend aufgegeben und war auch während der gesamten Reformationszeit und der nach-aufklärerischen Kirchenzeitalter wenig populär. Tatsächlich dauerte es bis zum neunzehnten Jahrhundert, bis ein Comeback des Prämillenniarismus insbesondere innerhalb der britischen und amerikanischen Strömungen des Christentums begann.

Eine Schlüsselstelle für alle Prämillenniaristen ist Offenbarung 20:4-6. Diese Stelle, so meinen sie, lehrt die buchstäbliche Herrschaft Christi auf der Erde, wenngleich nicht alle darüber einig sind, dass diese Herrschaft genau eintausend Jahre dauern muss. Kritiker haben geäußert, dass die Prämillenniaristen nur diese eine Textstelle als Grundlage für ihr System vorweisen können; das aber ist einfach irreführend (z.B. 1.Ko 15:22-24)76. Selbst wenn es jedoch nur eine einzige, dafür aber korrekt ausgelegte Textstelle gäbe, sollte das für jeden von uns genügen, um diese Lehre anzunehmen.77

Einer der Kern- und Angelpunkte für die Interpretation von Offenbarung 20:4,5 betrifft den wiederholten Gebrauch des Verbums „leben“ (e[zhsan) in dieser Textstelle. Amillenniaristen sind hier generell der Meinung, dass die erste Auferstehung (20:4) eine geistliche und die zweite (20:5) eine leibliche sei. Jedoch kann man schwerlich einsehen, warum der Gebrauch des gleichen Begriffs im gleichen Zusammenhang und ohne ersichtlichen Hinweis auf das Gegenteil zwei unterschiedliche Dinge bezeichnen soll. Wenn man die Bedeutung von Offenbarung 20:4-6 weniger strapazieren will, liegt es zudem nahe, Vers 4 – und also auch Vers 5 – so zu verstehen, dass eine leibliche Auferstehung gemeint (und der Aorist ingressiv, d.h. im Sinne von „begannen zu leben“, zu verstehen) ist. Wenn man dagegen e[zhsan in beiden Fällen auf eine „geistige Auferstehung“ bezieht, setzt man das, was man beweisen will, bereits voraus. Hier geht es nicht um die Seelen der Toten, die im Himmel mit Christus regieren, sondern um die verstorbenen Heiligen, die leiblich auferweckt sind, um mit ihm auf der Erde zu regieren (siehe Off 5:10).

      3. Dispensationalistischer Prämillenniarismus

Im Hinblick auf die Eschatologie unterscheidet sich der dispensationalistische Prämillenniarismus vom historischen Prämillenniarismus vor allem durch die Überzeugung, dass Israel als Volk in der Endzeit versammelt und bekehrt und das ihm gegebene Versprechen des Landes im tausendjährigen Reich Christi erfüllt werden wird (z.B. Gen 12:1-3, 15:18-21). Es geht also nicht darum, dass am Ende viele Juden gerettet werden, sondern dass eine Nation Israel existieren und Erbe der Verheißungen sein wird, die das Volk Israel im Alten Testament erhielt.

Frühere Formen des Dispensationalismus beharrten bei dieser Unterscheidung darauf, dass Gott zwei Völker habe: die Kirche sei sein himmlisches Volk und Israel sei sein irdisches Volk. Diese Theorie kann im Hinblick auf gegenteilige Aussagen des Neuen Testaments nicht aufrecht erhalten werden (vgl. Eph 2:11-22): es gibt nur ein Volk Gottes. Nach Meinung einiger progressiver Dispensationalisten muss das aber nicht heißen, dass das Volk Israel nicht ein politisches Gebilde und dennoch (in ferner, eschatologischer Zukunft) „in Christus“ sein kann. Mir scheint, dass selbst in der Ewigkeit „Nationen“ als „Nationen“ betrachtet werden (Off 21:24). Damit bleibt im Millennium – unter dem Schirm einer soteriologischen Gleichheit und Einheit, die das Volk Gottes eint – die Möglichkeit für strukturelle Unterschiede (nicht aber für eine Benachteiligung bei irgend etwas, das den Zugang zu Gott betrifft). Also ist auch die Annahme nicht abwegig, dass Gott Israel so behandeln sollte; und diese Interpretation scheint mir durchaus eine vernünftige Auslegung von alttestamentarischen Texten wie auch von neutestamentarischen Stellen wie Römer 9-11, besonders 11:25-32, darzustellen.

      4. Amillenniarismus

Generell bezieht sich der Begriff amillenniaristisch auf die von etlichen frommen und gebildeten christlichen Wissenschaftlern zu allen Zeiten vertretene Überzeugung, dass es keine zukünftige irdische Regierungszeit Christi nach seiner Wiederkehr geben wird. So gesehen betrachtet man dieses System allerdings ausschließlich von einem negativen Standpunkt aus. Positiv ausgedrückt glaubt der Amillenniarismus, dass die Kirche schon jetzt Ausdruck des tausendjährigen Reiches Christi ist, wobei „tausendjährig“ nicht als eine buchstäblich eintausend Jahre umfassende Zeit verstanden wird (nur einige Reformatoren verstanden das genau so78), sondern als die Herrschaft Christ, wie wir sie zwischen seiner Erhebung und seiner Parusie erfahren. Es ist dies eine Herrschaft über das neue Volk Gottes, die Kirche, die nun die Stelle von Israel in der Verwirklichung von Gottes ewigem Plan einnimmt.

Der amillenniaristische Entwurf der Endzeit ist eigentlich sehr einfach und geradlinig. Lewis und Demarest fassen ihn zutreffend zusammen:

Die amillenniaristische Reihenfolge der Ereignisse ist wie folgt: Christi gegenwärtige, geistliche Herrschaft über die Kirche; der zunehmende Abfall vom Glauben auf der Erde; die große Bedrängnis; Christi Wiederkunft gemeinsam mit den verstorbenen Heiligen; die Zerstörung der Mächte des Bösen; die allgemeine Auferstehung der Gläubigen und der Ungläubigen; das Jüngste Gericht; die Ewigkeit. Der Amillenniarismus sagt also aus, dass es am Ende der Zeit eine Wiederkunft Christi, eine Auferstehung und ein Gericht geben wird.79

Damit hat er (in seinen unterschiedlichen Ausprägungen) den Vorteil der Einfachheit auf seiner Seite und wurde im Verlauf der Zeit von so bekannten Theologen wie Augustinus, Luther und Calvin und von heutigen Denkern wie Abraham Kuyper, Hermann Bavinck und Louis Berkhof vertreten.

Die Amillenniaristen geben als Beleg für ihre eschatologischen Ansichten verschiedene Gründe an: Erstens – aber nicht auf eine besondere Rangfolge bezogen – gibt es offenbar in der gesamten Bibel nur eine einzige Stelle, nämlich Offenbarung 20, die man als Indiz für irdische tausendjährige Herrschaft Christi heranziehen könnte. Kein anderer Text im Alten oder Neuen Testament bestätigt eine solche Vorstellung, und so soll man am besten auch Offenbarung 20:4-6 nicht in diesem Sinne verstehen. Zweitens ist das gesamte Buch der Offenbarung symbolisch, und daher sollten wir auch die „tausend Jahre“ in Offenbarung 20 nicht als buchstäbliche Jahre ansehen. Drittens stimmt das in Offenbarung 20 beschriebene Gebundenwerden Satans mit dem überein, was nach Jesu Aussage während des Zeitalters der Kirche geschehen soll (z.B. Luk 10:18), und man muss es deshalb nicht in eine eschatologische Zukunft verlegen. Viertens ist die „erste Auferstehung“ in Offenbarung 20:4-5 keine buchstäbliche, sondern eine geistige Auferstehung in Gottes Gegenwart im Himmel hinein. Außerdem lehrt die Schrift nur eine buchstäbliche Auferstehung (z.B. Joh 5:28-29; Apg 24:15) und nicht drei oder mehr, wie von vielen Prämillenniaristen vorgebracht wurde. Fünftens sagen Amillenniaristen im Gegensatz zu den Prämillenniaristen generell, dass es für Israel keinen besonderen Platz in der Zukunft geben wird. Die Kirche ist in Gottes Plan an seine Stelle getreten.

Diesen Argumenten kann man Verschiedenes entgegensetzen. Erstens: Selbst wenn Offenbarung 20 die einzige Bibelstelle wäre, die eine irdische tausendjährige Herrschaft Christi lehrt, sollte das genügen, um uns davon zu überzeugen. Die Bibel muss eine Doktrin nur einmal festhalten, damit wir sie, eine angemessene Auslegung vorausgesetzt, als zuverlässig ansehen. Zudem gibt es viele Stellen im AT, die eher als Aussagen über eine irdische Herrschaft des Messias vor der Ewigkeit verstanden werden können als über seine ewige Herrschaft im Himmel (Jes 11:2-9, 65:20; Sach 14:6-21). Auch im Neuen Testament gibt es Stellen, die man ohne Weiteres in diesem Sinne lesen kann (1.Ko 15:24; Off 2:27, 5:10, 12:5, 19:15).

Zweitens stimmt es schon, dass die Offenbarung das Genre einer Apokalypse aufweist – auch wenn das nicht die einzige Literaturform in diesem Buch ist – und viel Symbolik beinhaltet. Diese Tatsache aber schließt ein irdisches Reich und eine entsprechend unverschleierte Lesart des Textes von Offenbarung 20 nicht aus. Wenngleich die Berücksichtigung des Genres unverzichtbarer Bestandteil jeder Interpretation ist, zeigt doch das Vorhandensein fundierter Meinungen auf allen Seiten dieser Debatte, dass Bezugnahmen auf das Genre zu uneinheitlichen Schlussfolgerungen führen können. Was in diesem Falle von größerer Wichtigkeit als das Genre ist, sind der unmittelbare Zusammenhang und die konkret benutzten Worte in Offenbarung 20:4-6. Und in dieser Hinsicht erscheint dann die prämillenniaristische Position einfacher, weniger angestrengt und daher wahrscheinlicher.

Der Textzusammenhang beschreibt, wenn auch in apokalyptischer Sprache, wichtige historische Tatsachen. Die Beschreibungen von Christi leiblicher Wiederkehr und von der Vernichtung des Tieres und des falschen Propheten sind historische Beschreibungen zukünftiger Ereignisse. Damit berichtet der Kontext, was sich bei Christi Wiederkunft in der Geschichte ereignen wird.

Ist das Gebundenwerden Satans wörtlich zu verstehen? In der Tat sind viele Amillenniaristen dieser Meinung; sie sagen aber dabei, dass es schon bei der ersten Herabkunft Christi durch den Dienst des Messias stattgefunden habe.80 Einen Beleg dafür suchen sie bei Texten wie Matthäus 12:28-29 und Lukas 10:18, und anschließend werden Entsprechungen zwischen diesen Evangeliumstexten und Offenbarung 20 bemüht. Man darf jedoch mit Recht fragen, ob diese Texte so verstanden werden sollten, das sie dasselbe Ereignis beschreiben. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Bei geradliniger Auslegung des Textzusammenhangs in Offenbarung 20 aber möchte man doch meinen, dass das, was in Offenbarung 20 geschieht, chronologisch auf das folgt, was in Offenbarung 19 geschieht, nämlich auf die Wiederkunft Christi. Wenn das zutrifft, kann das Gebundenwerden Satans in Offenbarung 20 nicht dasselbe Ereignis darstellen wie das in den Evangelien zur Zeit der irdischen Herrschaft des Messias beschriebene.

Es gibt aber noch andere, zwingendere Argumente, um zu zeigen, dass das Gebundenwerden in den Evangelien nicht dasselbe ist wie in der Offenbarung. Erstens wird in Offenbarung 20:1 gesagt, dass nicht Christus selbst, sondern ein Engel die Bindung durchführte. Die Darstellung in den Evangelien ist dagegen eine ganz andere, zu verschieden, so scheint es, um dasselbe zu bezeichnen. Zweitens wird Satan in Offenbarung 20 zu dem Zweck gebunden, dass er „die Völker nicht mehr irreführe“. Wie soll man das verstehen, wenn das Ereignis dasselbe ist wie das Gebundenwerden, das während Christi Dienst stattfand und nunmehr durch den Dienst der Kirche geschieht? Gemäß 2.Korinther 4:4, Epheser 6:10-18 und Johannes 4:4 streift Satan recht frei umher und versucht, wen er nur will (vgl. auch 1.Pe 5:8). Die Bindung in der Offenbarung ist dagegen viel absoluter, als es die Evangelien oder die Apostelbriefe darstellen. So ist die einleuchtendere Schlussfolgerung wohl die, dass Matthäus 12 und Lukas 10 sich nicht auf dasselbe Ereignis beziehen wie Offenbarung 20. Das bedeutet allerdings nicht, dass es zwischen beiden keine Beziehung gäbe. Die frühere und „inaugurale“ Bindung während Christi Dienst und während des Kirchenzeitalters nimmt die spätere Bindung in Offenbarung 20:2-3 voraus, die ihrerseits die Bühne für Satans endgültigen Sturz und seine Vernichtung in Offenbarung 20:10 bereitet. All das steht im Einklang mit der fortschreitenden Verwirklichung von Gottes Reich auf Erden.

Wir müssen auch noch einmal wiederholen, was wir bereits oben über die typische amillenniaristische Auslegung der „Auferstehungen“ in Offenbarung 20:4-5 gesagt haben. Amillenniaristen vertreten im Allgemeinen die Auffassung, dass die erste Auferstehung (20:4) eine geistige und die zweite (20:5) eine leibliche sei. Sie tun dies unter anderem deshalb, weil sie es vermeiden wollen, den 1000jährigen Zeitraum mit zwei leiblichen Auferstehungen einzurahmen (was ja auf eine irdische Herrschaft nach der Wiederkunft Christi hinweisen würde). Jedoch fällt es schwer einzusehen, warum der Gebrauch des gleichen Begriffs im gleichen Zusammenhang und ohne ersichtlichen Hinweis auf das Gegenteil zwei unterschiedliche Dinge bezeichnen sollte. Wenn man die Bedeutung von Offenbarung 20:4-6 weniger strapazieren will, liegt es zudem nahe, Vers 4 – und also auch Vers 5 – so zu verstehen, dass eine leibliche Auferstehung gemeint (und der Aorist ingressiv, d.h. im Sinne von „begannen zu leben“, zu verstehen) ist. Es geht hier, wie schon gesagt, nicht um die Seelen der Toten, die im Himmel mit Christus regieren, sondern um die verstorbenen Heiligen, die leiblich auferweckt worden sind, um mit ihm auf der Erde zu regieren (s.a. die Verheißung in Off 5:10).

Drittens hat die Vorstellung, dass die Kirche Israel in Gottes Heilsplan ersetzt hat, zwar gewisse Vorteile, sie muss jedoch, wie oben angedeutet, im Hinblick auf Römer 11:25-32 differenzierter entwickelt werden. Gegenwärtig hat die Kirche, so sagen es auch die Amillenniaristen, Teil an den Segnungen Abrahams und also auch Davids und an den Segnungen des Neuen Bundes. Sie hat jedoch Gottes Verheißungen, die an die Nation Israel oder doch zumindest an die ethnischen Juden gerichtet wurden, nicht gänzlich in den Schatten gestellt. „Ganz Israel“ bezieht sich in Römer 11:26 wahrscheinlich nicht auf die erwählten Heiden und/oder Juden während des Kirchenzeitalters, sondern vielmehr auf eine eschatologische Sammlung der Juden im Zusammenhang mit der Wiederkehr und Herrschaft des Messias. Wenn das aber zutrifft, dann könnte ein irdisches tausendjähriges Reich – so wie es sich die Prämillenniaristen vorstellen – gut und gerne Ort und Zeit abgeben für die Erfüllung der alttestamentarischen Hoffnung Israels (einer Hoffnung, so möchte ich hinzufügen, die auch alle anderen Nationen betrifft).

Worin also liegt die Stärke der amillenniaristischen Theologie der Stellvertreterschaft? Letztendlich in der biblischen Erkenntnis, dass es für alle Zeiten nur ein Volk Gottes geben wird, das durch Gleichheit in soteriologischer Hinsicht zusammengehalten wird. Ihre Schwäche liegt dagegen darin, dass sie die strukturellen (politischen) Unterscheidungen nicht erkennt, die in eschatologischen Texten vorhanden sind. Tatsächlich werden in bestimmten Textstellen über die Ewigkeit (z.B. Off 21:24) Nationen wortgetreu und immer noch als Nationen angesehen.81 Römer 11:25-32 spricht wirklich von einer zukünftigen Erneuerung von Juden (wahrscheinlich der Nation Israel) als Juden. Natürlich werden sie nicht ohne Glauben an Christus gerettet werden, doch die Errettung von „ganz Israel“ wird ein Zeichen für die Treue sein, mit der Gott seine Verheißungen an die Nation erfüllt, und diese Verheißungen haben mit irdischen, politischen und geistigen Gegebenheiten zu tun.

Auferstehung, Gericht und Ewigkeit

Auferstehung aller Menschen

Die Bibel lehrt, dass es eine Auferstehung aller Menschen geben wird, und dass über jeden Einzelnen gerichtet werden wird (Joh 5:28-29).

Das endgültige Gericht über alle Menschen

Wenngleich dies von liberalen Theologen gelegentlich bestritten wird, lehrt die Bibel doch ganz sicher ein Gericht am Ende der Tage, nach dem jeder in das ihm zugewiesene Schicksal gehen wird: in den Himmel zu ewigem Glück oder in die Hölle zur ewigen Strafe. Nach der Aussage der Bibel wird dieser „Tag des Gerichts“ ganz sicher eintreten und die Kulmination und Vollendung der im Verlaufe der Geschichte vielfach gefällten Urteile Gottes gegen die Sünde und das Böse darstellen.

Beispiele dafür, dass Gott das Böse verurteilt und die Gerechtigkeit belohnt, gibt es im Alten Testament in Hülle und Fülle. Er verurteilte den Menschen wegen der Sünde im Garten Eden (Gen 3) und strafte ihn später mit der Sintflut, aber er belohnte Noahs treues und gerechtes Verhalten (Gen 6:8-9). Er verurteilte Abimelech (Gen 20), Pharao und die Ägypter (Ex 7-11), die Amoriter und die Einwohner Kanaans zur Zeit der Eroberung durch Israel (Gen 15:16; Jos 10-12) und auch die Ungläubigen unter den Israeliten (Jos 7). Der Herr richtete über König Saul und verstieß ihn als König von Israel (1.Sa 15:26). Er verurteilte auch David seiner Sünde mit Bathseba wegen, so dass Davids Sohn starb (2.Sa 11-12, vgl. 12:18) und Aufruhr sich in seinem Königreich erhob (2.Sa 13-20). Gott richtete wiederholt über das Volk Israel wegen dessen Sünden (z.B. Richter) und drohte sowohl das Nördliche als auch das Südliche Reich in die Gefangenschaft zu schicken. Dies geschah dann schließlich auch 722 v.Chr. (geschätzt) für Israel im Norden und 586 v.Chr. (geschätzt) für Juda im Süden (Klagelieder). Gott richtet auch über die Völker der Erde wegen ihrer fortgesetzten Sünde und Auflehnung (Jes 13-23; Jer 46-51; Jes 25-32; Da 2-7). Wenn auch die Wege seines Gerichts nicht immer leicht erkennbar und annehmbar sind (Hab 1-3), ist er doch der gerechte Richter über die gesamte Erde (Gen 18:25).

Im Neuen Testament stellt Paulus klar heraus, dass Gott auch heute noch richtet. Der Apostel sagt in Römer 1:18, einem Vers, der den Beginn eines längeren Abschnitts über Gottes Gericht in 1:18-3:20 bildet:

Denn82 Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart gegen alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch ihre Ungerechtigkeit niederhalten…

Beachten Sie, dass Paulus nicht sagt „der Zorn Gottes wurde offenbart“, sondern vielmehr „wird offenbart“ oder „wird beständig offenbart“. Der Zorn Gottes (ojrghV qeou`, orge„ theou) bezieht sich nicht auf eine abstrakte Leidenschaft in der Gottheit selbst, sondern auf seinen unaufhörlichen Hass auf die Sünde, der sich darin ausdrückt oder beständig offenbart (ajpokaluvptetai, apokalu„ptetai; vgl. 1:17), dass er die Menschen der kräftezehrenden Verschanzung hinter ihrer sündigen Torheit ausliefert (Vers 24,26,28). 83

Menschen und ganze Nationen unterdrücken heutzutage fortwährend die Erkenntnis Gottes und wenden sich bewusst von der Erkenntnis des wahren Gottes ab zum Götzendienst (der Anbetung von Geld, Sex, Macht in ihren verschiedenen Formen, etc.). Daraus folgt, dass die Menschen – gerade so, wie in früherer Zeit die Israeliten verlangten, dass Gott ihnen einen König gäbe – heute verlangen, dass sie sich selbst überlassen werden; sie verlangen nach Autonomie. Deshalb übergibt Gott sie ihrer Sünde (vgl. Rö 1:24,26,28; Eph 4:17-19). Das schlägt sich in wachsender Bosheit, Sorge, Leid, Schmerz und Elend nieder. Der Mensch ist von Natur aus ebenso unheilbar religiös, wie er in moralischer und spiritueller Hinsicht töricht ist.

2.Petrus 2:9 spricht ebenfalls von Gottes gegenwärtiger, fortwährender Bestrafung von Menschen: „Wenn das so ist, dann weiß der Herr fromme Menschen aus den Prüfungen zu erretten und die Ungerechten mit beständiger Strafe für den Tag des Gerichtes aufzubewahren.“

So hat Gott immer, früher wie heute, über einzelne Menschen und über ganze Nationen ihrer Sünde wegen geurteilt. Er tut das zur Vergeltung ebenso wie zur Therapie (also damit die Menschen aus ihrer Sünde „erwachen“ und sich von ihr abkehren mögen). Sämtliche Urteile aber werden ihren Höhepunkt und ihre Rechtfertigung beim Jüngsten Gericht finden. Dann wird der Tag kommen, wo Gott eindgültig über alle Menschen (und Engel) richten wird; und dabei werden alle Sünden endgültig verdammt und alle bisherigen richterlichen Handlungen Gottes als notwendig, gerecht und heilig erwiesen werden. Zu dieser Zeit wird jeder Mund zum Schweigen gebracht werden (Rö 3:20) und jedes Knie wird sich beugen (Php 2:9-11). Um es noch einmal zu sagen: Die Schriften sagen mehr als deutlich, dass der „Tag“ kommt, an dem endgültig Gericht gehalten wird.

In Matthäus 25:32-33 vergleicht unser Herr das Jüngste Gericht mit der Scheidung der Schafe von den Ziegenböcken. Die Schafe werden zum ewigen Leben eingehen und die Böcke zur ewigen Strafe (25:46). Es geht ihm darum zu zeigen, dass ein Tag der unwiderruflichen und endgültigen Abrechnung kommen wird. Das wird häufig und unter verschiedenen Bezeichnungen erwähnt: als „der Tag des Herrn“ (Jes 13:6,9; Jer 46:10; Joel 3:1 Eng; Am 5:18-20) oder, im Hinblick auf die Offenbarungen des NT, als „der Jüngste Tag“ (Joh 6:39), „der Tag Christi“ (vgl. 1.Ko 1:8, 5:5, 2.Ko 1:14; Php 1:6,10, 2:16), „der Tag von Gottes gerechtem Zorn“ (Rö 2:5) und „der Tag der Heimsuchung“ (1.Pe 2:12; vgl. 2.Pe 3:12; 1.Jo 4:17). Damit wir uns richtig verstehen: dieser „Tag“ beinhaltet auch Rechtfertigung und Belohnung für Gottes Volk, und Verurteilung und Verlust bedeutet er nur für die Welt, die nicht in Christus ist.84

Wiederum sagt Römer 2:5 über diesen jüngsten Tag des Gerichts: „Du aber, durch deine Verstocktheit und Reuelosigkeit, häufst selbst den Zorn dir auf für den Tag von Gottes Zorn, an dem sein gerechtes Gericht offenbar werden wird.“ 2.Petrus 2:9 sagt, dass Gott die Ungerechten für den Tag des Gerichtes aufbewahrt. Judas 6 spricht sehr lebendig über Gottes abschließende Taten des Gerichts: „Und die Engel, die ihren zugewiesenen Stand nicht bewahrten, sondern ihre angestammte Wohnstätte verließen, hat er mit ewigen Banden in der Finsternis aufbewahrt für das Gericht des großen Tages.“

Auch Apostelgeschichte 17:31 spricht über den Tag von Gottes abschließendem Gericht:

Denn er hat einen Tag (hJmevra, he„mera) festgesetzt, an dem er die Welt in Gerechtigkeit richten will durch einen Menschen, den er dazu bestimmt hat. Dafür hat er allen Menschen Gewähr gegeben, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

Der Text, der wohl am deutlichsten über die Gewissheit eines abschließenden und unwiderruflichen Gerichtes spricht, ist Offenbarung 20:11-15:

20:11 Und ich sah einen großen weißen Thron und den, der darauf saß. Erde und Himmel flohen aus seiner Gegenwart, und keine Stätte war für sie gefunden. 20:12 Und ich sah die Toten, die großen und die kleinen, vor dem Thron stehen und Bücher wurden aufgetan. Und ein weiteres Buch wurde aufgetan, das ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern steht, nach ihren Taten. 20:13 Das Meer gab die Toten heraus, die darin waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten heraus, die darin waren, und ein jeder wurde gerichtet nach seinen Taten. 20:14 Und der Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen. Der Feuersee, das ist der zweite Tod. 20:15 So jemand nicht im Buch des Lebens eingeschrieben gefunden wurde, der wurde in den Feuersee geworfen.

Vieles spricht dafür, dass Johannes in Offenbarung 20:11-15 über das Jüngste Gericht spricht: (1) Es findet statt nach der Wiederkunft Christi (Off 19:11-21), dem Abschluss des tausendjährigen Reiches und dem letzten Gericht über Satan (20:1-10). (2) In der Offenbarung wird kein weiteres Gericht vor dem Eintritt der Ewigkeit (21-22) erwähnt. (3) Die ganze Vision gründet sich auf Daniels Vision vom Alten an Tagen, der am Ende der Geschichte kommen und über alle Menschen richten wird (Da 7:14). (4) Johannes erwähnt einen großen weißen Thron, wodurch nicht nur ein gerechtes Gericht, sondern auch die Kulmination oder endgültige Beurteilung impliziert wird. (5) Der Ausgang des Gerichts hat Konsequenzen für die Ewigkeit und damit ist kein weiteres Gericht notwendig (20:10,15). (6) Erde und Himmel fliehen, so dass man vom Ende der menschlichen Geschichte ausgehen kann, wie wir sie unter Adam und der Sünde kennen. (7) Alle Toten werden anwesend sein, die Großen und die Kleinen.

Sicher teilen alle evangelikalen Bibelkommentatoren die Auffassung, dass es ein endgültiges Gericht geben wird. Einige von ihnen sind aber der Meinung, dass dieses Gericht eigentlich aus drei verschiedenen Gerichtshandlungen bestehen wird: (1) einem Gericht über die Gläubigen nach der Entrückung (d.h. vor dem Richterstuhl Christi, 2.Ko 5:10); (2) einem Gericht über die Völker bei der Wiederkunft Christi, bei dem entschieden wird, wer in das tausendjährige Reich eingeht (vgl. Mat 25:31-46), und (3) einem Gericht über die verstorbenen Bösen vor dem Großen Weißen Thron nach dem tausendjährigen Reich Christi (Off 20:11-15). Andere sind der Auffassung, dass alle diese Gerichtshandlungen in Wirklichkeit zu einem einzigen Gericht gehören, d.h. dass sie alle beim Gericht vor dem Großen Weißen Thron erfolgen. Es fehlt uns hier an Raum, um die Unterschiede und die jeweiligen Stärken und Schwächen dieser Standpunkte auszuführen. Viel wichtiger als die Frage, ob das „Jüngste Gericht“ zu einem einzigen oder zu drei verschiedenen Zeitpunkten stattfinden wird, ist jedoch, dass (1) ganz sicher alle Menschen gerichtet werden und (2) das Ergebnis unabänderlich ist; es gibt keine Berufung.

Aber man kann mehr über das Jüngste Gericht sagen als nur, dass es tatsächlich stattfinden wird. Erstens: Offensichtlich wird Gott der Richter sein, doch innerhalb des Rates der Dreieinigkeit hat der Vater sich entschieden, jegliches Urteil dem Sohn zu überlassen (Joh 5:22-23, 27; Apg 17:31). Jesus Christus, Daniels „Menschensohn“, wird Richter über die gesamte Menschheit sein, über die Lebenden und die Toten (Mat 25:31-33; Joh 8:26,50 [der Vater ist der Richter]; Joh 9:39, 12:47-50; 2.Ti 4:1,8). Und der Sohn wird weise und gerecht urteilen (2.Ti 4:8).

Zweitens: Es wird über Menschen wie auch über Engel gerichtet werden (Apg 17:31; 2.Pe 2:4; Jud 6). Diese Vorstellung beinhaltet eine interessante Wendung, denn auch die Heiligen werden an der Durchführung des Gerichts beteiligt sein (1.Ko 6:2-3). Die Erwartung, dass Gott sein erlöstes Volk bei der Durchführung des Gerichts einsetzen wird, findet ihre Vorläufer in der synoptischen Tradition (Mat 19:28; Luk 12:29-32, 16:25) und geht vielleicht letztendlich auf das Alte Testament zurück, wo wir davon lesen, dass Gott bestimmte Personen einsetzte, um über sein Volk zu richten (vgl. das Buch der Richter), und das Volk Israel als Ganzes, um über andere Völker zu richten (z.B. die Eroberungen im Buch Josua).

Vielleicht steht die Tatsache, dass Gott in der Vergangenheit beim Gericht über andere Menschen von seinem Volk Gebrauch gemacht hat und dass er das auch im zukünftigen, endgültigen Gericht wieder tun wird, im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Menschen, im Lichte des imago dei zu herrschen (Gen 1:26-28, 9:6-7; Ps 8:4-6). Wenn das so ist, kann man es verstehen, dass verherrlichte Christen – als diejenigen, die bereits vollständig im Bilde Gottes erneuert wurden, – beim Jüngsten Gericht über Menschen und Engel richten werden. Die Heiligen werden also beim Jüngsten Gericht über Engel und Menschen richten, weil das zu den Aufgaben des erneuertes Bildes gehört. Anders ausgedrückt: Die Gläubigen werden aufgrund ihrer untrennbaren Verbindung mit Christus, dem Richter, über die Lebenden und die Toten richten, aufgrund ihres persönlichen Anteils an seinem Reich und all seiner Macht und Autorität (vgl. Off 5:10) und aufgrund der Tatsache, dass sie lieben, was Er liebt, und hassen, was Er hasst. In fundamentaler Hinsicht und in fundamentalem Ausmaß werden wir Ihm im Zustand der Verherrlichung gleich und mit Seinen Gedanken über alle diese Dinge so vertraut sein, wie wir es uns heute kaum annähernd vorstellen können (vgl. 1.Ko 2:15-16).

Drittens: Wir haben bereits erwähnt, dass alle Menschen gerichtet werden, also auch die Christen. Paulus sagt mit Bezug auf die Gläubigen in Römer 14:10,12, dass „wir alle vor Gottes Richterstuhl stehen werden“ und „jeder von uns Rechenschaft vor Gott ablegen wird“. Mehr oder weniger das Gleiche sagt er in 2.Korinther 5:10, auch wenn er es diesmal auf den Richterstuhl Christi bezieht:

Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, auf dass jedem vergolten werde gemäß der Dinge, die er in seinem Leib getan hat, sei es Gutes oder Böses.

Allerdings scheint das Gericht über die Christen Paulus’ Lehre von der Rechtfertigung durch Glauben zu widersprechen. Warum werden wir gerichtet, wenn wir doch gerechtfertigt sind? Das Konzept der Rechtfertigung schließt die Unterwerfung unter das Gericht anscheinend aus. Sagte Paulus schließlich nicht: „Es gibt keine Verurteilung für die, die in Christus Jesus sind“ (Rö 8:1)? Das Problem ist aber nicht so unüberwindlich, wie es auf den ersten Blick erscheint. Natürlich beinhaltet die Doktrin der Rechtfertigung sowohl das Konzept der ewigen Vergebung als auch die Vorstellung, dass uns in Ewigkeit die Gerechtigkeit Christi zueigen ist. Christi Gericht über die Gläubigen aber soll nicht deren ewiges Schicksal per se festlegen, sondern den Umfang ihres Lohns. Einige Evangelikalen lehnen die Doktrin von einer Belohnung der Gläubigen zwar ab, doch man kann wohl mit ausreichender Sicherheit davon ausgehen, dass die Bibel diese tatsächlich lehrt:

1.Ko 3:10 Gemäß der Gnade Gottes, die mir verliehen wurde, habe ich als ein kunstfertiger Baumeister den Grund gelegt, und ein anderer baut darauf. Jeder aber muss mit Sorgfalt sehen, wie er darauf baue. 3:11 Denn niemand kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 3:12 Ob nun jemand auf den Grund mit Gold, Silber, Edelsteinen, Holz, Heu, Stroh baut – 3:13 das Werk eines jeden wird offenbar werden, denn der Tag wird es enthüllen, weil es mit Feuer offenbart werden wird, und das Feuer wird eine Prüfung dafür sein, welcher Art das Werk eines jeden ist. 3:14 Wenn jemandes Werk bleibt, das er auf den Grund gebaut hat, so wird er einen Lohn empfangen. 3:15 Wenn das Werk verbrennt, wird er Schaden leiden; er selbst wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Jesus wiederum spricht über den Lohn für treuen Dienst (Luk 19:11-27) und Paulus spricht darüber, dass wir empfangen, wass uns zusteht gemäß unserer Taten (2.Ko 5:10). Die Sache mit dem Umfang des Lohns wiederum ist offensichtlich in Kolosser 3:23-25 enthalten:

3:23 Was immer ihr tut, arbeitet daran von ganzem Herzen als für den Herrn und nicht für eure Vorgesetzten, 3:24 denn ihr wisst, dass ihr vom Herrn das Erbe zum Lohn (antapovdosin, antapodosin) empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Jesus Christus. 3:25 Denn wer Unrecht tut, wird zurück erhalten, was immer er Unrechtes getan hat, ohne Ansehen der Person.

Nach diesen Texten wird über die Christen also gerichtet, um das Ausmaß ihres Lohns oder den Umfang ihres Erbes festzulegen (z.B. zehn Städte, fünf Städte, etc. [Luk19:16-19]). Das bedeutet nicht, dass die Menschen in Ewigkeit Gewissensbisse darüber haben werden, was sie mit der Gnade Gottes alles hätten anfangen sollen, die ihnen während ihres irdischen Daseins zuteil geworden ist. Im Zustand der Ewigkeit wird es weder Tod noch Trauer noch Klage noch Schmerz geben (Off 21:4), und jeder, der in sie eingeht, geht damit in die Freude seines Herrn ein (Mat 25:21,23).

Das Problem mit der Doktrin einer Belohnung liegt also nicht darin, dass sie in der Schrift nicht gelehrt würde.85 Das Problem besteht vielmehr darin, ein Modell zu finden, das die Konzepte der Rechtfertigung, der Belohnung und des Fehlens von Scham bzw. des Vorherrschens von Freude in der Ewigkeit zufriedenstellend unter einen Hut bringt (bei Christi Wiederkunft selbst werden allerdings viele Menschen Scham erleiden [1.Jo 2:28]). Einer ähnlichen Schwierigkeit stehen wir auch bei anderen eindeutig biblischen Lehren gegenüber, so bei der Dreieinigkeit, der Inkarnation, der Zuschreibung von Sünde, der begleitenden Inspiration der Schrift etc.. Gelegentlich wurde vorgeschlagen, dass das Ausmaß des Lohnes nur Gott bekannt ist und dem Menschen, der ihn empfängt. Vielleicht beinhaltet es größere Nähe zu Gott und/oder eine größere Rolle beim Dienst in der Ewigkeit. Unter dem Strich bleibt für uns übrig, dass jeder von uns für seinen Dienst belohnt werden wird, wenn wir auch sehr wenig über die genaue Art dieses Lohns wissen. Schließlich steht die Vorstellung eines Gerichts tatsächlich im Einklang mit der Doktrin der Rechtfertigung, denn ein Aspekt der Rechtfertigung ist die Bestätigung, und das abschließende Gericht über den Christen wird Gottes Gerechtigkeit in seinem Leben bestätigen (vgl. Jak 2:21).

Nichtsdestoweniger motivieren Belohnungen zu Heiligkeit und frommem Lebenswandel. In diesem Sinne werden sie überall in der Schrift eingesetzt (Luk 19:11-27; Rö 14:10,12; 2.Ko 5:10). Sie stellen für den Christen jedoch nicht die einzige Motivationsquelle dar (vgl. 2.Ko 7:1; 1.Jo 3:2-3, 4:11) und Motivation durch Belohnung beinhaltet auch nicht notwendigerweise egoistisches Verhalten, wie manche meinen. Belohnungen sind eines von mehreren Werkzeugen der Gnade, mit deren Hilfe uns der Herr heilig machen und im christlichen Leben voranbringen will (vg. Off 22:12).

Die Doktrin von der Hölle
      Argumente des Universalismus

Über das Schicksal der anhaltend Unbußfertigen gibt es eine ganze Anzahl unterschiedlicher Ansichten.86 Die Universalisten sind – in der einen oder anderen Form – der Meinung, dass alle Menschen und alle Engel, auch der Teufel, eines Tages zu Gott zurückgebracht werden und seine ewige Liebe persönlich erfahren werden. Viele Universalisten vertreten die Meinung, dass es überhaupt keine Strafe geben wird; andere wieder sagen, dass nur einige wirklich verstockte Sünder ein gewisses Maß an Leiden erfahren, bis sie schließlich zur Besinnung kommen und auf Gottes Liebe eingehen werden (vgl. Origines). In der apokatastasis („Wiederherstellung“; vgl. Apg 3:21) aller Dinge werden daher alle empfindenden Wesen für Gott wiederhergestellt werden. Eine Anzahl von Bibelstellen scheint einen solchen Universalismus nahezulegen, unter anderem Rö 5:18, 11:32; 1.Ko 15:22; Php 2:10-11; Kol 1:19-20; 1.Ti 4:10; Heb 2:9.

An dieser Stelle müssen drei wichtige und relevante hermeneutische Gesichtspunkte Erwähnung finden. Erstens wird jedes theologische System, das vor allem und fast ausschließlich auf ein einziges Attribut Gottes begründet wird – wie das viele Universalisten in voller Überzeugung von ihrem eigenen Verständnis von Gottes Liebe87 tun – Gottes biblische Gesamtoffenbarung an uns fehlinterpretieren; das ist unausweichlich so. Viele Universalisten lassen offenbar die zahllosen Bibeltexte außer Acht, die von Gottes äußerster Heiligkeit, von seinem Hass gegen die Sünde und von seinem ewigen Gericht sprechen. Andere dagegen erkennen das Vorhandensein solcher Texte in der Schrift zwar an, neigen jedoch dazu, deren Bedeutung zugunsten sentimentaler Ansichten über die Liebe Gottes (vor allem aufgrund einer modernisierten Lesart von Jesu Dienst und Lehre) zu beschneiden oder diese Texte eingeschränkt nur auf das gegenwärtige Zeitalter, nicht aber auf die Zukunft, zu beziehen. Natürlich bringen wir alle unsere vorgefassten Erwartungen und Meinungen mit, wenn wir an die Schrift herangehen. Aber nicht jeder lässt den Einfluss seiner Voraussetzungen in gleichem Ausmaß zu. Viele universalistische Bibelinterpretationen erwecken den Eindruck, dass a priori vorhandene Bedenken das Ausmaß einer Agenda erreichen – bis hin zur Unterdrückung von Texten, die im Widerspruch zu dieser Agenda stehen.88

Zweitens muss jeder Text, der zur Unterstützung einer bestimmten Doktrin herangezogen wird, unter Berücksichtigung der unmittelbaren linguistischen und historischen Gegebenheiten wie auch seines erweiterten biblischen Zusammenhangs betrachtet werden. Kolosser 1:19-20 und Philipper 2:10-11 beziehen sich beispielsweise eigentlich auf die Unterwerfung aller Dinge unter Christus und nicht darauf, dass jeder einzelne Mensch gerettet werden wird (vgl. 2.Th 1:8-9). Diese beiden Konzepte hängen zwar miteinander zusammen, sind aber keineswegs identisch. In 1.Timotheus 4:10 ist die Tatsache, dass Christus der einzige Retter aller Menschen ist, nicht gleichbedeutend damit, dass alle Menschen gerettet werden; denn manche werden sich entscheiden, sein rettendes Angebot nicht anzunehmen. Die meisten Universalisten wollen die menschliche Willensfreiheit bewahren. Wenn sie das aber tun, dann müssen sie doch auch die naheliegende Konsequenz daraus akzeptieren, dass manche Menschen verloren sein werden. Genauso sagt auch Hebräer 2:9, dass Christus für alle Menschen den Tod schmeckte; die entscheidende Frage ist aber doch: Werden das auch tatsächlich alle akzeptieren? Nach Hebräer 10:26-31 zu urteilen, offenbar nicht! Die Liebe Gottes ist, wie gesagt, kein Bulldozer, der die Entscheidungen der Menschen ignoriert und alle ohne Unterschied auf die Seite Seiner Gnade schaufelt. Die Tatsache, dass viele Menschen seine Liebe am Ende nicht oder überhaupt nicht annehmen, wird mehrmals und eindeutig in der Schrift erwähnt; und wenn man die gegenteilige Meinung vertritt, dann ist das wohl schlicht Wunschdenken – um nicht zu sagen ein verantwortungsloser Umgang mit der Schrift. Jesu Beschreibung der Hölle als etwas Ewiges (Mat 25:46) sollte diesen Punkt für jeden ernsthaften Christen ein für allemal klären.

Auf Texte wie Römer 5:18 und 1.Korinther 15:22 muss man noch einen genaueren Blick werfen. Römer 5:18 lautet:

Wie nun also durch Eines Vergehen die Verurteilung aller Menschen gekommen ist, so kommt durch Eines Tat der Gerechtigkeit die Rechtfertigung zum Leben für alle Menschen.

Oft wird die Meinung geäußert, dass wenn sich das erste „alle“ buchstäblich auf alle Menschen ohne Ausnahme bezieht, sich ganz klar doch auch das zweite „alle“ aufgrund der Parallelität der zwei Satzbildungen auf alle Menschen ohne Ausnahme beziehen müsse; d.h. auf jedes menschliche Wesen, das je gelebt hat. Dann scheint es, als trete Paulus in 5:12-21 für den Universalismus ein, wenn er die universelle Auswirkung von Adams Sünde mit der Wirkung von Christi Akt der Gerechtigkeit vergleicht. Hier einen Universalismus zu sehen, heißt allerdings, andere paulinische Texte (2.Th 1:8-9) außer Acht zu lassen – einschließlich des unmittelbar vorausgehenden Verses Römer 5:17, der ohne Umschweife sagt, dass die Gerechtigkeit/Erlösung für die ist, „die die Fülle der Gnade empfangen“. Sie reicht für alle Menschen aus, aber nur diejenigen, die sie im Glauben empfangen, werden im anderen Leben herrschen! Den Ausdruck „alle Menschen“ wählt Paulus einfach, um die Parallele zwischen Adam und Christus durch den ganzen Abschnitt hindurch zu ziehen. Die universalistische Interpretation würde hier zudem die fragwürdige Annahme erfordern, dass Paulus in 5:15-19 meint, dass dieselben Menschen, die zuvor in Adam lebten, nun in Christus leben. Das aber ist sicher nicht der Punkt. Vielmehr meint er, dass in derselben Weise, wie Adam auf die Seinen (d.h. auf die gesamte Menschheit) unmittelbare Auswirkung hat, auch Christus auf die Seinen (d.h. auf alle, die seine Gnade empfangen) unmittelbare Auswirkung hat.

In 1.Korinther 15:22 finden wir einen weiteren Text, der, oberflächlich betrachtet, universalistische Auffassungen zu bestätigen scheint. Bevor wir diesen Text näher betrachten, müssen wir festhalten, dass für ihn im Hinblick auf die universalistische Auslegung dasselbe gilt wie für Römer 5:18: Der Text wurde von Paulus geschrieben und muss daher, will man ihm gerecht werden, mit Texten wie 2.Thessalonicher 1:8-9 in Einklang gebracht werden, die durch keine auch nur annähernd sensible Hermeneutik in das Gewand des Universalismus gezwungen werden können.

Nach dieser Vorrede nun also der Wortlaut im 1. Korintherbrief:

Denn so wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.

Zwei Dinge sind bemerkenswert über diesen Abschnitt und seinen Kontext. Erstens sagt der Text zwar „alle werden lebendig gemacht werden“, doch er sagt das nur von denen, die „in Christus“ sind. Das heißt, alle, die in Christus sind – sowohl die Lebenden (Vers 17) als auch diejenigen, die schon gestorben sind (Vers 18) – werden auferweckt werden, d.h. Hoffnung auf das zukünftige Leben haben (Vers 20). Die Auffassung, dass das „in Christus“ das „alle“ eingrenzt, wird zweitens dadurch erhärtet, dass Paulus’ gesamte Argumentation in 15:1-34 sich eigentlich mit der Gewissheit von Christi Auferstehung befasst, und zwar im Hinblick auf ihren Nutzen für die, die an ihn glauben. Er verdeutlicht dies in Vers 17-19, wenn er vom Glauben der Korinther und von ihrer künftigen Hoffnung in Christus spricht. Paulus hält hier keine universalistische Hoffnung feil, sondern vielmehr eine Hoffnung, die denjenigen zusteht, die auf Gott vertrauen und der Verkündigung über den auferstandenen Christus Glauben schenken (1.Ko 15:1).

Drittens gibt es daneben etliche andere Texte, die das Gericht und die Hölle als ewig bezeichnen.89 In Matthäus 25:46 ist ganz klar, dass die Hölle ewig sein wird90. Jedes anderslautende Argument für eine universalistische Doktrin wird im Lichte dieser und ähnlicher Texte (2.Th 1:8-9; Off 14:10-11, 20:10-15) hinfällig.

      Zwei Ansichten innerhalb des Evangelikalismus

Zurzeit werden innerhalb des Evangelikalismus – das heißt, unter denjenigen, die die Schrift und die Notwendigkeit von persönlichem Glauben und Wiedergeburt sehr hoch achten – in erster Linie zwei Ansichten über die Art der höllischen Bestrafung vertreten. Die erste davon wird „bedingte Unsterblichkeit“ oder „Annihilismus“ genannt; streng genommen sind diese beiden Bezeichnungen aber (wie unten ausgeführt) nicht genau identisch. Die zweite wird oft als die „traditionalistische Anschauung“ bezeichnet.

Zu diesem Thema muss man unbedingt verschiedene Dinge festhalten: Erstens hat die Diskussion darüber nicht unmittelbar etwas mit der Unfehlbarkeit zu tun, wie gelegentlich fälschlicherweise behauptet wird.91 Die besten evangelikalen Theologen auf beiden Seiten erkennen die Bibel unverrückbar als Gottes inspiriertes und glaubwürdiges Wort an. Vielmehr geht es hier um die beste Auslegung dieses Wortes und um die daraus resultierende Theologie. Zweitens geht die Auseinandersetzung nicht darüber, ob die Bösen gerichtet werden oder nicht. Beide Seiten sind sich darüber einig, dass das der Fall sein wird. Der Streit geht vielmehr um die Art dieses Gerichts. Die Konditionalisten vertreten die Meinung, dass das bewusste Leiden ein vorübergehender Bestandteil von Gottes Gericht sein und letztendlich in das Nichtsein der Bösen münden wird. Die Traditionalisten dagegen meinen, dass das bewusste Leiden ein unendlicher Teil von Gottes Gericht sein wird und die Bösen niemals aufhören werden zu existieren.92 Drittens hat zündende Rhetorik in dieser – wie übrigens auch in jeder anderen – Auseinandersetzung keinen Platz, denn sie dient nur dazu, die Ansichten des anderen zu verzerren und für einen selbst fremder und schwerer verständlich zu machen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man die Ansichten eines Anderen nicht entschieden kritisieren dürfte, aber so etwas muss immer mit christlichem Anstand und mit dem Ziel geschehen, das gesamte Volk Gottes in der Wahrheit über diese oder andere Fragen voranzubringen. Viertens sollten wir uns wohl zu Herzen nehmen, dass die Hölle und das schreckliche Gericht, über die wir hier diskutieren, alldenen bevorstehen, die nicht in Christus sind – also auch vielen Menschen, die wir selbst kennen und lieben. Lassen Sie uns also, wie Stott uns auffordert, mit Jeremia klagen und mit Paulus weinen über das endgültige Schicksal derer, die sich weigern, Christus anzuerkennen und zu lieben.93 Es ist dies eine sehr ernüchternde Doktrin, ganz egal, für welcher Seite man sich in dieser Streitfrage entscheidet.

Bevor wir die jeweiligen Vorzüge der bedingten Unsterblichkeit und der traditionalistischen Auffassung diskutieren, wollen wir noch einen Moment darauf verwenden, die bedingte Unsterblichkeit eindeutig von den anderen annihilistischen Sichtweisen abzugrenzen.

B.B. Warfield hat drei Hauptrichtungen des Annihilismus skizziert: (1) reine Sterblichkeit, (2) bedingte Unsterblichkeit und (3) Annihilismus im eigentlichen Sinne.94 Reine Sterblichkeit, wie sie oft auf der Grundlage eines mehr oder weniger strikten Materialismus angenommen wird, sieht für den Menschen keine Hoffnung nach dem Tod. Anders ausgedrückt: Ein Mensch kann unabhängig von seinem Körper nicht leben, denn das Lebensprinzip ist unauflöslich mit dem physischen Organismus verbunden. Jeder Mensch scheidet bei seinem Tod schlicht aus dem Sein. Bedingte Sterblichkeit beinhaltet, allgemein gesagt, dass die Menschen nicht von Natur aus Unsterblichkeit besitzen, sondern diese von Gott erhalten müssen. Gott seinerseits verleiht sie nur denen, die „in Christus“ und durch ihren Glauben in Ewigkeit mit dem Erlöser und seiner Auferstehung verbunden sind. Alle anderen Menschen, d.h. die Ungläubigen, scheiden einfach aus dem Sein, entweder durch ihren Tod und/oder nach einer allgemeinen Auferstehung oder nach der allgemeinen Auferstehung und einer Zeit des Leidens. Annihilismus im eigentlichen Sinne basiert im Gegensatz zur bedingten Unsterblichkeit auf der Vorstellung, dass der Mensch von Natur aus unsterblich ist. Zu einem bestimmten Zeitpunkt – sei es unmittelbar beim Tod, beim Gericht nach einer allgemeinen Auferstehung oder nach einer bestimmten Zeit des Leidens – werden die, die nicht in Christus sind, vernichtet werden; Gott selbst wird selbst ihre bloße Existenz zu einem Ende bringen.

      Argumente für die bedingte Unsterblichkeit

Jetzt sind wir so weit, dass wir die verschiedenen Argumente für und wider die bedingte Unsterblichkeit und den Traditionalismus diskutieren können. Die bedingte Unsterblichkeit hat in den letzten Jahren zunehmend Unterstützung von Evangelikalen wie Edward William Fudge,95 John W. Wenham,96 Stephen H. Travis,97 Philip Edgecumbe Hughes,98 Clark Pinnock99 und Michael Green100 erfahren. Ein weiterer bekannter Evangelikale, der ihren Standpunkt zumindest halbherzig vertritt, ist John Stott.101 Die Frage, die wir beantworten müssen, ist die: Kann die bedingte Unsterblichkeit unter exegetischen und theologischen Gesichtspunkten eine Überlegenheit gegenüber den traditionalistischen Ansichten behaupten, so dass sie diesen vorzuziehen wäre? Es folgt daher eine Auseinandersetzung mit einigen der populärsten und überzeugendsten Argumente für die bedingte Unsterblichkeit.

        Die Bedeutung der verschiedenen Ausdrücke der „Vernichtung“

Die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit argumentieren, dass das griechische Verb ajpovllumi, apollumi102 in seiner Aktivform „töten“ und in der mittleren, intransitiven Form „zugrunde gehen“ oder „vernichtet werden“ bedeutet.103 Als Herodes beispielsweise nach Jesus suchen ließ, tat er das, „um ihn zu töten“ (Mat 2:13). Ebenso sagte Jesus, dass die Menschen sich vor dem fürchten sollten, der zerstören, d.h. „den Leib und die Seele in der Hölle töten“ kann (Mat 10:8). Daraus folgert Stott: „Wenn töten bedeutet, den Körper des Lebens zu berauben, dann besteht die Höllenstrafe doch offenbar in der Beraubung vom körperlichen wie vom geistigen Leben, also in der Auslöschung der Existenz.“104 Zudem bedeutet das Verb in seiner mittleren, intransitiven Form „zugrunde gehen“; so zum Beispiel im Falle der Ungläubigen, von denen gesagt wird, dass sie „zugrunde gehen werden“ (1.Ko 1:18; vgl. auch 2.Ko 2:15, 4:3).

Stott meint auch, dass die Substantive apwleiva, apo„leia (z.B. Php 1:28, 3:19; Heb 10:39) and ojleqro, olethros (z.B. 1.Th 5:3; 2.Th 1:9) ebenfalls „Vernichtung“ oder „Untergang“ im Sinne einer „Auslöschung des Seins“ bedeuten. Er folgert daraus, dass „es daher doch merkwürdig wäre, wenn Menschen, von denen ausgesagt wird, dass sie Vernichtung erleiden werden, tatsächlich gar nicht vernichtet werden“.105

    Antwort

Zunächst einmal stimmt es, dass das Verb apollumi die Bedeutung „töten“ oder „umbringen“ haben kann. Aber es ist ein Non-Sequitur, deshalb anzunehmen, dass „töten“ notwendigerweise die „Auslöschung des Seins“ beinhaltet, selbst wenn dieses Töten in der Hölle geschieht; und zwar aus den folgenden drei Gründen: (1) Sprachlich wird der Ausdruck „töten“ phänomenologisch gebraucht und beansprucht daher nicht notwendigerweise eine metaphysische Aussage über Sein oder Nichtsein. (2) Die Interpretation des leiblichen „Tötens“ als „Auslöschung des Seins“ impliziert eine bestimmte grundlegende Sichtweise des Menschen, die zwar auf subtile Weise in die Definition hinein gebracht werden kann, aber keineswegs verbindlich ist. Ich meine damit das monistische Menschenbild oder seine christlichen Versionen, denen zufolge kein Leben ohne Körperlichkeit existieren kann. (3) „Apollumi” kann noch zahlreiche andere Bedeutungen außer „töten“ annehmen. Es wird gebraucht für „geistlich verloren sein“ (Mat 10:6, 15:24), „seines Lohns verlustig gehen“ (Mat 10:42), „sein Leben verlieren“ (Mat 16:25), „Dämonen vernichten“ (Mar 1:24), „einen Weinschlauch ruinieren“ (Mar 2:22), „ertrinken“ (Mar 4:38), „jemandem die notwendige Heilung vorenthalten“ (Luk 6:9), „keine Beziehung zu Gott haben“ (Luk 9:24), in Bezug auf das „verlorene Schaf“ (Luk 15:4-5), eine „verlorene Münze“ (Luk 15:8), den „verlorenen Sohn“ (Luk 15:24,32) oder „verlorene Menschen“ (d.h. Menschen, die nicht teilhaben an Jesus und der Errettung; Luk 19:10), für „zugrunde gehen“ im Gegensatz zur Teilhabe am ewigen Leben (Joh 3:16), „seinen Bruder wegen einer Speise verletzen“ (Rö 14:15), „einen Schwachen durch sein Wissen verderben“ (1.Ko 8:11).

Einige dieser Beispiele sind wichtig und sollen noch kurz kommentiert werden. Wenn erstens Jesus „Dämonen vernichtet“ (Mar 1:24) und sie dem Feuersee als ihrem endgültigen Schicksal zuführt, bedeutet aufgrund der Analogia fidei/scripturaeapollumi“ hier wohl nicht „Auslöschung des Seins“, denn diese Dämonen (einschließlich des Teufels) werden „Tag und Nacht gequält werden, für immer und ewig“ (vgl. Off 20:10). Zweitens bedeutet „einen Weinschlauch ruinieren“ sicher nicht, dass er deshalb aufhört zu existieren, sondern nur, dass er in praktischer Hinsicht für den Zweck aufhört zu existieren, für den er gemacht wurde, d.h. man kann ihn nicht mehr mit Wein füllen. Drittens kann „apollumi“ bedeuten, „keine Beziehung zu Gott zu haben“ (Luk 9:24), so dass der Mensch in dem obigen Sinne ruiniert oder zerstört ist, d.h. er erfüllt nicht den Zweck, für den er erschaffen wurde. Das wird auch am verlorenen („apollumi“) Sohn in Lukas 15:24,32 deutlich. Dieser Sohn war vernichtet oder ruiniert, wenn Sie so wollen, indem er kein richtiges Verhältnis mehr zu seinem Vater hatte, wie sein Lebensstil ja zeigte. Aber er hörte keineswegs auf zu existieren, wie seine Rückkehr zum Vater deutlich macht. Viertens kann man von einem Christen sagen, dass er vernichtet wurde, und doch kann dieser Mensch sich vollkommener Gesundheit erfreuen und noch immer eine Beziehung zu Gott haben! Das gilt sowohl in Römer 14:15 als auch in 1.Korinther 8:11. In beiden Fällen wird gesagt, dass jemand durch eines anderen Menschen Freiheit oder Wissen ruiniert („apollumi“) wird. Aber die so Geschädigten hörten keineswegs auf zu existieren, sondern sie wurden im Hinblick auf ihr Verhältnis zu Gott beeinträchtigt, das sich gemäß dem Glauben und der Hingabe eines Menschen an eine heilige Lebensweise entwickelt.

Wir sehen also, dass dieser Begriff sich meistens darauf bezieht, dass etwas/jemand ruiniert wird, indem es/er so weit beschädigt wird, dass es/er seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen kann.106 Der Begriff selbst sagt nichts aus über die Nicht-Existenz einer Sache oder Person. Das ist vermutlich auch der Sinn hinter Matthäus 10:28. In diesem Text spricht Jesus nicht über die Existenz vs. die Nicht-Existenz, sondern über verschiedene Arten der Existenz, bei Gott oder fern von ihm, wobei die letztere von beiden als „Untergang“ oder „Zerstörung“ in der Hölle beschrieben wird.107 In der Hölle kann der Mensch niemals aktiv und persönlich Gott verherrlichen. Wir sehen auch, dass in manchen Fällen – wie in Römer 14:15 und 1.Korinther 8:11 – der Untergang reversibel ist. Das trifft auch für den „Untergang“ des Verlorenen Sohnes zu. Mit der Umkehr zu Gott beginnt ein Prozess, durch den die zugezogene Zerstörung rückgängig gemacht wird. Von der Gelegenheit, die „Umkehrung des Untergangs“ oder die „Rückgängigmachung der Zerstörung“ zu beginnen, wird allerdings nirgendwo gesagt, dass sie auch jenseits dieses Lebens noch gegeben ist.

In 1.Korinther 5:5, 1.Thessalonicher 5:3, 2.Thessalonicher 2:9 und 1.Timotheus 6:9 taucht das griechische Wort olethros („Ausmerzung“) auf. Es trägt in jedem dieser Fälle religiöse Färbung und bezieht sich entweder auf die Vernichtung des Fleisches (die in diesem Leben nicht vollendet werden kann; 1.Ko 5:5) oder auf das Ergebnis von Gottes Strafe für diejenigen, die nicht auf sein Kommen vorbereitet sind (1.Th 5:3), seinem Evangelium nicht folgen (2.Th 2:9) und/oder Reichtümern um ihrer selbst willen nachjagen (1.Ti 6:9). In keinem dieser Beispiele bedeutet „olethros“ zwangsläufig die „Auslöschung des Seins“.

Selbst wenn jemand nicht mit allem übereinstimmt, was wir hier sagen, sollte er/sie schließlich doch erkennen, dass „apollumi“ nicht notwendigerweise die „Beendigung des Seins“ bedeutet oder auch nur beinhaltet. Dasselbe kann man für die 18 Anführungen des Wortes apo„leia108 und das viermalige Vorkommen des Begriffs olethros sagen. In Matthäus 25:46 und 1.Johannes 4:18 taucht der Begriff kolasis auf. An sich bezieht er sich auf eine schwere Strafe, ohne dass darin unbedingt eine Aussage über deren zeitliche Dauer beinhaltet wäre; und sicherlich gibt es keine implizite Verbindung zu der Vorstellung einer „Auslöschung“. Matthäus 25:46 werden wir später noch besprechen.

In Anbetracht der vorliegenden linguistischen Anhaltspunkte ist es irritierend zu sehen, dass Clark Pinnock einfach die Verse aufzählt, in denen der griechische Ausdruck vorkommt, und dann aus der englischen Übersetzung den Schluss zieht, dass „Zerstörung“ gleichbedeutend ist mit „Annihilation“. Alle Texte, die er nur zitiert, müssten – im Hinblick auf die von uns dargestellte linguistische Untersuchung der relevanten Begriffe – interpretiert und der Standpunkt, den er nur behauptet, müsste diskutiert und belegt werden. Beispielsweise stellt er mit Bezug auf Matthäus 10:28 einfach fest: „Unser Herr sprach offen von Gottes Gericht als der Vernichtung der Bösen, als er vor Gottes Fähigkeit zur Zerstörung von Leib und Seele in der Hölle warnte.“109 Was die anderen Texte betrifft, die er zitiert, so sind sich wohl alle Evangelikalen darüber einig, dass die reuelosen Bösen durch den Zorn Gottes ausgemerzt werden. Aber die Frage, die im Weiteren untersucht und beantwortet werden muss, ist doch: Was bedeutet „ausgemerzt“?

        Die Bedeutung der Bilder vom „Feuer“

Die Bibel spricht von „dem Feuer“ (Mat 3:10, 7:19, 13:50), dem „Höllenfeuer“ (Mat 5:22, 18:9), dem „ewigen Feuer“ (Mat 18:8, 25:41) und dem „Feuersee“ (Off 20:14-15). Wie sollen wir diese bildlichen Ausdrücke verstehen, die alle etwas mit dem Feuer zu tun haben? Manchmal wird die Diskussion darüber mit der Behauptung eröffnet, dass das „Feuer“ gar keine Metapher sei, sondern die konkrete Beschreibung der Hölle.110 Wie aber kann die Hölle buchstäblich als „Feuer“ (Mat 25:41, Jud 7) und gleichzeitig als die „schwärzeste Finsternis“ (Mat 8:12, Jud 13) beschrieben werden? Entweder muss dann die Hölle über die Zeit vom einen in den anderen Zustand wechseln, oder es muss in der Hölle Orte mit Feuer neben Orten mit undurchdringlicher Finsternis geben. Abgesehen davon, dass solche Interpretationen lächerlich klingen, sind sie (1) aufgrund der Texte selbst nicht erforderlich, (2) ein Zeichen dafür, dass die apokalytische/metaphorische Natur der Beschreibungen nicht erfasst wurde und (3) somit die mühsamste und künstlichste Auslegung der entsprechenden Textstellen. Die einfachste und beste Erklärung besteht dagegen darin, dass man die Ausdrucksweise als metaphorisch und hinweisend auf eine schreckliche Wirklichkeit betrachtet, von der wir das meiste mit unserem Verstand wahrscheinlich gar nicht erfassen können.

Was für ein Symbol aber ist das Feuer? Wofür steht es? Stott meint:

Die hauptsächliche Funktion des Feuers liegt nicht darin, Schmerzen zu bereiten, sondern Vernichtung zu gewährleisten, wie die Verbrennungsanlagen überall auf der Welt bezeugen. … Das Feuer selbst wird als „ewig“ und „unauslöschlich“ bezeichnet, doch es wäre sehr verwunderlich, wenn das, was hineingeworfen wird, sich als unzerstörbar erweisen würde. Im Gegenteil: man sollte erwarten, dass es für immer verzehrt und nicht für immer gequält würde. Daher auch „steigt der Rauch (als Zeichen dafür, dass das Feuer seine Aufgabe erledigt hat) auf für immer und ewig“ (Off 14:11, vgl. 19:3).111

Wiederum gibt es – ganz abgesehen von der problematischen Analogie des Mülls (der ja nicht aufgrund von Schuld und Sünde in die Verbrennungsanlage gebracht wird) – mindestens vier größere Probleme bei Stotts Auslegung von Offenbarung 14:11. Erstens verschweigt er, dass selbst im unmittelbaren Textzusammenhang Aussagen zu finden sind, die seiner Auffassung widersprechen. Er müsste auch noch den Rest von Offenbarung 14:11 zitieren, wo es heißt: „sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, die das Tier und sein Bild anbeten ...“. Die exegetisch sinnvollste Lesart für „sie haben keine Ruhe Tag und Nacht“ ist sicher die als „unendliche Ruhelosigkeit“ für diejenigen, die das Tier anbeten. Wenn das aber so ist, dann ist ewiges, bewusst erlebtes Leiden und nicht „Nichtsein“ der Kern der Strafe und des Textes. Damit legt das Bild des Feuers Todeskampf und Qualen nahe statt der Auslöschung des Seins, die Stott vertritt. Das passt auch gut zu Jesu eigenen Warnungen vor dem „unauslöschlichen“, „ewigen“ Feuer und der Hölle als einem Ort, wo „Heulen und Zähneknirschen“ ist (Mat 8:12, 24:51, 25:30). Zweitens stimmt Offenbarung 14:11 nicht nur formell, sondern auch inhaltlich mit Offenbarung 20:10 (und 19:3) überein, wo Johannes wiederum sagt, dass die Qual „Tag und Nacht, für immer und ewig“ anhalten wird. Drittens fragt man sich doch, wie ewiger Rauch aufsteigen kann, wenn das Feuer alles vollständig verzehrt, so dass irgendwann einmal nichts mehr zu verbrennen übrig sein sollte. Oder wie es möglich ist, dass „ihr Wurm“ nicht stirbt, wenn doch das, wovon er sich ernährt, vollständig verzehrt wird. Das sind scheinbar dumme Fragen, doch sie werden durch Stotts Handhabung des Textes gerechtfertigt.112 Viertens erscheint in Markus 9:48 die Vorstellung des „nie verlöschenden Feuers“ parallel zu der des „Wurms, der nicht stirbt“. Wenn „ihr Wurm nicht stirbt“,113 warum wird dann das „unauslöschliche“ Feuer plötzlich doch „auslöschlich“? Markus 9:48 sagt doch anscheinend prima facie, dass „nie verlöschend“ die Qualität und Dauer der Ewigkeit beinhaltet (d.h. das den Bösen bevorstehende Zeitalter beschreibt, das von seiner Dauer her unendlich sein wird); Gottes Bestrafung der Bösen hat etwas „Unendliches“.114

        Die Doktrin von der Unsterblichkeit der Seele und die griechische Philosophie

Die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit weisen oft darauf hin, dass viele Exegeten unbewusst eine unbiblische Anthropologie in ihre Auslegung relevanter Texte einbringen, die auf Plato und seine Doktrin von der Unsterblichkeit der Seele zurückgeht. So meint Clark Pinnock:

Wenn ein Bibelleser unter der Annahme an den Text herangeht, dass die Seele von Natur aus unsterblich ist, – muss er dann nicht gezwungenermaßen die Stellen, die von der Vernichtung der Bösen sprechen, so interpretieren, dass diese für immer und ewig gequält werden, denn gemäß seiner Vorannahme können die Seelen ja nicht aufhören zu existieren? (Kursive Hervorhebung von G. Herrick)

Pinnock argumentiert weiter, so wie auch Fudge115 und andere vor ihm es getan haben,116 dass Unsterblichkeit etwas ist, das nur Gott selbst besitzt (1.Ti 6:16). Gott kann jedoch seinem Volk Unsterblichkeit verleihen (1.Ko 15:21,50,54, 2.Ti 1:10). Die übrige Menschheit aber – also alle, die nicht in erlösender Beziehung zu Christus stehen – sind von Natur aus sterblich und können nicht für immer existieren. Wenn sie aber nicht für immer existieren können, dann können sie auch nicht für immer leiden. Die Ansicht des Traditionalismus setzt damit selbst ein falsches Menschenbild voraus, das unbewusst ständig in das biblische Material „hineingelesen“ wird.

Die von Pinnock vorgetragenen Argumente sind aus mindestens zwei Gründen irrig. Erstens ist die Ähnlichkeit der beiden Anschauungen über die Unsterblichkeit der Seele, d.h. der platonischen und der christlichen, nicht gleichbedeutend damit, dass die Letztere aus der Ersteren entwickelt und daher zwangsläufig von ihr abhängig wäre.117 Tatsächlich ist nach Erickson die christliche Sichtweise nicht direkt auf die platonische Sichtweise zurückzuführen. Das zeigt auch eine Betrachtung von zwei wesentlichen Unterschieden zwischen den beiden:118 Erstens besteht nach der griechischen Anschauung die Unsterblichkeit der Seele in beiden Richtungen, also in Ewigkeit vor dem Beginn der verkörperten Existenz und in Ewigkeit nach dem leiblichen Tod. Keine christliche Sichtweise aber (weder der Traduzianismus noch der Kreatianismus) vertritt die Unsterblichkeit der Seele vor dem Beginn der Schöpfung. Und zweitens scheint die griechische Anschauung oft die Vorstellung zu beinhalten, dass die Seele von Natur aus oder von sich aus inhärent unsterblich sei, und auch das wird in keiner fundierten christlichen Sichtweise vertreten. Vielmehr besteht dort die Meinung, dass Gott aus seiner freien Entscheidung heraus beschlossen hat, alle Menschen unsterblich zu machen und ihre Existenz durch Sein Wort aufrechtzuerhalten (vgl. Heb 1:3). Das sind zwei wesentliche Unterschiede, die den Behauptungen von Pinnock (und anderen) den Boden entziehen. Zweitens wäre selbst, wenn man bestimmte kausale Beziehungen zwischen der platonischen Philosophie und der Sichtweise mancher christlicher Theologen herstellen könnte, damit an sich ja die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Ansichten dieser christlichen Theologen noch nicht beantwortet; sonst würde man einen kausalen Fehlschluss begehen. Diese Frage muss auf der Grundlage der Schrift entschieden werden, was Pinnock nicht tut.

Als ein weiterer wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Tatsache der Auferstehung zu berücksichtigen. Jesus sagt in Johannes 5:29, dass es eine Auferstehung der Ungerechten zum Gericht geben wird. Es wäre merkwürdig, wenn auch logisch nicht völlig ausgeschlossen, dass diese zu deren Annihilation oder einfach zum Ende ihrer Existenz führen sollte. Vielmehr würde man erwarten, dass die Auferstehung ihnen ewige Existenz garantiert. Das scheint insbesondere auch deshalb eine angemessene Erwartung zu sein, da so eine Parallele zu den Gerechten besteht, die mit dem ewigen Leben (und das bedeutet mindestens: mit unendlichem Sein) im Blick auferstehen werden.

        Die Doktrin vom liebenden Gott

Gott ist grenzenlos in seiner Barmherzigkeit, Liebe und Vergebung. Das weiß jeder Christ, sei er ein Veteran oder erst eine Woche alt im Glauben. Tatsächlich wird man diese Wahrheit umso tiefer erkennen, je länger man schon im Glauben ist. Die traditionalistische Sicht über die Hölle zeigt uns im Gegensatz dazu einen Gott, der die Menschen endlos und ohne Hoffnung auf Wiederherstellung quält. Das ist, nach der Auffassung zumindest eines evangelikalen Schreibers,119 grausam und sadistisch. Wie können wir dann unsere Erfahrungen vom liebenden Gott mit solchen Ansichten über die ewige Verdammnis und Qual in Einklang bringen? Die Antwort ist am Ende – so wird es uns zumindest nahegelegt –: „Gar nicht.“ Wir sind von der ersteren Tatsache (Gottes Liebe) überzeugt, aber bezüglich der zweiteren (ewige, bewusst erlebte Strafe) unsicher; und so müssen wir die zweitere fahren lassen, damit wir nicht auch noch die erstere verlieren.

    Antwort

Dazu sind mehrere Dinge zu sagen. Erstens ist es zugegebenermaßen schwer, Gottes Liebe mit ewiger, bewusst erlebter Strafe zu vereinbaren, insbesondere wenn man bedenkt, wie sich Gottes Liebe im Kreuz äußert. Ich glaube, dass das von allen Seiten anerkannt wird. Zweitens ist Gott Liebe, aber er ist auch heilig. Wenn die Konditionalisten gegen eine ewige, bewusst erlebte Strafe argumentieren, steht anscheinend für sie oft die Doktrin von Gottes Liebe einer intensiven Wahrnehmung seiner Heiligkeit im Wege. Drittens sollte Gott, wenn man die Konditionalisten über die Unvereinbarkeit von ewiger, bewusst erlebter Strafe und göttlicher Liebe sprechen hört, überhaupt niemanden richten dürfen. Ein Konditionalist, der so vehement wie Pinnock vom Standpunkt der göttlichen Liebe aus argumentiert, müsste einsehen, dass er des Guten zu viel tut; denn es ist kaum einzusehen, wie die bedingte Unsterblichkeit als eine Form des Annihilismus die Doktrin von Gottes Liebe stützen oder retten sollte. Wenn Gott die Bösen nicht mit ewiger, bewusst erlebter Strafe richten darf, dann ist auch kaum einzusehen, warum so ein liebender Gott überhaupt irgendjemanden prolongierter Todesqual aussetzen sollte, nur um ihn am Ende der Annihilation zuzuführen. Mit anderen Worten: der Konditionalismus ist über das Problem auch nicht erhaben und steckt nicht weniger fest auf den Hörnern dieses Dilemmas als die anderen. Pinnocks häufig wiederholte Attribute, das „blutrünstige Ungeheuer“ und der „Sadist“, treffen auf diesen Gott genauso zu.120 Viertens versuchen die Konditionalisten ständig, die harte Realität der traditionalistischen Sichtweise abzumildern. Man darf sich aber fragen, ob vieles von der Lehre Jesu denn zu ihrer Vorstellung von Gottes Liebe passt? Schließlich war Er es, der sagte: „Haut ihn (d.h. den bösen Knecht) in Stücke und gebt ihm einen Platz bei den Heuchlern, da wird sein Heulen und Zähneknirschen“ (Mat 24:51). Das sind extrem harte Worte und aus Pinnocks Sicht der göttlichen Liebe muss man sich wundern, was von Jesu Auffassung von Gottes Liebe zu halten ist. Im Hinblick auf Jesu brutale und harte Worte dürfen wir uns andererseits aber fragen, ob Packer und Erickson nicht Recht haben, wenn sie Pinnocks und Stotts Ansichten allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz als von weltlicher Sentimentalität beeinflusst bezeichnen.121 Fünftens haben wir keine wirkliche Vorstellung davon, wie verletzend das Vergehen derjenigen ist, die Gottes Liebe in Christus immer wieder zurückweisen, entstellen oder unterdrücken. Wir haben vielleicht eine Ahnung davon, aber wir sind sicher nicht in der Position, sagen zu können, dass die Zurückweisung einer so großen Liebe nicht zu ewiger, bewusst erlebter Strafe führen darf. Schließlich handelt es sich um ein Vergehen gegen eine ewige und unendliche Liebe. Sechstens sprechen die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit oft über die Liebe Gottes, als sei sie eine blinde, überwältigende Kraft, hinter der keinerlei Wille oder Entscheidungsfähigkeit steht. Weder Gottes „Freundlichkeiten des Schicksals“ noch seine besondere, erlösende Gnade sind aber automatisch oder unkontrolliert; sie beinhalten vielmehr die Entscheidungen einer freien Person, die sich auf verschiedenste Weise mit einer gefallenen Welt und in mehr oder weniger großem Ausmaß mit deren verschiedenen Individuen einlassen will.

Unter dem Strich bleibt also stehen: Anspielungen auf den scheinbaren Widerspruch zwischen Gottes Liebe und der ewigen, bewusst erlebten Strafe sind inkonsistent und ebenso tödlich für den Konditionalismus selbst. Indem die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit den entgegengesetzten Standpunkt verdammen, disqualifizieren sie ihren eigenen unwissentlich gleich mit. Im Endeffekt aber können wir diese Frage niemals klären, indem wir uns einfach auf Gottes Liebe berufen. Wenn die Bibel schließlich über die Existenz einer Hölle spricht, so tut sie dies im Zusammenhang mit Gottes Gericht und also mit seiner Heiligkeit. Die Liebe Gottes wurde oft unter dem Vorwand einer Analogia fidei in diese Diskussion hineingebracht, aber wir müssen daran denken, dass der angemessene Kontext für eine Reflexion über die Hölle vor allem und letztendlich Gottes Heiligkeit und wahre Gerechtigkeit ist. Diese Tatsache sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Wenn wir im Zusammenhang mit der Hölle von der Liebe Gottes sprechen wollen, sollten wir darüber sprechen, wie diese Liebe zurückgewiesen wird.

        Die Doktrin vom gerechten Gott

Aber nicht nur im Zusammenhang mit Gottes Liebe, sondern auch im Hinblick auf Gottes Gerechtigkeit und insbesondere seine Heiligkeit wirft die ewige, bewusst erlebte Strafe der Bösen Fragen auf. Erfordern Sünden, wie ungeheuerlich sie auch sein mögen, die Strafe ewigen Leidens? Deutlicher ausgedrückt: Ist Leiden in Ewigkeit, wo eine Milliarde Jahre nur einen Tropfen im Ozean darstellen, wirklich fair und gerecht für Sünden, die in der Zeit begangen und daher endlich sind; oder gibt es hier ein „gravierendes Missverhältnis“?122

    Antwort

Erstens: Ist es für uns als hoffnungslos von der Sünde vergiftete Kreaturen – und darüber, dass wir das sind, sind sich beide Seiten weitgehend einig – wirklich möglich festzulegen, was Gottes Gerechtigkeit erfordert und welche Grenzen er seiner Vergeltung setzen sollte? Die Sünde richtet sich letztlich gegen Gott selbst, sie ist ein Angriff auf seine Heiligkeit, ein versuchter Staatsstreich, eine Rebellion der schändlichsten Art. Selbst als versöhnte Rebellen sind wir daher nicht in der Position zu argumentieren, ob seine Gerechtigkeit wirklich eine ewige, bewusst erlebte Strafe erfordert. Zweitens: Auf der Grundlage von Gottes Gerechtigkeit für die bedingte Unsterblichkeit zu argumentieren, kann schnell in ein Dilemma führen. Wenn die Bösen so lange Strafe erleiden, bis sie für ihre Sünden bezahlt haben – warum werden sie dann anschließend vernichtet? Der Gerechtigkeit wurde sicher Genüge getan, und dann sollte man sie doch (in den Himmel) gehen lassen. Wenn sie andererseits noch nicht für ihre Sünden bezahlt haben – warum werden sie dann vernichtet? Die Gerechtigkeit erfordert doch, dass sie für ihre Sünden bezahlen, und dann müssen sie doch bleiben, bis das erreicht ist. Genau an diesem Punkt hört man die „weltliche Sentimentalität“ auf Zehenspitzen durch den Keller des Gebäudes schleichen.

Daraus ergibt sich eine weitere interessante Frage: Kann ein Mensch noch Strafe erleiden, nachdem er ausgelöscht worden ist? Erfordert die Bestrafung für die eigenen Sünden Bewusstsein? Könnte Gott Menschen bestrafen, die nie existiert haben? Die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit werden diese letzte Frage zweifellos verneinen, da für sie ja die Auslöschung die letzte Stufe der Bestrafung darstellt. Allerdings widersprechen sie sich dann selbst, wenn sie die Traditionalisten dafür kritisieren, dass deren Ansicht nach Gott manche Menschen nur dafür ewig am Leben erhalte, um sie endlos zu bestrafen. Also glauben sie doch, dass Bewusstsein notwendig ist, um eine Strafe als solche zu erleben. Dann darf man sich fragen, ob die „Auslöschung des Seins“ überhaupt eine Strafe darstellt, denn Strafe setzt voraus, dass die so bestrafte Person Schmerzen, Verlust etc. erlebt. Wenn dieser Schmerz nicht erlebt wird, dann wird auch die Bestrafung nicht erlebt und damit auch nicht vollstreckt.

Drittens wird in der Schrift oft das Thema der Gerechtigkeit der Hölle angesprochen, und zwar mit Bezug auf unterschiedliche Grade der Bestrafung. Es werden nicht alle in gleichem Ausmaß Schmerzen und Leiden in der Hölle erfahren. Manche werden, sozusagen, wenige Schläge erhalten und manche viele davon (Luk 12:47-48). Viertens gibt selbst Stott zu, dass eine ewige, bewusst erlebte Strafe in dem Fall gerecht ist, wo Menschen auch im Zustand der Ewigkeit weiter sündigen.123 Er zitiert zu diesem Punkt keine Belege aus der Schrift, doch es gibt Hinweise darauf, dass so etwas tatsächlich der Fall sein wird. Erstens ist die Hölle ein Ort der Schmerzen (Heulen) und des hitzigen Zorns (Zähneknirschen). Das scheint doch auf sündiges Verhalten hinzuweisen. Zweitens fahren Menschen selbst dann noch fort, gegen Gott zu rebellieren, wenn sie sein gewaltiges Gericht, Schmerzen und Leiden erleben. So war es in der Vergangenheit, und so wird es auch wieder in der Zeit der großen Bedrängnis sein.

Offenbarung 9:20-21

20 Die übrigen der Menschen, die durch diese Plagen nicht getötet wurden, bereuten die Werke ihrer Hände noch immer nicht; und sie hörten nicht auf, Dämonen anzubeten und Götzenbilder aus Gold, Silber, Bronze, Stein und Holz – Götzen, die weder sehen noch hören noch gehen können –, 21 noch bereuten sie ihre Mordtaten, ihre Zauberkünste, ihre Hurerei oder ihre Diebstähle.

Offenbarung 16:9-11

9 Sie wurden mit großer Hitze versengt und sie verfluchten den Namen Gottes, der die Macht hatte über diese Plagen, doch sie weigerten sich, Buße zu tun und ihm die Ehre zu geben. 10 Und der fünfte Engel goss seine Schale aus auf dem Thron des Tieres, und sein Reich wurde verfinstert. Die Menschen bissen sich auf die Zunge vor Qualen 11 und verfluchten den Gott des Himmels um ihrer Schmerzen und ihrer Schwären willen, doch sie weigerten sich, ihre Taten zu bereuen.

Diese beiden Abschnitte zeigen, dass die Menschen nicht immer Buße tun, wenn sie dem göttlichen Gericht ausgesetzt sind – selbst wenn es ein Gericht von gewaltigem Ausmaß ist. Es verwundert uns nicht, wenn wir somit in der Schrift Hinweise darauf finden, dass es wahrscheinlich selbst noch im Zustand der Ewigkeit Unbußfertigkeit geben wird. Davon spricht wohl Johannes im letzten Kapitel der Bibel:

Offenbarung 22:10-11

10 Dann sprach er zu mir: “Versiegele nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch, denn die Zeit ist nahe. 11 Wer Böses tut, der tue weiterhin Böses; wer unrein ist, der sei weiterhin unrein; aber wer gerecht handelt, handle weiterhin gerecht, und wer heilig ist, der heilige sich weiterhin.”

In Vers 10 dieses Textes steht, dass „die Zeit nahe ist“, was sich auf die Gottes letztes Gericht bezieht. Mancher wundert sich daher vielleicht, wie Offenbarung 22:10-11 etwas über Einstellungen und Handlungsweisen im Zustand der Ewigkeit sagen sollte, da doch Einstellungen und Verhaltensweisen bis hin zu dieser Zeit beschrieben werden. Carson kommentiert dazu:

Natürlich liegt die primäre Betonung hier auf dem Zeitraum von „jetzt“ an bis hin zum Jüngsten Gericht: schon in der Zeit findet gelegentlich eine Art verwirklichtes Gericht statt. Doch die Parallele ist vielsagend: Wenn die Heiligen und die gerecht Handelnden weiterhin heilig sein und gerecht handeln werden und damit die vollkommene Heiligkeit und Gerechtigkeit vorwegnehmen, die sie in aller Ewigkeit leben und praktizieren werden, können wir daraus doch auch schließen, dass die Unreinen mit ihrem Verbleiben in der Unreinheit die Unreinheit vorwegnehmen, die sie in aller Ewigkeit leben und praktizieren werden.124

Die Schlussfolgerung, die Carson aus diesem Text zieht, wird nicht nur durch die genannte Parallele in dem Text selbst untermauert, sondern auch durch die Anspielung auf Jesu Wiederkunft im nachfolgenden Vers und die Zuweisungen an die Gerechten (Vers 14) und die Bösen (Vers 15). Die Gerechten leben ihre Gerechtigkeit aus und die Bösen verharren, natürlich außerhalb der Stadttore, in ihrer Schlechtigkeit.

Wir schließen also daraus, dass Gott gerecht ist, wenn er die Bösen für immer bestraft, mit ewiger und bewusst erlebter Strafe, da sie wahrscheinlich an Rebellion, Magie, Mord, Götzendienst und Unmoral festhalten werden.

        Die Doktrin von der universellen Herrschaft Gottes

Einige Vertreter der bedingte Unsterblichkeit meinen, dass Gottes universelle und uneingeschränkte Herrschaft in Gefahr ist, wenn die Hölle bis in alle Ewigkeit existieren sollte, da es dann immer noch „Quadranten in der Galaxie“ oder „Ecken in seinem Reich“ geben würde, die nicht unter seiner vollständigen Herrschaft stünden. Sie argumentieren, dass die Hölle einen Widerspruch zu der universellen Herrschaft Gottes darstellt. Hughes sagt:

Die Erneuerung der Schöpfung erfordert die Elimination von Sünde, Leid und Tod ... Die Vorstellung, dass das Erleiden von Qualen und das Ertragen des Todes „bei lebendigem Leibe“ in der Hölle endlos weitergehen, steht in klarem Gegensatz zu dieser Lehre. Sie belässt einen Teil der Schöpfung unerneuert, der dem neuen Himmel und der neuen Erde für immer entfremdet bleibt.125

    Antwort

Dieses Argument weist mindestens zwei Schwachpunkte auf. Erstens fügt es einen Schritt in die Ausführung von Gottes Plan ein, der in den Materialien der Bibel nicht vorkommt. Mit dem Argument, dass die Hölle und der ewige Zustand der Verherrlichung nicht nebeneinander existieren können, wird gesagt, dass Gott irgendwann (zwei Jahre, 10000 Jahre, wer weiß?) nach dem Jüngsten Gericht die Hölle und alle, die darin sind, vernichten wird. Das Problem dabei ist aber, dass die Bibel nichts von einem solchen Schritt nach dem Jüngsten Gericht weiß. Nach dem Jüngsten Gericht kennt sie nur eine Stadt, in die die Gerechten hineinkommen, während die Bösen draußen bleiben (Off 22:14-15). Offenbarung 22:14-15 ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Schlechtigkeit und Gerechtigkeit im Zustand der Ewigkeit koexistieren können. Und warum ist es, zweitens, so schwer, sich die reine, unverfälschte und gerechte Vollstreckung von Gottes Gericht im Zustand der Ewigkeit vorszustellen. Gott wird dann keinerlei Rebellion mehr tolerieren und keinerlei Sünde mehr ungestraft durchgehen lassen (vgl. Apg 17:30), sondern er wird statt dessen fortwährend sein Gericht über die Sünde und über die noch immer Unbußfertigen ausüben. In dieser Vorstellung wird die Ewigkeit dann tatsächlich zur Bühne für die endlose, reine Erfüllung der Heiligkeit Gottes.

        Die Beeinträchtigung für den Zustand der Ewigkeit

Einige Vertreter der bedingte Unsterblichkeit argumentieren, dass die Existenz von Menschen, die in der Hölle leiden, die himmlischen Freuden beeinträchtigen wird.

    Antwort

Packer weist darauf hin, dass man „das von Gott nicht sagen kann, als schmerze ihn die Vollstreckung seiner Heiligkeit durch die Vergeltung mehr als die Übeltäter selbst. Und da im Himmel die Christen vom Wesen her wie Gott sein werden, lieben werden, was er selbst liebt, und sich an allen seinen Manifestationen – einschließlich seiner Gerechtigkeit – erfreuen werden, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass ihre Freude auf diese Weise beeinträchtigt sein wird.“126

        Der Ablauf der Verdammung

Dieses Problem wurde bereits oben angedeutet. Im Hinblick auf die Behandlung der noch immer Unbußfertigen durch Gott meinen die Vertreter der bedingte Unsterblichkeit, dass Gott erst mit „vernichtendem Feuer“ richten wird. Dann wird er die ewige Strafe vollstrecken, was eigentlich eine Aussage über die Unwiderruflichkeit der Vernichtung darstellt.127 Die Vertreter der bedingten Unsterblichkeit machen also das Jüngste Gericht zu einem schrittweise ablaufenden Vorgang. Entspricht das aber den Aussagen der Bibel?

    Antwort

Beim Jüngsten Gericht gibt es keinen schrittweisen Ablauf, wie ihn die Vertreter der bedingten Unsterblichkeit entwerfen. In dieser Hinsicht sind die Verse Matthäus 25:41 und 46 ausschlaggebend. Sie lauten folgendermaßen:

25:41 Dann wird er [Jesus] auch zu denen zu seiner Linken sagen: “Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist…25:46 Und diese werden in die ewige Strafe gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.

Hier wird klar, dass das „ewige Feuer“ als Parallele zur „ewigen Strafe“ verstanden werden muss und sich beide auf dasselbe Ereignis beziehen. Keine auch nur annähernd ungekünstelte Lesart kann diesen Text so verstehen, dass beide sich auf zwei unterschiedliche Gerichtshandlungen beziehen, die schrittweise – die eine früher, die andere später – ablaufen. Eine der Hauptvoraussetzungen für die Doktrin von der bedingten Unsterblichkeit findet damit keine Unterstützung. Wenn weiterhin das Feuer als ewig bezeichnet wird, was eine endlose Zeitdauer beinhaltet (obwohl auch eine endlose Intensität impliziert sein kann) – warum ist dann nicht auch die Strafe genauso endlos? Die Parallele zum ewigen Leben enthebt uns noch zusätzlich der Notwendigkeit einer Diskussion über dieses Thema.

Die Doktrin vom Himmel
      Die Sehnsucht nach dem Himmel

Auf ein tiefes Wissen von Gott und auf das ungehinderte Suchen und Finden seiner Liebe ist das niemals endende Sehnen jedes geheiligten Herzens gerichtet. In diesem Leben geschieht das natürlich nur bis zu einem gewissen Grade und auf einem gewissen Niveau. Wie sowohl Jesus als auch Paulus lehrten, leben wir im „Jetzt, Noch-Nicht“ der Erlösung, so dass wir Gott zwar lieben können, jedoch nur unvollkommen und gelegentlich sogar nur unter Kampf und großen Schwierigkeiten. Wir dienen ihm mit Freude, doch mit einer Freude, in die sich oft die Tränen der Traurigkeit mischen. Es gibt Zeiten, wo unser Herz müde wird, ihm zu dienen, und wo wir durch die Täuschungen der Sünde und die Ablenkungen der Welt verhärtet und vorübergehend von unserer aufrichtigen Hingabe abgebracht werden. Dennoch ist es unser tiefstes Sehnen, das vom Geist der Gnade in uns eingepflanzt wurde und täglich erneuert wird, frei von Sünde zu sein und dem Herrn in einer Weise Anbetung und Dienst zu leisten, die ihn voll und ganz zufriedenstellt. Das Gute daran ist: Christus hat einen Ort bereitet, an dem uns reine Anbetung und Segen zuteil werden.

Paulus sagt über diesen Ort, der in der Schrift oft als „Himmel“ bezeichnet wird, dass „kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Sinn aufgekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1.Ko 2:9-10). Durch den Geist in uns – der uns fortwährend die Gegenwart Christi vermittelt – haben wir einen Vorgeschmack auf diese zukünftige Zeit, doch es ist nur ein Vorgeschmack (so intensiv er auch sein mag). In der Zunkunft werden wir ihn dagegen tatsächlich „so sehen, wie er ist“ (1.Jo 3:2-3). Wer kann sich wirklich vorstellen, welch große Dinge Gott für die bereithält, die ihn lieben? Über die biblische Lehre vom Himmel zu meditieren, ist eine der ermutigendsten und stimulierendsten geistigen Tätigkeiten. Das Ziel dieses Abschnitts ist es, Ihnen einige Gedanken zu vermitteln, die Sie – wie schrecklich unzulänglich sie auch sein mögen – in Anbetung und Preis vor den Herrn bringen können. Es sind sind dies, allgemein gesagt, Gedanken über unsere Zukunft bei Gott – Gedanken, die uns hoffentlich lehren, wie wir jetzt für Gott leben sollen. Auf diese Weise wird die Zukunft uns nicht gar so fremd sein, wenn sie einmal kommt.

      Der Begriff „Himmel“

In der Bibel bildet der Begriff „Himmel“ (shamayim im AT und ouranos im NT) den ersten Teil eines Merismus, der zusammen die gesamte Schöpfung bezeichnet, wie beispielsweise in dem Ausdruck „die Himmel und die Erde“ (Gen 1:1). Der Begriff wird auch als partielles Synonym für Gott gebraucht, wobei darin mehr enthalten ist als nur der Bezug auf seine Person per se. In dieser Art wird er beispielsweise in Johannes 3:27 gebraucht, wo Jesus sagt, dass „ein Mensch nicht ein einziges Ding erhalten kann, es sei ihm denn vom Himmel gegeben worden“. Aber es gibt auch noch eine dritte Art und Weise, in der der Begriff gebraucht wird, nämlich in Bezug auf einen besonderen Ort, wo Gott in der Fülle seiner Person und seines Segens wohnt.

      Das Wesen des Himmels

Wie bereits gesagt, ist der Himmel wohl ein reeller Ort. Jesus sagte mehrmals, dass er „vom Himmel“ gekommen sei (Joh 6:41,52; vgl. 7:28-29), nach seiner Auferstehung fuhr er „in den Himmel“ auf, und eines Tages wird er „aus dem Himmel herab“ offenbart werden (Apg 1:11; 1.Th 4:16). Gegenwärtig ist er „im Himmel“ und bereitet dort einen Ort für die Seinen (Joh 14:3; vgl. Heb 9:24). Unabhängig davon, ob wir den Himmel mit unseren Sinnen wahrnehmen können oder nicht, befindet er sich also doch wahrscheinlich irgendwo in unserem Universum aus Raum und Zeit, denn Jesus ist dort in seinem wirklichen, körperlichen Auferstehungsleib. Unser endgültiges Schicksal als diejenigen, die in Ewigkeit mit dem Erlöser verbunden worden sind, ist es, für immer im Himmel in der Gegenwart Christi zu leben und seinem Vater Tag und Nacht zu dienen (Eph 2:6-7; Off 22:5).

Es wird allerdings gelegentlich gefragt, ob der Himmel nicht eigentlich eher ein Zustand als ein Ort ist. Je nachdem, wie wir diese beiden Begriffe verstehen, ist die Antwort wahrscheinlich: sowohl – als auch. Wenn wir den Zustand so auffassen, dass er die entsprechende physikalische Wirklichkeit ausschließt, befinden wir uns sicher im Irrtum. Der Himmel wird in der Schrift nicht als irgendeine formlose, platonische, geistige Existenz beschrieben, denn wir werden im Himmel in unseren auferstandenen Leibern regieren (Rö 8:17). Außerdem wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, was eine Verortung in Raum und Zeit impliziert (vgl. Off 21:1). Sich nur auf die physikalischen Gegebenheiten des ewigen Lebens bei Gott zu konzentrieren, bedeutet andererseits, den „neuen“ Zustand aller Dinge zu übersehen, in den Gott uns bringen wird. Im Himmel werden wir durch Gottes Gegenwart in einer Weise gesegnet werden, wie wir es bisher nie gehört oder erfahren haben. Es wird dort keine Sünde geben, sondern nur noch das vollkommene Streben danach, ihn anzubeten, zu lieben und ihm zu dienen. Es wird dort Freude, fortwährende Offenbarung (denn Gottes Sein und Wissen sind unendlich), außerordentliche Segnungen und dankbaren Dienst geben. Das unterscheidet sich sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht von allem, was wir bisher je erlebt haben.

Auch andere Fragen sind in der Diskussion über den Himmel noch vorgebracht worden. Manche Leute sorgen sich darüber, ob ihre Sünden und die Erinnerung daran ihnen wohl in den Himmel folgen werden. Aber das ist wenig wahrscheinlich, denn Gott wird das im Jüngsten Gericht erledigen, und dann „wird kein Tod mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein (Off 21:4). Das ist jedoch kein Freibrief für ein Leben nach Gefallen, denn man sollte im Auge behalten – wenn wir das auch nicht verstehen können –, dass die Belohnung im Himmel je nach der Treue des Dienstes hier auf der Erde abgestuft sein wird. Es muss also immer unser Ziel sein, Ihm zu gefallen, egal ob wir in unserem Leib noch zuhause oder fern von ihm sind (2.Ko 5:9).

Manche Menschen fragen sich, ob es im Himmel leibliche Genüsse wie Sex, Essen, Trinken etc. geben wird. Da es keine Heiraten im Himmel zu geben scheint, wird es wohl auch keine sexuellen Beziehungen geben. Jesu Äußerung in Matthäus 22:30 besagt doch offenbar, dass gemäß den Verhältnissen bei den Engeln auch die verherrlichten Menschen nicht heiraten und keine sexuelle Vereinigung haben werden. Wir erfahren dafür keinen spezifischen Grund; vielleicht wird es im Himmel nicht notwendig sein, sich fortzupflanzen.128 Alles, was wir über „Essen und Trinken“ sagen können, ist, dass wir es vielleicht tun können werden, aber keine Notwendigkeit dafür zu bestehen scheint.129

      Die Neuen Himmel und die Neue Erde

Der Herr verheißt uns ausdrücklich, dass er „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ erschaffen will, wo Er Sein Volk durch Seine Gegenwart mit unvorstellbarer Herrlichkeit und unvorstellbarem Reichtum segnen wird (Jes 65:17, 66:22; 2.Pe 3:13; Off 21:1). Dort werden alle, die Gott Liebe bezeugt haben, für immer und in ungebrochener Gemeinschaft mit Ihm leben. Es ist das Sehnen des Vaters, uns durch Seine Gegenwart zu segnen, ja, genau aus diesem Grund hat er uns erlöst (vgl. Eph 2:6-7).

So wird es kein Geschrei und kein Leid mehr geben, noch Tod oder Schmerz, denn das Ende der alten Ordnung unter der Sünde wird endgültig besiegelt sein. In Erfüllung von Gottes tiefstem Sehnen „wird Er unser Gott sein und wir werden Sein Volk sein“. Durch das Kreuz Christi hat der Vater den Sieg errungen und uns für Seinen Hof gewonnen und in Seine Herrschaft hineingeführt, die keine Grenzen und keine Opposition kennt. Für immer werden wir mit ihm in den Neuen Himmeln und der Neuen Erde herrschen (Off 5:10).

Also geht aus der Schrift ziemlich eindeutig hervor, dass die Neuen Himmel und die Neue Erde einen Ort im physikalischen Sinne darstellen, einen Ort, an dem wir Gott Liebe erweisen und ihm dienen werden. Die Tatsache, dass Jesus jetzt in seinem Auferstehungsleib dort ist und dass auch wir eines Tages Auferstehungsleiber erhalten werden, die uns tauglich für Gottes Gegenwart machen, weist offensichtlich darauf hin, dass „die Neuen Himmel und die Neue Erde“ nicht nur eine spirituelle Realität oder spirituelle Seinsweise bezeichnen (wenngleich diese natürlich darin enthalten sind), sondern auch eine physikalische Realität. Der verherrlichte Jesus wohnt jetzt im Himmel zur Rechten Gottes (Apg 1:11, 7:55-56).

Dass die physikalische Schöpfung erneuert werden wird, lehren mehrere Textstellen. Der Apostel Petrus spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde:

2.Pe 3:10 Doch der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb; und wenn er kommt, werden die Himmel mit schrecklichem Lärm vergehen und die Himmelskörper in einem Flammenmeer dahinschmelzen, und die Erde und alle auf ihr verübten Taten werden bloßgelegt werden. 3:11 Da alle Dinge so dahinschmelzen werden, was für Menschen müssen wir sein und unser Leben in Heiligkeit und Frömmigkeit führen, 3:12 während wir auf die Ankunft des Tages Gottes warten und seiner harren? An diesem Tage werden die Himmel im Feuer aufgelöst werden und die Himmelskörper werden in einem Flammenmeer dahinschmelzen! 3:13 Doch gemäß seiner Verheißung erwarten wir neue Himmel und eine neue Erde, in denen wahrlich die Gerechtigkeit wohnt

Auch Paulus spricht in Römer 8:18-25 im Großen und Ganzen über dieselbe Hoffnung:

8:18 Denn ich halte dafür, dass unser gegenwärtiges Leiden nichts bedeutet im Vergleich zu der Herrlichkeit, die uns offenbart werden wird. 8:19 Denn die Schöpfung harret sehnsüchtig auf die Offenbarung der Söhne Gottes. 8:20 Denn die Schöpfung wurde der Nichtigkeit unterworfen – ohne ihren Willen, sondern durch Gott, der sie unterwarf – in der Hoffnung, 8:21 dass die Schöpfung selbst befreit werde aus den Banden der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 8:22 Wir wissen ja, dass die ganze Schöpfung zusammen stöhnt und leidet bis heute. 8:23 Und nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsfrucht des Geistes haben, stöhnen innerlich, während wir sehnlich auf unsere Kindschaft warten, auf die Auslösung unserer Leiber. 8:24 Denn in dieser Hoffnung wurden wir gerettet. Nun ist das Erhoffte, das man sieht, keine Hoffnung, denn wer hofft auf das, was vor seinen Augen liegt? 8:25 Doch wenn wir auf das hoffen, was wir nicht sehen, warten wir darauf sehnsüchtig und mit Ausdauer.

Achten Sie in Römer 8 darauf, dass „die ganze Schöpfung“ zwar jetzt (das heißt, zwischen der Errichtung des Reiches beim ersten Kommen Christi und seiner Vollendung bei Seiner Wiederkunft) noch „stöhnt“, doch zukünftig aus ihrer Vergänglichkeit (durch die Sünde) befreit werden wird – ein Ereignis, das eng mit der Erlösung unserer Leiber verbunden ist.

In christlichen Kreisen herrscht Uneinigkeit darüber, ob die gegenwärtige Schöpfung vollständig abgeschafft (und durch eine neue Schöpfung ersetzt) oder von Gott erneuert und vervollkommnet werden wird. Es gibt Schriftstellen, die auf eine vollständige Abschaffung alldessen hindeuten, was gegenwärtig existiert (z.B. 2.Pe 3:10; Off 20:11, 21:1), und andere, die von einer Erneuerung dessen sprechen, was gegenwärtig existiert (z.B. Mat 19:28). Aber die Beantwortung dieser Frage ist eigentlich nicht wirklich wichtig. Man kann die Schöpfung unserer gegenwärtigen Zeit hochachten, egal welche der beiden Ansichten man vertritt. Wichtig ist dagegen, dass die Schöpfung auf die eine oder andere Weise verändert und neu und tauglich für die Ewigkeit gemacht werden wird. Sie wird den absolut geeigneten Ort für die Gerechtigkeit und für die erlösten Menschen darstellen, die dort dem König der Könige mit Treue, Klugheit und Liebe Anbetung und Dienst darbringen!

Dies ist vielleicht ein passender Abschluss, einer, der unseren Blick auf die ewige Wirklichkeit und die Freuden der Liebe zu Gott richtet. Es ist meine Überzeugung, dass es eigentlich Gottes großartige Herrlichkeit ist, die uns zu ihm hinzieht. Wir schauen die zukünftige Ewigkeit durch den Spiegel einer Stadt, die den Glanz von Jaspis, Türen aus herrlichen Perlen und ein Fundament aus bunten Edelsteinen aller Art besitzt. Und das Licht, das auf diese Stadt fällt, ist, wie Sie wissen, nicht das Licht der Sonne oder des Mondes, sondern das des Herrn und seines Lamms! Wodurch sich diese Stadt grundlegend auszeichnet, ist Gottes Gegenwart und also das Leben. Und dieses Leben spiegelt sich wider in dem Fluss, der unaufhörlich vom Thron Gottes herabfließt, und in den zwei Bäumen des Lebens, die ewige Heilung für die Völker darbieten. Diese Beschreibung ist, wie der Engel sagt, glaubhaft und wahr. Sie stellt die große Hoffnung eines jeden Christen und den gewissen Sieg Gottes dar (vg.. Off 21-22)!


56 Gordon R. Lewis und Bruce A. Demarest, Integrative Theology [Integrative Theologie] (Grand Rapids: Zondervan, 1994), 3: 455.

57 Das bedeutet nicht, dass der Mensch allein von Natur aus auf jeden Fall unsterblich gewesen wäre, sondern vielmehr, dass er durch die Teilhabe am Baum des Lebens die Möglichkeit gehabt hätte, für immer zu leben. Sein Ungehorsam und das Aufkommen der Sünde aber verwehrten ihm das (jedenfalls ohne die Versöhnung durch Christus).

58 Siehe Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 1170-1172.

59 Luther lehrte, dass der Glaubende nicht im Fegefeuer sei, sondern in den Armen Christi sicher bis zum jüngsten Tag schlafe. Allgemein wird der Seelenschlaf allerdings eher mit Gruppierungen wie den Siebenten-Tags-Adventisten oder den Zeugen Jehovas in Verbindung gebracht.

60 Siehe Lewis und Demarest, Integrative Theology [Integrative Theologie] 3: 473-474. Bezüglich der Interpretation der Episode in Lukas 16, siehe Craig L. Blomberg, Interpreting the Parables [Interpretation der Gleichnisse], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1990), S. 203-208.

61 Das trifft unabhängig davon zu, ob man Vers 24:29 wörtlich nimmt – wie er recht wahrscheinlich gemeint ist – oder bildlich versteht.

62 Es scheint, dass Lukas hier das Jahr 70 n.Chr. im Blick hat (21:20-24), aber ebenso einleuchtend erscheint es, dass die Verse 21:27,35 auch auf das große Eschaton schauen. Was 70 n.Chr. geschah, könnte sich also, nur in noch viel größerem Ausmaß, wiederholen.

63 Wir wollen damit nicht behaupten, dass die biblische Lehre besagt: Er wird jeden Moment zurückkehren. Die Aussage, dass Christus jeden Moment zurückkehren wird, ist falsch, sie wird durch die Schrift nicht gelehrt und stellt einen Irrtum dar, dem viele Evangelikalen verfallen sind.

64 Berkhof, Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 695-703.

65 Grudem, Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 1095-1105.

66 Diesen Standpunkt bezieht Wayne Grudem in Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 1101.

67 So z.B. George E. Ladd, The Blessed Hope [Gesegnete Hoffnung], (Grand Rapids: Eerdmans, 1956), S. 91. Siehe auch Mat 25:6 und Apg 28:15-16.

68 Für ein besseres Verständnis dieses Themas kann man unter anderem die folgenden guten Quellen heranziehen: R.G. Clouse, “Rapture of the Church” [„Die Entrückung der Kirche“] in Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikales theologisches Wörterbuch], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 908-910; Three Views of the Rapture; Pre-, Mid-, or Post-Tribulational? [Drei Ansichten über die Entrückung: prä-, mitt- oder posttribulatorisch?] Counterpoints (Grand Rapids: Zondervan, 1996); Lewis und Demarest, Integrative Theology [Integrative Theologie], S. 369-442.

69 Kenneth L. Gentry, “Postmillennialism” [„Postmilleniarismus“], in: Three Views on the Millennium and Beyond [Drei Ansichten über das Millennium und das, was danach kommt.], Hrsg. Darrell L. Bock (Grand Rapids: Zondervan, 1999), S. 13-14. Gentry hält an einem theonomischen Postmillenniarismus fest.

70 Gentry, “Postmillennialism” [Postmillenniarismus], S. 15. Er zitiert dort die Arbeiten von Donald G. Bloesch, Essentials of Evangelical Theology: Vol. 2: Life, Ministry, and Hope [Kernpunkte der evangelikalen Theologie. Bd. 2: Leben, Dienst und Hoffnung], (San Francisco: Harper and Row, 1979), S. 192, und von Philip Schaff, History of the Christian Church [Geschichte der christlichen Kirche], 5. Aufl. (Grand Rapids: Eerdmans, rep. n.d. [1910]), S. 2:591, vgl. auch S. 122.

71 Robert Gentrys oben zitierte Arbeit ist genau dafür ein gutes Beispiel.

72 Siehe Craig L. Blaising, “A Premillennial Response to Kenneth L. Gentry” [„Prämillenniaristische Erwiderung auf Kenneth L. Gentry“], in Three Views on the Millennium and Beyond [Drei Ansichten über das Millennium und das, was danach kommt.], Hrsg. Darrell L. Bock (Grand Rapids: Zondervan, 1999), S. 76-80; Wayne Grudem, Systematic Theology: An Introduction to Biblical Theology [Systematische Theologie: Eine Einführung in die biblische Theologie] (Grand Rapids: Zondervan, 1994), S. 1122-1127.

73 Siehe Robert Strimple, “An Amillennial Response to Kenneth L. Gentry, Jr.” [„Amillenniaristische Erwiderung auf Kenneth L. Gentry Jr.“] in Three Views on the Millennium and Beyond [Drei Ansichten über das Millennium und das, was danach kommt.], Hrsg. Darrell L. Bock (Grand Rapids: Zondervan, 1999), S. 63-66.

74 Blaising, „Prämillenniaristische Erwiderung“, S. 75.

75 Siehe Berkhov, Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 709, bezüglich einer Diskussion von Irenäus’ eschatologischen Ansichten.

76 Siehe Donald K. Campbell und Jeffrey L. Townsend, Hrsg., The Case for Premillennialism: A New Consensus [Verteidigung des Prämillenniarismus: Ein neuer Konsens], (Chicago: Moody, 1992).

77 Ich sehe ein, dass hier mancher zweifellos sagen wird, ich hätte seine Argumente absichtlich schwach dargestellt: er wollte damit doch sagen, dass wir uns vielleicht besser überlegen sollten, ob eine Textstelle tatsächlich eine bestimmte Doktrin lehrt, wenn sie denn die einzige Stelle dafür ist. Das ist ein gutes Argument; aber dennoch bleibt das Problem bestehen, dass die Amillenniaristen oder Postmillenniaristen trotz vieler ernsthafter und inbrünstiger Versuche bisher noch keine schlüssige und geradlinige gegenteilige Auslegung von Offenbarung 20:4-6 vorgelegt haben.

78 Sie sahen allerdings die tausend Jahre als bereits vor ihrer Zeit vollendet und den Aufstieg des Papsttums als ein sicheres Zeichen des Endes an.

79 Lewis und Demarest, Integrative Theology [Integrative Theologie], S. 372.

80 Niemand vertritt die Auffassung, dass Satan buchstäblich mit einer Kette gebunden werden wird, als sei er ein körperliches Wesen. Was die Wissenschaftler meinen, ist vielmehr, dass Satan eine Zeitlang daran gehindert werden wird, die Menschen zu versuchen.

81 Sicher kann man „Nationen“ und „Könige“ in Offenbarung 21:24 als Metaphern ansehen; allerdings bietet sich dafür unmittelbar wohl kein guter Grund an. Und wenn es so wäre: Stellen sie dann einfach die königlichen Aspekte in der Ewigkeit dar? Wenn ja, warum dann die Erwähnung von „Nationen“?

82 Durch das einführende Wort „für“ verbindet Paulus 1:18-32 (und 1:18-3:20) eng mit 1:17. Der Abschnitt 1:18-3:20 will die Richtigkeit von 1:17 darlegen, dass nämlich alle Menschen der Gerechtigkeit Gottes bedürfen und dass ihnen diese nur durch den Glauben, nicht durch Werke, zuteil wird.

83 Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass diese „Auslieferung“ unbedingt permanent ist. In der Bibel gibt es zahlreiche Aussagen darüber, dass der Zorn Gottes oftmals Heilung zum Ziel hatte (vgl. Richter). Anders ausgedrückt: Gott liefert Menschen aus, damit sie das Verderbnis ihrer Sünde erkennen und ihn um Rettung anrufen mögen. In den Evangelien sind oft diejenigen mit dem schlimmsten Lebenswandel die ersten, die zu Christus kommen (vgl. Joh 4), während diejenigen, die scheinbar moralisch lebten, an seinem Erlösungsangebot offenbar kein Interesse zeigten.

84 Basierend auf bestimmten Textelementen in Matthäus 25:31-46 vertraten einige Wissenschaftler (z.B. Karl Rahner) die Theorie vom so genannten „anonymen Christen“, der sich zwar nicht zum Christentum bekennt, jedoch gute Werke vollbringt und daher möglicherweise ohne es zu wissen ein Christ ist. Aber eine solche Doktrin kann unmöglich aus Matthäus 25 herausgelesen werden und bringt auch die übrige biblische Lehre zu diesem Thema durcheinander. Der „Fremde“ aus Vers 35 ist nicht Christus als einer, der dem gute Werke vollbringenden Menschen fremd ist, sondern vielmehr ein anderer Mensch, „ein Bruder Christi“, der dem, der ihm Essen, Kleidung und Unterkunft gibt, zufällig unbekannt ist. Kurz gesagt, „die Gerechten“ (Vers 37) kennen Christus, aber sie wussten nicht unbedingt, dass sie ihm direkt dienten, als sie einem Fremden dienten. Sie erkannten das erst, als der König es ihnen offenlegte (Vers 37-40).

85 Manche Verfasser wollten dies abstreiten, sind damit meiner Einschätzung nach aber eindeutig gescheitert. Siehe z.B. Craig Blomberg, “Degrees of Reward in the Kingdom of Heaven?” [Abgestufter Lohn im Himmelreich?] JETS 35 (Juni 1992): S.159-72. Blomberg gelingt es sehr gut, die ethischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Konzept der Belohnung herauszuarbeiten; einige wichtige Texte, insbesondere 1.Ko 3:12-15, behandelt er dann aber in sehr wenig überzeugender Weise.

86 In diesem Abschnitt behandeln wir die biblische Doktrin von der Hölle, soweit sie die Position der Universalisten sowie zwei konservative Positionen, nämlich die bedingte Unsterblichkeit und den Traditionalismus, betrifft. Die katholische(n) Vorstellung(en) vom Fegefeuer wird hier nicht diskutiert.

87 Man darf allerdings zurecht fragen, ob sie die Schrift selbst in diesem Aspekt richtig verstehen, denn sie sprechen oft von Gottes Liebe, als handele es sich dabei um eine unpersönliche Kraft, die unterschiedslos und ohne Rücksicht auf die Freiheit des Menschen alles überzieht. Soweit das zutrifft, sind ihre Ansichten sicherlich unbiblisch.

88 Siehe N.F.S. Ferré, The Christian Understanding of God [Das christliche Verständnis von Gott], (New York: Harper, 1951), S. 228-229.

89 Mit der Frage, ob dies ewige Vernichtung oder ewige bewusst erlebte Strafe bedeutet, werden wir uns weiter unten befassen. An dieser Stelle wollen wir uns damit begnügen zu sagen, dass diese Texte eine universalistische Auslegung der Schrift verbieten.

90 Die Frage nach dem Wesen der Hölle und der ewigen Strafe werden wir weiter unten aufnehmen.

91 Beispielsweise argumentiert John Walvoords “Response to Clark H. Pinnock” [“Antwort auf Clark H. Pinnock”] in Four Views on Hell [Vier Ansichten über die Hölle], Hrsg. William Crockett (Grand Rapids: Zondervan, 1992), S. 167-168, dass “ eine bedingte Unsterblichkeit die Frage aufwirft, ob die Bibel tatsächlich jemals durch den Heiligen Geist inspiriert wurde und ihrem Wortlaut nach unfehlbar ist. … Die gängige Annahme, dass die Bibel falsche Vorstellungen über die ewige Strafe widerspiegelt, wie sie zu Beginn des ersten Jahrhunderts vorherrschten, setzt voraus, dass der Heilige Geist die Niederschriften nicht souverän geführt und die Schreiber nicht von Fehlern abgehalten hat. Die überwiegende Mehrheit derer, die an der bedingten Unsterblichkeit der Bösen festhalten, hält nichts von der Doktrin von der Unfehlbarkeit der Schrift.” Walvoords Kritik ist aber sicher fehlgeleitet und basiert auf der Verwechslung von Unfehlbarkeit und Exegese. In erster Linie handelt es sich hier um eine Frage der Exegese und nicht der Unfehlbarkeit; und weder Pinnock noch Crockett haben je Gottes Wort zu bloßer menschlicher Meinung degradiert, irgendwelche Textstellen von vornerherein ausgeschlossen oder versucht, die Schriften zu den Vorstellungen des ersten Jahrhunderts von der Hölle „hinzubiegen“. Ebenso gut könnten wir Jesus dessen bezichtigen, da seine Ansichten doch stellenweise mit großen Teilen des pharisäischen Judaismus übereinzustimmen scheinen.

Walvoords Kommentare dienen eigentlich nur dazu, die Wässer zu trüben und den Brunnen zu vergiften. Das realisieren die meisten der an dieser Debatte Beteiligten. Siehe Robert A Petersons Antwort auf Edward William Fudge in Fudge und Peterson, Two Views on Hell: A Biblical and Theological Dialogue [Zwei Ansichten über die Hölle: Ein biblischer und theologischer Dialog], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 2000), S. 83-113, wo Peterson, ein Tradtionalist, Fudge, den Konditionalisten, auf verschiedenen Gebieten entschieden kritisiert, nicht aber im Hinblick auf die Unfehlbarkeit. Warum? Aus mindestens zwei Gründen: Erstens ist Fudge Evangelikale und erkennt die inspirierte Schrift an. Zweitens ist dieses Thema hier irrelevant. Es bekommt erst dann eine Bedeutung, wenn bestimmte Texte aus ihrem Rang als Gottes Wort zu bloßem Ausdruck menschlicher Meinung herabgewürdigt werden. Insofern aber die Diskussion innerhalb führender Evangelikalen – und diese kritisiert Walvoord – stattfindet, ist das ja nicht der Fall. Mit anderen Worten: Selbst wenn Peterson, Fudge, Pinnock und Crockett alle in der Lage wären, einen noch achtungsvolleren Standpunkt – sagen wir: den von Jesus selbst – der Schrift gegenüber einzunehmen, kämen sie der Klärung ihrer Streitfrage dadurch doch um nichts näher.

92 Dieser entscheidende Unterschied wird erkennbar, wenn Stott sagt: “Sie [David Edwards] sagen zurecht, dass ich niemals öffentlich gesagt habe, ob ich denke, dass die Hölle – außer dass sie wirklich, schrecklich und ewig sein wird – auch die Erfahrung unendlichen Leidens beinhalten wird“ (Hervorhebung von G.Herrick). Stotts Aussagen bringen den Kern der Debatte zwischen Traditionalisten und Konditionalisten auf den Punkt. Siehe David L Edwards und John Stott, Evangelical Essentials: A Liberal-Evangelical Dialogue [Kernpunkte des Evangelikalismus: Ein liberal-evangelikaler Dialog], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 314.

93 David L Edwards und John Stott, Evangelical Essentials: A Liberal-Evangelical Dialogue [Kernpunkte des Evangelikalismus: Ein liberal-evangelikaler Dialog], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 313.

94 “Annihilationalism” [“Annihilismus”], in: Studies in Theology [Theologische Studien], (New York: Oxford University Press, 1932), S. 447-457.

95 The Fire that Consumes: A Biblical and Historical Study of Final Punishment [Verzehrendes Feuer: Eine biblische und historische Untersuchung zur ewigen Strafe], (Fallbrook, CA: Verdict, 1982); Edward William Fudge und Robert A. Peterson, Two Views of Hell: A Biblical and Theological Dialogue [Zwei Ansichten über die Hölle: Ein biblischer und theologischer Dialog], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 2000), S. 19-82, 182-208.

96 The Goodness of God [Der gute Gott], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1974), S. 34-41; idem, The Enigma of Evil: Can We Believe in the Goodness of God [Das Rätsel des Bösen: Kann man glauben, dass Gott gut ist?], (Grand Rapids: Zondervan, 1985), S. 27-41.

97 I Believe in the Second Coming of Jesus [Ich glaube an die Wiederkunft Jesu], (Grand Rapids: Eerdmans, 1982), S. 198.

98 The True Image: The Origin and Destiny of Man in Christ [Das wahre Abbild: Ursprung und Schicksal des Menschen in Christus], (Grand Rapids: Eerdmans, 1989), S. 398-407; Reprint in “Conditional Immortality” [“Bedingte Unsterblichkeit”], Evangel 10/2 (Sommer 1992): S. 10-12.

99 “The Conditional View” [“Die Ansicht des Konditionalismus”], in: Four Views on Hell [Vier Ansichten über die Hölle], Hrsg. William Crockett (Grand Rapids: Zondervan, 1992), S. 135-166; idem, “The Destruction of the Finally Impenitent” [“Die Vernichtung der anhaltend Unbußfertigen”], CTR 4.2 (1990):S. 243-259.

100 Evangelism through the Local Church [Evangelisation durch die Gemeinde vor Ort], (Nashville, TN: Oliver Nelson, 1992), S. 72-73.

101 David L Edwards und John Stott, Evangelical Essentials: A Liberal-Evangelical Dialogue [Kernpunkte des Evangelikalismus: Ein liberal-evangelikaler Dialog], (Downers Grove, IL: InterVarsity, 1988), S. 312-329.

102 Vgl. Matthäus 2:13, 10:28. Hier bedeutet apollumi “umbringen” bzw. “töten”.

103 Eine kurze Abhandlung über die Unterschiede zwischen Aktiv-/Passivform und transitiver/intransitiver Form findet sich in Wallace, Exegetical Syntax [Exegese und Syntax], S. 409.

104 Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 315.

105 Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 315-316.

106 Tatsächlich sollte man ernsthaft infrage stellen, ob der Begriff – der 90mal im NT gebraucht wird – je das Ende des Seins bedeutet. In einigen wenigen Fällen (z.B. Johannes 6:12 – die gebrochenen Brotlaibe) könnte es wohl impliziert sein, aber selbst in diesen Fällen steht das keineswegs eindeutig fest.

107 Vgl. Roger Nicole, “Annihilationism” [“Annihilismus”], in: Evangelical Dictionary of Theology [Evangelikales theologisches Wörterbuch], Hrsg. Walter A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984), S. 50, wo gesagt wird: Der “spirituelle” oder “zweite Tod” (Off 20:14, 21:8) bedeutet nicht, dass die Seele oder Persönlichkeit in das Nichtsein entweicht, sondern vielmehr, dass sie endgültig und unwiderruflich der Gegenwart und Gemeinschaft Gottes beraubt wird, die das Hauptziel des Menschen und die wesentliche Voraussetzung für eine lohnenswerte Existenz darstellt. Ihrer beraubt zu sein, bedeutet unterzugehen, zu äußerster Bedeutungslosigkeit herabgesetzt zu werden, in abgrundtiefe Sinnlosigkeit zu fallen” (kursive Hervorhebung durch G. Herrick).

108 Wir möchten den Leser anhalten, sich die NT Erwähnungen des Begriffs apo„leia anzusehen: Mat 7:13, 26:8; Mar 14:4; Joh 17:12; Apg 8:20; Rö 9:22; Php 1:28, 3:19; 2.Th 2:3; 1.Ti 6:9; Heb 10:39; 2.Pe 2:1,3, 3:7,16; Off 17:8,11. Nichts an diesen Erwähnungen weist zwingend darauf hin, dass “apoleia“ die „Beendingung des Seins“ bedeutet. Und andererseits unterstreichen Texte wie Matthäus 26:8, Markus 14:4, Offenbarung 17:8 und 11, dass die Beendigung des Seins nicht die grundlegendste Bedeutung dieses Begriffes darstellt.

109 Pinnock, Four Views [Vier Ansichten...], S. 146.

110 So Walvoord in “The Literal View” [“Wörtlich genommen”] in Four Views on Hell [Vier Ansichten über die Hölle], Hrsg. William Crockett (Grand Rapids: Zondervan, 1992), S. 28.

111 Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 316.

112 Vgl. D.A. Carson, The Gagging of God: Christianity Confronts Pluralism [Die Knebelung Gottes: Das Christentum stellt den Pluralismus zur Rede] (Grand Rapids: Zondervan, 1996)

113 Auch hier beruht mein Argument auf der Unendlichkeit, die “ihr Wurm stirbt nicht” impliziert. Natürlich ist das anfechtbar, doch es stellt die einfachste und unumwundenste Auslegung für diesen Text und Markus’ Zitat von Jesaja 66:24 dar. Damit werden wir uns im Folgenden noch beschäftigen.

114 Vgl. William L. Lane, The Gospel of Luke [Das Lukasevangelium], The New International Commentary on the New Testament [Neuer internationaler Kommentar zum Neuen Testament], Hrsg. F.F. Bruce (Grand Rapids: Eerdmans, 1974), S. 349, Fn., S. 81.

115 Fudge, The Fire that Consumes [Verzehrendes Feuer], S. 51-64. Pinnock, “The Conditional View” [“Die Ansicht der Konditionalisten”], S. 147, Fn. 25, bezeichnet eben dieses Argument als den Kern von Philip Hughes Werk The True Image [Das wahre Abbild], Kap. 37. In derselben Fußnote sagt Pinnock auch, dass F.F. Bruce, der Herausgeber von Edward Fudges Buch, “sich im Vorwort dazu zum Konditionalismus bekennt”. Das bedeutet aber nicht, dass Bruce die bedingte Unsterblichkeit vertritt. Tatsächlich streitet er explizit seine Zugehörigkeit zu irgendeiner bestimmten Ansicht ab und lehnt es ab, seine Gedanken zu diesem Thema in ein System zu fassen. Auch hier sollte der Leser wieder daran denken, dass die traditionalistische Ansicht nicht von einer inhärenten Unsterblichkeit ausgeht.

116 Siehe Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 316.

117 Wir haben im Verlauf der Geschichte die Religionen diesen Fehlschluss im Umgang mit den Schriften über das Evangelium so oft begehen sehen, dass wir als Evangelikale eigentlich etwas daraus gelernt haben sollten.

118 Siehe Millard J. Erickson, How Shall They Be Saved: The Destiny of Those Who Do Not Hear of Jesus [Wie sollen sie gerettet werden? Das Schicksal derer, die nicht von Jesus gehört haben], (Grand Rapids: Baker, 1996), S. 226-227, wo er dieses philosophische Thema diskutiert.

119 Pinnock, “The Conditional View” [“Die Ansicht des Konditionalismus”], S. 149-151.

120 D.A. Carson weist in The Gagging of God: Christianity Confronts Pluralism [Die Knebelung Gottes: Das Christentum stellt den Pluralismus zur Rede], (Grand Rapids: Zondervan, 1996), S. 529-530, zurecht darauf hin, dass “man beträchtliche Geduld braucht, um Pinnock wohlwollend dabei zuzuhören, wie er um tolerantes Verständnis für seine eigene Sichtweise bittet und gleichzeitig in seiner überladenen Prosa jeden als Sadisten ohne jegliche menschliche Güte verdammt, der nicht seiner Ansicht ist”. Pinnock muss sich darüber im Klaren sein, dass er gegen viele der Heiligen Gottes spricht, wenn er so argumentiert, denn viele fromme Menschen haben in der Vergangenheit traditionalistische Sichtweisen vertreten. Und auch darüber, dass sich seine Anklage, wenn die traditionalistische Sichtweise richtig ist, im Grunde gegen Gott selbst richtet. Im Gegensatz dazu verhält sich John Stott selbst weiser, indem er sich vorsichtig über die bedingte Unsterblichkeit äußert.

121 Siehe Erickson, How Shall They Be Saved [Wie sollen sie gerettet werden?], S. 227. Erickson sagt auch, dass “Pinnock, Stott und andere eine sentimentale Version [von Gottes Liebe] entwerfen, in der Gott niemals etwas tun würde, was irgendjemandem Schmerzen, Unbehagen oder Unbequemlichkeit verursacht“. Während Erickson wohl Recht hat, wenn er eine weiche und unbiblische Auffassung von der Liebe Gottes in Stott und Pinnock am Werke sieht – wobei Pinnock jeden derartigen Vorwurf unnachgiebig zurückweist –, geht er doch zu weit darin, dass deren Gott nichts tun würde, was „Schmerzen, Unbehagen oder Unbequemlichkeit verursacht“. Das stimmt nicht, denn sowohl Stott als auch Pinnock vertreten zumindest ein gewisses Ausmaß an bewusst erlebter Strafe (jedenfalls während des Zwischenzustandes, vgl. Luk 16:23-24), nur eben keine ewig währende, bewusst erlebte Strafe. Siehe auch Packer, “Evangelicals and the Way of Salvation: New Challenges to the Gospel—Universalism and Justification by Faith” [„Die Evangelikalen und der Weg zur Erlösung: Neue Herausforderungen für das Evangelium – Universalismus und die Rechtfertigung durch den Glauben“], in: Evangelical Affirmations [Evangelikale Affirmativen], Hrsg. Kenneth S. Kantzer und Carl F.H. Henry (Grand Rapids: Zondervan, 1990), S. 126.

122 Siehe Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 318.

123 Stott, Essentials [Kernpunkte...], S. 319.

124 Carson, Gagging of God [Die Knebelung Gottes], S. 533.

125 Philip Edgcumbe Hughes, “Conditional Immortality” [“Bedingte Unsterblichkeit”], Evangel 10/2 (Sommer 1992): S. 11.

126 Packer, “The Problem of Eternal Punishment” [“Das Problem der ewigen Strafe”], S. 18.

127 Siehe Kendall S. Harmon, “The Case against Conditionalism” [“Streitsache Konditionalismus”], in: Universalism and the Doctrine of Hell [Der Universalismus und die Doktrin von der Hölle], Hrsg. Nigel M. de S. Cameron (Grand Rapids: Baker, 1992), S. 113-115.

128 Wir sollten uns vorsehen, Jesu Aussage über die Entsprechung zwischen den Engeln und uns nicht überzuinterpretieren. Wir sollten uns dabei auf das hier diskutierte Thema der Heirat und ihre offensichtlichen Auswirkungen für eine sexuelle Vereinigung beschränken.

129 Es stimmt zwar, dass Jesus selbst nach seiner Auferstehung aß; doch scheint es wenig einleuchtend anzunehmen, dass er das brauchte, sondern eher wahrscheinlich, dass er es zu diesem Zeitpunkt zur Gesellschaft für seine Jünger tat (vg. Luk 24:43). Wenn andererseits in Offenbarung 22:2 die Blätter am Baum des Lebens, die gegessen werden sollen, wörtlich zu nehmen sind, dann muss Essen vielleicht doch ein dauerhaftes Merkmal des himmlischen Lebens sein, da dieses Essen zur Heilung der Völker dient. Dafür aber müsste man dieses Bild so drastisch wörtlich nehmen, wie es durch den Text selbst nicht gerechtfertigt wird. Am besten versteht man (nach der Meinung der meisten Kommentare) diesen Vers symbolisch als einen Bezug auf die fortwährende Gesundheit und Segnung aller Menschen im Neuen Jerusalem. Siehe auch Grudem, der in Systematic Theology [Systematische Theologie], S. 1161-1162, die Erwähnung unseres Essens und Trinkens beim Hochzeitsmahl mit dem Lamm (Off 19:9) wörtlich nimmt. Erickson, Christian Theology [Christliche Theologie], S. 1232, sieht diese Dinge dagegen eher symbolisch. In Anbetracht der Begrenztheit der Sprache und der Knappheit der angegebenen Details ist es wohl am besten, diese Sachverhalte im Detail nicht zu dogmatisch zu betrachten.

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For many years, men have gone to great hardship and effort to mine for gold. They have endured freezing temperatures in the Klondike, they have tunneled into the hard Rocky Mountains in spots that are difficult just to hike to, let alone to carry out gold ore. Men would shoot other men in arguments over a claim. They did it all to get the gold.

I’d like to tell you about some rich sources of spiritual gold that are there for the mining. These are found in reading the biographies of the great saints from the past. Martyn Lloyd-Jones, who has been called the greatest preacher in the English language in the 20th century (no small compliment!) said, “There is nothing more important for preaching than the reading of Church history and biographies” (Preaching & Preachers [Zondervan], p. 317).

The Bible as Biography

There is biblical warrant for studying the lives of great men and women of faith. The rabbis said that God made people because He loves stories. Much of the Bible—far more than the didactic portions—consists of stories about people. God knows that we learn by example. Seeing how different people succeeded or failed in real life situations helps translate faith into practical insights to guide us through life’s many difficult situations and decisions. Bible stories show us that God saw a need to wrap theology in human flesh—the incarnation of Jesus Christ being the supreme example.

Lessons from Reading Christian Biographies

I began reading Christian biographies in the summer of 1970 when I read George Muller of Bristol by A. T. Pierson. God used that book to show me that I could trust Him and that He is a God who answers prayer. Since then I have read dozens of biographies or books on church history. It is rare that I come away empty. Sometimes the lessons are mistakes to avoid, but that also can be profitable! Here are four ways that reading Christian biographies has helped me:

1. Heritage: Christian biographies give me a sense of my place in the Christian drama.

Reading Christian biographies has helped me appreciate my spiritual roots. It helps me put our times and my own circumstances in perspective. It helps me realize that I’m carrying the torch hand­ed to me by those who went before, and that I must hand it off intact to those who come after me.

There are very few new doctrinal errors or church problems that have not already come around in the past 2,000 years of church history. The Jehovah’s Witnesses are really just recycled Arians. The current non-lordship salvation controversy is a rerun of an error from the 18th century, promoted by a man named Robert Sandeman (1718-1771). If you’re having struggles in your church and the members are threatening to fire you, you can read how Jonathan Edwards’ church fired him, even after he had led them through the revivals of the First Great Awakening. You can read of how men of God endured persecution, hardship, and sometimes martyrdom, yet remained faithful to the Lord. Knowing the price that some of these men paid to hand off the message to us will give you strength to endure when you feel like quitting.

2. Modeling: Christian biographies give me great examples to follow.

Dr. Albert Schweitzer was asked what is the best way to raise children. He wisely replied, “There are three ways: 1) By example, 2) By example, and 3) By example.” I disagree with the man’s theology, but he was right on that point. God has made us so that from our earliest days, we learn from models. We pick up attitudes and actions by watching how our parents and others around us live.

The same is true spiritually. We learn by watching models who “flesh out” Christian principles in their daily lives. When I was younger in the faith, I wanted someone to disciple me. I tried several different men, but it never seemed to work out. But in a very real sense, I have been discipled by some of the greatest Christians who have ever lived, by reading their biographies and their sermons and books. Here are some who have helped me most:

Five of my most influential models have been John Calvin (16th century), John Bunyan (17th century), Jonathan Edwards (18th century), Charles Spurgeon (19th century), and Martyn Lloyd-Jones (20th century). All were pastors and strong preachers. Their ministries affirm the power of biblical preaching backed by godly lives.

I have always admired men who can combine solid biblical scholarship with vibrant, genuine love for God. Through their deep study of the Scriptures, these men knew God and they knew the hearts of people. They were able to bridge that gap with powerful preaching. Each man had a passion to see lost people coming to faith in the Savior.

They each faced intense pressure to compromise the gospel or their doctrine. But they held the line. Each was involved in painful controversies that took an emotional toll on them. Calvin was a frail, painfully shy, scholarly man, but he was thrust into the limelight and constantly under opposition. Bunyan spent years in jail because he dared to preach without a license. Edwards was removed from his pastorate and he and his family (ten children at that time) nearly starved, because he came to hold that only saved people in the church could partake of communion. Many attribute Spurgeon’s final decline in health to his grief over the “Downgrade Controversy.” Lloyd-Jones paid a price by standing alone against the encroachment of liberalism into British evangelicalism.

Reading the lives of these men has motivated me to deepen my theological roots. They have shown me the shallowness of my love for Christ and the need to walk in daily reality with Him. I’ve been strengthened to take a stand on the theological issues that really matter, rather than go with the tolerant mood of our day. I have worked harder to base my preaching on solid biblical scholarship, but to communicate it in a way that connects with the average person. They’ve shown me that in whatever century, the simple gospel is still the power of God to salvation to everyone who believes.

Besides these great men, I have many more models. Francis Schaeffer has reinforced the need to blend compassion with truth, scholarship with evangelism, and orthodoxy with spiritual reality. His model of strong family life in the midst of fishbowl living has been of great help.

George Muller impresses me with the practicality of a life of prayer and faith. Hudson Taylor, Jim Elliot, and Bruce Olson all give me examples of men who bucked the Christian establishment and endured hardships to further God’s work in difficult areas.

Adoniram Judson has shown me a model of endurance and faithfulness through horrible trials and discouragements. Judson served 33 years without a furlough, often working 12-hour days. He endured a horrible two-year imprisonment and torture, after which he lost his wife and baby daughter and went through a time of severe depression. He later lost another wife. It took him 14 years of disciplined translation work after his first wife’s death (not counting the many years with her at his side) before he sent the completed Burmese Bible to the printer. Thinking about Judson helps me put in perspective the criticism that I endure in pastoral ministry. If Judson endured all that, I can survive a rough elder board meeting! Maybe I don’t have it so bad!

3. Spirituality and Doctrine: Christian biographies give me theological perspective and balance.

We’re all limited by the fact that we are creatures of our time and culture. We tend to view issues from the perspective that we almost unconsciously absorb from the theological and social climate in which we live. It’s as if we’re born in the forest and start walking, not quite sure where all the various trails come from or lead to. Reading Christian biographies is like climbing a high mountain so that you can get a feel for the lay of the land.

Reading biographies of men who grew up in different times under different cultural influences, broadens me. To read of Anglicans, Lutherans, Plymouth Brethren, Baptists, Presbyterians, and others who loved and served the same Lord widens my understanding of what God is doing. It makes me less sectarian, less consumed with minor issues and narrow viewpoints.

It also gives me perspective on how the Christianity of our day has drifted. As I read their lives and their sermons, I realize how shallow our ministries and churches are today. These men knew God in a way that I don’t! As I see the trials that they endured, I realize how emotionally fragile today’s pastors have become. Their trials drove them to rely on Christ in ways that we do not have to in our day. Instead of going deeper with Christ, we go to Christian psychologists for insights on coping with stress and burnout!

But these men worked circles around us. Their output is staggering! Many of them labored long hours in spite of illnesses that would cause us to get out of the ministry. Calvin, who was often ill, would lie in bed and dictate his commentaries in Latin to secretaries on one side of the bed. While they caught up, he would turn to the other side of the bed and dictate in French. Then he would pick up right where he left off with the Latin dictation!

So reading Christian biographies has taken me up the mountain for a clearer view of my own and others’ theological perspectives. This has helped me sort through which issues are crucial and worth fighting for. It has shown me areas where I need to grow more in the Lord. If I need a good dose of humility, I just read a Jonathan Edwards sermon. He was so far ahead of me in the Lord that reading him makes me wonder if I’m even saved! But that’s good for me at times.

4. Humanity: Christian biographies give me an understanding of people and of myself.

I’ve discovered that there are two types of Christian biographies. Many of the older works fall into what I would call the “eulogy” genre. They approach the subject as we deal with the deceased at funerals: They emphasize his good points and overlook his faults. But more recent biographers tend to take a more honest look at their subjects, exposing the shortcomings and all.

If you uncritically read biographies of the “eulogy” genre, you can become depressed, thinking, “That guy almost walked on water. I’ll never attain the high level of spirituality he had.” But if you read more honest biographies (and read between the lines of the eulogy-type), you discover that God has used some very rough instruments. You find that the great strengths of some of the giants were also the flip side of great weaknesses and blind spots. Men and women who were unswerving in their commitment to Christ were sometimes stubborn and ran roughshod over people. And yet God used them greatly!

This is not to excuse their problems and sins, nor to excuse my own. But, like many pastors, I tend to be hard on myself. When I read of others who did great things for God, it helps me to realize that they weren’t perfect. Far from it!

John Wesley and William Carey had difficult marriages. Carey’s wife didn’t want to go to the mission field, and when she finally yielded to her husband’s pressure and went to India, she went insane. Jonathan Edwards had trouble relating to people socially and tended to stay holed up in his study. I wonder if he would have weathered the theological controversy that cost him his pastorate if he had been warmer relationally.

David Livingstone was a loner who had numerous conflicts with fellow workers. He carried a revolver and sometimes brandished it in the face of belligerent African chiefs. He essentially abandoned his wife and children, who suffered greatly without him. Yet God used Livingstone to open Africa to the gospel!

Many great missionaries sacrificed their families for the cause. Some were unable to relate well to people, including their own mates and children. C. T. Studd, famous for the quote, “If Christ be God and died for me, no sacrifice is too great for me to make for Him,” left his wife in poor health and went to Africa, returning to see her only once in the final 16 years of her life. He worked 18-hour days and expected everyone else to do likewise. His intense dedication to the cause of Christ made him intolerant of anyone who wasn’t equally committed. He alienated everyone around him, including his daughter and son-in-law, and was finally dismissed by the mission he had founded.

My point is not to be critical of these servants of the Lord nor, by pointing out their sin, to excuse my own. But seeing their shortcomings and failures helps me accept imperfect people, including myself. It helps me remember that there never has been a perfect church, so mine probably won’t be. The saints who are extolled as attaining such a high level of spirituality struggled with many of the same problems that I do.

And yet God did some significant things with these imperfect men and women. Thousands of lives have been changed. In some cases, the history of nations and of western civilization has been altered through these godly, yet very human, instruments. Maybe there’s hope that God can use even me! I pray that we all will be motivated to dig out the gold from these godly men of the past!

© Steven J. Cole, 2006

Related Topics: Christian Life, Equip, History, Spiritual Life, Testimony & Biography

2. John Calvin—the Man and His Preaching

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In my spiritual life, the men who have helped me the most possess two qualities: solid biblical scholarship and a fervent heart of devotion for God. Some men are impressive Bible scholars, but they are like spiritual dry toast. These men could look at a picture of a beautiful mountain scene and criticize the technical skill of the photographer, while missing the dramatic beauty of the picture. They are like builders who spend all their time looking at detailed blueprints, but they never get the whole thing built so that they can stand back and enjoy its beauty and function.

On the other hand, there are those who are fervent in their love for Jesus, but their doctrine is so shallow that you’re not sure if they know much at all about who Jesus really is. They get tossed around by every wind of doctrine that comes along. They build the house without any thought about the foundation or the plans. You wouldn’t want to move into such a house! But the men who feed me know the Scriptures and base everything on the Word. They have thought through the great doctrines of the faith, and out of such study have a heart of love for the Savior.

It may surprise you to learn that John Calvin was just such a man. He is usually perceived as a stern, cold, austere scholar. But when you read his writings, you learn that devotion for Christ and a desire for His glory drove John Calvin. Certainly any man whose writings are not only still in print, but widely read and extolled, nearly 450 years after his death, is worth getting to know!

Calvin was born in France in 1509. When Martin Luther nailed his now-famous 95 theses to the door of the church in Wittenburg, Calvin was just 8 years old. Calvin’s home, like almost every other home in France, was Roman Catholic. His grandparents were common people; one grandfather was a barrel-maker and boatman, the other an innkeeper. Calvin’s father had improved his lot by becoming a successful lawyer. At first he determined that his son would be a clergyman, serving as a chaplain to one of the universities. But after Calvin had studied in this direction for a while, learning Latin and philosophy, his father changed his mind and decided that John should be a lawyer. Although John had no love for studying law, as a dutiful son he complied.

During these years, the printing press, which was less than 75 years old, was revolutionizing society by disseminating affordable editions of the Latin and Greek classics, as well as Greek and Hebrew Bibles. Many of the Reformation pamphlets and books were also being circulated. While Calvin studied law at Orleans, some of his friends had made the shift into the ranks of the Reformation. One was Calvin’s cousin, Pierre Robert, nicknamed Olivetanus (“Midnight Oil”) because of his habit of late night studying. Through his influence, Calvin began reading the Bible and began to abhor many of the superstitions and rites of the Roman Catholic Church. At some time in 1529 or early 1530 (some put it as late as 1532), Calvin was converted.

His only reference to his conversion is an obscure comment in the preface to his commentary on the Psalms. In setting forth his credentials to expound on the Psalms, Calvin compares himself with David, whom God chose from the sheepfold to be in a position of authority, in that God chose Calvin from humble beginnings to be a preacher of the gospel. He describes how he was pursuing a career in law. Then, in his words (Calvin’s Commentaries [Baker reprint] preface to Psalms, pp. xl, xli),

And first, since I was too obstinately devoted to the superstitions of Popery to be easily extricated from so profound an abyss of mire, God by a sudden conversion subdued and brought my mind to a teachable frame, which was more hardened in such matters than might have been expected from one at my early period of life. Having thus received some taste and knowledge of true godliness, I was immediately inflamed with so intense a desire to make progress therein, that although I did not altogether leave off other studies, I yet pursued them with less ardor.

He goes on to say that within a year, he was surprised to find that people who desired purer doctrine were coming to him to learn. Being a shy and reclusive man, he sought a place where he could be more withdrawn from public view, but God did not allow it and instead thrust him into public notice. In his attempt to get away, and to escape from official persecution in France, Calvin moved to Basel, Germany. While there, he heard reports of Christians being falsely accused and burned at the stake in France. He knew that if he kept quiet and did not do all within his power to oppose such tyranny, he would be a coward and traitor to the cause of Christ. This motivated him to write and publish the Institutes of the Christian Religion (preface to Psalms, pp. xli, xlii). The word “Institutes” might better be translated “Principles,” but it has so long been called the Institutes that that title has stuck.

The original edition (published in 1536, written before Calvin was 27, less than six years after his conversion) was a relatively brief treatise (about 500 pages) intended as an elementary manual for general readers who wanted to know something about the evangelical faith. He wanted to correct some of the slanderous things being said about those holding to the Reformation teachings and he wanted to provide instruction in matters of salvation and godliness for those who did not yet have a knowledge of God. He wanted to show that evangelicals held to the great creeds of Christendom, that they sought to obey God’s moral law, and that they were loyal to the established political order.

Thus he had two main purposes in writing the Institutes: first, to show that the evangelical faith was not some radical new thing, but rather the faith of Christ and the apostles, and that it was the Catholic Church that had departed far from the truths of the Bible. Second, he wanted to give instruction in the principles of salvation and godly living for people who desired to know God, but, invariably, had been led astray by Rome. T. H. L. Parker says, “Calvin intended it to be elementary” (John Calvin [Lion], p. 42).

The original version had six chapters on the Law, the Creed, the Lord’s Prayer, the sacraments, false sacraments, and final chapter on Christian liberty, church government, and civil government. The prefatory address to King Francis sought to persuade him to lift the persecution against evangelical Christians. John McNeill writes, “Calvin’s Institutes of the Christian Religion is one of the few books that have profoundly affected the course of history” (The History and Character of Calvinism [Oxford], p. 119). Throughout his life, he worked on multiple revisions, until the final version of 1559.

The book met with immediate popularity, which seemed almost to embarrass Calvin. He kept it a secret in Basel and everywhere else he went that he was the author of the work. In August, 1536, he was on his way to Strasbourg by a roundabout way because of a local war. His party stopped in Geneva to spend the night, intending to resume their journey in the morning. Geneva had just decided for the Reformation a month or two earlier under the leadership of William Farel. Someone told Farel that the author of the Institutes was staying in town that night. Farel went straight to the inn and sought to persuade Calvin to settle in Geneva and help with the struggling new church.

Calvin protested that he was a scholar and writer, not a pastor or administrator. He told Farel that he would have to find someone else to help. Calvin said he was heading for Strasbourg in the morning. Farel finally grew so frustrated that he pronounced what Calvin later called “a dreadful imprecation,” saying that if he pursued his course of staying out of the limelight so that he could study, God would curse his studies. Calvin, who always had a sensitive conscience, was terror-stricken. He stopped his journey, settled in Geneva, and lived there until his death in 1564, except for three years (1538-1541) when he was banished by his opponents. Even during his banishment he sought to return to his private ways, but Martin Bucer laid hold of him in a manner similar to that of Farel and persuaded him that he must be in public ministry. He dreaded the return to Geneva when that invitation came, but he went in obedience to God.

Calvin has been one of the most maligned and misunderstood men in the history of the church. Jerome Bolsec, a monk who was converted to Protestantism, but fell out with Calvin over his view of predestination and returned to the Roman Catholic Church, accused Calvin “of being ambitious, presumptuous, arrogant, cruel, evil, vindictive, avaricious, greedy, and ignorant; an imposter and charlatan who claimed he could raise the dead; a lover of rich fare and a bi-sexual who indulged sexually with any and every female within walking distance and for whose homosexual habits his birth city … had sentenced him to be branded with a hot iron; and who, as an outcast of God, was ‘eaten with lice and vermin all over his body,’ wasted away as punishment for his sins, and died cursing and swearing as a blasphemer” (in Robert Reymond, John Calvin: His Life and Influence [Evangelical Press], p. 135! If any of these charges were true, Calvin would not have influenced thousands of godly men down through the centuries. But Bolsec’s outlandish vehemence shows how much some have hated the man! Here are some other examples (from Christian History magazine, Vol. V, No. 4, p. 3):

“Better with Beza in hell than with Calvin in heaven!” (A saying coined by Calvin’s enemies in Geneva.)

“[Calvin] belonged to the ranks of the greatest haters in history.” (Erich Fromm)

[Calvin was] “one of the terribly pure men who pitilessly enforce principles.” (H. Daniel Ropps, Catholic theologian)

“But we shall always find it hard to love the man [Calvin] who darkened the human soul with the most absurd and blasphemous conception of God in all the long and honored history of nonsense.” (Will Durant, historian)

“The famous Calvin, whom we regard as the Apostle of Geneva, raised himself up to the rank of Pope of the Protestants.” (Voltaire, French philosopher)

“Calvin has, I believe, caused untold millions of souls to be damned …” (Jimmy Swaggart, evangelist)

“If Calvin ever wrote anything in favor of religious liberty, it was a typographical error.” (Roland Bainton, Yale Church historian)

[Calvin was] the “cruel” and “the unopposed dictator of Geneva.” (Oxford Dictionary of the Christian Church)

As the last quote alleges, he is often pictured as the mean despot who ruled Geneva with absolute authority. The fact is, he was a godly, humble man who was strongly opposed for holding to God’s truth. He never held civil office, and he wasn’t even granted citizenship until 1559, five years before his death.

Calvin’s opponents did not just argue against his views. Although by nature Calvin was very shy, frail, and hated conflict, his enemies often commanded their dogs to go after him, fired their muskets outside the window of his house and outside the church during his preaching. They sometimes tried to drown out his preaching by coughing loudly or talking. They threatened to kill him and they spread deliberately false stories about him. J. I. Packer says, “The amount of misrepresentation to which Calvin’s theology has been subjected is enough to prove his doctrine of total depravity several times over” (Great Leaders of the Christian Church [Moody], ed. by John Woodbridge, p. 213).

From his late 20’s on, Calvin suffered many physical infirmities: impaired digestion (he only ate one meal a day), migraines, lung hemorrhages, perhaps tuberculosis, chronic asthma, kidney stones, hemorrhoids, frequent fever, and gout. He did not sleep more than four hours a night. Even when he was ill, he kept four secretaries going with dictation in both French and Latin. He revised and expanded the Institutes over the course of his life, until the final 1559 edition. He wrote commentaries on almost every book of the Bible, based on the original Hebrew and Greek, which he knew well. His correspondence to leaders of the Reformation around the world and to others takes up 11 volumes. He preached two different sermons every Sunday, plus every day on alternate weeks (6 a.m., 7 in the winter). He averaged 170 sermons per year (Reymond, p. 84). The weeks he wasn’t preaching every day he lectured three times to pastoral students. He also met every Thursday with the church leaders, counseled with numerous individuals, and entertained many guests at his home.

When Calvin was 31, he married Idelette, the widow of a friend. She had two children from her first husband. She and Calvin had a premature son who died at two weeks old. They had a daughter who died at birth and another child was born prematurely and died. Idelette’s health declined from there. She probably had tuberculosis and died after nine years of marriage to John. While many of Calvin’s Geneva enemies attacked him, even naming their dogs after him, the most difficult thing for him to bear was when they attacked his wife. They spread rumors that she was a woman of ill repute and that her two children had been born out of wedlock. They said that the reason she and Calvin could not have children was God’s punishment for her previous immorality. Calvin saw her as his best friend and supporter, and her death left him overwhelmed by grief. He never married again.

Calvin’s Preaching

Calvin believed that “the preacher’s primary task was to expound Holy Scripture, which is, so to say, the voice of God himself” (T. H. L. Parker, Calvin’s Preaching [Westminster/John Knox Press], p. 17; hereafter, CP). In Calvin’s opinion, preaching was like a visitation from God, through which He reaches out His hands to draw us to Himself (Christian History, [V, 4], p. 10). He insisted “that the preacher is to invent nothing of his own but declare only what has been revealed and recorded in Holy Scripture” (CP, p. 22). Parker says (p. 107), “Through all the variety occasioned by the variety of the texts there runs the Biblical point of view—the hidden God reveals himself for man’s eternal and temporal good. It is this that governs Calvin’s interpretation and application of his texts.”

Thankfully, there are many volumes of Calvin’s sermons still in print. I have read several of them and have found them to have many rich devotional insights. They are not carefully structured, but are more like a practical running commentary on the text. Calvin could prepare a sermon in an hour or less (Theodore Beza, The Life of John Calvin [Evangelical Press], p. 124). But remember that he had written commentaries on almost all of the texts that he preached on and he had an amazing memory that enabled him to recall almost everything! He emphasized the need for studious, thoughtful preparation (CP, p. 81). He preached without notes, directly from his Hebrew or Greek Bible (ibid.). He could remember all that he studied and bring it to bear on the sermon, even when it involved a wealth of historical detail (Beza, p. 124). He would explain the text simply, in language that the people could understand (CP, pp. 141, 148). He never cited Hebrew or Greek words directly in sermons (CP, p. 86), but he was always knowledgeable of interpretive issues and options. He often cites the views of other scholars (without naming them) before giving his opinion and the reasons for it.

Although he never used anecdotes in the pulpit, he sometimes used satirical humor. For example, he said, “One does not hear a single word of teaching from [the Pope’s] mouth; that would impair his dignity.” Or, “when women who put on make-up come out into the sun and get hot, the make-up comes off and one sees the wrinkles.” So it is with hypocrites (CP, p. 148).

In Geneva’s three churches, the Word was preached every day of the week and twice on Sunday, with sermons lasting for more than an hour. Calvin rarely preached topical sermons, but rather taught consecutively through books of the Bible. When he was banished from Geneva for three years, his first Sunday back in the pulpit he picked up with the next verse following his previous sermon three years before (T. H. L. Parker, John Calvin [Lion], p. 108)! Sometimes he would preach several sermons on a single verse. At other times, he would cover several verses (CP, p. 84). He preached 123 sermons on Genesis, 200 on Deuteronomy, 159 on Job, 174 on Ezekiel, 189 on Acts, and even 25 sermons on the 5 chapters of Lamentations and 5 sermons on the one chapter of Obadiah (CP, p. 159)!

The typical stereotype of Calvin is that he was a stern, stuffy, academic theologian, who constantly harped on predestination in a cold, heartless manner. But, actually, he was deeply devotional and godly in his personal life. He emphasized that a preacher must study the Bible because he loves it and because it moves him (CP, p. 39). He said, “To be good theologians we must lead a holy life. The Word of God is not to teach us to prattle, not to make us eloquent and subtle and I know not what. It is to reform our life, so that it is known that we desire to serve God, to give ourselves entirely to him and to conform ourselves to his good will” (CP, p. 15).

“For Calvin the message of Scripture is sovereign, sovereign over the congregation and sovereign over the preacher” (ibid.). Thus when he preached, Calvin put himself with the congregation under the preeminence of the message of Scripture. Parker (p. 119) observes that Calvin didn’t impatiently berate his hearers or rebuke them with a holier than thou attitude. Rather, “It is simply one man, conscious of his sins, aware how little progress he makes and how hard it is to be a doer of the Word, sympathetically passing on to his people (whom he knows to have the same sort of problems as himself) what God has said to them and to him.”

Although he was shy in private, in the pulpit he was passionate and dynamic. He was aware of the authority of the Word as coming from God, and so people needed to be pierced. “The preacher has to use vehemence, so that we may know that this is not a game” (CP, pp. 10, 12). The preacher must combine sweetness and gentleness with vigor and vehemence (CP, p. 14). He must speak as an ambassador, “in a way that shows he is not pretending” (CP, p. 115). In a comment that could be aimed at the modern trend toward entertainment and drama in the church, he said, “Let us learn that God does not intend there to be churches as places for people to make merry and laugh in, as if a comedy were being acted here. But there must be majesty in his Word, by which we may be moved and affected” (ibid.).

If you want to learn more, I highly commend Parker’s Calvin’s Preaching. From that work and from my reading of Calvin’s sermons and commentaries, let me summarize some of the key lessons that we can learn from his preaching.

Lessons from Calvin’s Preaching:

1. Preaching should clearly explain and practically apply the text of Scripture.

The text should determine the structure and development of the sermon. Some texts require more explanation before we move to application. Other texts are fairly obvious in their meaning, but require practical understanding on how to implement the text into daily life. But the text should govern the message. A verse should never be a springboard for us to launch off on our own ideas.

2. Preaching should exalt God in His holiness, majesty, and sovereign might.

The aim of preaching is that God may be the better honored and glorified among us (CP, p. 46). Calvin often reverently refers to God as “the Majesty.” His messages breathe a holy reverence for God.

3. Preaching should humble sinners and expose our true guilt before God’s holiness.

Preaching on Paul’s statement that he is the chief of sinners (1 Tim. 1:13-15), Calvin says, “Paul humbled himself in this confession, in order that God’s glory might be the better known. And this is a general truth; God is never exalted as he deserves to be unless we are completely ashamed and overwhelmed” (CP, pp. 103-104). He often mentions our own complete poverty and wretchedness (CP, p. 95). Lest you think that Calvin piously blasted his hearers, Parker points out (p. 116) that Calvin aimed every sermon first and foremost at himself. He was not just imposing Scripture on others, but he had to be the first to obey it. Calvin humorously said, “It would be better for [the preacher] to break his neck going up into the pulpit if he does not take pains to be the first to follow God” (CP, p. 40). Parker observes (p. 119), “Because he is always aware of his solidarity in sin with all his hearers, there is no moral brutality of the strong Christian bullying the weak.”

4. Preaching should exalt the Lord Jesus Christ and His grace as shown on the cross as the sinner’s only remedy, received through faith alone.

Calvin says that when the word humbles us by true self-knowledge, we flee to the grace of Christ (CP, p. 30). The only subject being treated throughout every sermon is, “God as he gives himself to be known by us in Jesus Christ” (CP, p. 97). He said, “So, then, our faith must look to our Lord Jesus Christ and our gaze must be fastened entirely on him, or else we cannot approach God his Father—for in ourselves we are too far away” (CP, p. 99). This is not to say that every sermon focuses on Christ or the gospel. When he preached through Old Testament books, Calvin stuck to the historical context in his interpretation and exposition. But then he would apply it in light of Christ and the gospel (CP, p. 92).

5. Preaching should emphasize the practical application of Scripture.

The aim of all preaching is to change our lives. Even in his commentaries, you can scarcely find a page where Calvin does not apply the text in a practical way. In expounding on 2 Timothy 3:16, which says that Scripture is profitable for reproof and correction, he said, “Those who cannot bear to be reproved had better look for another school-master than God. There are many who will not stand it: ‘What! Is this the way to teach? Ho! We want to be won by sweetness.’ You do? Then go and teach God his lessons! ‘Ho! We want to be won in another style.’ Well, then, go to the devil’s school! He will flatter you enough—and destroy you” (CP, p. 14).

He said (CP, pp. 11-12), “When I expound Holy Scripture, I must always make this my rule: That those who hear me may receive profit from the teaching I put forward and be edified unto salvation.” He goes on to say that if we do not aim at that, we profane God’s Word. He asks, “Why do we come to the sermon?” He answers, “It is that God may govern us and that we may have our Lord Jesus Christ as sovereign Teacher” (CP, p. 26). Growth in holiness is always the bottom line of preaching.

Conclusion

I agree with J. I. Packer, who writes of Calvin (Great Leaders, p. 213),

He was, in fact, the finest exegete, the greatest systematic theologian, and the profoundest religious thinker that the Reformation produced. Bible-centered in his teaching, God-centered in his living, and Christ-centered in his faith, he integrated the confessional emphases of Reformation thought—faith alone, by Scripture alone, by grace alone, by Christ alone, for God’s glory alone—with supreme clarity and strength. He was ruled by two convictions that are written on every regenerate heart and expressed in every act of real prayer and real worship: God is all and man is nothing; and praise is due to God for everything good. Both convictions permeated his life, right up to his final direction that his tomb be unmarked and there be no speeches at his burial, lest he become the focus of praise instead of his God. Both convictions permeate his theology too.

Theodore Beza, who worked closely with Calvin in Geneva and became his successor after Calvin’s death, knew Calvin as few men did. He wrote of him (Christian History, p. 19), “I have been a witness of him for sixteen years and I think that I am fully entitled to say that in this man there was exhibited to all an example of the life and death of the Christian, such as it will not be easy to depreciate, and it will be difficult to imitate.” This understanding of Calvin as a godly man, who has had an almost unparalleled impact on the history of the church, suggests that we all can learn much from John Calvin and his preaching.

© Steven J. Cole, 2006

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