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Where the world comes to study the Bible

8. Jesus und Nikodemus (Johannes 3:1-21)

1 Und es kam ein Mann, ein Pharisäer mit Namen Nikodemus, ein Mitglied des Rates. 2 Er kam bei Nacht zu Jesus und sprach zu ihm: „Rabbi, wir wissen, dass du als Lehrer von Gott gekommen bist. Denn niemand könnte die Wunderzeichen tun, die du tust, es sei denn, Gott ist mit ihm.“

3 Jesus erwiderte: „Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wenn ein Mensch nicht von oben geboren wird, kann er das Königreich Gottes nicht sehen.“

4 Nikodemus sagte zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter hineingehen und ein zweites Mal geboren werden?“

5 Jesus antwortete: „Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wenn ein Mensch nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Königreich Gottes nicht hineinkommen. 6 Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, ist Geist. 7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte ‚Ihr müsst von oben geboren werden’. 8 Der Wind bläst, wo immer er will, und du hörst sein Wehen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der vom Geist geboren ist.“

9 Nikodemus erwiderte: „Wie kann das sein?“

10 Jesus antwortete: „Bist du der Lehrer Israels und weißt doch diese Dinge nicht? 11 Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wir reden über das, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben; ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an. 12 Ihr glaubt nicht, was ich zu euch von irdischen Dingen geredet habe – wie wollt ihr dann glauben, wenn ich zu euch von himmlischen Dingen rede? 13 Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabkam – der Menschensohn. 14 Gerade so, wie Moses die Schlange in der Wüste erhob, muss der Menschensohn erhoben werden, 15 damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe.“

16 Denn so liebte Gott die Welt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges Leben habe. 17 Denn Gott sandte seinen Sohn nicht in die Welt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt. Wer aber nicht glaubt, der ist schon verurteilt, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. 19 Dies nun ist die Grundlage für das Gericht: dass das Licht in die Welt kam und die Menschen die Dunkelheit mehr liebten als das Licht, weil ihre Werke böse waren. 20 Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht ans Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt würden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt ans Licht, damit es ganz offensichtlich werde, dass seine Werke in Gott getan sind.146

Einleitung

Vor einigen Jahren stand in der Zeitung ein Bericht über eine Rede, die der Präsident einer bekannten Universität vor einer Gruppe von einflussreichen Geschäftsleuten und politischen Führungspersonen gehalten hatte. Der Präsident sprach über ein Erlebnis, das er – ebenso wie seine Zuhörer und der Zeitungsreporter – lustig fand: Der Präsident war während der Vorweihnachtszeit einkaufen gegangen und an einer Freiwilligen der Heilsarmee vorbeigekommen, die neben einer „Spendenbüchse“ stand und eine Glocke läutete. Als er stehen blieb, um ihr eine Spende zu geben, fragte die Frau den Pädagogen: „Sind Sie gerettet, Sir?“ Er erwiderte ihr, na ja, er würde mal davon ausgehen; sie aber war damit nicht zufrieden und fragte nach: „Ich meine, haben Sie schon ihr ganzes Leben dem Herrn übergeben?“ An diesem Punkt, so erzählte der Präsident seinen Zuhörern, glaubte er diese hartnäckige Person doch einmal darüber aufklären zu müssen, wer er eigentlich war: „Ich bin der Präsident von der und der Universität und als solcher auch der Präsident von deren Theologischer Fakultät.“ Die Dame dachte einen Augenblick lang über diese Antwort nach, dann erwiderte sie: „Es kommt nicht darauf an, wo Sie gewesen sind oder wer Sie sind – Sie können trotzdem gerettet werden.“

Das Tragische an dieser Geschichte ist, dass sowohl der Präsident der Theologischen Hochschule als auch seine Zuhörer das Ereignis amüsant fanden. Man kann sich vorstellen, dass Nikodemus, wäre er mit der Heilsarmee-Freiwilligen konfrontiert worden, ungefähr dasselbe gedacht – und gesagt – hätte wie dieser Universitätspräsident. Nikodemus gehört zur „Crème de la Crème“ der Juden. Man kann sich kein besseres Leben vorstellen als er es hat. Er ist ein Jude, ein Pharisäer, ein Mitglied des Sanhedrin (der höchsten gesetzgebenden und richterlichen Körperschaft der Juden) und ein hochangesehener Lehrer der alttestamentarischen Schriften. Und nun stellen Sie sich vor, Sie wären Nikodemus und Jesus würde Ihnen sagen, dass all das doch nicht genug ist, um Sie in das Reich Gottes zu bringen. Genau das sagt Jesus nämlich zu Nikodemus. Wenn aber selbst ein Mann wie Nikodemus nicht gut genug für das Reich Gottes ist – wer ist es dann? Das ist die Frage, und Jesus hat darauf die Antwort, die Johannes für uns aufgezeichnet hat. Hören wir also gut auf die inspirierten Worte dieses Evangeliums, um zu lernen, wie man in das Königreich Gottes eingeht.

Die Situation

Die Chronologie der folgenden Ereignisse ist im Einzelnen vielleicht nicht ganz exakt; aber die Reihenfolge, die in den Texten skizziert wird, kann nicht sehr weit vom tatsächlichen Verlauf der Dinge entfernt sein, durch die die Lehren unseres Herrn (und die von Johannes dem Täufer) immer mehr die Aufmerksamkeit der jüdischen religiösen Führer, und insbesondere der Pharisäer, errangen:

46 Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel, wo er unter den Lehrern saß und ihnen zuhörte und Fragen stellte. 47 Und alle, die Jesus hörten, staunten über sein Verständnis und seine Antworten (Lukas 2:46-47).

19 Dies war nun das Zeugnis des Johannes, als die Anführer der Juden Priester und Leviten von Jerusalem aus zu ihm sandten und ihn fragten: „Wer bist du?“ 20 Er bekannte – ja, er leugnete nicht, sondern bekannte –: „Ich bin nicht der Christus.“ 21 Also fragten sie ihn: „Wer bist du dann? Bist du Elia?“ Er sagte: „Ich bin es nicht.“ „Bist du der Prophet?“ Er antwortete: “Nein.” 22 Da sagten sie zu ihm: „Wer bist du? Sage es uns, damit wir denen Antwort geben können, die uns ausgesandt haben. Was sagst du von dir selbst?“ 23 Johannes sagte: „Ich bin die Stimme von einem, der in der Wüste ruft: ‚Richtet den Weg des Herrn’, wie es der Prophet Jesaja gesagt hat.“ 24 (Nun waren sie von den Pharisäern ausgesandt worden.) 25 So fragten sie Johannes: „Warum taufst du dann, wenn du nicht der Christus bist und auch nicht Elia oder der Prophet?“ (Johannes 1:19-25)

30 Die Pharisäer jedoch und die Gelehrten des religiösen Rechts verschmähten, was Gott ihnen zugedacht hatte, denn sie waren nicht von Johannes getauft worden (Lukas 7:30)

28 Als Jesus diese Rede beendet hatte, erstaunte sich die Menge über seine Lehren, 29 denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten (Matthäus 7:28-29).

17 Während er an einem dieser Tage lehrte, saßen in der Nähe Pharisäer und Gesetzeslehrer (die aus allen Orten Galiläas und Judäas und aus Jerusalem gekommen waren); und die Kraft des Herrn war mit ihm, die Kranken zu heilen (Lukas 5:17).

Im Alter von 12 Jahren begleitete unser Herr Maria und Joseph nach Jerusalem, um das Passah mit ihnen zu feiern. Als Seine Familie sich auf den Heimweg machte, blieb Jesus zurück und Seine Abwesenheit fiel zunächst nicht auf. Als Maria und Joseph schließlich auf der Suche nach Jesus nach Jerusalem zurückkehrten, fanden sie Ihn im Tempel, wo Er den Lehrern zuhörte und ihnen Fragen stellte (Lukas 2:46). Es dauerte nicht lange, bis auch sie Ihm Fragen stellten, und sie waren erstaunt über Seine Antworten (2:47). Schon im Alter von 12 Jahren war unser Herr ein erstaunlicher Lehrer, dessen Verständnis der Schriften Israels beste Wissenschaftler verblüffte.

Einige Jahre danach begann Johannes der Täufer seinen öffentlichen Dienst. Er verkündete das Wort Gottes und rief Israel zur Buße im Hinblick auf das Kommen des Messias auf. Die jüdischen Religionsführer nahmen davon Notiz und sandten eine Delegation zu ihm, um Erkundigungen über seinen Dienst und seine Botschaft einzuholen. Offensichtlich wollten die Pharisäer sich aber nicht mit Johannes und seiner Predigt identifizieren, denn sie wollten sich nicht von ihm taufen lassen (Lukas 7:30).

Als Jesus Seinen öffentlichen Dienst begann, erkannten die Menschen, die Ihn hörten, den Unterschied zwischen Seiner Lehre und der der jüdischen Religionsführer. Jesus lehrte als Bevollmächtigter und nicht als einer ihrer Rechtsexperten. Die Vollmacht unseres Herrn offenbarte sich dadurch, dass Er Kranke heilte und Dämonen austrieb; anscheinend aber auch durch die Wirkung, die Seine Worte auf Seine Zuhörer ausübten. Die Rechtsexperten lehrten sehr dogmatisch (Römer 2:17-20; 1. Timotheus 1:6-7; 2. Petrus 2:18), aber ihre Botschaft hatte nicht die Kraft der Rede unseres Herrn. Dessen Lehre klang offensichtlich „glaubhaft“ für Seine Zuhörer147.

Aus Lukas 5:17 erfahren wir, dass die Pharisäer sehr schnell Notiz von Jesus nahmen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt versammeln sich Pharisäer aus dem gesamten Volk Israel, um Seinen Dienst und Sein Lehren zu beobachten. Aus Lukas Bericht wissen wir, dass Jesus zu dieser Zeit auch schon Wunder vollbrachte. Ob die Versammlung vor oder nach dem Gespräch unseres Herrn mit Nikodemus war, ist nicht sicher; aber nach der Beschreibung in unserem Text im Johannes-Evangelium zu schließen, muss sie zu etwa der Zeit stattgefunden haben, als Nikodemus nachts zu Ihm kam. Die Pharisäer tun sich schwer damit, etwas Negatives über unseren Herrn oder Seinen Dienst vorzubringen. Wie kann man Ihn kritisieren? Wie kann man etwas gegen Ihn sagen, wenn Er offenkundig Wunder vollbringt und viele Menschen davon Kenntnis haben? Jesus lässt die Pharisäer schlecht dastehen, und im Moment gibt es anscheinend wenig, was sie gegen Ihn vorbringen könnten – auch wenn sich das bald ändern wird. Jesus Seinerseits hat über die Pharisäer auch nicht viel Gutes zu sagen:

17 „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten abzuschaffen. Ich bin nicht gekommen, um abzuschaffen, sondern um zu erfüllen. 18 Ich sage euch wahrlich: Bis dass Himmel und Erde vergehen, wird nicht der kleinste Buchstabe und kein Strich vom Gesetz vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. 19 So wird ein jeder, der das geringste dieser Gebote bricht und andere dementsprechend lehrt, der Geringste im Königreich des Himmels genannt werden. 20 Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht über die der Schriftgelehrten und der Pharisäer hinausgeht, werdet ihr niemals in das Königreich des Himmels kommen“ (Matthäus 5:17-20).

Jesus vollbrachte Sein erstes Zeichen bei der Hochzeit in Kana in Galiläa, aber kaum jemand bemerkte auch nur, dass dort etwas geschehen war. Es war die Tempelreinigung, die das Interesse der religiösen Führer weckte (Johannes 2:18-22), und die Zeichen, die unser Herr in Jerusalem vollbrachte, weckten dann die Aufmerksamkeit vieler anderer Menschen (Johannes 2:23-25). Doch nicht die Pharisäer waren von dem Angriff unseres Herrn in erster Linie betroffen. Sie standen nicht hinter der Geschäftemacherei, die im Tempelhof stattfand, denn die war das Werk der Priester und der Sadduzäer148. Vielleicht standen die Pharisäer sogar daneben und sahen mit großer Genugtuung zu, wie Jesus den Tempel reinigte und die Priester und Sadduzäer öffentlich gedemütigt wurden149.

All das fesselt das Interesse der Pharisäer an Jesus. Besonders ein Pharisäer ist, wie wir erfahren, von den Ereignissen sehr beeindruckt – ein Pharisäer namens Nikodemus. Es gab Zeiten, da dachte ich, dass Nikodemus im Auftrag der Pharisäer versuchen würde, Jesus als eine Art Juniorpartner zu gewinnen. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob Nikodemus’ Kollegen Jesus überhaupt in ihren Reihen akzeptiert hätten. Ich dachte auch, dass Nikodemus mit einem vorgefassten Text zu Jesus gekommen und, weil Jesus ihn unterbrach, vollkommen entwaffnet und verwirrt gewesen wäre.

Inzwischen sehe ich den Text in einem anderen Licht. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, Sie wären ein berühmter Pianist, ein Schüler des besten Konzertpianisten, den die Welt je gesehen hat. Menschenmengen versammeln sich, nur um ihren Darbietungen zu lauschen. Jeder preist Sie als einen Meister ihres musikalischen Fachgebietes. Und dann, stellen Sie sich vor, käme ein junger Mann daher, der irgendwo in Hintertupfingen aufgewachsen ist und nie in seinem Leben auch nur eine einzige Klavierstunde hatte, sondern sich das Klavierspielen selbst auf einem baufälligen Instrument im Haus seiner Großmutter beigebracht hat. Dieser Hinterwäldler von einem Musiker kommt in die Stadt, sein Talent wird entdeckt und die Menschen reißen sich darum, ihn spielen zu hören. Wenn er spielt, haben seine Zuhörer Tränen in den Augen. Auch Sie hören ihn spielen; und sie erkennen – besser als jeder andere – in ihm das musikalische Genie, das Sie selbst nie hatten und auch nie haben werden. Als Sie ihn hören, wünschten Sie sich nur, Sie könnten so spielen wie er.

So ähnlich muss Nikodemus, glaube ich, über Jesus empfunden haben. Nikodemus ist als Pharisäer Spitze auf seinem Gebiet. Er ist nicht nur ein Mitglied des Sanhedrin, sondern auch der berühmteste Bibellehrer seiner Zeit – der „Billy Graham“ von Jerusalem im ersten Jahrhundert. Als er aber Jesus lehren hört, hört er die Antworten auf Fragen, die ihn seit Jahren gequält haben. Er beobachtet die Menschenmenge, die Jesus zuhört, und weiß, dass er selbst noch nie die Aufmerksamkeit eines Publikums so gefesselt hat, wie Jesus es tut. Jesus spricht in einfachen Worten, aber Seine Botschaft hat große Kraft. Nikodemus sieht die Wunder, die Jesus vollbringt, und weiß, dass er selbst niemals auch nur ein einziges Wunder vollbracht hat. Nikodemus ist in praktisch jeder Hinsicht nicht in der Lage, Jesus das Wasser zu reichen.

Nikodemus’ nächtliches Gespräch mit Jesus
(3:1-2)

1 Und es kam ein Mann, ein Pharisäer mit Namen Nikodemus, ein Mitglied des Rates. 2 Er kam bei Nacht zu Jesus und sprach zu ihm: „Rabbi, wir wissen, dass du als Lehrer von Gott gekommen bist. Denn niemand könnte die Wunderzeichen tun, die du tust, es sei denn, Gott ist mit ihm.“

Nikodemus kann über das Gewicht der Tatsachen nicht hinwegssehen. Seine Mitpharisäer werden schon bald dazu übergehen, alternative Erklärungen für den Erfolg Jesu zu finden; Nikodemus aber kann sich nicht von seiner persönlichen Überzeugung lösen, dass Jesus irgendeine Mission von Gott erfüllt und dass Er mit göttlicher Vollmacht spricht und heilt. Ich neige inzwischen dazu, die ersten Verse von Kapitel 3 folgendermaßen zu verstehen: „Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott gekommen ist. Denn niemand könnte die wunderbaren Zeichen tun, die du tust, wenn Gott nicht mit ihm wäre ...“

Ich glaube nicht, dass Nikodemus weiß, was er von hier ab weiter sagen soll, oder dass er mit einem vorgefassten Plan in dieses Gespräch gegangen ist. Falls er doch einen Plan hat, lernen wir ihn zumindest nicht kennen, denn Nikodemus kommt gar nicht dazu, ihn auszuführen. Er sagt Jesus einfach, dass er aus alldem, was er persönlich gesehen hat, den Schluss zieht, dass Jesus von Gott und in göttlich inspirierter Mission gekommen ist. Und nachdem er das gesagt hat, wartet er anscheinend ab und hofft vielleicht, dass Jesus den Faden dort aufnimmt, wo er selbst aufgehört hat, dass Er die Lücken ausfüllt und all seine Fragen beantwortet. Wenn er darauf hofft, steht ihm allerdings eine große Enttäuschung bevor.

Aus Nikodemus’ Worten können wir erkennen, dass er großen Respekt vor Jesus hat. Nikodemus nennt Jesus „Rabbi“. Zweifellos ist das der gleiche Titel, mit dem er selbst oft angeredet wird, denn auch er ist ein Lehrer des Gesetzes. Darüber hinaus bezeichnet er Jesus als „einen von Gott gekommenen Lehrer“. Wenn Nikodemus zu Jesus spricht, sagt er nicht „Rabbi, ich weiß, dass Du als Lehrer von Gott gekommen bist“, sondern „Rabbi, wir wissen, dass du als Lehrer von Gott gekommen bist“. Auf wen bezieht sich Nikodemus mit seinem „wir“? Wahrscheinlich doch auf die Pharisäer, seine Kollegen150. Spricht Nikodemus hier für seine Mitpharisäer; drückt er ihren Standpunkt aus? Ist Nikodemus als offizieller Sprecher der Pharisäer gekommen? Das ist natürlich möglich, aber es ist eigentlich gar nicht die Art der Pharisäer, so heimlich vorzugehen. In den oben angeführten Situationen (Johannes 1:19-25; Lukas 5:17) unternehmen die Pharisäer ihre Schritte in aller Öffentlichkeit, fast so, als legten sie es geradezu darauf an, gesehen zu werden. Sie wollten, sozusagen, als Zulassungsstelle für alle Gesetzeslehrer angesehen werden.

Ich neige zu der Auffassung, dass Nikodemus hier eigenständig und ohne Sanktionierung durch die Pharisäer handelt. Warum also das „wir“? Weil Nikodemus trotzdem Pharisäer ist, ein Mitglied (ja, sogar ein Führer) ihrer Organisation. Sein Denken ist auf dieses System bezogen, seine Beobachtungen und vorläufigen Schlussfolgerungen macht er als Pharisäer. Dass Nikodemus „wir“ sagt, soll uns zeigen, dass er an diesem Punkt in seinem Leben noch zu 100% Pharisäer ist. Erst dann, wenn er das Scheitern des Pharisäertums erkennen und den Glauben an dessen religiöses System widerrufen wird, wird sich Nikodemus für seine Errettung auf Jesus alleine werfen. Genau davon handelt die Antwort unseres Herrn. Jesus versucht Nikodemus zu zeigen, dass sein Religionssystem niemanden retten kann und wird.

Bevor wir uns der Antwort unseres Herrn zuwenden, sollten wir noch festhalten, dass Nikodemus mit seinem Urteil über Jesus teilweise Recht hat. Jesus ist „als Lehrer von Gott gekommen“ und Gott ist „mit Ihm“ (Vers 2). Was Nikodemus nicht weiß, ist, dass seine Worte sogar noch zutreffender sind als ihm bewusst ist. Jesus ist buchstäblich „als Lehrer von Gott gekommen“. Er ist vom Vater herunter auf die Erde gekommen. Und Gott ist „mit Ihm“. Aber Jesus ist noch viel größer als Nikodemus es sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt vorstellen kann. Er ist Gott, und die Macht Gottes manifestiert sich in Seiner Lehre und in den von Ihm vollbrachten Zeichen. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis Nikodemus die volle Wahrheit dessen erkennt, was er selbst gerade gesagt hat. Was er aber als Nächstes hört, trifft ihn völlig unvorbereitet.

„Du musst wiedergeboren werden“
(3:3)

3 Jesus erwiderte: „Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wenn ein Mensch nicht von oben [wieder]geboren151 wird, kann er das Königreich Gottes nicht sehen152.“

Wir sollten im Auge behalten, dass Jesus im Mittelpunkt des Gespräches steht, das Nikodemus initiiert hat. Nikodemus ist nicht gekommen, um über sich selbst oder über das Pharisäertum zu sprechen. Er ist gekommen, um etwas über Jesus zu erfahren, über Seine Botschaft und Sein Verhältnis zu Gott: Was sagt Jesus über Sich Selbst? Nikodemus öffnet Jesus die Tür, indem er Ihm versichert, dass er Ihn als einen Mann mit einer Botschaft und einer Mission von Gott betrachtet. Das ist doch die perfekte Einleitung. Jesus muss sie nur noch aufnehmen und Nikodemus erklären, worin Seine Mission eigentlich besteht. Aber es kommt überhaupt nicht so, wie Nikodemus sich das vielleicht vorgestellt hat.

Was unser Herr sagen wird, haut Nikodemus geradezu um. Zu Beginn bringt Jesus Nikodemus gegenüber zum Ausdruck, dass Seine Worte eine ganz tiefe Wahrheit enthalten werden. Er benutzt dazu einen Ausdruck, der einzigartig für dieses Evangelium ist und der in der King-James-Übersetzung mit „Wahrlich, wahrlich, ...“153 wiedergegeben wird. Leon Morris fasst die Wirkung dieser wenigen Worte unseres Herrn zusammen:

Mit einem einzigen Satz wischt Er dann alles fort, wofür Nikodemus steht, und fordert, dass er durch Gottes Kraft neu gemacht werden müsse.154

Jener Zweig des Judaismus, dem Nikodemus angehörte, kannte keine Wiedergeburt155. Die Pharisäer hielten, offen gesagt, eine „richtige“ Geburt für vollkommen ausreichend.

7 Als er aber viele von den Pharisäern und Sadduzäern zur Taufe kommen sah, sagte er zu ihnen: „Ihr Natternbrut! Wer hat euch gewarnt, vor dem kommenden Zorn zu fliehen? 8 Bringt daher Früchte hervor, die eure Reue beweisen, 9 und glaubt nicht, dass ihr euch sagen könnt ‚Wir haben Abraham zum Vater.’ Denn ich sage euch, dass Gott Abraham aus diesen Steinen hier Kinder erwecken kann!“ 10 Schon ist die Axt bereit an der Wurzel der Bäume; und jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen“ (Matthäus 3:7-10; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Für viele Juden war „als Jude geboren zu sein“ gleichbedeutend mit „in das Reich Gottes geboren zu sein“. Wir wissen, dass die Juden auch glaubten, die Heiden seien als „Verlorene“ geboren. Selbst die Jerusalemer Kirchenführer mussten mit Nachdruck davon überzeugt werden, dass die Errettung der Heiden Gottes Absicht entsprach (siehe Apostelgeschichte 10, 11:15-18), und selbst danach noch entsprach bei vielen jüdischen Gläubigen das Handeln nicht den Worten (siehe Apostelgeschichte 11:19). Dementsprechend schlug Paulus immer wieder hart in diese Kerbe: Nicht alle Israeliten sind wahre Israeliten (Römer 9:6). Die auf das Versöhnungswerk Jesu Christi für ihre Erlösung vertrauen, sind die wahren Israeliten, unabhängig davon, ob sie nach ihrem ethnischen Ursprung Juden oder Heiden sind (siehe Galater 3:28, 6:16).

Stellen Sie sich den schockierten Gesichtsausdruck von Nikodemus vor, als Jesus ihm sagt, dass seine biologische Geburt (als Jude) ihn nicht retten wird und dass er von oben wiedergeboren werden muss. Die Konsequenz daraus ist klar. Wenn Nikodemus nicht von oben wiedergeboren werden wird, wird er das Königreich Gottes nicht sehen. Da haben wir einen Menschen, der die Reservierung für einen Logenplatz im Himmel zu haben glaubt, und Jesus sagt ihm, dass er so, wie er ist, überhaupt nicht in den Himmel kommen werde. Zuerst muss er wiedergeboren werden, von oben.

Nikodemus nimmt Jesus wörtlich
(3:4)

4 Nikodemus sagte zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter hineingehen und ein zweites Mal geboren werden?“

Nikodemus entscheidet sich dafür, das, was Jesus sagt, wörtlich zu nehmen, und so geht er davon aus, dass sich der Ausdruck „von oben wiedergeboren“ auf irgendeine Art von buchstäblicher Wiedergeburt156 beziehen muss. Ich glaube nicht unbedingt, dass es die Wortwahl unseres Herrn ist, die ihn in diese Richtung denken lässt. Das ist wohl eher die Tatsache, dass er die Konsequenzen aus der einzigen anderen Richtung, die sonst noch in Frage käme, lieber nicht weiterdenken will. Es ist einfacher, Jesus so zu verstehen, wie Nikodemus es tut, denn dann kann man das, was Er sagt, als lächerlich und absurd vom Tisch wischen. Also wendet Nikodemus ein: „Du willst doch nicht etwa sagen, dass man den menschlichen Geburtsvorgang wiederholen muss, um in das Reich Gottes zu gelangen, oder?“

Als Leser des Evangeliums sind wir Nikodemus gegenüber im Vorteil. Erstens ist Jesus von Johannes schon als Gott bezeichnet worden. Die ursprüngliche Erschaffung des Lebens war Sein Werk, und ebenso ist es Sein Werk, geistliches Leben zu schaffen. Außerdem haben wir auch schon gelesen, dass diejenigen, die Gottes Kinder werden sollen, durch einen göttlichen Schöpfungsakt geboren werden (Johannes 1:12). All das geht im Moment noch über das Verständnis von Nikodemus hinaus, der nur im allerwörtlichsten Sinne denken und daher Jesus überhaupt nicht begreifen kann.

Was bedeutet es, von oben wiedergeboren zu werden?
(3:5-8)

5 Jesus antwortete: „Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wenn ein Mensch nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Königreich Gottes nicht hineinkommen. 6 Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, ist Geist. 7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte ‚Ihr müsst von oben geboren werden’. 8 Der Wind bläst, wo immer er will, und du hörst sein Wehen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der vom Geist geboren ist.“

Wieder beginnt Jesus Seine Erwiderung an Nikodemus mit einem Hinweis auf die tiefe Bedeutung Seiner Worte. Anschließend antwortet Er auf den Einwand, den Nikodemus vorgebracht hat: „... Wenn ein Mensch nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Königreich Gottes nicht hineinkommen“ (Vers 5). Ich glaube, wir können mit ausreichender Sicherheit sagen, dass „von oben wiedergeboren werden“ und „aus Wasser und Geist geboren werden“ Synonyme sind. Viele fragen nun: „Was ist denn mit „Wasser“ und „Geist“ gemeint?“ Manche Menschen verstehen den Begriff „Wasser“ als Bezeichnung der natürlichen Geburt und den Begriff „Geist“ andererseits als Bezeichnung der geistlichen Wiedergeburt von oben. Wenn es das wäre, was Jesus ausdrücken wollte, würde Er hier sagen, dass ein Mensch zunächst natürlich („aus Wasser“) und dann übernatürlich („aus Geist“) geboren werden muss. Die Argumente dafür, „Wasser“ in dieser Weise zu interpretieren, sind aber nicht gerade zwingend, und ich sehe auch keinen Grund dafür, dass Jesus unbedingt die Notwendigkeit sowohl einer natürlichen wie auch einer geistlichen Geburt vertreten sollte.

Vielmehr neige ich dazu, die Begriffe „Wasser“ und „Geist“ als einen einzigen Begriff „Wasser und Geist“ zu verstehen, der sich auf die geistliche Wiedergeburt bezieht. Mehrere Texte aus dem Alten Testament rechtfertigen diese Auffassung, dass sich sowohl „Wasser“ als auch „Geist“ auf die spirituelle Wiedergeburt eines Menschen beziehen:

3 „’Denn Ich will Wasser auf den Durstigen ausgießen / und Ströme über das trockene Land; / Ich will Meinen Geist auf deine Nachkommen ausgießen / und Meine Segnungen auf deine Kinder, 4 dass sie aufgehen werden mit dem grünen Gras / wie die Weiden an den Wasserläufen.’ 5 Einer wird sagen: ‚Ich bin des Herrn’; / ein anderer wird sich nach dem Namen Jakobs nennen; / und ein weiterer wird mit seiner Hand schreiben: ‚Dem Herrn zueigen’ / und wird sich nach dem Namen Israels nennen“ (Jesaja 44:3-5; NKJV).

24 „Denn Ich will euch aus den Völkern herausnehmen, aus allen Ländern einsammeln und in euer eigenes Land bringen. 25 Dann werde Ich reines Wasser über euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allem Schmutz und all euren Götzen werde Ich euch reinigen. 26 Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euch legen; Ich werde das steinerne Herz aus euren Fleisch herausnehmen und euch ein Herz von Fleisch geben. 27 Ich werde Meinen Geist in euch legen und euch dazu bringen, in Meinen Geboten zu wandeln; und ihr werdet Meine Entscheidungen einhalten und sie ausführen“ (Hesekiel 36:24-27; NKJV).

Dieses Werk der Erneuerung wird im Alten Testament auch als das Werk des „Windes“ beschrieben:

9 Und Er sprach weiter zu mir: „Weissage dem Odem; weissage, Menschensohn, und sprich zu dem Odem: ‚So spricht Gott der Herr: „Komm her von den vier Winden, o Odem, und blase auf diese Erschlagenen, damit sie lebendig werden.“’“ 10 Also weissagte ich, wie Er es mir befohlen hatte; und Odem kam in sie, und sie wurden lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer (Hesekiel 37:9-10; NKJV).

Das Neue Testament beschreibt Gottes Erlösungswerk als das „Bad der neuen Geburt und der Erneuerung durch den Heiligen Geist“:

3 Denn auch wir waren einst töricht, ungehorsam, irregeleitet, unseren verschiedenen Leidenschaften und Wünschen versklavt, und wir verbrachten unser Leben in Bosheit und Neid, wir waren verhasst und hassten einander. 4 Doch „Als die Freundlichkeit Gottes, unseres Heilandes, erschien und seine Liebe zum Menschen, 5 da errettete er uns, nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit vollbracht hätten, sondern aufgrund seiner Gnade, durch das Bad der neuen Geburt und der Erneuerung durch den Heiligen Geist, 6 den er reichlich über uns ausgoss durch Jesus Christus, unseren Heiland. 7 Und da wir so durch seine Gnade gerechtfertigt worden sind, werden wir zu Erben mit der zuverlässigen Hoffnung auf ewiges Leben“ (Titus 3:3-7).

Ich glaube, dass das „Wasser“, von dem unser Herr hier spricht, auch etwas mit dem „Wasser“ der Taufe zu tun hat. Die Pharisäer möchten unbedingt wissen, warum Johannes tauft (Johannes 1:25). Gleich im Anschluss an unseren Text bringen die Jünger von Johannes dem Täufer ihre Bedenken über die zunehmende Popularität Jesu zum Ausdruck, und zuvor sagt uns Johannes, dass Jesus mit Seinen Jüngern zusammen ist und tauft (3:22). Die Jünger Johannes’ des Täufers protestieren und sagen: „Rabbi, der Mann, der bei dir war, auf der anderen Seite des Jordans, über den du Zeugnis abgelegt hast – sieh nur, er tauft und jeder geht zu ihm!“ (3:26). Ich glaube, die Taufe unseres Herrn und die Taufe des Johannes sind – zu diesem Zeitpunkt – ein und dasselbe: die Taufe der Reue in Vorbereitung auf das Kommen des Messias. Die Taufe war ein Teil der Botschaft und des Dienstes sowohl von Johannes als auch von Jesus; und die Taufe durch den Geist ist es, die nach Johannes’ Worten den Dienst des Messias von seinem eigenen unterschied (Johannes 1:33). Also bedeutet „aus Wasser und Geist geboren zu werden“ „von oben wiedergeboren“ zu werden und gerettet zu werden.

Damit will ich nicht sagen, dass die Taufe ein gutes Werk unsererseits darstellt, aufgrund dessen wir gerettet würden. Das wäre das genaue Gegenteil von dem, was unser Herr in unserem Text Nikodemus gegenüber zum Ausdruck bringt. Die Taufe des Johannes wurde als eine Vorbereitung auf das Kommen unseres Herrn angesehen. Es war eine Taufe der Reue. Indem man sich taufen ließ, bezeugte man, dass man nicht mehr an den Judaismus (das Einhalten der Gesetze) als Mittel zur Erlösung glaubte. Und genau deshalb verweigerten ungläubige und unbußfertige Pharisäer die Taufe:

29 (Und alles Volk, das dies hörte – selbst die Steuereinnehmer – erkannten Gottes Gerechtigkeit an, und ließen sich mit der Taufe des Johannes taufen. 30: Die Pharisäer jedoch und die Gelehrten des religiösen Rechts verschmähten, was Gott ihnen zugedacht hatte, denn sie waren nicht von Johannes getauft worden.) (Lukas 7:29-30)

Jesus achtete sehr darauf, im Einklang mit Johannes und dessen Dienst zu sein. Wenn ein Pharisäer oder sonst irgendjemand in das Reich Gottes kommen wollte, musste er das mit den Mitteln tun, die Gott festgelegt hatte – indem er mit Johannes übereinstimmte und auch mit Dem, über den Johannes Zeugnis ablegte, mit Jesus.

Es wurde, denke ich, schon von den Menschen erwartet, dass sie sich taufen ließen; aber Jesus legt die Betonung bei der Erlösung nicht auf menschliche Handlungen, sondern vielmehr auf das souveräne Wirken Gottes. Von oben geboren zu werden bedeutet, von Gott geboren zu werden. Von Gott geboren zu werden bedeutet, spirituell durch das Wirken Seines Geistes geboren zu werden (von oben geboren zu werden). Jesus beschreibt das souveräne Erlösungswirken durch den Geist Gottes mit dem Bild des Windes157.

Bevor wir aber die Bedeutung dessen betrachten, was unser Herr über den Wind sagt, wollen wir innehalten und den Zusammenhang betrachten, in dem diese Worte gesprochen werden. Jesus erschreckt Nikodemus, indem Er ihm klarmacht, dass weder er noch irgendjemand sonst das Königreich Gottes sehen wird, wenn er nicht von oben wiedergeboren wird. Nikodemus ist dagegen der Meinung, dass ihm schon alleine seine Geburt (als Jude) garantiert, dass er das Königreich Gottes sehen wird (siehe Matthäus 3:9; Johannes 8:39; Römer 9:6). Und selbst abgesehen von seiner Geburt muss sich Nikodemus vorgekommen sein, als halte er den Schlüssel zum Reich Gottes selbst in der Hand. Die Pharisäer sahen sich als Wächter des Mosaischen Gesetzes. Sie sahen sich als den letzten Überrest reinen Judentums. Die Pharisäer sahen sich als „Torhüter“ des Königreiches und meinten, dass der Zugang dazu durch die Regeln und Vorschriften gesteuert würde, die sie selbst durch mündliche Tradition dem Gesetz hinzugefügt hatten (siehe Matthäus 23:13-15). Kurz gesagt, Nikodemus und seine Kollegen kamen sich vor, als hätten sie das Reich unter ihrer Kontrolle. Und Jesus ist dabei, diesen Mythos einfach wegzuwischen.

Jesus vergleicht Gottes erlösendes Wirken durch Seinen Geist mit dem Wirken des Windes. Die Auswirkungen des Windes kann man sehen, den Wind selbst aber kann man nicht sehen. Ebensowenig kann man den Wind steuern. Der Wind weht, wohin er will, und tut, was er will. Die Menschen haben keine Kontrolle über den Wind. Genauso ist auch das Erlösungswerk des Geistes: Der Geist geht Seinem Leben spendenden Werk nach und kein Mensch kann ihn steuern158. Niemand kann durch seine eigenen Werke oder sein eigenes Bestreben oder durch Manipulation den Geist in Seinem Wirken beeinflussen. Wenn der Geist aber die Wiedergeburt bewirkt, sind die Auswirkungen offensichtlich und wir erkennen, dass es sich um das Werk von Gottes Geist handelt, der ungesehen und jenseits aller Kontrolle durch den Menschen wirkt. In diesem Sinne kann weder Nikodemus selbst noch sonst irgendjemand seine eigene Erlösung herbeiführen – und übrigens auch nicht die eines anderen, um das bei dieser Gelegenheit einmal zu sagen. Die Erlösung ist das souveräne Werk Gottes, das Er durch den Heiligen Geist vollbringt.

Wie kann das sein?
(3:9)

9 Nikodemus erwiderte: „Wie kann das sein?“

Seit der Erwiderung unseres Herrn in Vers 3 fehlen Nikodemus nur noch die Worte. In Vers 4 und 9 stellt er zwei Fragen, die beide gleich beginnen: „Wie ist es möglich ...?“159 Nikodemus ist durch die Worte Jesu so verblüfft, dass er sich gar nicht vorstellen kann, inwiefern das, was unser Herr gesagt hat, wahr sein könnte. Nikodemus ist so sehr Teil der natürlichen Welt, dass er irgendetwas Geistliches oder Übernatürliches gar nicht in Betracht ziehen kann. Theoretisch glaubten die Pharisäer schon an Wunder (siehe Apostelgeschichte 23: 6-8), in der Praxis aber scheint Nikodemus gegen das Übernatürliche zu sein. Und um ehrlich zu sein: Wir tun doch eigentlich dasselbe. Wir behaupten zu glauben, dass Gott die Entscheidungsgewalt hat und dass Er allmächtig ist – und doch scheitern wir immer wieder daran, auch dementsprechend zu leben.

Der Lehrer Israels wird über geistliche Dinge belehrt
(3:10-15)

10 Jesus antwortete: „Bist du der Lehrer Israels und weißt doch diese Dinge nicht? 11 Ich sage dir die tiefe Wahrheit: Wir reden über das, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben; ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an. 12 Ihr glaubt nicht, was ich zu euch von irdischen Dingen geredet habe – wie wollt ihr dann glauben, wenn ich zu euch von himmlischen Dingen rede? 13 Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabkam – der Menschensohn. 14 Gerade so, wie Moses die Schlange in der Wüste erhob160, muss der Menschensohn erhoben werden, 15 damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe.“

Die Worte unseres Herrn enthalten einen freundlichen Tadel: „Kann es wirklich sein, dass du als der Lehrer Israels diese Dinge nicht begreifst?“ Nikodemus ist nicht nur Pharisäer und Mitglied des Sanhedrin, sondern er ist auch der Lehrer Israels“ (Vers 10). Der bestimmte Artikel wird an dieser Stelle allgemein so verstanden, dass Nikodemus der berühmteste und anerkannteste Lehrer seiner Zeit war. Wie konnte ein namhafter Lehrer des Alten Testaments nicht verstehen, wovon Jesus spricht? Das scheint unglaublich, ja, es ist unglaublich. Beachten Sie in diesem Sinne den Wortlaut von Vers 12. Jesus stellt hier „irdische Dinge“ und „himmlische Dinge“ einander gegenüber und ordnet das, was Er zuvor gesagt hat, anscheinend den „irdischen Dingen“ zu. „Himmlische Dinge“ wären dann das, was mit dem künftigen Königreich Gottes zu tun hat, also Dinge, die gegenwärtig noch ganz und gar jenseits unseres Auffassungsvermögens liegen161.

Wie kann Nikodemus, ein Lehrer des alttestamentarischen Gesetzes, nicht verstehen, was das Gesetz lehrt? Das Problem bei den Menschen ist immer ihr Herz (Genesis 8:21; Exodus 7:14; Deuteronomium 5:28-29, 8:14; Jesaja 29:13; Jeremia 17:9), und dieses Problem kann Gott alleine lösen, indem Er den Menschen ein neues Herz gibt (Deuteronomium 30:6; Jeremia 31:31-34). Mit der Wiedergeburt durch den Geist Gottes wird man ein neuer Mensch (siehe 1. Samuel 10:6-13), und der Geist ist es, der den Menschen befähigt, diese Wahrheiten einzusehen (siehe 1. Korinther 2). Paulus geht sogar noch einen Schritt weiter:

12 Da wir nun eine solche Hoffnung haben, gehen wir mit großer Beherztheit vor 13 und nicht wie Moses, der einen Schleier vor sein Gesicht tat, damit die Israeliten nicht beständig auf das Ende der Herrlichkeit schauten, die vergänglich war. 14 Deren Sinn aber wurde verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag verbleibt dieser Schleier, wenn sie die Lesung des Alten Bundes hören, und wurde noch nicht gelüftet, denn nur in Christus wird er fortgenommen. 15 Bis zum heutigen Tage liegt ein Schleier über ihrem Sinn, wann immer Moses gelesen wird. 16 Wann immer sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird der Schleier fortgenommen. 17 Der Herr ist der Geist, und wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit. 18 Und wir alle, die wir mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn widerspiegeln, werden in dasselbe Bild verklärt, von einer Herrlichkeit zur anderen, wie es vom Herrn kommt, der der Geist ist (2. Korinther 3:12-18).

In Vers 11 betont Jesus noch einmal die Wichtigkeit dessen, was Er anschließend sagen wird, mit den Worten: „Ich sage dir die tiefe Wahrheit.“ Er versichert Nikodemus: „Wir reden über das, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben.“ Dann fährt er fort mit den Worten: „... ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an.“ Auf wen bezieht sich das „wir“ von Jesus, und auf wen das „ihr“? Das „wir“ sind offenbar Johannes der Täufer und Jesus, die beide Zeugnis ablegten über das, was sie sahen. Es wäre auch vorstellbar – wenngleich weniger wahrscheinlich –, dass das „wir“ die alttestamentarischen Propheten mit einschließt. Das „ihr“ sind Nikodemus und die anderen Pharisäer.

Johannes legte Zeugnis ab über das Kommen des Messias. Die Pharisäer aber sandten eine Delegation aus, um ihn darüber zu befragen, wer er überhaupt sei und was denn seine Botschaft wäre (Johannes 1:19-25). Offensichtlich akzeptierten sie Johannes’ Zeugnis nicht, denn sie wollten sich nicht von ihm taufen lassen (Lukas 7:30). Und die Pharisäer versammelten sich auch in großer Zahl aus dem ganzen Land Israel, um Jesus sprechen zu hören und über Seine Botschaft und Seinen Dienst zu urteilen (Lukas 5:17). Ganz sicher beugten sie sich Jesus nicht als ihrem Messias. Also wurde das Zeugnis von Johannes und von Jesus von den Pharisäern abgelehnt.

Jesus sprach von Wiedergeburt, einer Wiedergeburt, die von oben her kommt. Sie ist das Werk von Gottes Geist, der souverän neues Leben hervorbringt (Vers 7-8), und ein Werk, das „von oben“ kommt (Vers 13-15). Glaubt Nikodemus an ein himmlisches Königreich? Das sollte er schon tun, ebenso wie die Männer und Frauen des Glaubens im Alten Testament (siehe Hebräer 11:13-16). Wenn irgendjemand in den Himmel auffahren konnte, so musste er zuvor vom Himmel herabgekommen sein. Man braucht eine „Rückfahrkarte“, und der Himmel ist der Ausgangspunkt der Reise. Nur der Menschensohn kann in den Himmel zurückkehren, denn von dort ist Er gekommen (Vers 13). Deshalb kommt die Rettung „von oben“.

Die Geschichte von der Bronzeschlange in Numeri 21 weist im Voraus auf die Rettung hin, die Gott durch den „Menschensohn“ bereiten wird. Die Israeliten hatten sich bei Gott beklagt und über die Reise und den scheinbaren Mangel an Nahrung und Wasser gemurrt. Sie mochten das Manna nicht, das Gott ihnen Tag für Tag gab. Und so sandte Gott feurige Schlangen unter sie, und viele starben an den Schlangenbissen. Gott bereitete aber eine Möglichkeit zur Rettung, damit das ungehorsame Volk Sein göttliches Gericht überleben konnte. Er wies Moses an, eine Bronzeschlange zu machen und auf einer Stange zu befestigen; und jeder, der von einer Schlange gebissen worden war und zu der Bronzeschlange emporschaute, sollte dadurch geheilt werden. Genau so geschah es dann auch: Jeder, der gebissen worden war und zu der Schlange emporschaute, wurde geheilt.

Diese Heilung, die Gott Israel im Alten Testament gewährt, weist darauf hin, wie Er die Rettung durch Seinen einzig gezeugten Sohn, Jesus Christus, bewerkstelligen wird. So, wie die Schlange emporgehoben und dadurch zum Quell der Rettung wurde, muss auch der Menschensohn „emporgehoben“ werden, damit die, die im Glauben zu Ihm emporschauen, vor Gottes Zorn gerettet werden. Die Israeliten wurden von Gott mit Schlangenbissen geschlagen. Sie verdienten es zu sterben, und sie wären auch gestorben ohne die Bronzeschlange, die Er ihnen gewährte. Wer nicht zu der Bronzeschlange emporsah, starb. Einfach zu der Bronzeschlange emporzuschauen war ein Akt des Glaubens. Nach menschlichen Maßstäben gab es keine direkte Verbindung zwischen dem erlittenen Schlangenbiss und der erhofften Heilung durch den Blick auf die Bronzeschlange. Aber es war der Weg, den Gott zu ihrer Rettung bereitet hatte, der Weg, den Gott durch Moses verkündet hatte. Es war gemäß Gottes Wort der einzige Weg, wie Sein Volk gerettet werden konnte. Wer auf die Bronzeschlange sah, wurde vor dem verdienten Tod bewahrt.

In Vers 14 und 15 verbindet Jesus die Schlange, die auf einer Stange emporgehoben wird, mit Seinem eigenen Tod auf Golgatha, wo Er an einem Kreuz emporgehoben werden wird. Nikodemus hatte gefragt, wie denn ein Mensch von oben wiedergeboren werden kann. Das sagt ihm Jesus zuerst durch eine Analogie und nun auch noch auf direktere Weise. Wenn jemand vor der Strafe für seine Sünden bewahrt werden soll, muss er zu Ihm „emporschauen“, um gerettet zu werden. Wie die Bronzeschlange aus alten Zeiten wird Er „erhoben“ werden am Kreuz; und später wird er noch einmal „erhoben“ werden bei Seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Und dadurch wird Er auch noch in anderer Weise „erhoben“ werden – Er wird von Gott für Sein gehorsames Opfer auf Golgatha erhöht werden. Und alle, die zu Ihm im Glauben „emporschauen“ und – wie die alten Israeliten – darauf vertrauen, dass Er das Gericht für ihre Sünden hinwegnehmen wird, werden gerettet werden.

Die Liebe Gottes und die Herabkunft und das Kreuz Christi
(3:16-21)

16 Denn so liebte Gott die Welt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges Leben habe. 17 Denn Gott sandte seinen Sohn nicht in die Welt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt. Wer aber nicht glaubt, der ist schon verurteilt, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. 19 Dies nun ist die Grundlage für das Gericht: dass das Licht in die Welt kam und die Menschen die Dunkelheit mehr liebten als das Licht, weil ihre Werke böse waren. 20 Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht ans Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt würden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt ans Licht, damit es ganz offensichtlich werde, dass seine Werke in Gott getan sind.

Damit sind wir bei Vers 16, der vielleicht bekanntesten Textstelle in der Bibel. Leider wird dieser Vers fast immer isoliert und ohne Bezug auf seinen Zusammenhang zitiert. Zudem folgen auch die wichtigen späteren Übersetzungen immer noch der Lesart der King James Version. Das wäre ja nicht schlimm, wenn nicht die Bedeutung der Worte dadurch geändert würde. Besonders problematisch ist das Wort „so“:

Denn Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzig gezeugten Sohn gab, damit wer immer an ihn glaubte nicht zugrunde gehen, sondern ewiges Leben haben sollte (KJV, Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Die Bibel in Einfachem Englisch übersetzt am eindeutigsten so, wie die meisten Menschen diesen Vers verstehen:

Denn Gott liebte die Welt so sehr, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht der Vernichtung anheimfallen, sondern ewiges Leben haben sollte (Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Auf diese Weise überträgt die Bibel in Einfachem Englisch diesen Vers allerdings so, dass die grundsätzliche Stoßrichtung der Worte unseres Herrn verschleiert wird. Glücklicherweise stellt die NET-Bibel das richtig:

Denn so hat Gott die Welt geliebt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges Leben habe.

Die Anmerkung zur Übersetzung in einer früheren Version der NET-Bibel gab mir den richtigen Hinweis. Sie lautete schlicht: „Oder: auf diese Weise“162. Als ich dann anfing, den Gebrauch dieses Wortes (das in Johannes 3:16 mit „so“ übersetzt wird) in den Schriften des Johannes und im übrigen Neuen Testament zu untersuchen, wurde mir klar, dass ich das Wort in einer Weise verstanden hatte, die wohl nicht der Absicht des Johannes entsprach. Mit den beiden Worten „denn ... so“ wird eine Zweiwortkombination des griechischen Textes übersetzt, die im Neuen Testament neun Mal vorkommt163. An keiner dieser Stellen kann oder sollte diese Kombination im Sinne von „so sehr“ übersetzt werden, aber jede einzelne von ihnen kann – und sollte wohl auch – mit „auf diese Weise“ oder „das ist die Art, wie“ oder Ähnlichem übersetzt werden. Dies wird ersichtlich aus der Art, wie die NET-Bibel die anderen acht Stellen behandelt, an denen der Ausdruck aus Johannes 3:16 vorkommt:

„In Bethlehem in Judäa“, sagten sie, „denn so steht es durch den Propheten geschrieben“ (Matthäus 2:5; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Da erwiderte ihm Jesus: „Lass es diesmal geschehen, denn [so] es ist recht für uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Da gab Johannes nach (Matthäus 3:15; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).164

Freut euch und seid fröhlich, weil euer Lohn groß ist im Himmel; denn ebenso verfolgten sie vor euch die Propheten (Matthäus 5:12; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Aber der Zauberer Elymas (denn so wird sein Name übersetzt) widerstand ihnen und trachtete den Prokonsul vom Glauben abzuwenden (Apostelgeschichte 13:8; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Denn so [dies] hat uns der Herr geboten: „Ich habe dich als ein Licht für die Heiden eingesetzt, damit du die Rettung bis an die äußersten Enden der Erde bringst“ (Apostelgeschichte 13:47; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Wir aber zogen weiter voraus zum Schiff und stachen in See nach Assos, wo wir Paulus an Bord zu nehmen beabsichtigten; denn so hatte er es gewollt. Er selbst hatte vor, über Land dorthin zu gehen (Apostelgeschichte 20:13; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Denn genau so haben sich auch in alten Zeiten die heiligen Frauen, die auf Gott hofften, geschmückt, indem sie sich ihren Männern unterwarfen (1. Petrus 3:5; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Denn so [oder: „Denn dadurch ...“] wird euch der Eingang in das ewige Königreich unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus reichlich dargereicht werden (2. Petrus 1:11; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Wenn also dieser Ausdruck im Neuen Testament durchgehend auf diese Weise gebraucht wird, sollten wir, glaube ich, auch Johannes 3:16 so verstehen, wie die NET-Bibel diesen Vers übersetzt.

Nun beachten Sie aber auch noch etwas anderes: Der Ausdruck „denn auf diese Weise“ weist zurück auf etwas, das zuvor schon gesagt worden ist. Er verbindet das, was gerade gesagt wird (oder gleich gesagt werden soll) mit dem, was zuvor gesagt worden ist. Um herauszufinden, was „dieselbe Weise“ ist, müssen wir zu dem zurückgehen, was schon gesagt wurde. Was geschehen wird – oder soll –, muss geschehen wie etwas, das schon geschehen ist. Das zeigt eine Betrachtung der acht vorhergehenden Verse.

Wir wollen diesen Aspekt nun auch bei Johannes 3:16 und dem, was diesem Vers vorausgeht, berücksichtigen und noch einmal zu Vers 14 zurückgehen:

14 Gerade so [auf dieselbe Weise]165, wie Moses die Schlange in der Wüste erhob, muss der Menschensohn erhoben werden, 15 damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe. 16 Denn so liebte Gott die Welt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges Leben habe. 17 Denn Gott sandte seinen Sohn nicht in die Welt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde (Hervorhebungen durch B. Deffinbaugh).

Jesus sagt Nikodemus, dass er von oben wiedergeboren werden müsse. Nikodemus ist überrascht und verwirrt über das, was Jesus sagt (3:4,9). Jesus tadelt Nikodemus freundlich dafür, dass er, ein berühmter Lehrer des alttestamentarischen Gesetzes, die Worte unseres Herrn als so neuartig und schwer zu verstehen empfindet (3:10). Und Er greift deshalb in Vers 14 auf das Alte Testament zurück, um Nikodemus näher zu erklären, was Er zuvor gesagt hat. Bei der Begebenheit, auf die Er zurückgreift, hob Moses in der Wüste eine Bronzeschlange empor und alle, die (im Glauben) zu ihr emporschauten, wurden gerettet. Auf dieselbe Weise, wie Moses die Schlange hochhob, muss auch der Menschensohn „emporgehoben“ werden. Der Menschensohn wird „emporgehoben“ werden, damit jeder, der an Ihn glaubt, ewiges Leben habe.

Die einleitenden Worte von Johannes 3:16, „Denn so liebte Gott die Welt ...“ nehmen den Gedanken aus Vers 14 und 15 wieder auf und führen ihn weiter. Beachten Sie die Wiederholung der Aussage „damit jeder, der an Ihn glaubt, ... ewiges Leben habe“ in Vers 15 und 16. Die Argumentation von Jesus (und Johannes) verläuft etwa so: „Wie man von oben wiedergeboren werden kann, Nikodemus? Nun, zunächst einmal kann niemand in den Himmel hinaufsteigen außer dem Einen, der zuvor vom Himmel herabgestiegen ist. Gottes Mittel zur Erlösung des Menschen ist also von oben gekommen. Auch die Geschichte von der Errettung der Israeliten in der Wüste spricht von einer Erlösung von oben. Moses erhob eine Bronzeschlange auf einer Stange und platzierte sie so, dass alle Israeliten sie sehen konnten. Jeder, der von einer Schlange gebissen wurde, konnte zu dieser Bronzeschlange „emporsehen“ und blieb daraufhin am Leben. Die Rettung, von der Ich spreche und über die du Mich befragst, kommt von oben; nicht nur dadurch, dass Gott sie durch Den bereitet hat, der vom Himmel herabgekommen ist, sondern auch, indem die Menschen zu Ihm emporschauen müssen, um zu leben.“

Die Errettung in der Wüste mittels einer Bronzeschlange war sozusagen ein Prototyp für Gottes Errettungswerk durch Jesus Christus. „Auf dieselbe Weise“, wie die Bronzeschlange auf einer Stange emporgehoben wurde, damit alle sie sehen konnten, muss der „Menschensohn“ „emporgehoben“ werden, damit alle, die Ihn im Glauben anschauen, ewiges Leben haben. „Denn auf diese Weise liebte Gott die Welt: Er gab seinen einzig gezeugten Sohn, damit alle, die an ihn glauben, nicht zugrunde gehen, sondern ewiges Leben haben.“ Gott gab Seinen einzig gezeugten Sohn, indem Er Ihn in diese Welt sandte, indem Er Ihn am Kreuz von Golgatha emporhob und indem Er Ihn aus dem Grab emporhob und über jeden Namen erhöhte.

Gottes Liebe zur Welt manifestierte sich in Jesus, in Dem, den die Pharisäer ablehnten, dessen Zeugnis (wie das des Johannes auch) nicht geglaubt wurde. Die Juden gingen fälschlicherweise davon aus, dass Gott sie liebte, weil sie Juden waren. Jetzt erfahren sie, dass Gott sie nur durch Christus liebt. Wenn sie Christus ablehnen, lehnen sie auch die Liebe ab, die der Vater ihnen in Christus erweist.

In Vers 16 steht Nikodemus noch ein weiterer Schock bevor. Dieser Vers sagt aus, dass sich Gottes Liebe auf die Welt erstreckt und dass es Gottes Absicht ist, Heiden ebenso wie Juden zu erretten. Das ging nun buchstäblich über das Verständnis vieler Juden – einschließlich der strenggläubigen Juden – hinaus. Der Prophet Jona beispielsweise konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Bewohner von Ninive (die Heiden waren) gerettet werden sollten, und so tat er alles nur in seiner Macht stehende, um es doch noch so weit kommen zu lassen, dass die Stadt zerstört würde. Johannes und sein Bruder Jakobus wollten Feuer vom Himmel herabrufen und ein samaritisches Dorf „abfackeln“ (Lukas 9:52-56). Als Petrus in das Haus des Cornelius ging und das Evangelium vor den dort versammelten Heiden predigte, musste er anschließend vor den Kirchenführern in Jerusalem Rechenschaft darüber ablegen, warum er mit dem Evangelium zu den Heiden gegangen war (Apostelgeschichte 11:1-3). Petrus konnte die Kirchenführer davon überzeugen, dass das von Gott aus geschehen war, und sie bekannten, dass Gott offenbar auch unter den Heiden Menschen zur Erlösung bringt. Auch danach aber fuhren viele gläubige Juden fort, „die Botschaft zu niemandem als zu den Juden zu reden“ (Apostelgeschichte 11:19). Als Paulus vor einer feindselig eingestellten jüdischen Zuhörerschaft sprach, hörte man ihm geduldig zu – bis er sagte, dass Gott ihn dazu aufgerufen habe, das Evangelium zu den Heiden zu bringen – und dann gerieten die Zuhörer in Zorn (Apostelgeschichte 22:1-24; beachten Sie besonders Vers 21-22). Wenn Jesus (oder Johannes) sagte, dass Gott die Welt liebt, war das für einen strenggläubigen Juden etwas Revolutionäres, Schockierendes und sehr Irritierendes.

Ich möchte noch eine andere Lektion hervorheben, die wir aus Johannes 3:16 lernen können. Das Wort „liebte“ steht in der Vergangenheitsform. Das entsprechende griechische Wort steht in der Aoristform, die eine spezifische Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt anzeigt. Dieser Vers sagt also nicht: „Gott liebt (Gegenwart) die Welt.“ Der Grund dafür ist, meiner Meinung nach, dass dieser Vers so zu verstehen ist, dass Gott Seine Liebe zur Welt auf eine ganz bestimmte Art erwies. Er „liebte“ die Welt durch Seinen Sohn, Jesus Christus. Er „liebte“ die Welt, indem Er Seinen Sohn in die Welt sandte, damit Der als der Träger der Sünde „erhoben“ werden konnte.

Damit kommen wir zu einem neuen Element innerhalb des Johannes-Evangeliums, das in Vers 16 aufgenommen wird und das Nikodemus und seinen Kollegen erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben muss. Dieses „neue“ Element ist die Vorstellung von der Hölle oder dem ewigen Gericht, das hier durch den Begriff „zugrunde gehen“ eingeführt wird. Als unser Herr zuvor von der Bronzeschlange gesprochen hat, ist dieses Thema in indirekter Form schon angeklungen. Es waren sterbende Menschen, die „gerettet“ wurden, indem sie zu der Bronzeschlange emporschauten. Sie waren dabei, „zugrunde zu gehen“, weil Gott sie aufgrund ihrer Sünde verurteilt hatte, und sie wussten das auch. Wenn sie nicht rasch im Glauben zu der Schlange aufsahen, würden sie zugrunde gehen. Jesus hat Nikodemus schon damit erschreckt, dass Er ihm sagte, er würde das Reich Gottes gar nicht erst sehen, wenn er nicht von oben wiedergeboren würde. Was Jesus dann in Vers 14-21 sagt, ist aber noch beunruhigender: In seinem gegenwärtigen Zustand ist Nikodemus nicht nur unfähig, in das Reich Gottes zu gelangen, sondern er ist im Gegenteil sogar dazu bestimmt, zugrunde zu gehen.

Inzwischen muss sich Nikodemus also wahrlich in einem Zustand völligen Schocks befinden. Er sagt nun gar nichts mehr, ja, es kann sein, dass er überhaupt schon gegangen ist. Vielleicht ist es Johannes, der hier die weiteren Details ergänzt und diese Worte nach Tod und Begräbnis und nach Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn schreibt. Der Mann, der schon am Ziel zu sein glaubte, erfährt, dass er noch nicht einmal auf dem Weg in Richtung Himmel ist; er ist vielmehr sogar auf dem Weg zu ewiger Qual. Nikodemus ist als Mensch verurteilt und, spirituell gesehen, auf dem Pfad des Todes.

Dadurch, dass Gott Jesus in die Welt sandte, beabsichtigte Er nicht, die Welt zu verurteilen. Seine Absicht war es vielmehr, dass die Welt durch Jesus gerettet werden möge. Vielleicht fragt sich mancher, wie unser Herr (oder Johannes) dazu kommt, so etwas zu sagen – wenn man die folgenden Verse bedenkt, die weiter hinten im Johannes-Evangelium stehen:

26 „Denn so, wie der Vater in sich selbst Leben hat, so hat er auch dem Sohn gewährt, in sich selbst Leben zu haben, 27 und hat dem Sohn Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist“ (Johannes 5:26-27).

„Von mir selbst aus kann ich gar nichts tun. So, wie ich höre, richte ich; und mein Urteil ist gerecht, weil ich nicht meinen eigenen Willen verfolge, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Johannes 5:30).

Und Jesus sprach: „Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen; damit die, die nicht sehen, sehend würden und die, die sehen, blind würden“ (Johannes 9:39).

Wir sehen, dass in Jesus Kapitel 5 des Johannes-Evangeliums über das Gericht spricht, das Er bei der Auferstehung der Toten ausüben wird (siehe Verse 25 und 28-29). Das Gericht, von dem in Johannes 9 die Rede ist, scheint im Wesentlichen dasselbe zu sein wie das in Vers 17-21 im 3. Kapitel des Johannes-Evangeliums. Jesus kam in die Welt als Ausdruck von Gottes Liebe zur Welt. Er kam, um die Sünder zu retten, die an Ihn glauben. Wer nicht Jesus Christus als Gottes alleinigen Weg zur Erlösung annimmt (siehe auch Johannes 14:6), weist Gottes Liebe zurück. Der Hauptzweck der ersten Herabkunft unseres Herrn lag darin, Gottes Liebe für die verlorenen Sünder zu manifestieren und einen Weg zur Erlösung zu bereiten; so wie die Bronzeschlange einen Weg zur Heilung darstellte für jeden, der zu ihr emporschaute und gerettet wurde.

Die in Kapitel 8 berichtete Episode von der beim Ehebruch gestellten Frau beleuchtet das Verhältnis zwischen der ersten Herabkunft Jesu und dem Gericht, das Er bei Seiner zweiten Herabkunft halten wird: Die Pharisäer und Schriftgelehrten brachten eine Frau zu Jesus, die auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden war (beachten Sie, dass sie den Mann nicht brachten). Sie wollten Jesus in Verlegenheit bringen und drängten Ihn buchstäblich dazu, diese Frau zu „richten“, also zu verurteilen. Nach dem Gesetz verdiente sie zu sterben; aber Jesus reagierte nicht so, wie es Seine Gegner erwarteten. Jesus stritt die Schuld der Frau nicht ab, aber Er zeigte ihren Anklägern, dass auch sie selbst schuldbeladene Sünder waren. Ihre Art der Sünde war vielleicht keine Unmoral, sondern Selbstgerechtigkeit und Stolz, aber auch sie waren nicht „ohne Sünde“. Keiner der Anwesenden war wirklich in der Lage, diese Frau zu verurteilen – außer Jesus. Der aber vergab ihr ihre Sünden, anstatt sie zu verurteilen. Ziel der ersten Herabkunft Jesu war es, eine Versöhnung für die Sünden der Menschen herbeizuführen. Jesus weigerte sich, die Frau zu verurteilen, weil Er gekommen war, um sie zu retten. Ja, Er war gekommen, um die Schuld und Strafe für ihre Sünden zu tragen, so dass ihre Sünden vergeben werden konnten.

Das Gericht ist ein Nebeneffekt der ersten Herabkunft unseres Herrn; bei Seiner zweiten Herabkunft wird es eine dramatischere Rolle einnehmen. Es sind die schuldbeladenen, der Verdammnis anheimgefallenen Sünder, für die Jesu Kommen einen Weg zur Erlösung bereiten soll (siehe Römer 3:9-18,23). Die aber das Erlösungsangebot in Jesus Christus ablehnen, weisen Gottes Liebe zurück und fallen umso größerer Verdammnis anheim, da sie das Licht gesehen, aber zurückgewiesen haben (siehe Johannes 9:35-41). Die Reaktion eines Menschen auf das Licht der Herabkunft unseres Herrn ist Hinweis auf seine moralische und geistliche Verfassung. Wer Wahrhaftigkeit lebt, fürchtet das Licht nicht, sondern heißt es willkommen, denn das Licht offenbart die Gerechtigkeit rechtschaffener Menschen. Die Ungerechten dagegen hassen das Licht, weil es ihre Sünden zum Vorschein bringt. Böse Menschen lehnen das Licht also ab, aber rechtschaffene Menschen heißen es willkommen. Damit zeigt die Reaktion eines Menschen auf das Licht seine moralische und geistliche Verfassung an. Das Licht verurteilt, indem es sowohl die Sünde bloßstellt als auch die Sünder, die das Licht ablehnen. In diesem Sinne hat unser Herr bei Seiner ersten Herabkunft die Sünde der Menschen passiv gerichtet (bloßgestellt). Bei Seiner Wiederkunft wird Er dann die Sünder aktiv richten.

Schlussfolgerungen

Dieser Text ist voller Wahrheiten und Anwendungsmöglichkeiten. Ich möchte Sie zum Schluss auf einige wichtige grundlegende Dinge hinweisen:

Erstens: Religiös sein ist nicht dasselbe wie Christ sein. Vor einiger Zeit wurde ein Buch über den Römerbrief veröffentlicht, das den Titel trug „Christ sein, ohne religiös zu sein“. In dem Buch wurde versucht zu zeigen, dass man Christ werden kann, ohne sich unbedingt „religiös“ zu benehmen. Ich glaube, man könnte auch sehr gut ein Buch schreiben mit dem Titel „Religiös sein, ohne Christ zu sein“. Das würde dann nicht nur auf Nikodemus zutreffen, sondern auf viele „religiöse“ Menschen von heute. Man könnte kaum „religiöser“ sein als Nikodemus, aber unser Herr macht es ganz deutlich, dass Nikodemus – so religiös er auch sein mag – noch kein Christ ist. Er muss noch von oben wiedergeboren werden.

Ich muss dich also fragen, mein Freund: Bist du Christ, oder bist du nur religiös? Wenn man die Worte unseres Herrn ernst nimmt, gibt es einen großen Unterschied zwischen jemandem, der religiös ist, und jemandem, der von oben wiedergeboren ist. Nikodemus war ebenso verloren wie die samaritische Frau am Brunnen (Johannes 4). Die Hölle wird nur so von Menschen bevölkert sein, die „religiös“ sind und für ihre Rettung auf ihre Religion statt auf Christus alleine vertraut haben. In der Hölle wird es viele geben, die auf ihre eigenen Werke vertraut haben, um in den Himmel zu kommen, statt auf Sein Werk – auf das Werk unseres Herrn Jesus Christus und auf das Kreuz von Golgatha. Er kam vom Himmel herab, und Er wurde an einem Kreuz emporgehoben, um so die Strafe für deine und für meine Sünden zu tragen. Er wurde von den Toten erweckt und zur Rechten Gottes erhöht. Er bietet uns Seine Gerechtigkeit und Sein eigenes Leben an. Wenn du auf ihn vertraust anstatt auf dich selbst, wirst du von oben wiedergeboren werden und sicher sein, dass du das Königreich Gottes sehen wirst.

Zweitens: Gottes Liebe zur Welt manifestiert sich in der Herabkunft und im Kreuzestod Jesu Christi. Auf diese Weise hat Gott die Welt „geliebt“ und es ist die einzige Weise, auf die man sich jetzt und in Ewigkeit der Liebe Gottes erfreuen kann. Wenn man Jesus Christus als Gottes Erlösungsweg für uns ablehnt, weist man damit Gottes Liebe zurück, verfällt der göttlichen Verdammnis und kann nur noch auf den Tag von Gottes ewigem Gericht warten. Viele Menschen suchen heutzutage Trost in der Behauptung, dass Gott sie liebt. Gott hat sie in Jesus Christus „geliebt“. Ihn abzulehnen bedeutet Seine Liebe zurückzuweisen. Es ist sowohl töricht als auch gefährlich, an einen „Gott der Liebe“ zu glauben, ohne sich dem Sohn Seiner Liebe, Jesus Christus, zu unterwerfen. Wie oft höre ich die Worte: „Nun ja, ich glaube an einen Gott der Liebe ...“, und dann geht es weiter damit, dass ein solcher Gott doch niemals irgendjemanden in der Hölle verdammen wird. Unser Text aber sagt uns genau das Gegenteil davon: Der Gott der Liebe, der Jesus Christus gesandt hat, um die Welt aus der Sünde zu erlösen, ist derselbe Gott, der Jesus Christus ein zweites Mal senden wird, um über die Sünden der Welt zu richten. Die zu Ihm um Rettung „emporgeschaut“ haben, „schauen“ nun wieder „empor“ und warten auf Seine Wiederkehr. Die Ihn abgelehnt haben, verstehen nicht, dass Er bei Seiner Wiederkunft als ihr Richter kommen wird. Welch ein Furcht erregender Gedanke! Welch eine gesegnete Errettung!

Ich hoffe und bete, dass Gott dir weder Ruhe noch Frieden geben wird, bis du nicht die Liebe Gottes in der Person und im Werk Jesu Christi erfahren hast.

16 Denn so liebte Gott die Welt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges Leben habe. 17 Denn Gott sandte seinen Sohn nicht in die Welt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt. Wer aber nicht glaubt, der ist schon verurteilt, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.


146 Ich habe diesen Text absichtlich so formatiert, dass Nikodemus’ Worte sich von denen unseres Herrn abheben. Beachten Sie, dass im Verlaufe des Gesprächs die Äußerungen von Nikodemus immer kürzer und die unseres Herrn immer länger werden. In Vers 16-21 habe ich den Schrifttyp gewechselt, um deutlich zu machen, dass es fraglich ist, um wessen Worte es sich hier handelt – um die von Johannes oder um die unseres Herrn.

147 Das traf, könnte man hinzufügen, auch für die Lehre von Johannes dem Täufer zu. Seine Lehren hatten etwas so Kraftvolles, dass selbst ein Mann wie Herodes davon angezogen und fasziniert wurde. Und dass, obwohl Johannes niemals irgendein Zeichen vollbrachte (Johannes 10:41).

148 Die Sadduzäer werden im Matthäus-Evangelium siebenmal und bei Markus und Lukas je einmal genannt; Johannes nennt sie nie beim Namen.

149 Ich will damit nicht sagen, dass die Priester oder die Anführer der Sadduzäer persönlich am Beginn der Tempelreinigung anwesend waren. Ganz sicher aber gelangten sie rechtzeitig dorthin, um unseren Herrn dann herauszufordern (siehe Johannes 2:18ff.).

150 Das „wir“ könnte auch die Juden im Allgemeinen einschließen.

151 „Das hier mit ‚von Neuem’ [in unserem Text mit ‚von oben’] wiedergegebene Wort könnte ebensogut mit ‚von oben’ übersetzt werden. Beide Bedeutungen sind richtig, und beide sollten wir nach Johannes wahrscheinlich hier annehmen (wie es auch Barclay tut; er erfasst mit seinem ‚Wenn ein Mensch nicht von oben wiedergeboren wird’ das Wesentliche aus beiden Sphären).“ Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., 1971), S. 212-213. Innerhalb des Johannes-Evangeliums kommt dieser Begriff, der beide Bedeutungen (‚von oben’ oder ‚von Neuem’) haben kann, dreimal in Johannes 3 (Vers3, 7 und 31) und noch zweimal an anderen Stellen (19:11, 23) vor. An den drei Stellen, die nichts mit Nikodemus zu tun haben, bedeutet der Ausdruck immer ‚von oben’.

152 Für die Juden im Allgemeinen und für Nikodemus im Besonderen galt: „Sehen ist Glauben“ (siehe Johannes 2:18,23, 3:2, 6:30). Jesus kehrte das um und sagte Nikodemus, dass „Glauben Sehen ist“.

153 Der Ausdruck ‚Wahrlich, wahrlich’ ist die Übersetzung des wiederholten griechischen Wortes amhn, das buchstäblich dem ‚Amen’ entspricht. Johannes gebraucht dieses Wort nur in der Verdopplung (‚Wahrlich, wahrlich’), und das 25 Mal in seinem Evangelium. Matthäus (31x), Markus (14x) und Lukas (6x) benutzen den Ausdruck in einfacher Form (‚Wahrlich’), niemals gedoppelt. Morris’ Aussage, die in dieser Serie schon einmal zitiert wurde, darf hier noch einmal wiederholt werden: „‚Wahrlich’ ist nicht die Übersetzung eines griechischen Wortes, sondern die Übertragung eines aramäischen (oder hebräischen) Wortes, nämlich Amen. Es ist dies das Partizip eines Verbs mit der Bedeutung ‚bestätigen’, und es wurde benutzt, um Zustimmung auszudrücken. Beispielsweise war (und ist) es die Antwort der Gemeinde auf das Gebet dessen, der den Gottesdienst anführt; und sie macht es auf diese Weise zu ihrem eigenen Gebet (1. Ko 14:16). Nur sehr selten ist es auch der Abschluss des eigenen Gebets (z.B. Tobit 8:7f.), wenn dieses den Charakter eines Wunsches hat. In dieser Form wird es aber wirklich selten gebraucht; üblicherweise ist es die Zustimmung zu etwas, was ein anderer gesagt hat. In den Evangelien wird es nur von Jesus alleine benutzt, und zwar immer als Vorsatz zu einer wichtigen Äußerung. Vermutlich geschieht dies, um eine solche Äußerung als tiefgründig und wahr und wichtig zu kennzeichnen. Dieser Gebrauch von Amen als Einleitung seiner eigenen Worte scheint nur Jesu eigen zu sein; es kann keine wirkliche jüdische Parallele dazu angeführt werden.“ Morris, S. 169.

154 Morris, S. 212.

155 Mir gefällt sehr gut, was L.S. Thornton dazu geschrieben hat: „’Die christliche Doktrin eines neuen Lebens steht im Gegensatz zu der zeitgenössischen jüdischen Erwartung einer neuen Welt. Im Neuen Testament überlappen sich diese beiden Doktrinen zweifellos; aber ihr Verhältnis zueinander wird sicher nicht unangemessen als das von Korn und Spelzen beschrieben.’“ Zitiert bei Morris, S. 209, Fn. 1.

156 Im Johannes-Evangelium kommt es oft vor, dass Menschen irrtümlicherweise Aussagen wörtlich nehmen, die geistlich oder symbolisch gemeint waren (siehe z.B. Johannes 2:18-22, 4:10-11, 6:48-65).

157 Es sollte noch gesagt werden, dass dasselbe griechische Wort (pneuma) im Neuen Testament sowohl mit „Wind“ (Johannes 3:8) als auch mit „Geist“ (Johannes 1:32-33, 3:5,6,8,34) übersetzt wird. In Johannes 3:8 kommt das Wort zweimal vor und wird das erste Mal mit „Wind“, das zweite Mal mit „Geist“ übersetzt.

158 Diese Lektion musste Simon der Zauberer auf schmerzliche Weise lernen (siehe Apostelgeschichte 8:9-24).

159 Im griechischen Text sind die ersten beiden Worte in Nikodemus’ Fragen in Vers 4 und 9 identisch (pw dunatai). Beide Fragen beziehen sich darauf, wie das möglich sein kann, was Jesus gerade gesagt hat. Die gleichen beiden Worte finden sich auch in Matthäus 12:29, Markus 3:23 und Johannes 6:52 und 9:16. In allen diesen Fällen geht es um Fragen der Logik. Marias Frage an Gabriel in Lukas 1:34 klingt ähnlich, unterscheidet sich aber, denke ich, wesentlich von den anderen. Sie fragt nicht danach, wie das sein kann, sondern wie das sein wird. Sie stellt nicht infrage, dass Gott in der Lage ist, ihr als Jungfrau ein Kind zu schenken, sondern sie fragt nur, auf welchen Wege das geschehen wird. Zacharias andererseits äußert seine Zweifel und fordert eine Bestätigung, wofür er dann gerügt wird (siehe Lukas 1:18-20).

160 Der Begriff „erhob“ (griechisch uywsen) hat doppelte Bedeutung. Er kann „hochheben“ im buchstäblichen Sinne bedeuten, aber auch „erhöhen“ (siehe beispielsweise Matthäus 11:23, 23:12; Apostelgeschichte 2:33). Unser Herr wurde am Kreuz buchstäblich „in die Höhe gehoben“, aber im gleichen Atemzug müssen wir sagen, dass Er durch dieses „Hochgehobenwerden“ „erhöht“ wurde, und auch das „Erhobenwerden“ durch die Auferstehung und Himmelfahrt war notwendige Folge Seines Kreuzestodes.

161 „Er legte Zeugnis über ‚irdische Dinge’ ab, aber man glaubte ihm nicht. Am einfachsten kann das so verstanden werden, dass es sich auf das soeben stattfindende Gespräch bezieht. Dieses fand auf der Erde statt und betraf einen Vorgang, dessen Auswirkungen auf der Erde erkennbar waren. Im Gegensatz dazu kann Jesus auch ‚himmlische Dinge’, also höhere Lehren kundtun. Wenn aber Menschen wie Nikodemus schon die einfachen Dinge nicht glauben, kann man nicht erwarten, dass sie Fortgeschritteneres glauben werden.“ Morris, S. 222.

162 Der neueste Text der NET-Bibelübersetzung wurde geändert, um die Bedeutung des Originaltextes von Johannes 3:16 präziser wiederzugeben.

163 Matthäus 2:5, 3:15, 5:12; Johannes 3:16; Apostelgeschichte 13:8,47, 20:13; 1. Petrus 3:5; 2. Petrus 1:11.

164 In diesem Fall gibt die NET-Bibel nicht den vollständigen Sinn des Ausdrucks wider, den ich in Klammern ergänzt habe. Die NASV dagegen erfasst den genauen Sinn: „Aber Jesus antwortete ihm und sprach: ‚Lass es diesmal zu; denn auf diese Weise geziemt es sich für uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen’“ (Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

165 Hier steht das gleiche griechische Wort, das in Vers 16 mit „so“ übersetzt wird. Es handelt sich aber nicht um die oben genannte Zweiwortkombination.

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