Der Weg des Weisen: Studien im Buch der Sprüche

Translated by Anne Schulz from the English.

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159

Vorwort

Mit den Jahren habe ich das Buch der Sprüche immer mehr zu schätzen gelernt, und bisher habe ich noch keinen Christen getroffen, der dieses Buch langweilig oder unergiebig fand; vielmehr haben viele sein Studium als die hilfreichste all ihrer christlichen Erfahrungen empfunden.

Meine Absicht ist es nicht, Sie durch die Sprüche wie durch andere Bücher der Bibel zu führen – beginnend mit dem ersten Kapitel und endend mit Kapitel 31 –, denn das wäre kaum machbar. Statt dessen möchte ich Sie mit ausgewählten Beispielen für die Weisheit der Sprüche bekannt machen und hoffe, dass dieses Buch für Sie dann zur Quelle lebenslangen Lernens wird. Mit der folgenden Reihe von Lektionen möchte ich Ihnen ein Schema für Ihre eigenen Studien an die Hand geben, indem ich verschiedene Charaktere beispielhaft untersuche: den Einfältigen, den Narren, den Spötter, den Faulen und den Weisen.

Am Ende dieser Reihe werden wir allerdings nur ein wenig an der Oberfläche all der Reichtümer gekratzt haben, die sich in diesem Buch finden. Von hier aus weiter zu machen ist dann Ihre Aufgabe und Herausforderung.

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1. Einführung

Einleitung

Das Buch der Sprüche ist eine Freude zu lesen – doch es ist ausgesprochen schwer zu predigen. Sie werden sich vermutlich wundern, warum ich dann trotzdem die Sprüche als Studienobjekt für mehrere Wochen gewählt habe. Ein Ziel dieser Reihe ist es, genau diese Frage zu beantworten: Ich möchte Ihnen zeigen, welchen Beitrag das Buch der Sprüche für Ihr geistliches Leben vielleicht leisten kann. Neben der Antwort auf die Frage “Warum die Sprüche studieren?” möchte ich die Grundlage für unsere Studien legen, indem ich die einmalige literarische Form des Buches der Sprüche untersuche. Erlauben Sie mir zunächst eine kurze Beschreibung der verschiedenen Aspekte, durch die wir vom Studium der Sprüche profitieren können.

1. DAS BUCH DER SPRüCHE BEFASST SICH MIT DER ENTWICKLUNG EINES GOTTGEFäLLIGEN CHARAKTERS. Kürzlich habe ich eine Studienreihe über den Ersten Korintherbrief fertig gestellt. Beim Studium von Kapitel 13 dieses Briefes hat mich die Wichtigkeit eines gottgefälligen Charakters (insbesondere der Liebe) tief beeindruckt. Wenn ich diese Passage richtig verstehe, ist Charakter wichtiger als Charisma. Die Bibel lehrt auch, dass der Mensch mehr aufgrund seines Charakters als durch sein Glaubensbekenntnis beurteilt wird (vgl. 1.Ti 3). Ein gottergebener Mensch bekennt nicht nur den Glauben an bestimmte Wahrheiten, sondern er praktiziert sie auch (Joh 2:14-26). Kein anderes Buch in der gesamten Bibel ist so sehr der Ausbildung eines gottgefälligen Charakters gewidmet wie die Sprüche. Und die christliche Gemeinschaft unserer Zeit braucht nichts so sehr wie Menschen mit solchen Charakterzügen, wie sie die Sprüche rühmen.

Alexander Solschenizyn hielt im Juni 1978 eine Ansprache vor den Graduierten der Harvard Universität. Dabei wiederholte dieser Mann, ein Exil-Russe, aber nicht die Klage über den bösen Kommunismus, sondern lenkte die Aufmerksamkeit vielmehr auf die Versäumnisse des Westens, auf Fehler, die vielleicht den Verfall der größten Demokratie ankündigen, die die Welt bis jetzt gekannt hat. Ich empfehle Ihnen, die gesamte Rede einmal zu lesen; der Kernpunkt lässt sich jedoch in der folgenden Feststellung zusammenfassen: Amerika zerstört sich allmählich selber durch die Vernachlässigung der göttlichen Weisheit und der christlichen Tugenden. Beides bereiten die Sprüche demjenigen, der gewissenhaft danach sucht (vgl. Spr 1:1-6; 2:1ff.).1

Jeder Christ braucht eine Ausbildung in Charakterkunde. Lassen Sie mich hier nur einige der Gründe erwähnen, warum es wichtig ist, charakterliche Eigenschaften genau zu erkennen: Erstens ist es das höchste Ziel eines Christen, Christus ähnlich zu werden (Röm 8:29, Eph 4:13). Obwohl es noch weitere Aspekte der Christ-Ähnlichkeit gibt, besteht das Essenzielle doch darin, dass wir Ihm im Charakter ähnlich werden. Das Charakterstudium anhand der Sprüche sollte dem Christen dabei Anleitung zur Heiligkeit in Persönlichkeit und praktischem Tun bieten. Zweitens müssen wir in der Lage sein, den Charakter anderer Menschen einzuschätzen. Dies ist besonders wichtig, wenn wir anderen biblischen Rat geben. Die Sprüche sagen uns: “Antworte dem Toren, wie es seine Torheit verdient, damit er sich nicht weise dünke.” (26:5).

Wenn wir anderen Rat geben sollen, müssen wir ihren Charakter erkennen können, denn ein Weiser muss anders beraten werden als ein Narr. Eltern müssen in der Lage sein, die Charakterzüge ihrer Kinder zu erkennen, um sie “gemäß ihrem Weg” erziehen zu können (22:6).2 Ein Kind, das nicht gehorcht, weil es den Anweisungen nicht genau zugehört hat, muss anders zur Rechenschaft gezogen werden als ein Kind, das einer Anweisung absichtlich zuwider handelt, obwohl es sie verstanden hat.

Essenziell ist die Fähigkeit Charaktere einzuschätzen, wenn wir den Empfehlungen der Sprüche über unsere Freunde und Bekannten Beachtung schenken wollen: Den Umgang mit schlechten und gewalttätigen Menschen sollen wir meiden (1:8-19). Unaufrichtige Menschen sollten wir nicht zu Partnern wählen (29:24). Geschwätzige Menschen sind keine guten Freunde (17:9). Wahre Freunde sind treu (17:17), und doch werden sie es nicht versäumen uns zurechtzuweisen, wenn es nötig ist (27:5-6).

Besonders wichtig ist die Wahl unseres Lebensgefährten, denn es gibt keine wichtigere Voraussetzung für eine Heirat als einen gottergebenen Charakter. Dem entsprechend wird auch die tugendhafte Frau in Spr 31:10-31 beschrieben. Eine ungeliebte Frau wird dem, der sie heiratet, nur Kummer bringen (30:23) und eine streitsüchtige Frau ist um Nichts besser (21:9,19). Wenn wir nicht mit einem unbeherrschten Menschen zusammenleben wollen (22:24-25), sollten wir ihn gewiss nicht heiraten. Viele misshandelte Frauen könnten “Amen” zu dieser Weisheit sagen.

2. DAS BUCH DER SPRüCHE MACHT SCHLUSS MIT DER TRENNUNG VON GEISTLICHEN UND WELTLICHEN BEREICHEN.3 Der gefallene Mensch versucht immer, eine Zweiteilung zu errichten zwischen dem Geistlichen und dem Weltlichen, zwischen religiösen Zeremonien einerseits und praktischer Rechtschaffenheit andererseits. Die Propheten des Alten Testaments sprachen solch falsche Vorstellungen häufig an und mahnten Israel, dass religiöse Riten wertlos sind, solange sie nicht in ein rechtschaffenes Leben mit z.B. Fürsorge für die Armen und Unterdrückten eingebunden sind (vgl. Jes 1:10-17, Jer 20-29). In gleicher Weise hat Jesus diesen Widerspruch betrachtet (vgl. Mat 23:23-24), und auch Johannes fand später ähnliche Worte zu diesem Thema (vgl. Joh 1:21-27).

Das Buch der Sprüche erlaubt es dem Christen nicht, im Lande der Theorie zu verweilen. Wir halten unser Christentum ja gerne auf einem abstrakten Niveau, anstatt es auf unser Leben anzuwenden. Unser größtes Versagen als Christen besteht also nicht darin, dass wir zu wenig wissen (obwohl dies leider auch oft zutrifft), sondern dass wir es versäumen, das anzuwenden, was wir wissen. Die Sprüche betonen die Notwendigkeit sowohl der Aneignung als auch der Anwendung von Weisheit. Selten sind wir in diesem Buch “in der Kirche”, sondern vielmehr zu Hause, bei der Arbeit und in der Auseinandersetzung mit den weltlichen Dingen des Alltags.

Die Sprüche zwingen den Leser dazu, Prinzipien in die Praxis zu übertragen. Oft waren es die Propheten, die bestimmte Prinzipien vertraten – und die Sprüche beziehen diese dann konkret auf das Leben. Beispielsweise schrieb Amos: “Es ströme aber die Gerechtigkeit wie Wasser und Rechtschaffenheit wie ein nie versiegender Fluss.” (Am 5:24).

Die Sprüche geben uns konkretere Anweisungen: “Zweierlei Gewicht und zweierlei Maß sind beide dem Herrn ein Gräuel.” (Spr 20:10). Das Buch der Sprüche hält den Metzger zur Rechtschaffenheit an, damit er den Daumen von der Waage nimmt.

3. DIE SPRüCHE BIETEN AN, UNS WEISHEIT ZU LEHREN. Die Weisheit wird wiederholt personifiziert als eine Frau, die als Marktschreierin allen Menschen anbietet, Weisheit zu erwerben (vgl. 1:20:ff.; 8:1ff.). Innerhalb einer Generation hat es für uns eine wahre Explosion an Wissen gegeben, häufig in Form technischen Fortschritts. Während das Wissen also rapide zunimmt, scheint die Weisheit immer seltener zu werden.

Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind beängstigend. Wir haben die Fähigkeit erworben, auf den Mond zu fliegen und Atome zu spalten, aber ohne Weisheit wird der Mensch sein Wissen viel zu oft zum Bösen statt zum Guten einsetzen. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel illustrieren: Durch ein “Amniozentese” genanntes Verfahren kann die medizinische Wissenschaft das Geschlecht eines Fötus bereits im Mutterleib untersuchen. Lediglich eine kleine Menge Fruchtwasser muss aus der Gebärmutter der Schwangeren entnommen werden, um nicht nur das Vorliegen von über 70 Erbkrankheiten, sondern auch das Geschlecht des ungeborenen Kindes festzustellen. Jetzt las ich über ein Ehepaar, das einen solchen Eingriff vornehmen ließ und vom Arzt darüber informiert wurde, dass das Baby gesund sei. Als sie aber erfuhren, dass das Geschlecht dieses gesunden ungeborenen Kindes nicht dasjenige war, was sie sich gewünscht hatten, bestanden sie allein aus diesem Grund auf einem Schwangerschaftsabbruch. Die Technik (das Wissen) an sich war nicht schlecht, aber es wurde durch Mangel an Weisheit und Charakter zum Schlechten missbraucht. Das Buch der Sprüche ist mehr daran interessiert, Menschen weise zu machen als sie schlau zu machen.

Die biblische Weisheit hat viele Facetten. Im weiteren Verlauf unseres Studiums werden wir viel Aufmerksamkeit auf diese Facetten verwenden. Jetzt aber lassen Sie mich zunächst die vornehmlichen Charakteristika der Weisheit zusammenfassen, die uns in den Sprüchen angeboten wird. Weisheit hat eine intellektuelle Seite: Weisheit ist die Schärfe des Geistes, die es uns ermöglicht, Informationen aufzunehmen und einzuschätzen und dann einen Aktionsplan zu formulieren. Scott sagt: “Die direkte Bedeutung des Wortes Hokmah ist ‘höhere mentale Fähigkeit’ oder ‘besondere Fertigkeit’. . . ”4 Man muss aber unbedingt zwischen Weisheit und Intelligenz unterscheiden. Viele brilliante Intellektuelle sind biblische “Toren”. Diejenigen, die nur einen unterdurchschnittlichen I.Q. erreichen, sind andererseits nicht automatisch dadurch von biblischer Weisheit ausgeschlossen. Im ersten Kapitel der Sprüche wird Weisheit beschrieben als die Fähigkeit zu wissen (Vers 2), zu lernen (Vers 2-4) und zu verstehen (Vers 6).

Weisheit wird auch als Erkenntnis- und Unterscheidungsfähigkeit beschrieben (Spr 1: 2; vgl. auch Vers 4). Weisheit hat eine moralische wie auch eine geistige Dimension. Weisheit unterscheidet Wahrheit von Irrtum, Gutes von Bösem, Besseres von Gutem. Weisheit bewirkt Rechtschaffenheit, Recht und Gerechtigkeit (1:3). Da Weisheit mit der “Furcht des Herrn” beginnt (1:7), resultiert das Wissen und Tun des Guten aus der Erkenntnis Gottes (vgl. 22:17-21).

Weisheit ist auch eine praktische Fertigkeit, die Fähigkeit, etwas gut zu machen. Bezalel, dessen Auftrag es war, Stein- und Metallarbeiten für die Stiftshütte durchzuführen, war “erfüllt vom Geist Gottes und von Weisheit” (Ex 35:31) und dadurch in der Lage, seine Aufgabe zu vollenden. In gleicher Weise war Oholiab mit Fertigkeiten für Gravur und Stickerei-Entwürfe begabt (Ex 35:34-35). Im 107. Psalm (Vers 27) wird anscheinend auf die besonderen Fähigkeiten der Seeleute mit dem gleichen Wort (Hokmah) Bezug genommen. Weisheit besteht also nicht nur in geistigen Fähigkeiten und moralischer Sensibilität, sondern auch in praktischen Fertigkeiten zur Vollendung der unterschiedlichsten Aufgaben.

Im Buch der Sprüche wird die Weisheit auch personifiziert. In Kapitel 7 wird sie mit einer Frau verglichen, die zu den Menschen ruft und sie auffordert, den Herrn zu fürchten, das Böse zu verabscheuen und gewissenhaft nach Weisheit zu suchen. Dies steht, denke ich, in deutlichem Kontrast zu der Ehebrecherin in Kapitel 7, die den Einfältigen durch Schmeichelei und Verführung auf den Weg des Bösen zu bringen versucht. In Kapitel 8 wird die Weisheit dann erneut personifiziert als jemand, der schon bei der Erschaffung der Welt bei Gott war (Verse 22-31). Ich glaube, man kann daraus mit ausreichender Sicherheit folgern, dass die Weisheit letztendlich in der Person unseres Herrn Jesus Christus liegt. Ohne uns zuvor vor Ihm als Herrn und Heiland zu beugen, können wir keine Weisheit besitzen.

4. DIE SPRüCHE LEHREN UNS, DASS DAS, WAS GUT IST, AUCH DAS IST, WAS RICHTIG IST. In seinem Buch Situation Ethics (Situationsethik) zitiert Joseph Fletcher eine Episode aus dem Buch The Rainmaker (Der Regenmacher) von M. Richard Nash: Der Regenmacher kommt und bringt den verzweifelten Farmern Regen, deren Ernte und Viehherden zu verderben drohen. Auf einer bestimmten Ranch lernt er die Tochter des sprichwörtlichen Farmers kennen, eine einsame und mutlose Frau, die an ihrer Weiblichkeit zweifelt. Aus Mitleid schläft der Regenmacher mit ihr, um sie ihrer Weiblichkeit zu vergewissern. Als ihr Bruder entdeckt, was geschehen ist, zieht er seine Pistole und will den Regenmacher erschießen. Aber ihr Vater, den Fletcher als “weisen alten Bauern” beschreibt, reißt ihm die Pistole weg und weist ihn zurecht mit den Worten: “Noah, du bist so eingenommen von dem, was richtig ist, dass du nicht mehr siehst, was gut ist.”5

Situationisten möchten uns gerne einen Unterschied einreden zwischen dem, was richtig ist, und dem, was gut ist. Viele Freud’sche Psychiater würden sogar so weit gehen zu sagen, dass das, was gut ist (z.B. christliche Moral und biblische Wertmaßstäbe), eigentlich schlecht ist und etwas, das man hinter sich lassen sollte, eine Art Viktorianisches Überbleibsel. Die Grundannahme des Buches der Sprüche ist dagegen, dass das, was richtig ist, auch das ist, was gut ist. Es gibt zwar keine Garantie auf ein Happy-End, wenn man das Richtige tut – dennoch ist das Richtige stets die beste aller Möglichkeiten. Es gibt keinen einfachen Pragmatismus im Buch der Sprüche.

Ich kenne einige Christen, die das Buch der Sprüche als eine Art geheiligter Version von “Wie man Freunde gewinnt und Menschen beeinflusst” betrachten. Das ist meiner Meinung nach falsch. Die Sprüche lehren uns zwar, glücklich und erfolgreich zu sein, aber das ist nicht das eigentliche Ziel dieses Buches. Mehr als alles andere wollen uns die Sprüche ermutigen, ein gottgefälliges und rechtschaffenes Leben zu führen. Diejenigen, deren Lebensziel nur Glücklichsein ist, werden das Glück nicht finden, aber diejenigen, die Heiligkeit anstreben, erhalten es als angenehmes Nebenprodukt. Die Sprüche versprechen uns nicht, dass jeder reich wird, der hart arbeitet, oder dass Ehrlichkeit immer einträglicher ist als Verbrechen. In der Regel ist das so, aber es gibt viele Ausnahmen. Wenn ich mein Leben weise lebe, werde ich nicht an den Folgen meiner Dummheit zu leiden haben. Wenn ich die Geschwindigkeitsbeschränkung beachte, werde ich keinen Bußgeldbescheid bekommen. Wenn ich niemanden beraube, brauche ich nicht zu befürchten, wegen Raubes ins Gefängnis zu kommen. Andererseits deuten die Sprüche bereits an, was andere Schriften uns deutlicher sagen: die Rechtschaffenen werden manchmal gerade aufgrund ihrer Rechtschaffenheit leiden (vgl. 2.Tim 3:12).

5. DIE SPRüCHE HELFEN UNS, DAS LEBEN REALISTISCH ZU BETRACHTEN. Nach dem Buch der Sprüche ist Unwissenheit kein Segen und Naivität eher ein Fehler als eine Tugend. Einfältigkeit ist zwar nicht zwangsläufig eine Sünde, kann aber leicht dazu führen. Unser Herr wies Seine Jünger daher an, “klug wie die Schlange und unschuldig wie die Tauben” zu sein (Mat 10:16). Satan lud Eva ein, ein “höheres” Wissen von Gut und Böse zu erwerben, indem sie Gott nicht gehorchte und die Sünde erfuhr (Gen 3:5). Im Gegensatz dazu belehren uns die Sprüche über das Böse, damit wir nicht in Versuchung geraten (vgl. Spr 7:6ff.).

Gott möchte nicht, dass Christen die Welt durch die rosa Brille betrachten. Wir sollen die Menschen so sehen, wie sie sind und die Sünde als das erkennen, was sie ist. Dem entsprechend beschreiben die Sprüche das Leben so, wie es ist, und nicht unbedingt so, wie es sein sollte: Es ist falsch, Gerechtigkeit durch Bestechung in ihr Gegenteil zu verkehren – und doch erreicht man in der Welt oft etwas durch Bestechung (17:8). (Diejenigen mit militärischer Erfahrung kennen das unter der Bezeichnung “Whisky-und-Zigaretten-System”.) Reichtümer können keine wirkliche Sicherheit bieten (11:4;28) – und doch glauben einige daran (18:11). Geld scheint Menschen zu Freunden zu machen (19:4, 6) – aber nur, solange es vorhanden ist (19:7). Wir können nur weise und rechtschaffen leben, wenn wir das Leben so sehen, wie es wirklich ist. Das Buch der Sprüche ist ein Buch über die Wirklichkeit.

6. DIE SPRüCHE BETREFFEN EBENSO DAS RICHTIGE DENKEN SELBER WIE AUCH SEINE AUSWIRKUNGEN. Der christliche Glaube basiert auf einer Offenbarung durch das Wort. Ein Bibelstudium ist wichtig, um zu wissen, was man denken sollte, aber ebenso wichtig ist es für einen Christen zu lernen, wie er denken soll. Der größte Teil der Bibel wurde geschrieben, um das offenbarende Wort weiterzugeben. Auch das Buch der Sprüche enthält viele wichtige Wahrheiten (Leitsätze, Aussagen, vgl. 16:4), aber es möchte daneben auch helfen, ein reifes Denken zu entwickeln. Die Begriffe, die in Sprüche 1:1-6 benutzt werden, setzen den Leser gleich von Anfang an in Kenntnis, dass hier nicht eine Reihe von Wahrheiten vermittelt wird, sondern die Fähigkeit, Wahrheit zu erkennen und anzuwenden.

7. DIE LEHRMETHODE DER SPRüCHE IST DER ART SEHR äHNLICH, IN DER UNSER HERR UNS ANLEITET. Bei einem Großteil ernsthafter Erläuterungen biblischer Texte wird heutzutage Kapitel für Kapitel oder Vers für Vers abgehandelt. Dies entspricht aber weder dem Vorgehen unseres Herrn noch dem der Apostel. Wenn man die typische Lehrmethode unseres Herrn mit einem Wort beschreiben sollte, wäre es, glaube ich, das Wort “Gleichnis”6 (vgl. Mat 13:lff., Mar 4:lff.). Gleichnisse wurden eingesetzt, um die Wahrheit vor Außenstehenden zu verbergen, die Jesus nicht als den Messias anerkannten (vgl. Mar 3:22-30; 4:10ff.), und ebenso, um die Jünger unseres Herrn zum Nachdenken und Nachfragen anzuregen (vgl. Mar 4:10-11). In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, wurde durchgehend das griechische Wort parabole für das hebräische mashal (Spruch) benutzt.7

8. DIE SPRüCHE SIND EIN SCHLüSSELWERK FüR DIE ERFAHRUNG GöTTLICHER FüHRUNG. Man würde wohl nicht unmittelbar erwarten, das Buch der Sprüche zu lesen, um den Willen Gottes zu erfahren, aber dies ist eines der Ziele dieses Buches, wie in Sprüche 1:5 gesagt wird: “Ein Weiser wird zuhören und mehr und mehr lernen. Ein Verständiger wird weisen Rat erwerben.”

Der Ausdruck “weiser Rat” leitet sich her von einer hebräischen Wurzel mit der Bedeutung “Seil”. Dieses Seil war am Steuer eines Schiffes befestigt und damit dasjenige Mittel, mit dem der Kurs des Schiffes bestimmt werden konnte. Wenn wir die Weisheit erlernen, die uns die Sprüche lehren wollen, werden wir in die Lage versetzt, richtige Entscheidungen zu treffen, die unser Leben auf einen gottgefälligen Kurs bringen.

Dies sind nur einige der Vorteile, die der Lernende aus den Sprüchen ziehen kann. Wenn “die ganze Schrift nützlich” ist (2.Tim 3:16), so trifft dies insbesondere auf die Sprüche zu. Lassen Sie uns daher unser Studium dieses Buches mit großer Erwartung beginnen. Johannes ermutigt uns, um Weisheit zu beten (Joh 1:5); die Sprüche aber drängen uns, sie durch sorgfältiges Studium zu suchen. Lassen Sie uns also beten, während wir dieses Buch studieren, um die Weisheit zu suchen, die nur von Gott her kommt.

Die Sprüche als Literatur

Sprüche waren keine Erfindung der Hebräer, sondern der Gebrauch von Aphorismen war in allen alten Kulturen gängig. Durch von Archäologen entdeckte altertümliche Dokumente aus dem Nahen Osten sind uns ägyptische, akkadische und babylonische Sprüche überliefert; und einige davon sind denen im Buch der Sprüche bemerkenswert ähnlich.8 Auch heutzutage sind Aphorismen sehr gebräuchlich. Ich erinnere mich an einen Spruch von Mark Twain, den ich vor Jahren las und seither nicht vergessen konnte. Alle Mitglieder einer Schulbehörde mögen mir verzeihen, aber es ist der einzige seiner Sprüche, den ich mir gemerkt habe:

Zuerst machte Gott Idioten.
Das war zur Übung.
Dann machte Er Schulämter.

Der hebräische Ausdruck mashal, der mit “Spruch” übersetzt wird, bedeutet eigentlich “Ähnlichsein”. Als Verb wird dieses Wort in Psalm 143:7 benutzt und bezieht sich dort auf einen Vergleich. Im Alten Testament wird das hebräische Wort für sehr unterschiedliche literarische Formen gebraucht. Es kann sich auf eine volkstümliche, prägnante Redensart (Hes 18:2f.; vgl. Jer 31:29), auf eine auf persönlicher Erfahrung beruhende, allgemein anwendbare Erkenntnis (1.Sam 24:13), auf ein Mittel zur moralischen Unterweisung (wie in Spr 10:26 und auch in Mat 13:1ff.), auf ein Rätsel oder eine Allegorie (Hes 17:2) oder auf eine didaktische Kurzabhandlung oder –predigt (Spr 1:10-19; 31:10-31) beziehen.9 Wegen des breiten Gebrauchs des Begriffs “Sprüche” sollte man sich Sprüche wahrscheinlich nach dem Vorschlag von Crenshaw am besten allgemein als “Aussprüche” denken.10

Die meisten Sprüche, die wir untersuchen werden, weisen bestimmte Gemeinsamkeiten auf. Die erste ist Kürze; die meisten der Sprüche sind nur zwei Zeilen lang:

Der Rechtschaffene ist seinen Nächsten ein Vorbild,
Aber der Weg der Bösen führt sie in die Irre (Spr 12:26).

Als Prediger fühle ich mich geradezu unbehaglich, wenn ich darauf hinweise, dass das Buch der Sprüche uns die Kunst des Ungesagt-Lassens vorführt. Die meisten von uns sind ja der Meinung, dass großartige Ideen mit vielen Worten verkündet werden müssen; aber wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, so tut dies auch ein Spruch.

Kürze ist eines der Kennzeichen der Weisheit. Nur der Narr will all seine Gedanken zur Sprache bringen, während der Weise nie alles sagt, was er weiß:

Ein kluger Mann verbirgt sein Wissen, Aber das Herz des Törichten ruft Torheit aus (Spr 12:23).

Das Herz des Gerechten denkt nach, wie es antworten soll, Aber der Mund des Bösen sprudelt Übles heraus (15:28).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

Weise Menschen zeichnen sich durch einen sparsamen Gebrauch von Worten aus, während der Narr gleich mit allem herausplatzt, was ihm in den Sinn kommt. Die Sprüche demonstrieren uns diese Ökonomie der Worte.

Zweitens sind die wenigen Worte, die gesagt werden, gut überlegt. McKane sagt dazu:

Ein weiser Mensch beherrscht eine prägnante, kultivierte und pointierte Sprechweise; er fasst seine Gedanken in leicht zu merkende Äußerungen. Die Sprüche sind dazu da zu erleuchten, und nicht dazu, eine Barriere gegen unsere Einsicht zu errichten.11

Oft ist auch ein Hauch von Humor enthalten, so wenn der Faule sich sagt, dass er nicht zur Arbeit gehen kann, weil “ein Löwe auf dem Weg steht” (26:13). Dann sind einige Beschreibungen außerdem so bildlich, dass man sie kaum wieder vergessen kann: Die schöne Frau, der es an Zurückhaltung fehlt, wird verglichen mit einem Schwein mit einem goldenen Ring durch seinen Rüssel (11:22). Dieses Geschick zur Darstellung von Wahrheiten steht im Einklang mit der Weisheit der Sprüche. Ein Gedanke, der es überhaupt wert ist, mitgeteilt zu werden, ist es auch wert, klar und entschieden mitgeteilt zu werden:

Wer weisen Herzens ist, wird verständig genannt werden, Und eine süße Sprache hat mehr Überzeugungskraft.
Das Herz des Weisen lehrt seine Zunge Und fügt seinen Lippen Überzeugungskraft hinzu (Spr 16:21,23).

Wenn man Weisheit in einem Sprichwort weitergeben möchte, muss man die Botschaft “kurz und süß” machen.

Auch ein rätselhaftes Element ist in den Sprüchen enthalten. Bibelstudenten lassen sich gelegentlich durch den scheinbaren Widerspruch zwischen den folgenden zwei Sprüchen verwirren:

Antworte dem Törichten nicht nach seiner Torheit, Damit du ihm nicht gleich wirst. Antworte dem Törichten gemäß seiner Torheit, Damit er sich nicht als weise ansieht (Spr 26:4-5).

Diese beiden Sprüche stehen nicht zufällig direkt nebeneinander. Der scheinbare Widerspruch ist beabsichtigt, denn er zwingt den Leser dazu, die Sache viel ernsthafter zu durchdenken, als er es sonst getan hätte. Solch ein Element von Rätselhaftigkeit und Geheimnis stimuliert dazu, auf dem Weg des Studiums noch eine weitere Meile zuzulegen.

Im Vergleich zu anderen Formen von Literatur scheinen mir die Sprüche das zu sein, was Radio im Vergleich zum Fernsehen ist. Das Fernsehen versorgt uns mit visuellen und verbalen Informationen, aber es nimmt uns dadurch die ganze Arbeit ab: Wir werden immer passiver, wenn wir fernsehen. In den Sprüchen zu lesen ist dagegen eher, wie wenn man “Der Schatten” in einem altmodischen Radio hört: Wir bekommen nicht die ganze Information, aber das, was wir bekommen, stimuliert unser Interesse und unsere Vorstellungskraft. Während wir lesen, bleiben wir aktiv in dem Bemühen zu verstehen, was gesagt wird, und das ist ein Teil des Genius von Sprüchen.

Der Spruch ist eine Form hebräischer Poesie, und die unterscheidet sich von dem, was die meisten von uns heutzutage unter Poesie verstehen. Während unsere Poesie häufig auf Lautentsprechungen aufgebaut ist, basiert die hebräische Poesie auf der inhaltlichen Entsprechung von Gedanken, die dann als parallele Äußerungen angeordnet werden. Mehrere Arten von Parallelismus begegnen uns in den Sprüchen, und es wird unser Studium der Sprüche wesentlich vertiefen, wenn wir die Hauptarten hebräischer Parallelismen kennen.

Der Antithetische Parallelismus stellt zwei Gedanken einander gegenüber. Die zweite Zeile wird dann oft mit dem Wort “aber” eingeleitet und dadurch in einen Gegensatz zur ersten gestellt:

Die Furcht des Herrn verlängert das Leben, Aber die Jahre der Bösen werden verkürzt werden (Spr 10:27).

Eine falsche Wägung ist dem Herrn ein Gräuel, aber ein volles Gewicht ist sein Wohlgefallen (Spr 11:1).

Synonymer Parallelismus wiederholt den Gedanken der ersten Zeile auf eine andere Art. Fortsetzung, nicht Gegensatz ist damit der Zweck der zweiten Zeile:

Höre, mein Sohn, auf die Zucht deines Vaters, Und verlasse nicht das Gebot deiner Mutter (Spr 1:8).

Neige dein Ohr und höre auf die Worte des Weisen, Und richte deinen Sinn auf meine Erkenntnis (Spr 22:17).

Synthetischer Parallelismus erweitert das, was in der ersten Zeile festgestellt worden ist. Während der synonyme Parallelismus das wiederholt, was die erste Zeile gesagt hat, führt der synthetische den Gedanken der ersten Zeile fort – er entwickelt ihn weiter:

Wer seine Ohren vor dem Schreien der Armen verschließt, Der wird selbst auch rufen und keine Antwort erhalten (Spr 21:13).

Numerische Sprüche benutzen Zahlen um zu strukturieren:

Unter drei Dingen erbebt die Erde, Und unter vieren kann sie es nicht aushalten:
Unter einem Sklaven, wenn er König wird, Und einem Narren, wenn er Nahrung zur Genüge hat,
Unter einer ungeliebten Frau, wenn sie geheiratet wird, Und einer Dienerin, wenn sie ihre Herrin aussticht (Spr 30:21-23).

Sprüche sind eine Form der Poesie. Wir werden vom Studium der Sprüche sehr profitieren, wenn wir das Wesen der hebräischen Poesie und die verschiedenen hier angewandten Formen des Parallelismus besser verstehen lernen.

Lehren aus dem Leben Salomos

Salomo hat zwar nicht alle Sprüche geschrieben, (vgl. 30:1; 31:1), aber die Mehrzahl davon wird ihm doch zugeschrieben (vgl. 1.Kö 4:32; Spr 1:1; 10:1; 25:1). Es ist geradezu tragisch zu beobachten, wie trotz allem, was Salomo über Frauen schrieb (vgl. 5:lff.; 6:24ff.; 7:lff.; 8:lff.), gerade diese zum Grund seines Niedergangs wurden.

Nun liebte König Salomo viele fremdländische Frauen, neben der Tochter des Pharao moabitische, ammonitische, edomitische, sidonitische und hethitische Frauen, aus den Völkern, von denen der Herr zu den Söhnen Israels gesagt hatte: “Geht nicht zu ihnen ein, noch lasst sie zu euch eingehen, denn sie werden gewiss eure Herzen zu ihren Göttern neigen.” Salomo hielt in Liebe zu diesen Frauen. Er hatte siebenhundert Ehefrauen, Prinzessinnen und dreihundert Nebenfrauen, und seine Frauen neigten sein Herz. Und als er nun alt war, neigten seine Frauen sein Herz frenden Göttern zu, und sein Herz war nicht ungeteilt bei dem Herrn, seinem Gott, wie es das Herz seines Vaters David gewesen war (1.Kö 11:1-4).

Dies war nicht die einzige Gelegenheit, dass Salomo es versäumte, seinem eigenen Ratschlag zu folgen. Nach all den Sprüchen, die er über Kindererziehung schrieb (vgl. 1:8ff.; 4:1-4; 10:1; 13:24; 22:6,15), gelang es ihm nicht, einen weisen Sohn aufzuziehen. Rehabeam, Salomos Sohn, weigerte sich, auf den Rat der älteren und weiseren Ratgeber seines Vaters zu hören, und als Folge davon wurde das Königreich schließlich geteilt (1.Kö 12:1-15).

Aus dem Versagen Salomos sollten wir meiner Meinung nach zwei Dinge lernen: Erstens sollten wir darauf gefasst sein, gerade auf den Gebieten, auf denen wir uns am stärksten fühlen, auf die Probe gestellt zu werden. Ich, der ich das Leben nun schon einige Jahre lang beobachte, habe festgestellt, dass diejenigen, die am meisten über Kindererziehung zu sagen wissen (vor allem, wenn ihre Kinder noch nicht erwachsen sind), wahrscheinlich genau auf diesem Gebiet auf den Prüfstand geraten. Diejenigen, die Unterwerfung unter eine Autorität fordern, werden vermutlich bezüglich ihrer eigenen Bereitschaft zur Unterwerfung unter die Autorität eines Anderen geprüft werden. Und diejenigen, die die Doktrin der uneingeschränkten Herrschaft Gottes vertreten, werden sich häufig in Umständen wiederfinden, in denen ihr eigener Glaube an Gottes Souveränität auf die Probe gestellt wird.

Gerade unsere Stärke kann zum Untergang führen. Der begabte Bibellehrer kann auf das Lob anderer hören und anfangen, sich als unfehlbare Autorität zu betrachten. Er beginnt dann vielleicht eher seine Ansichten als Gottes Anweisungen zu verbreiten. Oder derjenige, der von Gott die Gabe des Gebenkönnens erhalten hat, beginnt vielleicht so zu geben, dass er selbst den Ruhm davonträgt. David war in all der Zeit, als Saul ihn töten wollte, mit dem Herzen bei Gott – aber sobald er sicher auf dem Thron saß, wurde er selbstgefällig. Derselbe Mann, der es mit einer Hand mit Goliath aufgenommen hatte, war nun so anmaßend geworden, dass er es noch nicht einmal mehr für nötig hielt aufzustehen und zusammen mit seinem Heer zu kämpfen. Als Folge davon verfiel er der Sünde mit der Frau eines anderen Mannes (2.Sa ll:lff.). Hüten wir uns also vor unseren Stärken (vgl. 1.Kor 10:12).

Die zweite Lektion, die wir von Salomo lernen sollten, ist die, dass es nicht genügt zu wissen, was das Richtige ist. Weisheit besteht zuerst und vor Allem in einer Beziehung zu Gott. Weisheit ist nicht einfach das Wissen um bestimmte Wahrheiten, sondern ihre gehorsame Befolgung. Es steht zu befürchten, dass Salomo sich gerade dadurch, dass er so viel über Frauen wusste, zu der falschen Vorstellung hinreißen ließ, er stehe über den Dingen. Sein Wissen verführte ihn möglicherweise zu dem Glauben, dass er sündigen und gleichzeitig die Situation unter Kontrolle behalten könne. Im Endeffekt aber lag das Problem für Salomo nicht im Kopf, sondern im Herzen.

Dann lehrte er mich und sprach zu mir: “Lass dein Herz meine Worte festhalten, Halte meine Gebote und bleibe am Leben.” Behüte dein Herz mit Fleiß, Denn aus ihm fließt der Quell des Lebens (Spr 4:4,23).

Wie steht es um dein Herz, mein Freund? Bist du gekommen, um dein Leben, dein Schicksal für die Ewigkeit, dem Herrn Jesus Christus zu übergeben? Er starb für unsere Sünden, und Er bietet dir Seine Gerechtigkeit an, durch die alleine du in Gottes Himmel eintreten kannst. Weisheit beginnt hier, mit der Furcht des Herrn (vgl. Spr 1:7; 9:10; 15:33). Du wirst nie Weisheit erlangen, bevor du nicht zu Ihm kommst, “in dem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind” (Kol 2:3).


1 Alexander Solschenizyn, A World Split Apart, St. Croix Review, Oktober 1978, S. 9-22.

2 Es gibt unterschiedliche Interpretationen für diesen Vers. Für weitere Details s. Lektion 14 dieser Reihe.

3 Ich schulde Edgar Jones Dank für diese Einsichten über das Verhältnis zwischen den Sprüchen und den Propheten des Alten Testaments. Jones schreibt weiter: Die Sprüche bringen die Leidenschaft und die Visionen der Propheten in die banalen und unmittelbaren Probleme des Alltags. Die Verfasser der Sprüche blasen selten selber die Trompete, sondern sie setzen voraus, dass diese schon gehört wurde. Edgar Jones, Proverbs and Ecclesiastes (New York: The Macmillan Company, 1961), S. 47.

4 R. B. Y. Scott, The Way of Wisdom in the Old Testament (New York: Macmillan Company, 1981), S. 6.

5 Zitiert nach Franz Ridenour, The Other Side of Morality (Glendale, CA: Regal Books), S. 39.

6 “Schätzungsweise etwa ein Drittel der Lehre Jesu besteht aus Gleichnissen und gleichnishaften Äußerungen.” C. H. Peisker, “Parable, Allegory, Proverb.” The New International Dictionary of New Testament Theology (Grand Rapids: Zondervan, 1976), II. S. 743.

7 ibid., S. 744.

8 vgl. Jones, S. 32ff.

9 ibid., S. 23-25.

10 James L. Crenshaw, Old Testament Wisdom (Atlanta: John Knox Press, 1981), S. 67.

11 William McKane, Proverbs (Philadelphia: The Westminster Press, 1970), S. 267.

Passage: 

2. Die zwei Wege (Sprüche 1:7-33)

Einleitung

Zwei Gefahren werden in den ersten neun Kapiteln des Buches der Sprüche hervorgehoben: die Verstocktheit und Gewalttätigkeit schlechter Männer und die Schlichen verführerischer Frauen. Beide Gefahren erscheinen im zweiten Kapitel:

Um dich vor dem Weg des Bösen zu bewahren, Vor dem Mann, der Falsches spricht;
Vor denen, die den geraden Weg verlassen Und auf den Pfaden der Finsternis wandeln;
Die sich freuen, Böses zu tun, Und fröhlich sind über die Verkehrtheit des Bösen;
Deren Pfade krumm sind und die auf Abwege geraten;
Um dich zu bewahren vor fremden Frauen, Vor der Ehebrecherin, die dir mit Worten schmeichelt;
Die den Gefährten ihrer Jugend verlässt Und den Bund ihres Gottes vergisst;
Denn ihr Haus neigt sich zum Tode, Und ihre Wege führen zu den Toten.
Keiner von denen, die zu ihr eingehen, kehrt zurück noch erreicht er wieder den Weg der Lebenden (Spr 2:12-19).

Wir werden uns in dieser Botschaft mit der ersten der beiden Gefahren befassen – mit der, die von der Verkehrtheit der Männer ausgeht. In unserer nächsten Lektion werden wir dann zwei Frauentypen untersuchen: Frau Torheit und Frau Weisheit.

Auf den ersten Blick erscheint es unglaublich, dass ein Vater es notwendig finden sollte, seinen Sohn vor dem Umgang mit gewalttätigen Männern und der Teilhabe an ihrem kriminellen Leben zu warnen. Es gibt jedoch einige Dinge, die mich veranlassen, diese Gefahr sehr viel ernster zu nehmen, als ich es sonst tun würde. Lassen Sie mich zunächst einige der Gründe dafür beschreiben, dass ein solches Leben einem Jugendlichen attraktiv erscheinen kann.

Die natürliche Veranlagung

Erstens haben Kinder, auch wenn sie lieb und unschuldig sind, eine natürliche Neigung zur Grausamkeit. Nach meinem ersten Jahr am Priesterseminar kam ich zurück in meinen Heimatstaat Washington, um den Sommer dort zu verbringen. Der Direktor der dortigen Grundschule nahm Kontakt zu mir auf und bat mich, für den Rest des Schuljahres eine ältere Frau zu vertreten, die viele Jahre lang eine gute Lehrerin gewesen war. Aus irgendeinem Grund hatte sie die Kontrolle über ihre Klasse verloren, und die Viertklässler, die ihre Schwäche spürten, halfen ihr nicht, sondern taten alles, um sie noch vollständig zu ruinieren. Und sie hatten Erfolg damit. Ihre Aktionen enthielten eine gehörige Portion Grausamkeit. Wie wir alle wissen, können Kinder insbesondere auch zu anderen Kindern grausam sein.

Gewalt ist attraktiv

Zweitens ist Gewalt für junge Menschen selbst dann attraktiv, wenn sie in einem warmen und liebevollen Zuhause aufgewachsen sind. Vor einiger Zeit las ich einen Artikel über die Familie von Ozzie und Harriet Nelson. Er handelte vom Leben der Familie Nelson während der Jahre, in denen ihre Sendung im Fernsehen lief, und von dem Leben, das David und Rickie seither geführt hatten. Was mir sofort ins Auge fiel, war die Tatsache, dass Rick sich einer Gruppe von “Rowdies” angeschlossen hatte. Der Verfasser des Artikels schrieb über Ricks neuen Umgang: “Die meisten seiner Kumpane, so erklärte Rick später, endeten im Gefängnis und drehten schließlich auch größere Dinger wie bewaffnete Überfälle.”12

Gewalttätigkeit ist eine Lebensart

Drittens ist Gewalttätigkeit für Amerikaner auch ein Teil ihres Lebens. Die Medien sind übervoll mit Gewalttaten, und eine kürzlich durchgeführte Studie zeigt, dass die Gewalt im Fernsehen innerhalb des vergangenen Jahres (1981-1982) um 33% zugenommen hat. Die Anzahl der Gewalttaten auf amerikanischen Bildschirmen ist viermal so groß wie die auf zwei kanadischen Kanälen.13 Fernsehhelden sind Männer der Gewalt. Die Spielzeuge unserer Kinder sind oft Werkzeuge für Krieg oder Gewalt. Sogar Computerspiele können in ihrer Art als brutal bezeichnet werden.

Gewalt ist nach dem Buch der Sprüche ein Teil des schlechten Weges, denn wir vermeiden sollen. Wir müssen über diese Gefährdung daher im Laufe unseres Studiums gründlich nachdenken.

Die Lehren eines Vaters
(1:8-19)

Die Verse 8-19 sind an einen Sohn gerichtet, der jung, unerfahren und – noch – verhältnismäßig unschuldig ist. Die Weisheit spricht hier durch die Eltern dieses Burschen, durch seine Mutter und seinen Vater (Vers 8). Ich denke, dass der junge Mann das Teenager-Alter erreicht hat, den Punkt im Leben, an dem er dem Erwachsenwerden gegenübersteht und seine eigenen Entscheidungen zu treffen beginnt. An diesem Punkt neigt er dazu, eher bei seinen Kameraden als bei seinen Eltern Anleitung und Vorbilder zu suchen, und normalerweise wird er jetzt die Werte, die ihn seine Eltern gelehrt haben, in Frage zu stellen beginnen. Der Vater drängt seinen Sohn, nicht zu vergessen, was er gelernt hat, und den Weg des Bösen zu meiden, den zumindest ein Teil seiner Altersgenossen verficht.

Die Absicht der väterlichen Worte, die hier aufgezeichnet sind, liegt in der Vorbereitung und Vorbeugung. Noch hat kein schlechter Mensch sich dem Kind genähert, aber das kann bald geschehen. Mit den Worten eines zeitgenössisches Sprichworts: “Vorbeugen ist besser als heilen.” Ich glaube, es war Mark Twain, der gesagt hat: “Es ist leichter, draußen zu bleiben als heraus zu gelangen.” Dieser Vater versucht, seinem Sohn die Schmerzen eines falschen Weges zu ersparen, die er durch die Wahl falscher Freunde und falschen Umgangs erleiden würde.

Der Appell eines Vaters

In den Versen 8-10 wird der Appell dieses weisen Vaters allgemein ausgedrückt. Sowohl die Mutter als auch der Vater haben den Burschen bisher gewissenhaft erzogen, und ihre Anleitung sollte nicht sorglos beiseite gelegt werden, jetzt, da der Junge allmählich ein größeres Ausmaß an Unabhängigkeit und äußeren Einflüssen erfährt. Positiv formuliert soll das Festhalten an den elterlichen Lehren jedes Kind stärken und schön machen (vorausgesetzt natürlich, dass diese elterlichen Lehren gottgefällig gewesen sind).

Lieb und unschuldig wie Kinder oft sein können, gibt es doch eine angeborene Neigung zur Unvernunft und Rebellion im Herzen eines jeden Kindes (vgl. 22:15). Dem entsprechend ist das, was die Eltern sagen, nicht das, was das Kind selbst zu denken geneigt ist. Eltern von Teenagern stimmen mir wahrscheinlich zu, dass die Erziehung und die Vermittlung von Benimmregeln eher als Mühlstein um den Hals betrachtet werden als als eine kunstvolle und schmückende Kette (Vers 9).

Dem Appell des Vaters in diesem Kapitel liegt die Annahme zugrunde, dass Weisheit einem Kind hauptsächlich durch seine Eltern vermittelt wird. Aber an dem besagten Punkt im Leben wird diese Annahme oft infrage gestellt. Haben Sie nicht auch schon einmal deutlich den Eindruck von ihrem Teenager vermittelt bekommen, dass Sie der Naive sind und Ihr Kind dagegen weltmännisch und gewandt? Eltern sind niemals so rückständig und so schlecht informiert wie während der Teenager-Jahre ihrer Kinder. Unsere Kinder verdrehen die Augen und tolerieren unsere Gedanken und Ideale gerade eben noch als einen vorsintflutlichen Anachronismus. Der Vater drängt seinen Sohn daher, sein Denken nicht durch jugendlich-irrige Gesinnung bestimmen zu lassen.

Was schlechte Menschen zu bieten haben

Die Verse 11-14 spezifizieren das zuvor allgemein Gesagte. In Vers 10 ist das Kind dazu angehalten worden, den Verführungen des Bösen zu widerstehen. Jetzt gibt der Vater seinem Sohn eine deutlich konkretere Vorwarnung, indem er ihn mit der Art einer solchen Annäherung bekannt macht. Die Worte “Komm mit uns…” in den Versen 11ff. werden vom Vater gesprochen, aber sie stellen eigentlich den Kern der Aufforderungen dar, mit denen sich der junge Bursche in Kürze konfrontiert sehen wird, wenn er mit dem Gruppendruck durch seine Kameraden umgehen muss. Der weise Vater weiß, was bald auf seinen Sohn zukommen wird, und seine Worte sind prophetisch.

Gottergebene Eltern können aus den Anleitungen dieses Vaters lernen. Wir neigen ja eher dazu, etwas in der Art zu sagen wie “Als ich ein Junge war, Johnny, ...”. Für unsere Kinder ist so etwas reine Historie und scheint ihnen wenig mit ihrem eigenen Leben zu tun zu haben. Unsere Kinder können sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass es “nichts Neues gibt unter der Sonne”. Für sie sind wir ein Produkt aus einer anderen Charge und unsere Erfahrungen von früher haben keine direkte Verbindung zu ihnen selbst. Dieser weise Vater spricht daher nicht von der Vergangenheit, sondern von der Zukunft. Wenn Sünder dann seinen Sohn ansprechen, wie es der Vater kommen sah, werden sie dem Burschen zeigen, wie recht sein Vater hatte. Viele von uns, die wir Eltern sind, haben noch nicht zu schätzen gelernt, wie wertvoll es ist, die Versuchungen zu kennen, denen unsere Kinder gegenüber stehen, und sie im Voraus darauf vorzubereiten. Gewöhnlich zögern wir eher und gehen Probleme erst dann an, wenn sie schon auf ein kritisches Ausmaß angewachsen sind. Wir können nur lernen von der Weisheit dieses Vaters.

Lassen Sie uns jetzt genauer betrachten, was schlechte Menschen unseren Kindern anbieten und was diese so reizvoll daran finden.

(1) Akzeptanz und Identität in der Gruppe

Die erste Verlockung ist die von Akzeptanz und Identität innerhalb der Gruppe. Als Teenager bauen Kinder ihr Selbstbewusstsein eher darauf, wie ihre Altersgenossen sie sehen, als darauf, was ihre Eltern über sie denken. Daraus resultiert eine enorme Sensibilität für das, was die Kameraden denken, und ein starkes Bedürfnis danach, innerhalb der eigenen Altersgruppe akzeptiert zu werden. Nie ist der Gruppendruck stärker als jetzt. Die Sünder, die den jungen Mann verleiten werden, sind, denke ich, diejenigen, die das Kind beeindrucken möchte, und sie sind wahrscheinlich genauso alt oder wenig älter als er selbst. Innerhalb der Gruppe gibt es Angenommensein, Bedeutung und Sicherheit – die Dinge, auf die ein Jugendlicher begierig ist.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Menschen in einer Gruppe Dinge tun, die für sie einzeln gar nicht infrage kämen? Massendemonstrationen und Aufstände sind Beispiele dafür, wie Gruppendruck eingesetzt werden kann, um Böses zu befördern. Das soll nicht heißen, dass jede Verbindung mit einer Gruppe schlecht wäre, denn Gruppendruck kann für das Gute wie für das Böse wirken. Im Hebräerbrief lesen wir:

Und lasst uns darauf achten, wie wir einander zu Liebe und guten Werken anreizen können, indem wir unsere eigene Zusammenkunft nicht aufgeben, wie es bei manchen der Brauch ist, sondern einander ermutigen, und das umso mehr, als ihr den Tag herannahen seht. (Heb 10:24-25).

Das Schlechte liegt nicht in der Gruppenzugehörigkeit selber, sondern in der Zugehörigkeit zur falschen Gruppe, zu einer, die uns dazu verleitet, uns dem Bösen anzuschließen.

(2) Die Aussicht auf materiellen Gewinn

Die zweite Verlockung der Sünder ist das Versprechen materiellen Gewinns:

“Wir werden allerlei kostbare Dinge von Wert finden, Wir werden unsere Häuser mit Beute füllen; Setze auf uns, einen Beutel soll es für uns alle geben” (1:13-14).

Wohlstand als solcher wird nirgendwo in den Sprüchen als etwas Schlechtes betrachtet, nur dann, wenn er auf sündhafte Art erworben wurde (10:2; 13:11; 19:22; 28:6). Gottergebenheit und Weisheit führen oft zu Wohlstand (3:9-10,16), aber der Gewinn, den der Böse uns anbietet, kommt aus Gewalt. Nicht durch Sorgfalt und harte Arbeit werden die Bösen wohlhabend, sondern durch Raub (1:11-12). Die individuelle Anstrengung wird dabei heruntergespielt, und Bequemlichkeit und Wohlstand sollen durch eine Art kommunistischer Arbeitsauffassung erreicht werden (1:14).

(3) Abenteuer und das Gefühl der Macht

Die dritte Verlockung liegt in der Aufregung, in dem Gefühl von Macht und dem Hochgefühl, das mit einem Verbrechen einhergeht. Junge Leute sind es Leid, immer wieder gesagt zu bekommen, dass man sie sehen und nicht hören sollte. Sie wollen wichtig sein und in der Lage, Macht über andere auszuüben. Ein kriminelles Leben ist einer der schnellen Wege zu einem Gefühl der Macht. Wenn man von der falschen Seite her auf einen Teenager mit einem 45er-Kaliber-Revolver blickt, erscheint der schon sehr Respekt einflößend. Ein kriminelles Leben bietet Jugendlichen die begehrte Gelegenheit, Gänsehaut und Nervenkitzel zu erleben, und die damit verbundenen Gefahren erhöhen nur die Attraktivität. Warum, schließlich, üben so viele junge (und auch ältere) Amerikaner Hobbies und Sportarten aus, die mit Gefahren für Leib und Leben verbunden sind?

Der abschließende Appell eines Vaters

Der abschließende Appell des Vaters in den Versen 15-19 geht von den gerade zuvor beschriebenen Verlockungen aus. Vers 15 enthält die Bitte an den Sohn, diesen Weg des Bösen zu meiden, und die Verse 16-19 geben zwei Gründe an, warum all diese Angebote abgelehnt werden sollten. In Vers 16 finden wir den ersten Grund: weil Geld und Abenteuer durch diesen Lebensstil auf Kosten Anderer erworben werden. Solche gewalttätigen Menschen drängen nicht nur darauf Blut zu vergießen, sondern sie werden es auch tun. Ich weiß, dass viele von Ihnen es kaum glauben werden, aber die drei Monate, die ich in einem staatlichen Gefängnis gelehrt habe, haben mich davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die Jemanden erstechen würden für das bloße Vergnügen, ihn verbluten zu sehen. Solche Menschen muss man meiden.

Die Erläuterungen eines Vaters

Die Verse 17-19 erklären den zweiten Grund dafür, warum ein Leben mit Gewaltverbrechen schlecht ist: es zerstört den Täter ebenso wie das Opfer. Der böse Mensch ist wohl willens, andere zu zerstören – er sollte aber gewarnt sein, dass er auch sich selber zerstört.

Denn es ist müßig, das Netz auszubreiten Vor den Augen eines Vogels; Aber sie liegen auf der Lauer nach ihrem eigenen Blut; Sie überfallen ihr eigenes Leben aus dem Hinterhalt. So geht es Allen, die unrechten Gewinn machen; Er nimmt ihnen das Leben (1:17-19).

Bibelstudenten tun sich besonders schwer, diese Verse zu interpretieren. Zwei Erklärungen werden am häufigsten geboten, und ich neige zur zweiteren. Die erste Sichtweise ist die, dass Vögel intelligenter sind als die meisten Gauner. Ein Vogel, so wird uns gesagt, ist schlau genug, eine Falle zu meiden, die er aufgebaut werden sieht: Auch wenn man Getreidekörner ausstreut, wird der Vogel sie nicht anrühren, weil er weiß, dass dahinter eine Falle steckt, in der er gefangen werden würde. Kriminelle aber sind noch nicht einmal so schlau wie die Vögel, denn sie verfolgen einen kriminellen Lebenswandel, ohne sich dessen bewusst zu werden, dass sie damit ihre eigene Zerstörung herbeiführen.14

Der Impuls der zweiten Erklärung ist der, dass solche Kriminellen nicht mehr Vernunft haben als ein Vogel, der – obwohl er zugesehen hat, wie die Falle errichtet wurde – schließlich zu seinem eigenen Untergang seinen Appetit auf Körner über die Angst vor der Gefahr siegen lässt. Vögel können zusehen, wie ein Netz ausgebreitet und mit Körnern bestreut wird. Aber früher oder später werden ihre Augen nur noch die Körner wahrnehmen. Um ihren Appetit zu befriedigen, werden sie dann zu den Körnern herunterfliegen und im weiteren Verlauf ihr eigenes Leben zerstören. So geht es auch den schlechten Menschen, die sich für ein Leben voll Gewalt und Verbrechen entscheiden. Wie die unvernünftigen Tiere erlauben sie ihrem Appetit, die Herrschaft zu übernehmen. Solche Menschen sind schlimmer als die Vögel. Menschen können denken und sind in der Lage, Gefahren zu erkennen. Menschen haben auch Eltern, die sie vor dem Bösen gewarnt haben. Und Menschen sind auch deswegen weniger zu bemitleiden, weil sie die Falle durch ihre eigene Gewalttätigkeit aufgestellt haben, während Vögel Opfer einer Falle werden, die sie nicht selbst gebaut haben. Wie Haman, der den Galgen für Mordechai baute und dann selber daran hing (vgl. Esther 7), werden die, die das Schwert zum Leben wählen, auch durch das Schwert sterben (vgl. Mat 26:52).15

Die Weisheit spricht
(1:20-33)

Wenn wir zu den Versen 20-33 gelangen, kommt es zu einer bemerkenswerten Veränderung. In den vorausgehenden Versen hatte ein Vater seinem jungen und beeinflussbaren Sohn Weisheit vermittelt. In den Versen 20ff. wird die Weisheit dann personifiziert als eine Frau. Sie spricht nicht zu dem Unschuldigen, sondern zu dem Schuldigen. Während der Vater seinen Sohn drängte, den Weg des Bösen nicht zu betreten, spricht jetzt die Weisheit zu denen, die sich bereits entschieden haben, den Weg des Bösen zu gehen. Der erste Diskurs war vorbeugend, der zweite ist beschreibend. Der Punkt ist, dass es junge und alte Narren gibt, und die Weisheit der Sprüche gilt für Narren jeden Alters. Es gibt zwar keinen blauäugigen Optimismus, dass Viele ihren schlechten Weg verlassen und sich der Weisheit zuwenden werden, aber dennoch wird jedem das Angebot gemacht.

Weisheit wird verkündet

Die Verse 20 und 21 machen uns mit der Weisheit in der Person einer Frau bekannt und mit den Orten, wo Weisheit verkündet wird. In einem Volk, das Aufrichtigkeit fördert und Sündhaftigkeit mit Strafe belegt, können böse Menschen die Anderen nicht in aller Offenheit dazu verleiten, ihnen zu folgen. Aber während diese schlechten Menschen gezwungen sind, im Geheimen zu verführen, ruft die Weisheit zu allen Menschen und zwar auf öffentlichen Plätzen, wo sich die Massen aufhalten: Die Stadttore (Vers 21) sind der Ort, wo die Ältesten sitzen und Rechtsstreitigkeiten beigelegt werden (vgl. Ruth 4:lff.).

Die Schlussfolgerung aus diesen Versen ist offensichtlich: Wir können eine Menge lernen, wenn wir die Quelle einer angebotenen “Weisheit” in Betracht ziehen. Weisheit kann man, wie wir aus den vorangegangenen Versen wissen, in elterlichem Rat und Anleitung finden. Hier ist Weisheit jetzt auch von den Ältesten der Stadt zu erhalten, von Menschen, die für ihre Reife und Gottgefälligkeit bekannt sind. Die schlechten Menschen aus Vers 10-14 wird man kaum an den Stadttoren finden, denn ihresgleichen lungert eher in dunklen Straßen und kommt erst dann heraus, wenn es dunkel wird. Deren “Weisheit” wird nicht öffentlich ausgerufen, sondern im Geheimen geflüstert.

Wenn auch der “Sohn” aus den Versen 8ff. jung und unschuldig ist, so doch nicht diejenigen, die in Vers 22 und 23 angesprochen werden. Nicht Unwissenheit und Unschuld ist ihr Problem, sondern dass sie den Weg der Weisheit absichtlich verwerfen. “Wie lange”, ruft die Weisheit, “wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen?” (Vers 22). Die Einfältigen sind es zufrieden und die, die spotten, tun es mit Freude: Nicht dass das Wissen nicht verfügbar wäre, es ist für sie unakzeptabel – sie hassen es (Vers 22).

Die Weisheit korrigiert

Worte der Weisheit sind zurecht korrigierende Worte. “Wendet euch zu meiner Zurechtweisung”, ermahnt sie (Vers 23). Weisheit ruft die schuldigen Sünder zur Reue auf, denn für einen Sünder besteht die einzige Möglichkeit, die Weisheit zu erlangen, darin, sich von seinem schlechten Weg abzukehren, seiner Torheit abzusagen und den Weg der Rechtschaffenheit zu gehen.

Weisheit ist nicht naturgegeben

Von Natur aus besitzt man keine Weisheit – aber Torheit schon. Dem entsprechend schließt Weisheit eine übernatürliche Quelle ein (1.Kor 2:6-16). Die Weisheit bietet an, ihren Geist über diejenigen auszugießen, die die Torheit fliehen und sich zu ihr umkehren wollen (Vers 23). Der “Geist”, den die Weisheit hier den Menschen anbietet, ist, denke ich, der Heilige Geist, der unseren Geist erleuchtet und die Schriften erhellt, so dass wir die göttliche Weisheit verstehen können (vgl. Eph 1:17; Kol 1:9). Es ist meine persönliche Überzeugung, dass Christen zu wenig von Christus und dem Heiligen Geist im Alten Testament wahrnehmen. Ich finde es geradezu schwierig, diesen Text nicht in Bezug auf den Heiligen Geist zu lesen.16

Es gibt gute Gründe für die ernstliche Warnung der Weisheit. Die den Pfad der Torheit gewählt haben, befinden sich auf einem Weg der Zerstörung. In den Versen 17-19 drängte der Vater seinen Sohn, sich den schlechten Menschen nicht anzuschließen, weil sie ihn auf den Weg zur Selbstzerstörung bringen werden. In Vers 24-32 warnt die Weisheit Männer, die schon einen zerstörerischen Kurs eingeschlagen haben. Es gibt drei vorherrschende Themen in diesen Versen.

Schlechtigkeit wählt man

Das erste Thema ist, dass Menschen auf einem schlechten Weg sind, weil sie es so gewählt haben:

“Weil ich gerufen habe und ihr euch weigertet; Weil ich meine Hand ausgestreckt habe, aber keiner da war, der darauf Acht gab, Und ihr all meinen Rat unbeachtet ließet Und meine Zurechtweisung nicht wolltet” (Vers 24-25).

“Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung” (Vers 29-30).

Aus Vers 7 haben wir gelernt, dass der Anfang der Weisheit in der moralischen Entscheidung zur Gottesfurcht und zur Abkehr vom Bösen liegt (vgl. 3:7). Diejenigen, die hier von der Weisheit verwarnt werden, sind die, die sich bewusst entschieden haben, nicht auf ihren Ruf zu hören und dem Weg des Bösen zu folgen.

Die Menschen lehnen die Weisheit nicht aus Dummheit ab, sondern als Dummheit. Nur Wenige verfolgen den Weg des Bösen, weil sie nicht wissen, dass das Torheit ist. Sie tun es vielmehr, weil sie sich klüger vorkommen als alle Anderen:

Der Faule dünkt sich weiser als sieben Männer, die eine verständige Antwort geben können (26:16).

Während ich im Staatsgefängnis arbeitete, taten viele Gefangene offen die Meinung kund, dass ich in ihren Augen der Dumme war und nicht sie selber. Ich arbeitete freiwillig stundenlang, um etwas Geld zu verdienen, während sie in wenigen Minuten eine Bank ausrauben und dann Monate lang gut leben konnten. Die schlechten Menschen aus Spr 1:11-14 sind stolz auf ihre Lebensart. Sie werden schnell und mühelos reich, während die Ehrlichen (Vers 11) die Dummen sind, die sie rasch um ihr Geld erleichtern können.

Weisheit abzulehnen hat schmerzliche Konsequenzen

Das zweite Thema ist, dass es schmerzliche Konsequenzen nach sich zieht, wenn man dem Ruf der Wahrheit willentlich nicht folgt:

“Dann will ich auch lachen bei eurem Unglück; Ich werde spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet; Wenn über euch kommt wie ein Sturm, was ihr fürchtet, Und euer Unglück wie ein Wirbelwind daherkommt; Wenn Bedrängnis und Unheil über euch kommen” (1:26-27).

Die Tatsache erscheint zunächst beunruhigend, dass die Weisheit hier grausam auftritt. Aber die Weisheit warnt die Menschen, dass Bedrängnis und Unheil die Konsequenz aus ihrer Zurückweisung sind. Schlechte Menschen erleiden nur, was sie verdienen. Gottes Gerechtigkeit erfordert, dass die Menschen nicht nur das erhalten, was sie verdienen (z.B. Röm 6:23, “Der Sünde Lohn ist der Tod.”), sondern auch das, was sie sich wahrhaft wünschen.

“Darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels Und sich an ihren eigenen Ratschlägen übersättigen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie zerstören” (1:31-32).

Es gibt kein Zurück

Das letzte Thema ist, dass es einen Punkt gibt, von dem aus kein Zurück mehr möglich ist, von dem ab jede Reue zu spät kommt.

“Dann werden sie nach Mir rufen, aber Ich werde nicht antworten; Sie werden Mich unablässig suchen, aber sie werden Mich nicht finden, Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten” (1:28-29).

Wenn die Weisheit die Sünder in den Versen 20-33 anruft, handelt es sich nicht um ein Angebot, das man bis zu einem bequemeren Zeitpunkt zurückstellen könnte. Der Weg des Bösen führt am Ende zur Zerstörung, und Menschen können nicht selbstzufrieden den Weg des Bösen fortsetzen und erst dann bereuen, wenn die Konsequenzen daraus offen zutage treten. Dann wird es zu spät sein, und die Hölle wird bevölkert sein von Menschen, die bedauern, aber nicht aufrichtig bereuen. Die Gerechtigkeit erfordert es, dass die Menschen mit den Konsequenzen aus ihrem erwählten Lebensweg konfrontiert werden. Die Zeit zur Reue ist jetzt, nicht später (vgl. 2.Kor 6:2).

Im letzten Vers wird das Schicksal der Gerechten dem derjenigen gegenüber gestellt, die den Weg des Bösen gewählt haben:

“Wer aber auf mich hört, wird in Sicherheit wohnen Und kein Unglück fürchten” (1:33).

Die auf dem Pfad der Weisheit wandeln, werden ihren Lohn in der Vergebung der Sünden ernten, und sie werden sich nicht vor der Bestrafung ihrer Sünden fürchten müssen. Die ständige Furcht vor dem drohenden Übel gehört nur denen, die Übles tun, aber die Weisheit befreit Menschen von der Zerstörung, die aus der Sünde resultiert.

Schlussfolgerung

Das erste Kapitel der Sprüche ist wie eine Straßenkarte: es skizziert das Leben in Form von nur zwei Wegen – dem Weg der Weisheit und dem Weg der Torheit. Weisheit führt zu Frieden und Sicherheit, der Weg der Torheit endet dagegen mit Tod und Zerstörung. Jeder von uns befindet sich auf einem dieser beiden Wege. Der Weg der Torheit ist der der schlechten Menschen, die materiellen Gewinn durch Gewalt erreichen wollen. Der Weg der Weisheit wird betreten durch Gottesfurcht und die Absage an das Böse.

Weil wir durch unsere sündige Natur zum Pfad der Torheit neigen, müssen wir eine bewusste Entscheidung für den Pfad der Weisheit treffen. Für den Weg der Torheit muss man nur demjenigen folgen, der empfiehlt das zu tun, was man natürlicherweise tun würde, und dabei den Ruf der Weisheit zu überhören. Um den Weg der Weisheit zu betreten, muss man seine eigene Neigung zur Sünde erkennen, der Torheit absagen und sich entscheiden, der Weisheit in der Furcht des Herrn zu folgen.17 Jeder Mensch wird gezwungen, eine Entscheidung bezüglich der Furcht des Herrn zu treffen, Gott entweder zu fürchten (1:7) oder sich Ihm zu widersetzen (1:29).

Eine tiefer gehende Beschäftigung mit der “Furcht des Herrn” ist lohnenswert, doch lassen wir es für jetzt genug sein mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Weisheit im Buch der Sprüche personifiziert wird. Ich glaube, dass dies nicht nur ein literarisches Mittel ist, sondern dass diese Personifizierung der Weisheit uns auch vorbereitet auf die Inkarnation der Weisheit in der Person unseres Herrn Jesus Christus. Beachten Sie die verblüffende Ähnlichkeit zwischen der Weisheit im Buch der Sprüche und Jesus im Johannes-Evangelium:

“Der Herr hat mich schon besessen am Beginn Seiner Wege, Vor seinen Werken von alters. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, Vom Anfang, von den Vorzeiten der Erde. Als noch keine Wassertiefe war, wurde ich hervorgebracht, Als noch keine Quellen waren, die von Wasser fließen. Bevor die Berge eingesenkt wurden, Vor den Hügeln wurde ich hervorgebracht; Als Er die Erde noch nicht gemacht hatte und nicht die Äcker, Auch nicht den ersten Staub der Welt. Als Er die Himmel bereitete, war ich da, Als Er einen Kreis festsetzte über der Wassertiefe” (Spr 8:22-27).

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieser war im Anfang bei Gott. Alle Dinge kamen durch Ihn ins Dasein, und ohne Ihn kam auch nicht ein Ding ins Dasein (Joh 1:1-3).

Für die Menschen gibt es heute nur zwei Wege, den Weg von Sünde und Tod und den Weg der Erlösung. Der entscheidende Faktor ist unsere Antwort auf die Person und das Werk des Herrn Jesus Christus. Er selbst hat in Anspruch genommen, der einzige Weg in Gottes Himmel zu sein, als Er sagte:

“Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch Mich” (Joh 14:6).

Der Apostel Johannes schrieb im fünften Kapitel seines ersten Briefes:

Und das Zeugnis ist dies, dass Gott uns das ewige Leben gegeben hat, und solches Leben ist in Seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. (1.Joh 5:11-12).

Es gibt keine wichtigere Entscheidung, mein Freund, als die, die dein ewiges Schicksal bestimmt. Deine Zukunft in Ewigkeit hängt ab von deiner Antwort auf die Person Jesu Christi. Wie die Weisheit im ersten Kapitel der Sprüche sagt unser Herr, dass du ein Sünder und zur ewigen Zerstörung bestimmt bist. Er kam zur Erde, führte ein schuldloses Leben und starb für deine Sünden am Kreuz von Golgatha, um dir vor Gott ein gerechtes Ansehen zu geben. Wirst du Sein Angebot zur Rettung weise annehmen oder töricht zurückweisen? Die Entscheidung liegt bei dir.

Es gibt nur zwei Arten von Weisheit in dieser Welt, die Weisheit Gottes und die sündhafter Menschen. Von seiner Natur her erscheint dem Menschen Gottes Weisheit töricht, denn in Seiner Weisheit hat Gott die Rettung für den Menschen durch den Tod Seines Sohnes gebracht.

Wo ist der Weise? Wo ist der Schriftgelehrte? Wo ist der Debattierer über dieses Zeitalter? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht? Denn da in Gottes Weisheit die Welt Gott durch ihre Weisheit nicht erkannt hat, hat es Gott gefallen, durch törichte Predigt die zu retten, die glauben. Denn die Juden bitten um Zeichen und die Griechen suchen nach Weisheit, aber wir predigen den gekreuzigten Christus, für die Juden ein Stolperstein und für die Nicht-Juden eine Torheit, aber für die Berufenen, Juden wie auch Griechen, Christus, die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes. Denn die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen und die Schwäche Gottes ist stärker als die Menschen” (1.Kor 1:20-25).

Weisheit ist nicht eine Art, sondern die Art zu leben. Man kann auf keinem anderen Weg in den Himmel gelangen als auf dem Weg der Weisheit, dem Weg unseres Herrn Jesus Christus. Ich bitte Sie dringend, Ihm zu vertrauen für Ihre ewige Erlösung.

Nachdem ich all das gesagt habe, erscheint es mir noch wichtig zu betonen, dass für einen wahren Christen Weisheit ein Lebensweg ist und nicht nur eine einmalige Entscheidung über Jesus Christus. Wir müssen unseren Glauben in Christus setzen, aber wir müssen Ihm auch folgen. Jesus rief Männer zu Sich mit dem Ruf “Folge Mir nach” (vgl. Mat 4:19; 10:38). Die Entscheidung, Christus zu vertrauen, bedeutet auch eine Verpflichtung dazu, dass wir uns von unserem Weg des Bösen abkehren und ein vollkommen neues Leben in Seiner Nachfolge beginnen.

In dem Wunsch, Männer und Frauen zum Glauben an Christus zu bekehren, könnten wir versucht sein, Christi Anspruch zu verwässern. Aber diejenigen, die zu Christus kommen, müssen ebenso vor den Belastungen durch ihre Jüngerschaft gewarnt werden, wie unser Herr die Menschen dazu gedrängt hat, die Kosten für Seine Nachfolge zu berechnen (Luk 9:57-62). Wenn Menschen zu Christus kommen, lassen sie ihr altes Leben vollkommen hinter sich und betreten einen ganz neuen Weg – den Weg der Weisheit.

Manche Christen denken offenbar, das ideale Leben bestehe darin, sich an Christus als den Erlöser zu wenden, dabei wie immer weiterzuleben und mit dem Besten aus beiden Welten schließlich in den Himmel zu kommen. Ich erinnere Sie daran, dass der Weg der Torheit der Weg zu Tod und Zerstörung ist. Auch ein Christ, der grundsätzlich zur Erlösung gekommen ist, kann vom Weg der Weisheit abweichen und auf den Wegen schlechter Menschen gehen. David, beispielsweise, beging Ehebruch und Mord, als er Bathseba nahm und Uriah töten ließ (2.Sam.11). David büßte nicht seine Erlösung ein, aber er musste lernen, dass jeder, der auf dem Weg des Bösen ist, die Folgen der Sünde erleidet. Und die Heiligen in Korinth lernten, dass willentliche Sünde zu Krankheit und Tod führen kann (1.Kor 5:1ff.; 11:27ff.). Wir werden niemals unsere Erlösung verlieren, wenn wir als Christen sündigen, aber wir werden feststellen, dass alle diejenigen, die den Weg der Torheit wählen, auch die Konsequenzen dieser Torheit tragen müssen. Der Weg der Weisheit ist der einzige Weg zum Leben und zum Frieden. Lassen Sie uns darauf gehen.


12 Marilyn Schwartz, “Was unterscheidet die Männer der Familie Nelson von den Jungen.” The Dallas Morning News, 3. Mai 1982, S. 6C.

13 Associated Press, “Groups: Die Gewalt im Fernsehen nimmt zu.” The Dallas Morning News, 11. Mai 1982, S. 11C.

14 “Geh nicht mit ihnen, denn ihre Absicht ist schlecht; geh nicht mit ihnen, denn wenn auch der Vogel flieht vor dem Netz, das vor ihm ausgespannt wird, so wirst Du doch sicher so blind sein und Dir Leid zufügen durch die Schlinge ihrer plumpen Verlockungen.” Franz Delitzsch, Biblischer Kommentar zu den Sprüchen Salomos (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Company [Photolithodruck], 1968), It S. 66.

15 “. . . der Vergleich bezieht sich nicht auf die Vergeblichkeit, eine Schlinge vor den Augen eines Vogels auszulegen (der so die Falle sieht und sie meidet), sondern auf Vögel, die, obwohl die Schlinge vor ihrem Blick ausgelegt wird, . . . ” (A Critical and Exegetical Commentary, C. H. Toy, & T. Clark, 1959), S. 17.

16 Die Übersetzung der New International Version weicht hier deutlich ab, meiner Meinung nach ohne guten Grund. Sie übersetzt Vers 23 Wenn ihr auf meine Zurechtweisung gehört hättet, hätte ich mein Herz über euch ausgeschüttet und euch meine Gedanken bekannt gemacht und überträgt so das hebräische Wort für Geist als Herz. Das ist schon schlimm genug, aber sie gibt Vers 23 außerdem so wieder, als sei die Weisheit hier schon abgelehnt worden, was im hebräischen Text erst für den folgenden Vers zutrifft. Alles in Allem sollte man an dieser Stelle von der Übertragung der NIV wohl am besten abgehen.

17 Hier [in den Sprüchen] umfasst die Furcht des Herrn das, was wir heutzutage unter Religion verstehen. Mit der Furcht des Herrn forderten diese Weisen eine religiöse Hingabe im tiefsten Sinne des Wortes. Sie bedeutete schlicht und einfach das, was jedes menschliche Wesen seinem Schöpfer schuldet. Deshalb konnte der Bearbeiter, der das Motto über die erste Sammlung der Sprüche schrieb, mit diesem bestätigen, dass religiöse Hingabe Anfang und Grundprinzip aller Erkenntnis ist. Ohne eine lebendige Beziehung zu Gott war es niemandem möglich, so viel Wissen zu erwerben, dass er die Bezeichnung 'weise' verdient hätte. James L. Crenshaw, Old Testament Wisdom (Atlanta: John Knox Press, 1981), S. 95.

Passage: 

3. Die zwei Frauen: Madame Torheit und Dame Weisheit (Sprüche 7-9)

Einleitung

Während meiner Zeit als Student am Priesterseminar nahm ich die Gelegenheit wahr, zwei Polizisten als Beobachter zu begleiten. Diese patrouillierten durch ein Viertel mit relativ hoher Kriminalität, eines, in dem zahlreiche Bars und andere Etablissements die sündige Natur des Menschen bedienten. Das größte Rätsel war mir dabei die Art, wie sie zu erkennen schienen, mit wem sie es zu tun hatten. Sie zeigten beispielsweise auf eine junge Frau, die eine Prostituierte sei. Dann identifizierten sie deren Zuhälter. Ich konnte nicht verstehen, wie sie das machten. Es war, als ob diejenigen Namensschilder tragen würden. Wie konnten sie so einfach die Prostituierten von den anderen jungen Frauen um sie herum unterscheiden? Tatsache war, dass sie eine ganze Menge mehr über eine bestimmte Art von Frauen wussten als ich.

In Sprüche 1-9 erzählt uns Salomo sehr ausführlich über zwei unterschiedliche Arten von Frauen: Dame Weisheit und Madame Torheit.18 Aus dem ersten Kapitel der Sprüche haben wir bereits gelernt, dass wir uns vom Weg der schlechten Männer fernhalten müssen; nun werden wir gewarnt, dass auf dem Weg des Bösen auch verführerische Frauen sind. In den Kapiteln 1-9 weiß uns Salomo Vieles zu lehren bezüglich der Unterschiede zwischen den beiden erwähnten Arten von Frauen. Darüber hinaus werden wir feststellen, dass diese zwei Frauen zwei Wege personifizieren, den Weg der Weisheit und den Weg der Torheit. Hören wir also genau auf die Warnung der Sprüche vor der falschen Art von Frauen.

Ein charakterlicher Kontrast

Das herausragende Thema von Sprüche 1-9 ist der Kontrast zwischen Dame Weisheit und Madame Torheit. In jedem dieser einleitenden Kapitel finden wir entweder Madame Torheit (2:16-19; 5:1-14; 6:20-35), Dame Weisheit (1:20-33; 3:13-18; 4:5-9; 8:1-36), oder beide (7:1-4, 5-27; 9:1-6, 13-18). Der Weg der Weisheit wie auch der Weg der Torheit werden durch Frauen personifiziert. Dies erscheint besonders bedeutsam in Anbetracht der Tatsache, dass in den Sprüchen eine Anleitung vom Vater für den Sohn wiedergegeben wird. Wenn es etwas gibt, das ein Vater seinen Sohn lehren sollte, ist es die Art von Frauen, an die er sich halten, und die Art von Frauen, die er meiden sollte. Dame Weisheit und Madame Torheit sind literarische Mittel, um einen jungen Mann auf zwei Ebenen zu belehren, auf der buchstäblichen und auf der bildlichen.

Lassen Sie uns zunächst die Charaktere dieser zwei Frauen gegenüberstellen. Madame Torheit ist keine Prostituierte, sondern eine Ehebrecherin (2:16, New American Standard Bible). Sie verlässt den Gefährten ihrer Jugend (2:17). Wer dumm genug ist, sich mit ihr einzulassen, bekommt es mit einem wütenden Ehemann zu tun (6:29-35). Sie muss ihr Opfer daher beruhigen, dass ihr Mann nicht zu Hause ist und nicht so bald zurückkehren wird (7:19-20).

Madame Torheit ist gottlos und unmoralisch. Sie vergisst den Bund ihres Gottes (2:17). Oft wird sie eine fremdländische Frau genannt (2:16, NASB, Randnote), so dass sie wohl eher einer heidnischen Religion zuneigt als einem lebendigen Glauben an den Gott Israels. Derselbe Ausdruck fremdländische Frau taucht auch in 1. Könige 11:1 auf, bei den fremdländischen Frauen, die Salomo heiratete und die sein Herz vom Herrn abwandten. Madame Torheit ist unvernünftig und einfältig (9:13). Sie denkt nicht über ihren eigenen Weg nach, noch über die Tatsache, dass dieser Andere zum Tode führen kann. Sie schämt sich ihrer Sünden nicht: (4:6)

So ist der Weg einer ehebrecherischen Frau: Sie isst und wischt sich den Mund ab und sagt: Ich habe nichts Unrechtes getan. (Spr 30:20).

Dem gegenüber wird die Weisheit personifiziert als eine Jungfrau, an die ein weiser Sohn sich halten und zu der er ein angemessenes und doch enges Verhältnis suchen sollte. Während ein junger Mann Madame Torheit aus dem Weg gehen sollte, sollte er der Weisheit nachstellen wie einer Frau, die bald seine Braut werden wird.

Sie ist kostbarer als Juwelen, und Alles, was du wünschen magst, kann ihr nicht gleichkommen (3:15).

Verlasse sie nicht, und sie wird dich bewahren; Liebe sie, und sie wird dich behüten. Der Weisheit Anfang ist: Erwirb Weisheit, Und mit Allem, was du erwirbst, erwirb Einsicht. Schätze sie hoch, und sie wird dich erhöhen; Sie wird dich ehren, wenn du sie umarmst (4:6-8).

Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester.19 Und nenne die Einsicht deine Busenfreundin (7:4).

So wie Madame Torheit gottlos ist, ist Dame Weisheit gottähnlich. Die Weisheit, wie sie in den Sprüchen dargestellt wird, ist keine abstraktes Ding, sondern eine Person. Sie bietet den Menschen ihren Geist an (1:23). Sie behütet Menschen und bewahrt sie vor dem Weg des Todes (1:33; 2:16ff.; 4:6-9). In Vers 3:18 wird sie ein Baum des Lebens genannt, ein Ausdruck, der uns vom Garten Eden (Gen 2:9; 3:22) und vom Paradies in Offenbarung 22:2 her bekannt ist. In Sprüche 3:19-20 und 8:22-31 wird die Weisheit als ewig beschrieben und als Eine, die an der Schöpfung der Welt teilhatte. Es geht vielleicht zu weit zu sagen, wir könnten aus dieser Beschreibung der Weisheit dogmatisch schließen, dass sie sich auf den Herrn Jesus Christus bezieht. Aber sie lässt sicherlich Raum für eine solche Gleichsetzung. Meiner Meinung nach sind die Ähnlichkeiten hier mehr als zufällig.

Die Weisheit wie auch die Torheit werden portraitiert als jemand, der die Männer verfolgt und sie drängt, auf seinem Weg zu gehen. Madame Torheit ruft zu denen, die vorüber gehen, zu denen, die ihre Wege gerade machen (9:16), aber ganz besonders ist sie hinter den Einfältigen her, denn diese sind am anfälligsten und werden ihr wahrscheinlich folgen (7:6ff.). Auch die Weisheit ruft zu den Einfältigen und den Toren und drängt sie, ihre Torheit aufzugeben und dem Weg der Rechtschaffenheit und Weisheit zu folgen (1:22ff.; 8:4-5; 9:4).

Dame Weisheit und Madame Torheit mögen wohl die gleichen Männer verfolgen, doch ihre Botschaft und ihre Methoden unterscheiden sich gravierend. Dame Weisheit warnt die Menschen vor dem Tod und der Vernichtung, denen alle, die auf dem Weg der Torheit bleiben, anheim fallen werden (1:24ff.). Sie erzählt den Menschen nicht das, was sie hören wollen, sondern das, was sie hören müssen, wenn sie vor dem Tode bewahrt werden wollen. Dame Weisheit spricht geradeheraus und sie spricht von den vornehmen Dingen (8:6-8). Sie bietet ihre Lehren und Gebote an (7:1-2), wie auch Ratschlag und fundierte Weisheit (8:14). Sie verspricht Sicherheit (1:33), Frieden, Langlebigkeit, Reichtum und Ehre (3:16-17) und, Allem voran, Leben (3:18).20

Madame Torheit verschwendet keinen Gedanken an ihr eigenes Schicksal (5:6; 9:13), noch weist sie die Menschen darauf hin, dass ihr Weg unweigerlich zum Tode führt (2:18-19; 6:26; 7:22-23; 9:18). Wenn Dame Weisheit das Geistige im Menschen anspricht, so stimuliert Madame Torheit die sinnlichen Bedürfnisse des Einfältigen. Sie kleidet sich verführerisch (7:10) und spricht erotisch von ihrem Bett mit Gewürzen und teuren Decken (7:16-17). Sie bietet an, ihr Opfer mit Liebe zu sättigen.

Madame Torheit hat zwar äußerlich einige Schönheit zu bieten, ich bin mir aber nicht sicher, dass sie wirklich so schön ist, wie wir annehmen könnten. In Sprüche 2:17 wird uns gesagt, dass sie den Gefährten ihrer Jugend verlässt. Sie ist also offenbar eine Frau, die schon etliche Jahre verheiratet ist. Vielleicht bedeckt Makeup ihre Falten, und ihr seidiges schwarzes Haar ist das Resultat einer Färbung, mit der sie die grauen Haare zudeckt, die mit dem Alter kommen.

Ob sie mir zustimmen oder nicht, dass Madame Torheit doch nicht ganz so jung und schön ist – ich will zugeben, dass sie eine gewisse äußerliche Schönheit besitzt (6:25). Aber ihre Hauptwaffe ist nicht die Schönheit, es ist ihre Zunge.

Denn die Lippen der Ehebrecherin träufeln von Honig, Und glatter als Öl ist ihre Sprache; Aber am Ende ist sie bitter wie Wermut, Scharf wie ein zweischneidiges Schwert (5:3-4; vgl. auch 2:16; 7:5; 22:14).

Das Einzige, was Madame Torheit besser beherrscht als irgend jemand sonst, ist ihrem Opfer zu schmeicheln. Es gibt eine Art Sprichwort: Liebe geht durch den Magen. Madame Torheit weiß das, und eine Einladung zum Abendessen ist Teil ihrer trickreichen Verführung (7:14). Der beste Weg aber, einen Mann zu entwaffnen, besteht darin, an sein Ego zu appellieren, und Madame Torheit spricht den jungen Mann mit den folgenden Worten an:

Darum bin ich ausgegangen, dir entgegen, um deine Gegenwart zu suchen, und ich habe dich gefunden (7:15).

In Wahrheit war Madame Torheit auf der Suche nach irgendeinem Mann, der töricht genug wäre, ihren Annäherungsversuchen nachzugeben. Aber sie vermittelt diesem jungen Mann den Eindruck, dass von allen Männern, die sie haben könnte, er derjenige ist, den sie wirklich begehrt.

Meine persönliche Meinung ist, dass das männliche Ego hauptsächlich dafür verantwortlich ist, wenn ein Mann Bereitschaft zu unmoralischem Verhalten entwickelt. Auf Frauen mag das genauso zutreffen. Allerdings glaube ich damit nicht, dass Schmeichelei die beste Art ist, seinen Ehepartner an sich zu binden. Schmeichelei wird in den Sprüchen immer verurteilt (vgl. 26:28; 28:23; 29:5). Was ich glaube ist, dass es gesund und weise ist, unserer Wertschätzung für die positiven Eigenschaften des Ehepartners Ausdruck zu verleihen. Wer, wenn nicht der Ehemann einer tüchtigen Frau, sollte sie sonst an den Toren preisen (31:31)?

Eines der bemerkenswerten Dinge an Madame Torheit ist, dass auch sie geschickt ist im Umgang mit Sprichworten. Wenn sie ihre Beute verführen will, zitiert sie den Spruch:

Gestohlenes Wasser ist süß; Und heimlich gegessenes Brot ist lieblich (9:17).

Während Dame Weisheit reine Wahrheit spricht, proklamiert Madame Torheit dreist die Unvernunft. Sie entschuldigt die Sünde nicht, noch sucht sie Ausreden dafür. Tatsächlich stellt sie die Sünde sogar offen zur Schau, denn gerade die Tatsache, dass ein Verhältnis mit ihr unerlaubt ist, macht es ja so reizvoll. Gestohlenes Wasser, so legt sie uns nahe, ist süßer als vom eigenen Brunnen zu trinken (vgl. 5:15). Gerade die Sündhaftigkeit ist das Aufregende für den Unvernünftigen, und sie hat keine Hemmungen, daraus Kapital zu schlagen.

Auf Madison Avenue kann Madame Torheit nichts mehr lernen. Sie weiß schon, dass Werbung sich lohnt. Ihre Methoden unterscheiden sich von denen der geschicktesten Werbeagenturen in keiner Weise und sind ihnen auch kein bisschen unterlegen. Im Kern appelliert sie an die fleischlichen Bedürfnisse ihres Opfers. Sie stellt ihm ein üppiges Mahl in Aussicht und eine sexuelle Erfahrung, die seine wildesten Phantasien wahrmacht. Sie versichert ihm, dass keine Gefahr besteht, erwischt zu werden. Sie betont momentanes, kurzlebiges Vergnügen und bagatellisiert die langfristigen Konsequenzen.

Haben Sie einmal bewusst die Werbung der letzten Zeit auf Plakatwänden und im Fernsehen analysiert? Alles, vom Deodorant bis zum Geschirrspülmittel, wird von Frauen verkauft, die, in sinnliche Gewänder gekleidet, unsere tiefsten Gelüste ansprechen. Wir werden ermutigt, unsere Bedürfnisse jetzt zu befriedigen und nicht bis später damit zu warten. Wir bekommen kleine Karten aus Plastik, damit wir nicht länger auf all das warten müssen, was wir uns wünschen, und wir werden nicht mehr dazu gebracht darüber nachzudenken, dass wir am Ende Monat für Monat etwas abzahlen werden, was wir eigentlich gar nicht gebraucht hätten. Madison Avenue und Madame Torheit wollen uns leben lassen, als gäbe es kein Morgen. Sie bieten uns einen kurzfristigen Rausch, für den wir langfristig schmerzhaft bezahlen müssen.

Wenn wir diese zwei Frauen, Dame Weisheit und Madame Torheit, zum Nennwert nehmen, können wir daraus eine Lektion lernen: die vordringliche Wichtigkeit sexueller Reinheit. Salomo wusste, dass es nur wenige größere Gefahren gibt als die sexuelle Unreinheit. Er und die anderen Schreiber der Sprüche hatten viel zu diesem Thema zu sagen, und wir wissen, dass das auch der Grund war für den Niedergang Salomos (1.Kö 11:1ff.) und seines Vaters David (2.Sa 11). Fremdländische Frauen wurden zum Fallstrick für Samson (Ri 14-16) und für das Volk Israel (Num 25:1ff.). Sexuelle Reinheit hat Priorität für den, der gottgefällig und weise sein möchte.

Die Sprüche erinnern uns Eltern daran, dass wir nicht prüde sein sollten, wenn es darum geht, unsere Kinder offen über die Gefahren sexueller Sünde aufzuklären. Über Sex spricht man offen und doch diskret. Wenn wir etwas dagegen haben, dass unsere Kinder auf der Straße oder in der Schule aufgeklärt werden, sollten wir sicherstellen, dass wir so vorgehen, wie es der weise Vater tat, der seinen Sohn lehrte, um welche Frauen er sich bemühen und welche Frauen er meiden sollte.

Ich bin Vater von fünf Töchtern. Ich habe keinen Sohn, der eine solche Warnung brauchte, aber die Lehren aus den Sprüchen betreffen ganz genauso meine Töchter. So wie die Sprüche einen jungen Mann instruieren, um welche Frauen er sich bemühen und welche er meiden sollte, so lehren sie auch meine Töchter, welche Art von Frau zu sein sie durch Gottes Gnade anstreben sollen. Die Welt unterstützt das Vorbild der Madame Torheit: Populäre Filmstars, glamouröse Models, die Frauen in der Werbung – genau das sind diejenigen, deren moralische Einstellung sündig ist und deren Schlichen und Schmeicheleien denen von Madame Torheit gleichen. Man macht den Mädchen weis, dass sie Bestätigung finden können, wenn sie ihren Körper zur Schau stellen, provozierende Kleidung tragen, sinnliches Parfüm oder Lidschatten auftragen, und so fort. Die gottgefällige Frau, Dame Weisheit, ist nicht gerade ein Vorbild, mit dem unsere jungen Frauen vertraut sind, und es klingt fremd in unseren Ohren, wenn wir die Worte aus Kapitel 31 lesen:

Anmut ist Trug und Schönheit ist nichtig, Aber eine Frau, die den Herrn fürchtet, soll gepriesen sein (31:30).

Für jeden Mann und für jede Frau, die Gottgefälligkeit anstreben, ist es von Nutzen, sich mit Dame Weisheit und Madame Torheit zu beschäftigen. Frauen werden dadurch gemahnt, nicht zum geistlichen Straucheln eines Bruders in Christus beizutragen. Christliche Frauen werden angewiesen, sich nicht um äußerliche Zier zu sorgen, sondern um den inneren Charakter (1.Tim 2:9-10; 1.Pe 3:1-6). Wenn Christinnen nicht auf ihre Kleidung und ihr Benehmen achten, können sie einen Bruder in Christus zur Sünde in Gedanken und in Taten verführen.

Das Buch der Sprüche ist aber auch eine notwendige Lektüre für Männer, die gottgefällig und frei von Unmoral zu sein anstreben. Die Sprüche lobpreisen die Weisheit und machen uns nicht nur die Gefährlichkeit der Madame Torheit bewusst, sondern auch den Wert einer gottgefälligen Ehefrau (18:22; 19:14; 31:10-31). Wir werden ermutigt, sexuelle Befriedigung in der Reinheit einer ehelichen Vereinigung zu finden (5:15-23). Und wann immer wir feststellen, dass ein unmoralischer Gedanke in uns auftaucht, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, was uns die Sprüche über das unausweichliche Ende der Unmoral – nämlich Schande, Ausschweifung und Tod – sagen (2:18-19; 5:7-14).

Die zwei Frauen entsprechen zwei Wegen

Dame Weisheit und Madame Torheit erteilen uns wertvolle Lektionen auf dem Gebiet von Sex und Ehe, aber ich glaube, sie lehren uns viel mehr als das. Sie unterweisen uns nicht nur über zwei Arten von Frauen, sondern sie personifizieren auch zwei Arten zu leben – den Weg der Weisheit und den Weg der Torheit. Ich werde jetzt versuchen, fünf Argumente aufzuzeigen, aus denen für den Leser der Sprüche hervorgeht, dass Dame Weisheit und Madame Torheit diese zwei Arten zu leben darstellen sollen.

1. SOWOHL DAME WEISHEIT ALS AUCH MADAME TORHEIT WERDEN IN DEN SPRÜCHEN ALS WEGE BEZEICHNET. Im ersten Kapitel warnt die Weisheit diejenigen, die sie ablehnen, dass sie übersättigt von den Früchten ihres eigenen Weges werden (Vers 31). In Kapitel 2 wird von der Weisheit gesagt, dass sie einen Mann vom Weg des Bösen abhält (Vers 12), und das wird in den folgenden Versen weiter ausgeführt. Der Weg des Bösen ist der Weg der schlechten Männer (Vers 12b-15) und der Weg der ehebrecherischen Frau (Vers 16-22). In den Versen 12-22 findet man achtmal die Worte Weg oder Pfad, die die Tatsache betonen, dass der Weg des Bösen der Weg niederträchtiger Frauen und gewalttätiger Männer ist. Wiederholt werden im ersten Kapitel der Sprüche sowohl die Weisheit als auch die Torheit als Wege beschrieben (vgl. auch 3:31; 4:11,14; 5:21; 6:23; 7:24-27; 8:13,20; 9:6,15). Die Schlussfolgerung daraus muss sein, dass Dame Weisheit und Madame Torheit nicht einfach Frauen darstellen: sie personifizieren zwei Wege, den Weg der Weisheit und den Weg der Torheit.

2. DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DAME WEISHEIT UND MADAME TORHEIT IST EIGENTLICH NICHT DER ZWISCHEN EINER GUTEN UND EINER SCHLECHTEN EHEFRAU. Dame Weisheit entspricht derjenigen Art von Frauen, mit denen ein junger Mann eine Ehe anstreben sollte, und Madame Torheit der Art von Frauen, mit denen ein junger Mann sich nicht einlassen sollte. Und doch liegt beim Unterschied zwischen den beiden Frauen die Betonung nicht auf dem Gebiet von Sex und Ehe. An anderer Stelle im Buch der Sprüche wird die falsche (vgl. 19:13; 30:23) ebenso wie die tüchtige Ehefrau (31:10-31) beschrieben, aber hier stellt Salomo nicht einfach zwei Arten von Frauen gegenüber, um deren Hand man anhalten könnte. Ich möchte argumentieren, dass die Eine zu erwählen und die Andere zurückzuweisen nicht zu einer guten oder schlechten Ehe führt, sondern zum Leben oder Tod. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir hier zwar viel über die richtige Ehefrau lernen können, das aber nicht die vorrangige Lektion für uns ist.

3. ES GIBT NICHT NUR ZWEI ARTEN VON FRAUEN. Wenn Salomo uns über Frauen belehren wollte, müsste er viel mehr Arten von Frauen beschreiben als nur zwei. Ich hörte Bill Gothard einmal sagen, dass in den Sprüchen immer die Frau die Aggressive, die Verführende sei, und ich hatte damals den Eindruck, Bill folgerte daraus, dass es im Leben immer so wäre. Das glaube ich nicht. Die Untreue, die ich bisher unerfreulicherweise in christlichen und nicht-christlichen Ehen erleben musste, ging meistens nicht von der Frau aus, sondern vom Mann. Ich glaube nicht, dass Salomo uns aus seinen Worten folgern lassen wollte, es sei meistens die Frau, die den Mann verführt. Vielmehr glaube ich, dass in den Sprüchen Madame Torheit als Aggressor dargestellt wird, weil sie den Weg des Bösen personifiziert. Wenn auch nicht alle Frauen versuchen, Männer zu verführen, so sucht doch Satan aggressiv die Menschen von Gott fort und auf den Weg des Bösen zu ziehen. Mit anderen Worten, die Verführerin in den Sprüchen ist eine Frau, weil eine Frau, Madame Torheit, die Sünde personifiziert.

4. IN DEN SPRÜCHEN WIRD ÜBER DAME WEISHEIT UND MADAME TORHEIT IN BILDERN GESPROCHEN. Jeder, der die Sprüche als Weisheitsliteratur liest, erkennt, dass Vieles von dem, was darin gesagt wird, nicht wörtlich sondern bildlich zu verstehen ist. In Vers 9:1-6 wird Dame Weisheit beispielsweise als eine tüchtige und fleißige Frau beschrieben, die ihr eigenes Haus gebaut, ein Festmahl vorbereitet und ihre Mägde ausgesandt hat, um Menschen zum Essen einzuladen. Wenige Menschen würden wohl darauf bestehen, dass man diese Passage wörtlich nehmen sollte und dass die Weisheit wirklich die Menschen mit Essen versorgen will. Das Festmahl ist ein Bild, eine Metapher, die den reichen Ertrag dessen illustriert, was die Weisheit zu bieten hat, und dazu auch die umfassende Einladung an die Menschen, diesen Ertrag zu sich zu nehmen. Warum befinden wir es dann für nötig, das Bett von Madame Torheit immer wortwörtlich zu verstehen, wenn wir das Festmahl bildlich nehmen? Wir müssen das Bett der Madame Torheit zwar meiden – aber ist das Alles, was der Weg des Bösen zu bieten hat? Ich denke, nicht. Das Bett der Unmoral muss gemieden werden, aber es gibt neben dem Ehebruch noch viele andere Erscheinungsformen des Schlechten.

5. NICHT ALLE AUF DEM WEG DER TORHEIT SIND GEWALTTÄTIGE MÄNNER. Im ersten Kapitel der Sprüche malt Salomo für den Leser die zwei Wege zu leben aus. Der Weg des Bösen wird dabei in Vers 10-14 mit dem Bild der niederträchtigen und gewalttätigen Männer beschrieben. Die meisten werden mir wohl zustimmen, wenn ich sage, dass Gewalt eine Möglichkeit des Bösen ist, mit der wir fertig werden müssen, aber dass die Mehrheit derjenigen, die den Weg der Weisheit abgelehnt haben, nicht mit den Begriffen aus Vers 10-14 beschrieben werden kann. Aus Sprüche 2 lernen wir dann, dass der Weg des Bösen uns auf zwei Arten gefährlich werden kann: erstens als Weg niederträchtiger Männer (Vers 12-15), zweitens aber auch in den Schlichen der Madame Torheit (Vers 16-22). Deshalb möchte ich vorschlagen, dass man Madame Torheit am besten als den personifizierten Weg der Torheit versteht.

Das bedeutet nicht weniger, als dass Madame Torheit die beste Metapher für die Botschaft und die Methoden darstellt, die Satan meistens zur Täuschung und Vernichtung der Menschen einsetzt, die nicht den Weg der Weisheit gewählt haben. Ebenso wie Madame Torheit wird Satan unsere sinnlichen Bedürfnisse ansprechen und so darauf hinarbeiten, dass der Kelch der Leidenschaften und Sehnsüchte immer bis zum Rand gefüllt ist. Er wird die Attraktivität eines momentanen Vergnügens zu zeigen suchen und gleichzeitig die unausweichlichen Folgen davon verharmlosen. Er wird unsere Neigung unterstützen, Gottes Gebot zu missachten und die Weisheit zurückzuweisen, indem er betont, wie anregend und spannend es ist zu sündigen. Im Endeffekt aber wird Satan die Menschen dadurch auf eben dem Weg der Vernichtung halten, den er selber verfolgt; und die ihm folgen – wie auch die, die Madame Torheit folgen – werden die gleichen Konsequenzen zu spüren bekommen wie ihr Führer.

Madame Torheit ist nicht einfach eine verführerische Frau, noch eine allgemein unmoralische Frau – sie personifiziert ein System, durch das Männer und Frauen auf dem Weg der Vernichtung geführt werden. Diejenigen auf dem Pfad der Torheit rauben nicht unbedingt unschuldige Opfer aus oder verletzen absichtlich andere Menschen (1:10-14); aber sie haben sich doch dazu entschieden, den Weg der Weisheit zu verwerfen. Sie haben sich entschieden, einem Weg zu folgen, der Vergnügen für den Augenblick verspricht, und die Zukunft dabei außer Acht zu lassen.

Im Kolosserbrief warnt Paulus die Gemeinschaft der Heiligen davor, gefangen zu werden durch die Philosophie und durch leere Täuschung, gemäß der Überlieferung der Menschen, gemäß den elementaren Prinzipien der Welt, und nicht gemäß Christus (Kol 2:8). Dieses System ist zunächst und vor Allem deshalb falsch, weil es Christus ablehnt, in dem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind (Kol 2:3). Es befürwortet zwar nicht offen Habgier und Gewalttätigkeit, es fördert noch nicht einmal die Unmoral. Nein, in diesem Falle versucht das ehebrecherische System, menschliche Gerechtigkeit auf Askese und Selbstverleugnung zu gründen (Kol 2:20-23):

Wenn ihr nun mit Christus zusammen den elementaren Prinzipien der Welt gegenüber abgestorben seid, warum unterwerft ihr euch dann, als ob ihr weiterhin in der Welt leben würdet, Verordnungen wie Fasse dies nicht an, koste das nicht, berühre das nicht! (die sich doch alle auf Dinge beziehen, die zur Vernichtung durch den Verbrauch bestimmt sind) gemäß den Geboten und Lehren von Menschen? Dies sind Dinge, die sicherlich einen Anschein von Weisheit haben in selbstgewählter Frömmigkeit und Selbsterniedrigung und strenger Behandlung des Leibes, aber sie haben keinen Wert im Kampf gegen die Hingabe an fleischliches Verlangen (Kol 2:20-23).

Satan kümmert es nicht, auf welcher Spur sich jemand auf der Autobahn zur Vernichtung befindet. Einige werden die Spur von Habgier und Gewalttätigkeit wählen, andere möglicherweise die von Selbstverleugnung und Askese. Einige wird Satan offen zur Sünde verführen, während er andere mit übermäßig strengen Regeln und Vorschriften täuscht (vgl. 1.Tim 4:1-5). Das Unterscheidungsmerkmal für den Weg der Torheit ist, dass dieser mit der Ablehnung Gottes beginnt, mit der Weigerung, den Herrn zu fürchten (Spr 1:7,29). Satan lässt den Menschen sehr viel Spielraum bei der Gestaltung des Weges, auf dem sie zur Hölle fahren. Es ist ihm egal, wie man lebt, solange man in seinem Leben auf sich selbst statt auf Gott vertraut und seinen eigenen Weg geht statt den engen Pfad der Weisheit.

Keine Entscheidung in deinem Leben ist wichtiger als die Wahl, wem du folgen willst: Willst du der Dame Weisheit folgen oder der Madame Torheit? Wirst du dich entscheiden, dich Jesus Christus zu unterwerfen oder Satan zu folgen? Der Weg der Weisheit ist der Weg des Glaubens. Dazu gehört das Vertrauen darauf, dass Gott Sein Wort hält, dass Er dich in Ewigkeit erlösen und segnen will. Der Weg der Weisheit erfordert es, dass du das Vertrauen in dich selbst aufgibst und nur auf Jesus Christus für dein ewiges Leben vertraust (Spr 3:5-6; Joh 14.6). Der Weg der Weisheit erfordert Disziplin und Selbstverleugnung; aber er wird dir Frieden, Sicherheit und ewiges Leben bringen.

Kapitel 11 des Hebräerbriefes ist als Glaubens-Halle bezeichnet worden. Mitglieder der Glaubens-Halle – Männer und Frauen – sind die, die sich entschieden haben, in der Gegenwart Leid zu auf sich zu nehmen und ihren Lohn in der Zukunft zu erwarten:

Durch Glauben wollte Moses, als er erwachsen geworden war, nicht mehr der Sohn der Tochter Pharaos genannt werden; sondern er wollte lieber mit dem Volk Gottes schlecht behandelt werden als die vergänglichen Annehmlichkeiten der Sünde zu genießen; und achtete die Schmach Christi als größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens, denn er richtete den Blick auf die Belohnung hin (Heb 11:24-26).

Wie die Dame Weisheit ruft Jesus Christus dich an, dass du deinen schlechten Weg verlassen und Ihm folgen mögest. Wirst du weiterhin nur den Genuss des Augenblicks suchen, oder wirst du den Weg der Gerechtigkeit und des Friedens wählen, der zur ewigen Erlösung führt? Jesus Christus ist dieser Weg (Joh 14:6). Durch den Glauben an Ihn darfst du den Weg betreten, der zum Leben führt.

Christlicher Freund, Madame Torheit kreuzt oft unseren Weg und ruft zu denen, die ihre Wege gerade machen (Spr 9:15). Sie wird unsere Aufmerksamkeit auf die vergänglichen Annehmlichkeiten der Sünde richten und die damit verbundenen Konsequenzen verharmlosen. Sie wird uns drängen, nicht an die Zukunft zu denken und nur für den Augenblick zu leben. Wir dürfen nicht auf sie hören, denn wir sind nur Fremde und Pilger auf der Erde:

Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilgrime, euch der fleischlichen Lüste zu enthalten, die doch mit der Seele im Streit liegen (1.Pe 2:11).


18 Die Titel “Dame Weisheit” and “Madam Torheit” habe ich entnommen aus James L. Crenshaw, Old Testament Wisdom (Atlanta: John Knox Press, 1981), S. 72.

19 Das hebräische Wort, das hier als Schwester wiedergegeben wird, wird im Hohen Lied (4:9,10,12; 5:1,2) im Sinne von Geliebte gebraucht. Auch hier scheint es diesen Unterton zu haben. Dem entsprechend wird der junge Mann angehalten, die Weisheit als ein Liebender und intimer Freund zu verfolgen, in gesundem Gegensatz zu Madam Torheit.

20 Leben und Tod waren zwar Begriffe, die sich primär auf irdische Segnungen oder Notlagen bezogen, man kann aber zumindest implizieren, dass es Leben und Tod auch jenseits des Grabes gebe. Nach einer aufschlussreichen Diskussion über Leben und Tod schlussfolgert Kidner: Ein Leben nach dem Tode liegt jenseits des Horizonts der Sprüche … Aber es gibt zwei Aussagen über den natürlichen Tod, die doch auf eine gewisse Hoffnung oder ein Vertrauen aufmerksam machen, das der Böse an diesem Punkt verwirkt (11:7, wenn ein schlechter Mensch stirbt, geht seine Hoffnung zugrunde) und der Gute sich erhält (14:32, ..., aber der Gerechte hat Hoffnung in seinem Tode). Erst durch spätere Offenbarungen sollten diese Andeutungen weiter ausgefüllt werden; bis dahin inspirierte die bloße Versicherung, dass jemandes Mühen nicht umsonst im Herrn waren, eine Hoffnung, die am Ende eine vollständige Erfüllung suchen und finden sollte. Derek Kidner, The Proverbs (Chicago: Inter-Varsity Press, 1964), S. 56.

Passage: 

4. Junker Einfalt wird verführt (Sprüche 7:1-27)

Einleitung

Es ist ein großer Unterschied, ob jemand einfältig ist oder dumm. Für die meisten von uns wird das Wort einfältig die Assoziation eines nahezu Schwachsinnigen wecken, oder, wie man so sagt, eines etwas unterbelichteten Menschen. Aber das ist es nicht, was der Begriff einfältig im Buch der Sprüche sagen will. Einfältig zu sein ist ein Entwicklungsstadium jedes Menschen, ganz entsprechend dem Heranwachsen eines Jugendlichen. Ebenso, wie man die Pubertät durchmacht, muss jeder eine einfältige Phase im Leben durchmachen. Andererseits ist Einfältigkeit auch eine sehr gefährliche Zeit im Leben, weil Einfältige sehr verletzlich und leichtgläubig sind. Außerdem ist Einfältigkeit nur einen Schritt von der Dummheit entfernt, und so muss dieser kritische Lebensabschnitt mit Vorsicht gelebt werden. Diejenigen unter uns, die diesen Punkt schon hinter sich gebracht haben, haben jetzt vielleicht Kinder, die in die entsprechende Kategorie fallen – aber selbst wenn das nicht der Fall ist, müssen wir doch mit denen umgehen können, die einfältig sind. Daher müssen wir alle genau auf die Worte der Sprüche hören, die uns den Zustand der Einfältigkeit wie auch seine Behandlung darlegen.

Unser Studium des Einfältigen beginnt mit einer Analyse derjenigen Passagen in den Sprüchen, die die Charakterzüge des Einfältigen, die daraus entstehenden Folgen und die Heilung von der Einfältigkeit beschreiben. Dann werden wir die Fallbeschreibung eines Einfältigen im Kapitel 7 der Sprüche betrachten und versuchen, daraus spezifische Grundlagen für einen effektiveren Umgang mit einfältigen Menschen zu entwickeln. Ich werde außerdem versuchen zu zeigen, dass es nicht die Einfältigkeit als solche war, die zum Fall des Einfältigen in Sprüche 7 führte. Ich glaube vielmehr, dass alle Männer prinzipiell auf die gleiche Art straucheln können wie der Einfältige in dieser Episode, und daher kann dieser Abschnitt uns allen eine Lektion darüber erteilen, wie wir unnötigen Versuchungen und den verheerenden Folgen der Sünde aus dem Weg gehen können.

Charakteristika der Einfalt

Einfalt gehört zur Jugend dazu.

Einfältig zu sein ist wie Pickel zu haben – beides kommt mit der Pubertät. Fast automatisch gehen wir davon aus, dass ein Einfältiger jung ist, und etliche Parallelismen in den Sprüchen legen nahe, dass Einfalt und Jugend praktisch gleichzusetzen sind:

Um dem Unerfahrenen [wörtlich: dem Einfältigen] Klugheit zu geben, Und der Jugend Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen (1:4).

Und ich sah unter den Unverständigen [wörtlich: den Einfältigen] Und machte unter den Jugendlichen Einen jungen Mann aus, dem es an Einsicht fehlte (7:7).

Wenn es aber wahr ist, dass Einfalt eine Krankheit der Jugend ist, sind daraus einige bemerkenswerte Schlussfolgerungen zu ziehen:

1. EINFÄLTIG ZU SEIN IST KEINE SÜNDE, SONDERN EINE BESTIMMTE PHASE WÄHREND DES HERANWACHSENS ZUR REIFE. Jeder geht durch das Stadium der Einfalt, genauso, wie jeder die Pubertät durchmacht. Es ist ebenso wenig eine Sünde, einfältig zu sein, wie unreif zu sein.

Im dritten Kapitel des ersten Korintherbriefes schreibt Paulus an die fleischlichen Heiligen der korinthischen Gemeinde. Unmittelbar nach ihrer Bekehrung wurden diese Heiligen von Paulus als Menschen im Fleisch und als junge Kinder angesprochen (1.Kor 3;2), und als Solche konnten sie nur mit Milch und nicht mit festen Speisen fertig werden. Dieses Stadium der Unreife wurde nicht verdammt, denn es war ja nichts Anderes zu erwarten. Aber jetzt schreibt Paulus ihnen etliche Zeit später, und ihre Unreife ist inzwischen zur Fleischlichkeit geworden – zu einer bewussten Ignoranz und Unüberlegtheit. Es war zwar nicht falsch, im Fleisch (junge Kinder) zu sein, aber es ist eine Sünde, fleischlich (den fleischlichen Bedürfnissen verhaftet) zu sein. Was als Unreife beginnt, kann zur Fleischlichkeit werden. Aber in der Regel sind die Einfältigen in den Sprüchen schlicht unreif.

2. EINFALT IST EIN ENTWICKLUNGSABSCHNITT; ABER MAN KANN EBENSOWENIG EINFÄLTIG BLEIBEN, WIE MAN EIN JUGENDLICHER BLEIBEN KANN. So wie die jungen Kinder in Korinth entweder reif oder absichtlich fleischlich werden mussten, so muss auch der Einfältige sich entscheiden, ob er ein Weiser werden will oder ein Narr. Als Lebensabschnitt geht die Einfalt vorüber und muss durch etwas Anderes ersetzt werden. Niemand kann einfältig bleiben.

3. NICHT DIE ZEIT, SONDERN EINE BEWUSSTE WAHL HEILT VON DER EINFALT. Der Sohn, der in Kapitel 1 durch seinen Vater unterwiesen wird, ist, denke ich, einfältig; aber sein Vater ist sich der Tatsache bewusst, dass dieser Bursche jetzt die Entscheidung treffen muss, ob er den Weg der Weisheit gehen oder den schlechten Männern (und niederträchtigen Frauen) auf dem Weg der Torheit folgen will. Diese Entwicklung erfolgt nicht durch die Zeit allein, sondern nur durch eine bewusste Entscheidung (1:10,15,22-23). Weisheit entwickelt sich nicht als ein Produkt aus Zeit und Zufall; sie kommt aus dem Vorsatz, der Torheit abzusagen und die Weisheit als einen wertvollen Schatz zu suchen.

4. EINFALT IST ZWAR NORMALERWEISE EINE KRANKHEIT DER JUNGEND, ABER JEDES ALTER HAT SEINE SCHWÄCHEN. Glauben Sie ja nicht, dass alle Gefahren vorüber sind, sobald Sie einmal alle Fallstricke der Jugend heil überstanden haben. Madame Torheit hat eine Versuchung für jedes Alter in ihrer Trickkiste. Paulus warnt Timotheus vor den Gefahren der Jugend (vgl. 1.Tim 4:12; 5:1-2; 6:11), aber er hat genauso auch Anweisungen für die älteren Heiligen (vgl. Tit 2:2-5). Heutzutage ist uns die so genannte Midlife-Krise geläufig, und sie kann auch zur Erklärung von Davids Fall in die Unmoral beitragen (2.Sam 11). Aus der Versuchung werden wir niemals herauswachsen; Einfalt aber ist wohl in der Tat eine Krankheit der Jugend.

5. EINFALT IST EIN GEFAHRVOLLER ZUSTAND. Dreierlei Dinge tragen zu den großen Gefahren bei, denen der Einfältige gegenüber steht:

  • DEN EINFÄLTIGEN MANGELT ES AUF WESENTLICHEN GEBIETEN: Es fehlt ihnen an Weisheit (Ps 19:7), an Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen (Spr 1:4), an Verständnis (Ps 119:130; Spr 9:4,16) und an Einsicht (Spr 7:7). Darüber hinaus fehlt den Einfältigen die Fähigkeit, das was Andere ihnen erzählen, kritisch zu analysieren; mit anderen Worten: sie sind leichtgläubig:

Der Unerfahrene glaubt Alles, Aber der kluge Mann bedenkt seine Schritte (14:15).

Der Kluge sieht das Böse und verbirgt sich, Aber der Unerfahrene geht weiter und erleidet die Strafe (22:3; vgl. 27:12).

  • DER EINFÄLTIGE, WIE ÜBERHAUPT DER GEFALLENE MENSCH, NEIGT ZUM BÖSEN UND NICHT ZUM GUTEN UND RECHTSCHAFFENEN. Die Einfältigen sind unwissend und unerfahren, aber sie neigen zudem auch zur Torheit; sie sind gewissermaßen unfallträchtig auf geistlichem Gebiet. Sie tendieren zum Schädlichen und Destruktiven. Sich selbst überlassen wird ein Einfältiger nicht weise werden, sondern geradewegs in die Torheit und das Unglück stolpern.

Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen? (1:22).

Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten (1:32).

Die Unerfahrenen werden die Torheit erben, Aber die Klugen werden mit Erkenntnis gekrönt (14:18).

  • GERADE DIE EINFÄLTIGEN SIND OFT DAS ZIEL DER BÖSEN UND SKRUPELLOSEN. In der Natur verfolgen Wildtiere oft den Nachwuchs ihrer Beutetiere, wegen dessen Unerfahrenheit und Verletzlichkeit. Jungtiere haben wenig Gefühl für Gefahren und lassen sich leicht täuschen oder zu gefährlichen Dingen verleiten. Dasselbe trifft für die menschliche Natur zu. So ist es zum Beispiel das Geschäft eines Zauberkünstlers, die leichtgläubigste Person zu identifizieren und ihre Naivität auszunutzen. Einfältige Menschen werden oft Opfer von schlechten Männern oder Frauen, die wissen, wie verletzlich sie sind. Genau aus diesem Grund warnt der weise Vater seinen Sohn vor dem Ansinnen habgieriger und gewalttätiger Männer (1:10-19). Auch die ehebrecherische Frau sucht sich gezielt den Unerfahrenen aus (7:6-27; 9:13-18). Während also der Einfältige selbst schon dazu tendiert, in Richtung Unglück zu gehen, verfolgt ihn dieses seinerseits auch noch nachdrücklich.

6. EINFÄLTIGKEIT IST ZWAR EINE GEFÄHRLICHE, ABER KEINE UNHEILBARE KRANKHEIT. Es gibt Hoffnung für die Einfältigen, denn nicht jeder Einfältige erliegt den Schlichen der Madame Torheit. Da eine Phase der Einfältigkeit zu Wachstum und Entwicklung jedes jungen Menschen gehört, hat diese auch jeder weise Mann und jede weise Frau – erfolgreich – durchgemacht. Einfältigkeit ist so etwas wie der Jahrmarkt der Eitelkeiten in der Pilgerreise zur ewigen Seligkeit. Jeder Pilger muss ihn durchlaufen, und während Einige seinen Versuchungen erliegen, überstehen sie Andere und sind nachher um die Erfahrung reicher.

Nicht nur Madame Torheit versucht die Einfältigen auf Abwege zu bringen (7:6-26; 9:13-18), sondern auch Dame Weisheit wendet sich an die Einfältigen. Sie warnt sie vor den vor ihnen liegenden Gefahren und mahnt sie, sich von der Torheit abzuwenden und die Weisheit zu suchen (1:20-33; 8:1-36; 9:1-6). Die Lösung für den Einfältigen besteht daher darin, sich von der Torheit abzukehren, niederträchtige Männer zurückzuweisen und schlechten Frauen zu widerstehen, und sich um die Weisheit zu bemühen (1:23; 2:1-11; 3:1-26; 4:1-27).

Es gibt Hoffnung für die Einfältigen: Sie müssen nicht durch Schaden klug werden, sondern können aus den sündigen Entscheidungen Anderer lernen:

Schlägt man den Spötter, so werden die Unvernünftigen klug; Aber wenn man den Verständigen zurechtweist, wird er an Erkenntnis gewinnen (19:25; vgl. 21:11).

Außerdem sieht der Herr nicht untätig zu, wenn ein Einfältiger verführt wird. Die den Herrn fürchten und die Weisheit suchen stehen unter Seinem Schutz:

Der Herr bewahrt die Einfältigen; Ich war schwach, und Er errettete mich (Ps. 116:6).

Der Herr kann zwar zur Erhaltung eines Einfältigen unmittelbar eingreifen, hauptsächlich gewährt er aber Schutz auf dem Wege der Heiligen Schrift:

Das Gesetz des Herrn ist vollkommen und erquickt die Seele; Das Zeugnis des Herrn ist gewiss und macht die Unverständigen weise (Ps 19:7).

Die Enthüllung Deiner Worte gibt Licht; Und gibt den Unerfahrenen Verständnis (Ps 119:130).

Mein Sohn, behalte meine Worte Und bewahre meine Gebote in dir. Halte meine Gebote, dass du am Leben bleibst, und hüte meine Lehren wie deinen Augapfel. Binde sie an deine Finger; Schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester. Und nenne die Einsicht deine Busenfreundin; damit sie dich vor der Ehebrecherin bewahren, vor der fremdländischen Frau, die mit Worten schmeichelt (Spr 7:1-5).

Einfältige Menschen stehen zwar Gefahren gegenüber, aber sie kämpfen nicht alleine. Die Weisheit gibt ihnen Mahnung und Ausweg, die Schriften sind dazu bereitet, sie klug zu machen, und Gott selber bewahrt die Einfältigen, die Ihn fürchten. Die gleichen Versuchungen, denen sich die Einfältigen gegenübersehen, kommen auch auf alle Anderen zu, und Gott hat für jeden den Ausweg geschaffen (vgl. 1.Kor 10:13).

Ein Fallbericht:
Die Verführung von Junker Einfalt

Bis hierher habe ich versucht, die Lehren der Sprüche über die Einfältigen zusammenzufassen. In Sprüche 7 bringt Salomo nun die Sache auf den Punkt mit dem Drama der Verführung eines Einfältigen durch Madame Torheit. Die Verse 1-5 enthalten einen Vorspann, Vers 6-23 das Drama und Vers 24-27 das Nachwort.21 Wir haben dieses Kapitel schon untersucht und dabei die Methoden der Madame Torheit im Auge gehabt. Nun werden wir uns auf ihr Opfer konzentrieren, den wir Junker Einfalt nennen wollen. Die folgenden Beobachtungen sollen dazu dienen, die Gründe für seinen Fall zu klären.

Junker Einfalt fiel nicht deshalb, weil er einfältig war.

Erst nachdem ich diesen Abschnitt mehrere Male gelesen hatte, fiel mir etwas Wesentliches auf: Obwohl Junker Einfalt strauchelte, gab es doch viele andere Einfältige, die das nicht taten. In Vers 7 schildert die Weisheit, was sie von ihrem Fenster aus sieht: Und ich sah unter den Unverständigen Und machte unter den Jugendlichen Einen jungen Mann aus, dem es an Einsicht fehlte.

Junker Einfalt war nur einer von mehreren Jugendlichen, die Dame Weisheit alle zurecht als einfältig bezeichnen könnte. Sie konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf diesen jungen Mann, weil er, durch seine eigene Zügellosigkeit, der Sünde verfallen wird. Mir kommt es hier darauf an, dass er alleine und nicht all die Jugendlichen (die doch alle einfältig waren) verführt wurden. Die Schlussfolgerung ist klar: nicht die Einfalt ist das eigentliche Problem, sondern die Sündhaftigkeit. Junker Einfalt musste nicht straucheln; er fiel aufgrund seiner eigenen falschen Entscheidungen. Diese Entscheidungen werden wir nun etwas genauer betrachten.

Junker Einfalt ging in die Falle, weil er Madame Torheit suchte.

In der Natur gibt es einige Lebewesen, die ihre Beute nicht verfolgen, sondern ihre Opfer einfach zu sich kommen lassen. Beispielsweise verleiten einige Meerespflanzen ihre Beute durch Vortäuschung falscher Tatsachen. Madame Torheit verfolgt in Kapitel 7 ihre Beute ebenfalls nicht, sondern sie wartet, dass sie zu ihr kommt. Madame Torheit ist zwar unstet und ihre Füße verweilen nicht in ihrem Haus (Vers 11), aber zumindest in diesem Fall scheint sie sich in der Nähe ihres Hauses aufzuhalten (Vers 8; vgl. 9:14). Und Junker Einfalt streift spät abends umher auf der Straße, in der Nähe ihrer Ecke (Vers 8).

Ich glaube nicht, dass er rein zufällig in die Nähe ihres Hauses kam. Meiner Meinung nach spazierte er absichtlich in die Richtung ihres Hauses, und er wusste, wo sie lebte. Es gibt ein Lied, das den meisten von Ihnen bekannt sein dürfte, ein sehr romantisches Lied über einen Mann, der in der Straße steht, in der die wohnt, die er liebt. Wäre dieses Lied in den Tagen von Junker Einfalt schon geschrieben gewesen, hätte er es vielleicht vor sich hingesummt in der Nacht, als er durch die Straße in der Nähe des Hauses von Madame Torheit spazierte.

Das erinnert mich an eine, soviel ich weiß, wahre Geschichte über einen älteren Mann bei einem Rock-Konzert. In der Nähe befand sich ein Gewässer, und der Mann erklärte entrüstet, wie sehr er sich davon abgestoßen fühlte, dass einige junge Leute dort nackt badeten. Er wusste das, weil er sie stundenlang beobachtet hatte – mit einem Fernglas. Ich denke, Junker Einfalt wusste über Madame Torheit Bescheid, weil sie das Stadtgespräch war. Er streifte um ihr Haus, weil er einen Blick auf sie erhaschen und sehen wollte, wie die Sünde eigentlich aussieht. Ich bezweifle sehr, dass er dabei plante, selber zu sündigen, oder dass er anfangs damit einverstanden war, aber er suchte den Nervenkitzel.22

Übrigens ist dieses Verhalten typisch für viele, insbesondere unreife Menschen: zu versuchen, so nahe wie möglich an das Feuer zu kommen, ohne sich dabei zu verbrennen. Ich weiß nicht, wie oft ich von jungen Leuten tatsächlich die Frage gehört habe: Wie weit kann ich gehen? Jedesmal, wenn wir eine Regel nur deshalb kennen wollen, um sie so weit wie möglich strapazieren zu können, hofieren wir die Sünde. Und das war, denke ich, was der junge Mann hier tat. Wenn ich mit meinen Vermutungen an dieser Stelle zu weit gegangen bin, so müssen Sie mir doch zumindest soweit zustimmen, dass er, wenn er Madame Torheit vielleicht auch nicht aktiv aufgesucht hat, so doch zumindest nicht vor ihr geflohen ist. Viele von uns mögen es vorziehen, sauber zu bleiben, aber sie möchten doch gerne zuerst gefragt werden, bevor sie Nein sagen.

Junker Einfalt wurde verführt, aber nicht getäuscht.

Wir können nicht wissen, was der junge Mann beabsichtigte, als er in den dunklen und gefährlichen Nachtstunden umherstreifte. Was wir aber wissen ist, dass er von Madame Torheit nicht getäuscht wurde. Diese Frau war zwar listig, aber nicht hinterlistig. Der Text sagt uns, dass sie wie eine Hure gekleidet war (Vers 10). Sie war aber keine Hure, sondern eine untreue Ehefrau. Der Grund dafür, das sie sich so kleidete, war der, dass sie in Junker Einfalt das ansprechen wollte, von dem sie wusste, dass er es suchte: Er war jemand, der das Abenteuer suchte. Und wenn er nicht gewitzt genug war zu sehen, worauf sie aus war, würde sie sich eben so kleiden, dass er es nicht mehr übersehen konnte. Ihre Vorgehensweise war alles andere als subtil. Sie begrüßte ihn ungeniert mit einem Kuss (Vers 13), etwas, das für ein anständiges Mädchen einem Fremden gegenüber niemals in Frage gekommen wäre. Sie sagte ihm, das sie verheiratet sei (Vers 19) und begierig darauf, den Kelch der Liebe bis zur Neige zu leeren (Vers 18). Sie war also nicht gerade indirekt. Und wie einfältig der junge Mann auch gewesen sein mochte, er wusste nun, worauf sie aus war. Aus welchem Grund auch immer er in der Nähe ihres Hauses gelandet war, er hätte fliehen können (und müssen), nachdem ihm ihre Absichten bekannt geworden waren – aber er blieb. Er wurde verführt, aber nicht getäuscht.

Junker Einfalts Sünde kam nicht plötzlich, sondern sie entwickelte sich.

Plötzlich folgt er ihr, Wie ein Ochse zur Schlachtung geht Oder wie einer in Fesseln zur Züchtigung eines Toren (Vers 22-23). Ich habe viele schnelle Entscheidungen getroffen in meinem Leben, und einige davon habe ich später bereut. Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie ein Verkäufer in unserem Wohnzimmer saß und meine Frau und mich zu einer sofortigen Entscheidung drängte, da sein Angebot nur jetzt gültig sei. Auch Junker Einfalt traf eine schnelle Entscheidung, als er Madame Torheit – wie sich zeigte, zur Schlachtung – folgte. Die würzigen Laken der Madame Torheit waren für Junker Einfalt wie die Möhre, die man vor dem Ochsen baumeln lässt, um ihn ins Schlachthaus zu bewegen. Da er seine Aufmerksamkeit nur auf das kurzlebige Vergnügen richtete, das ihm Madame Torheit in Aussicht stellte, spürte Junker Einfalt nicht die vor ihm liegende Gefahr, sondern er schob und drängelte geradezu und beschleunigte damit seine eigene Vernichtung.

Es ist wichtig zu festzuhalten, dass Junker Einfalt seine Entscheidung aus einem Impuls heraus traf. Aber es muss genauso darauf hingewiesen werden, dass dies nur die Letzte einer ganzen Reihe sündiger Entscheidungen war, die nun zum Ende brachte, was bereits zuvor in Gang gesetzt worden war. Meine Erfahrungen beschränken sich auf den Kauf nur eines Hauses, aber dabei habe ich gelernt, dass ein Hauskauf mit einer ganzen Reihe von Entscheidungen und Unterschriften verbunden ist. Zunächst gibt man ein formelles Angebot ab und unterschreibt es, dann gibt es einen Vertrag, der von beiden Parteien unterzeichnet wird. Und etwas später kommt es schließlich zum Abschluss, bei dem Papiere unterschrieben werden, durch die das Eigentum an dem Haus auf den Käufer übertragen wird.

Mit seiner Entscheidung in Vers 22 hat Junker Einfalt nur das Geschäft abgeschlossen. Zuvor war er törichterweise in der Stadt umhergestreift, am falschen Ort zur falschen Zeit. Er suchte Ärger, wie man so sagt. Als Madame Torheit auf ihn zuging und ihn kühn anmachte, lief er nicht weg. Sie schmeichelte ihm, und er ließ es sich gefallen. Sie verführte ihn, und er zog ihren Vorschlag in Erwägung. Sie versicherte ihm, dass eine Nacht mit ihr sinnlich wie auch sicher sein würde, und er glaubte ihr.

Ich will damit sagen, dass niemand von uns sich selbst jemals in die Lage bringen sollte, eine Entscheidung treffen zu müssen, wenn Madame Torheit mitten in der Nacht an einer einsamen Straßenecke vor ihm steht. Unter solchen Umständen gefällte Entscheidungen sind ausgesprochen gefährlich. Wenn wir erst einmal begonnen haben, die Sünde zu hofieren und so weit zu gehen, wie es möglich ist ohne erwischt zu werden, sind wir für Madame Torheit eine leichte Beute. Um wieviel einfacher wäre es doch für Junker Einfalt gewesen, nach Hause und zu Bett zu gehen, anstatt an der Ecke zu stehen und all den Mädchen nachzusehen.

Ich habe absichtlich bis zum Ende aufgehoben, was ich eigentlich für den ersten Schritt in dieser Reihe von Sünden halte. Die Verse 24-27 mahnen den Einfältigen, auf die Warnung der Weisheit zu hören und sich vom Weg der Madame Torheit abzukehren, denn das unausweichliche Ende dieses Weges sind Tod und Vernichtung. Aber wie kommt es dann, dass Junker Einfalt so fröhlich und unbekümmert diesen Weg entlang geht? War ihm die Gefahr so wenig bewusst? Vers 25 gibt uns den entscheidenden Hinweis: Lass dein Herz nicht zu ihren Wegen abweichen, Irre nicht ab auf ihre Pfade. Das Problem entstand im Herzen des Junkers Einfalt, nicht in seinem Kopf.

Mein Sohn, behalte meine Worte Und bewahre meine Gebote in dir. Halte meine Gebote, dass du am Leben bleibst, und hüte meine Lehren wie deinen Augapfel. Binde sie an deine Finger; Schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester. Und nenne die Einsicht deine Busenfreundin; damit sie dich vor der Ehebrecherin bewahren, vor der fremdländischen Frau, die mit Worten schmeichelt.

Es war also weniger eine absichtliche als eine passive Entscheidung zum Ungehorsam: Er war auf ihren Pfad abgeirrt. Die Verse 1-5 von Kapitel 7 zeigen uns, dass Junker Einfalt zwar durch eine willentliche Entscheidung strauchelte, aber seine sündigen Entscheidungen folgten eine nach der anderen daraus, dass er die Weisheit geringschätzte. Sehen Sie sich diese Verse noch einmal genauer an.

Der weise Vater drängt seinen Sohn, mit Eifer an der Weisheit festzuhalten und die Lehren zu befolgen, die er ihm gab. Seine Gebote sollten verwahrt, seine Lehren sorgfältig (wie dein Augapfel, Vers 2) gehütet werden.23 Diese Unterweisung sollte nicht zum einen Ohr herein und zum anderen wieder heraus gehen, sondern er sollte sie vielmehr in sein Gedächtnis eingraben und häufig darüber nachdenken. Der Sohn sollte nicht nur das Gesetz beherrschen, das ihn sein Vater gelehrt hatte, sondern er sollte diesem Gesetz erlauben, ihn zu beherrschen: Es sollte in sein Herz geschrieben werden (Vers 3).

Die ersten drei Verse in Kapitel 7 haben viel gemeinsam mit Deuteronomium 6. Achten sie auf die Worte, die Gott durch Moses zu den Israeliten sprach:

Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzer Kraft. Und diese Worte, die Ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein; und du sollst sie deine Söhne mit Fleiß lehren und sollst von ihnen sprechen, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst. Und du sollst sie als ein Zeichen an deine Hand binden und sie sollen als Stirnband zwischen deinen Augen sein. Und du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben (Deu 6:5-9; vgl. auch Vers 20-25).

Der weise Vater tut genau das, was Moses im Buch Deuteronomium befiehlt: Er hat seinen Sohn das Gesetz Gottes gelehrt, und jetzt ermahnt er ihn ernsthaft, sich diese Lehre zu Eigen zu machen, sie zu verwahren und gehorsam danach zu leben.

Und das umfasst viel mehr, als nur den Glauben seines Vaters anzunehmen. Es läuft darauf hinaus, dass er die Weisheit Gottes als den wertvollsten Besitz seines Lebens schätzen lernt. Tatsächlich ist sie sogar der Besitz des Lebens (vgl. 3:18). Aus diesem Grund sollte der Sohn ein ganz persönliches und intimes Verhältnis zur Weisheit aufbauen (7:4). Der Weg der Weisheit ist keine akademische Karriere, sondern eine aufrichtige Verpflichtung und ein enges Verhältnis zu ihr. Weisheit soll als Schwester angesehen werden. Ich persönlich verstehe diesen Ausdruck Schwester in dem gleichen Sinn, in dem derselbe Verfasser, Salomo, ihn im Hohen Lied benutzt (4:9, 10, 12; 5:1, 2), wo die Schwester seine Braut und Geliebte ist: Nach Weisheit soll also wie nach einer Geliebten und intimen Freundin gesucht werden. Die Weisheit wird kein flüchtiges Verhältnis mit denen eingehen, die gerne weise sein möchten, noch ist sie eine Fremde in der Nacht wie Madame Torheit.

Ein solches Verhältnis zur Dame Weisheit ist die beste Vorbeugung für eine Torheit wie die in den Versen 6-27 berichtete. Der Unterschied zwischen Junker Einfalt und den anderen einfältigen Seelen aus Vers 7 ist der, dass er sich entschlossen hatte, Gottes Weisheit zu missachten, und das führte im Endeffekt zu seinem Straucheln. Während also der Fall des Junkers Einfalt in Vers 22 stattzufinden scheint, begann er doch schon lange vorher, als der Junker die Weisheit nicht werthielt, sondern beiläufig ignorierte. Und genau zu diesem Zeitpunkt, als der einfältige Bursche sich entschied die Weisheit zu vernachlässigen, geriet er auf den Weg der Torheit. Dessen tödliches Ende war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht in Sicht, aber es war unausweichlich.

Schlussfolgerung

Es ist eine tragische Tatsache, aber man muss es noch einmal unterstreichen: Junker Einfalt strauchelte nicht, weil er einfältig war, sondern weil er sich entschieden hatte, die Wahrheit des Wortes und die Weisheit Gottes gering zu schätzen. Wie uns die Sprüche wiederholt mitteilen, ist ja die Furcht des Herrn der Beginn der Weisheit (9:10; vgl. 1:7). Die es versäumen, die Lehre durch das Wort Gottes wertzuschätzen, bringen sich selbst auf einen Kurs, der unausweichlich zu Tod und Vernichtung führt. Diese endgültige Vernichtung ist jedoch nicht sofort sichtbar, denn:

Es gibt einen Weg, der vor dem Menschen recht erscheint, Aber am Ende ist es der Weg des Todes (14:12).

Darf ich dich ganz offen fragen, mein Freund, auf welchem Weg du dich befindest? Vielleicht hast du dich getröstet mit dem Gedanken, dass du Christus ja eigentlich nicht abgewiesen, sondern nur beschlossen hast, die Entscheidung noch etwas aufzuschieben. Du magst vorgehabt haben, mehr über die geistlichen Dinge nachzudenken, aber dann bist du doch nie dazu gekommen. Die Gefahr wird für dich ebenso wenig offensichtlich wie für Junker Einfalt; und durch deine gleichgültige Einstellung gegenüber der Weisheit Gottes, die Er in der Person Seines Sohnes darbietet (Kol 2:3), hast du kein Gefühl mehr für die vor dir liegende Vernichtung. Solche passiven Entscheidungen sind ebenso verdammlich wie tödlich. Junker Einfalt hat uns die Torheit dieses Weges demonstriert.

Ich möchte dich bitten, jetzt und in diesem Moment etwas zu tun. Ich bitte dich dringend, dich der Tatsache zu stellen, dass der Lauf der Zeit dich deiner Erlösung kein bisschen näher bringen wird. Solange du auf dem Weg der Torheit bist, bringt dich jeder Tag weiter fort von Gott und macht dich umso gleichgültiger gegenüber Gottes Wort. Ich verspreche Dir: Gott ist in der Lage, so dramatisch in dein Leben einzubrechen, wie er es mit Saulus auf dem Weg nach Damaskus tat. Der Unterschied zwischen Saulus und dir ist nur, dass Saulus der Täuschung verfallen war, er diene Gott wirklich, wenn er die Christen tötete. Du dagegen wirst nicht so sehr getäuscht als vielmehr verführt durch die Sünde. Du weißt, ebenso wie Junker Einfalt, dass das, was du tust, falsch ist, und du tust es trotzdem. Ich rate dir, noch in dieser Stunde eine Entscheidung zu treffen, so als wäre dies deine letzte Chance – weil sie es vielleicht wirklich ist. Bekenne deine Sünden, fliehe vom Weg der Torheit und glaube an Jesus Christus, durch den Gott für deine Errettung gesorgt hat. Er starb anstelle der Sünder, Er nimmt deine Schuld und Strafe auf sich. Wenn du an Ihn glaubst als an Gottes Weg zur Gerechtigkeit, so wirst du gerettet werden. Ihn abzulehnen bedeutet, das Leben abzulehnen. Und die Entscheidung darüber zu vertagen bedeutet, auf dem Weg voranzugehen, der zur Vernichtung führt.

Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen einziggezeugten Sohn hingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht zuschanden werde, sondern das ewige Leben habe. Denn Gott sandte Seinen Sohn nicht in die Welt, damit Er die Welt richte, sondern dass die Welt durch Ihn gerettet werde. Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht an Ihn glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einziggezeugten Sohnes Gottes geglaubt hat (Joh 3:16-18).

Mein christlicher Freund, lass uns die Lektion von Junker Einfalt lernen, dass sich Sünde oft entwickelt. Das ist auch die Lektion, die Jakobus in seinem Brief übermitteln wollte:

Lasst keinen sagen, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann durch das Böse nicht versucht werden, noch versucht Er selbst irgend jemanden. Aber ein jeder wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde überwältigt und gelockt wird. Und wenn die Begierde dann empfängt, gebiert sie die Sünde; und wenn die Sünde vollbracht ist, bringt sie den Tod hervor (Jak 1:13-15).

Gott warnte die alten Israeliten davor, dass sie, wenn sie das Gelobte Land erst einmal betreten und seinen Wohlstand zu genießen begonnen hätten, selbstzufrieden werden und ihre Beziehung zu Ihm vernachlässigen würden (Deut 6:10-19). Im Buch der Richter sind zahlreiche Beispiele dafür aufgezeichnet, wie das Volk Gottes sein geistliches Leben vernachlässigte, sobald seine Lage zu bequem wurde. Auch für einen Christen ist die Vernachlässigung des Wortes Gottes der erste Schritt zum Untergang (allerdings nicht dazu, dass er seine Erlösung einbüßt). Auch die Gemeinde von Ephesus hatte ihre anfängliche Liebe zu Gott verloren (Off 2:4). Die dortigen Heiligen hatten Ihn nicht verleugnet, aber sie waren selbstzufrieden geworden und liebten Ihn nicht mehr mit Inbrunst – und das führte zu ihrem geistlichen Niedergang.

Einige von uns haben vielleicht ihre anfängliche Liebe zum Herrn Jesus Christus und zu Seinem Wort schon verloren. Die vernichtenden Folgen davon mögen noch nicht offensichtlich geworden sein, aber meiner Einschätzung nach sind sie unausweichlich. Auch David entschied sich nicht aus heiterem Himmel, mit Bathseba zu sündigen, obwohl es vielleicht so aussehen mag. David lag faul im Palast und sonnte sich in seinem Ruhm als Heerführer, während sein Heer den Kampf für ihn weit weg und in seiner Abwesenheit kämpfte (2.Sam 11:1). In allererster Linie hätte er also nicht im Bett herumliegen sollen: Hätte er seine Verpflichtungen als Israels König und Heerführer wahrgenommen, so hätte es ihn nicht zu Hause nach der Frau eines anderen Mannes gelüstet. Wahrscheinlich war David sogar schon vor diesem Ereignis gleichgültig auf seinem Weg mit Gott geworden. Die inbrünstigsten und leidenschaftlichsten seiner Psalmen sind die, die er in der Zeit des Leidens und der Verfolgung unter Sauls harter Hand geschrieben hatte. Aber inzwischen lief alles gut für ihn – zu gut. Sünde entwickelt sich. Anfangs kaum merkliche Fehler und Entscheidungen aus Passivität werden schließlich und endlich ins Unheil führen.

Christlicher Freund, wenn du ehrlich bist – wie auch ich es sein muss –, müssen wir alle zugeben, dass es die Neigung unseres Herzens ist, wie der Junker Einfalt von Gott fort zu ziehen und Sein kostbares Wort außer Acht zu lassen. Wie der Schreiber eines Liedes es ausdrückte: Möchte Wandern, Herr, ich spür' es, Den verlassen, den ich lieb'. Findest du dich darin wieder, mein Freund? Ich schon. Lasst uns aus diesem Abschnitt lernen, dass die Sünde oft schon lange empfangen wurde, bevor sie endlich geboren wird.

Mich beeindruckt die Tatsache sehr, dass die ersten neun Kapitel der Sprüche fast ausschließlich dem Preis der Weisheit gewidmet sind und der Mahnung an den Leser, sie als den größten Schatz zu suchen, den es zu erwerben gibt. Fleiß und Disziplin sind dafür erforderlich, aber es lohnt jede Anstrengung. Warum muss man so viel Zeit und Mühe aufbringen, um diesen Punkt klar zu machen? Junker Einfalt erinnert uns daran, dass wir immer geneigt sind, die Weisheit nicht so hoch zu schätzen, wie wir es müssten, um weise zu werden. Junker Einfalt vernachlässigte die Weisheit, weil sie ihm nicht wirklich wertvoll oder wichtig erschien. Wir vernachlässigen Gottes Wort und unsere Beziehung zum Herrn aus dem gleichen Grund. Niemand ist bereit, das Opfer auf sich zu nehmen, das die Weisheit fordert, wenn er es nicht zuvor als lohnenswert erkannt hat.

Das ist für mich einer der zwingenden Gründe für die religiöse Anbetung: Wenn wir unseren Herrn anbeten, konzentrieren wir uns auf Seinen unendlichen Wert – Seine Gnade, Seine Macht, Seine Liebe, Sein Opfer am Kreuz von Golgatha. Anbetung erinnert uns daran, wer Gott ist, und daran, dass es ein unendliches Privileg ist, Ihn zu kennen und Ihm zu dienen, koste es, was es wolle. Wir vernachlässigen nur das, was wir nicht hoch genug schätzen. Anbetung richtet unsere Prioritäten und unser Wertesystem wieder so aus, dass wir Ihm um jeden Preis zu gefallen trachten.

Darin liegt auch eine Zurechtweisung für alle diejenigen von uns, die das Evangelium zu verbreiten suchen, indem sie die damit verbundenen Kosten herunterspielen. In einer Hinsicht kostet die Erlösung die Menschen nichts, denn wir können durch unsere Werke nichts dazu beitragen (Eph 2:8-9). Aber obwohl unsere Erlösung kostenlos ist, war sie doch nicht billig, denn sie wurde um den Preis des Blutes unseres teueren Herrn erreicht. Um ein Christ zu werden, genügt es nicht, der Guten Botschaft einfach zuzustimmen. Um gerettet zu werden, müssen die Menschen nicht nur bestimmte Dinge über Ihn glauben, sondern sie müssen an Ihn glauben als an den einzigen Weg zu Gottes Vergebung der Sünden und zum Geschenk des ewigen Lebens. Ein Christ zu werden erfordert viel mehr als eine einmalige Entscheidung, wie wichtig auch immer diese selbst sein mag. Erlöst zu werden heißt, sich für einen neuen Weg zu entscheiden, und das beinhaltet zu bereuen, der Sünde zu entsagen und dem Herrn Jesus als Sein Jünger zu folgen. Wenn wir aber die Kosten der Jüngerschaft bagatellisieren, so heißt das, dass es wohl doch nicht ganz so wichtig ist, gerettet zu werden. Ich stelle fest, dass das Buch der Sprüche sowohl den Wert der Weisheit betont als auch die Notwendigkeit von Fleiß und Hingabe vonseiten dessen, der weise sein möchte. Lassen Sie uns niemals den Wert unserer Erlösung schmälern noch die Nachfolge unseres Erlösers als eine Sache minimaler Verpflichtungen und Kosten hinstellen.

Und als sie nun auf dem Weg waren, sagte Einer zu Ihm: Ich will Dir folgen, wohin Du auch gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nichts, wo Er Sein Haupt niederlegen könnte. Und Er sprach zu einem Anderen: Folge mir nach. Der aber sagte: Erlaube mir, erst hinzugehen und meinen Vater zu begraben. Aber Er sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkündige das Reich Gottes überall. Und ein Anderer sagte: Ich will Dir nachfolgen, Herr, aber erlaube mir zuerst, dass ich Abschied nehme von denen in meinem Haus. Aber Jesus sprach zu ihm: Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und sieht nach hinten, ist tauglich für das Reich Gottes. (Luk 9:57-62).

Möge Gott uns in die Lage versetzen, Ihm nachzufolgen, koste es, was es wolle, und in dem Wissen, dass kein Opfer jemals zu groß ist gegen die Freude, Ihn zu kennen und Ihm zu dienen.


21 Diese Einteilung wurde von Kidner vorgeschlagen. Vgl. Derik Kidner, The Proventa (Chigago: Inter-Varsity Press, 1964), S. 75-76.

22 Delitzsch glaubt, dass Junker Einfalt an der Ecke bei Madame Torheit herumlungerte und auf sie wartete und nach ihr Ausschau hielt. Er sagt: Auf der Straße ging er auf und nieder, doch so, dass er in der Nähe ihrer (d.h. der Frau, auf die er wartete) Ecke blieb, d.h. er entfernte sich nie weit von ihrer Hausecke und kehrte immer wieder dorthin zurück. Franz Delitzsch, Biblical Commentary on the Proverbs of Solomon (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans [Photolithodruck], 1968), I. S. 159.

23 Wörtlich: 'die Pupille des Auges', von deren intaktem Zustand die Sehfähigkeit abhängt, und dem entsprechend etwas, das mit äußerster Sorgfalt gehütet werden muss. A. Cohen, Inaignha (London: The Soncino Press, 1946), S. 39.

Passage: 

5. Der Tor (Sprüche 26:1-11)

Einleitung

Wenn wir das Wort Tor hören, fallen uns sofort gewisse Leute ein. Der Erste, an den ich dachte, war der Schauspieler Jerry Lewis, dann die Three Stooges, Larry, Curly und Mo, dann die Marx Brothers, Maxwell Smart, Tim Conway und Don Knotts. Ich finde es interessant, dass auf keinen dieser Männer die Definition passt, die uns die Sprüche von einem Toren geben. Die Toren, an die ich dachte, sind alle ziemlich harmlose Kreaturen, im Grunde unschuldig und mit guten Absichten. Sie alle rufen in uns ein gewisses Mitleid, gepaart mit Belustigung, hervor. Nicht so der Tor im Buch der Sprüche. Und das ist nur einer der Gründe, warum das Studium des Toren von Wichtigkeit ist.

Wenn wir aber die Worte unseres Herrn Ernst nehmen, müssen wir uns zuvor fragen, ob unser Studium vor Ihm gerechtfertigt ist im Hinblick auf Seine Lehre in Matthäus 5:22:

Ich aber sage euch, das ein Jeder, der mit seinem Bruder zürnt, schuldig sein soll vor dem Gericht; und wer immer zu seinem Bruder sagt Rhaka [du nichtsnutziger Trottel], soll schuldig sein vor dem höchsten Gerichtshof; und wer immer zu seinem Bruder sagt du Tor, soll des höllischen Feuers schuldig sein.

In der Bergpredigt, aus der dieser Vers stammt, versuchte unser Herr zu zeigen, dass Er nicht gekommen war, um die Forderungen des Gesetzes außer Kraft zu setzen, sondern um sie zu bestätigen, so dass sie sogar noch strenger als bis dahin üblich in Israel ausgelegt würden. Es war danach nicht nur eine Sünde zu morden (5:21), sondern es war auch falsch, einem Bruder zu zürnen (5:22ff), denn Zorn kann zum Mord führen, geradeso, wie Begierde zur Unmoral führen kann (5:27-30).24 Seinen Bruder einen Toren zu nennen heißt, ihn als wertlos zu bezeichnen. Wenn ein Mensch nur ein Tor ist, ein Schandfleck für die Gesellschaft, so wäre es für alle Teile besser, wenn er tot wäre. Wenn man also bestimmt, dass Jemand wertlos ist, heißt das zu beschließen, dass die Welt ihn am Besten loswerden sollte, und das ist nur einen kleinen Schritt weit vom Mord entfernt. Unser Herr verdammte nicht die charakterliche Einschätzung eines Menschen, sondern den Anschlag auf den Charakter.

Ebenso wie unser Herr uns nicht verboten hat, den Charakter eines Toren als Solchen zu erkennen, empfiehlt das Buch der Sprüche eine solche Abschätzung sogar als notwendig für alle, die weise zu sein begehren. Dabei werden mehrere Gründe angegeben für die Notwendigkeit, zwischen Toren und Weisen unterscheiden zu können.

1. MIT TOREN UMGANG ZU PFLEGEN IST EBENSO TÖRICHT WIE UNANGENEHM. Bis zu einem gewissen Grade ist Torheit ansteckend, und der Umgang mit Toren beeinträchtigt leicht unsere Fähigkeit, Wahrheit von Irrtum und Weisheit von Torheit zu unterscheiden.

Geh weg von dem Toren, denn sonst wirst du die Worte der Erkenntnis nicht hören (14:7).

Ein Tor ist zu seiner eigenen Vernichtung bestimmt, und er wird unausweichlich alles auf seinem Wege zerstören. Denen, die einem Toren in die Quere kommen, wird er Weh tun:

Besser einer Bärin zu begegnen, die ihrer Jungen beraubt wurde, Als einem Toren in seiner Torheit (17:12).

Der Spötter, als Tor in seiner schlimmsten Form25, sollte nicht nur gemieden, sondern sogar verjagt werden:

Treibe den Spötter hinaus, und der Zank wird fort gehen; Selbst Hader und Schmähung werden enden (22:10).

Wenn es für jemanden wichtig ist, einen Toren erkennen zu können, so für den jungen Mann oder die junge Frau, die auf der Suche nach einem Lebenspartner sind. Es gibt nichts Erbärmlicheres als mit einem Toren verheiratet zu sein. Die Sprüche wählen den positiven Zugang zu diesemThema, indem sie die gottgefällige Ehefrau preisen (z.B. 31:10-31); der Tor aber sollte als Ehepartner vermieden werden. Abigail war mit einem Toren verheiratet (1.Sam 25); Gott jedoch war so gnädig, sie durch seinen Tod davon zu befreien – aber das ist nicht der Normalfall. Sie hatte vielleicht nicht viel zu sagen bei ihrer Verheiratung mit Nabal – Sie aber haben es, und Sie werden mit den Folgen einer falschen Partnerwahl leben müssen.

2. EINEN TOREN ANZUSTELLEN IST EIN TRAGISCHER FEHLER. Alle, die zuständig für die Einstellung von Arbeitskräften sind, sollten besonders die Warnung zur Kenntnis nehmen, die die Sprüche für denjenigen haben, der einen Toren anstellt.

Wer eine Botschaft in die Hand eines Toren legt, Der ist wie einer, der sich selbst die Füße abhaut und trinkt Gewalttätigkeit (26:6).

Wie ein Bogenschütze, der jeden verwundet, So ist der, der einen Toren oder einen Vorübergehenden dingt (26:10).

3. KINDER SIND VON NATUR AUS TOREN, UND DESHALB MÜSSEN ELTERN WISSEN; WIE MAN GEGEBENENFALLS MIT TORHEIT UMGEHT.

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft; Aber die Rute der Zucht wird sie von ihm entfernen (22:15).

Die Sprüche bieten Eltern die Hoffnung, dass Torheit geheilt werden kann, wenn sie früh erkannt und mit Sorgfalt bestraft wird.

4. MIT TOREN MUSS MAN ANDERS UMGEHEN ALS MIT WEISEN. Wir können nicht mit allen Menschen auf die gleiche Weise umgehen. Unsere Reaktionen auf verschiedene Menschen muss sich nach den Charakterzügen richten, die sie an den Tag legen.

Wer den Spötter belehrt, trägt selber Schande davon; Und wer den Bösen zurechtweist, einen Makel. Weise einen Spötter nicht zurecht, damit er dich nicht hasst; Weise einen weisen Mann zurecht, und er wird dich lieben (9:7-8).

Antworte dem Törichten nicht nach seiner Torheit, Damit du ihm nicht gleich wirst. Antworte dem Törichten gemäß seiner Torheit, Damit er sich nicht als weise ansieht (26:4-5).

Diese Betrachtungen setzen voraus, dass wir den Charakter anderer Menschen und insbesondere den eines Toren erkennen können. Nach dem Studium der Sprüche werden wir nicht nur in der Lage sein, Torheit bei Anderen zu sehen, sondern wir werden auch ein gerütteltes Maß davon in uns selber finden. Möge Gott uns in die Lage versetzen, ehrlich zu uns selbst zu sein, unsere Torheit zu bekennen und ihr zu entsagen als sündig und zerstörerisch für uns wie für Andere.

Charakterzüge eines Toren

Man kann einen Toren viel leichter dadurch identifizieren, was er nicht ist als dadurch, was er ist. Beachten Sie die folgenden Charakterzüge des Toren, wie ihn das Buch der Sprüche beschreibt:

1. DER TOR IST NICHT RECHTSCHAFFEN. Der Tor hasst alles Heilige, Gerechte und Gute, und er liebt das Böse.

Ein Begehren, das verwirklicht wird, ist der Seele angenehm, Aber vom Bösen zu weichen, ist dem Toren ein Gräuel (13:19).

Dem Toren ist das Böse wie ein Sport; Und dem einsichtigen Mann die Weisheit (10:23).

Die Toren spotten der Schuld, Aber unter den Aufrichtigen ist guter Wille (14:9).

2. DER TOR IST NICHT WEISE. Überall in den Sprüchen ist der Tor das Gegenstück zum Weisen. Weisheit wird der Torheit gegenüber gestellt. Der Tor besitzt keine Weisheit, er kann sie nicht erlangen, und er wollte sie nicht erlangen, selbst wenn er es könnte.

  • DER TOR BESITZT KEINE WEISHEIT:

Die Lippen des Gerechten erquicken viele, Aber die Toren werden aus Mangel an Verständnis sterben (10:21; vgl. 1:20-33).

  • DER TOR IST NICHT FÄHIG, WEISHEIT ZU ERLANGEN:

Warum ist das Geld, um Weisheit zu kaufen, in der Hand eines Toren, Wenn er doch keinen Verstand [wörtlich: kein Herz] hat? (17:16).

Der Spötter sucht Weisheit und findet sie nicht, Aber für den Verständigen ist Erkenntnis leicht (14:6).

Für einen Toren ist Weisheit zu hoch, Er wird seinen Mund in den Toren nicht auftun (24:7).

Der Tor hat nicht die Fähigkeit, Weisheit zu erlangen. Mit den Worten von Vers 17:16 gesagt, hat er kein Herz dafür. Er mag die Weisheit scheinbar suchen, doch er ist unfähig, sie zu erkennen oder zu behalten.

  • DER TOR HAT NICHT DEN WUNSCH NACH WEISHEIT; UND ER WÜRDE SIE SELBST DANN ZURÜCKWEISEN, WENN ER SIE ERWERBEN KÖNNTE, WEIL ER SIE HASST:

Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis; Die Toren verachten die Weisheit und die Anweisung (1:7; vgl. 1:22).

Das Herz des Klugen sucht nach Erkenntnis, Aber der Mund des Toren ernährt sich von Torheit (15:14).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, Denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten (23:9).

Der Tor steht der Weisheit nicht neutral gegenüber – er hasst sie. Weisheit ist für einen Toren, was Leber für mich ist: so häufig und freigebig sie mir auch angeboten werden mag, tue ich doch alles nur mögliche, um darum herumzukommen.

3. DER TOR IST UNREALISTISCH. Dem Törichten gelingt es nicht, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Die Wirklichkeit wird durch den verzerrten Blick des Toren auf das Leben verfälscht.

  • DER TOR SIEHT SICH SELBST NICHT REALISTISCH, indem er sein Wissen und seine Fähigkeiten überschätzt:

Stolz, Hochmütig, Spötter sind die Namen dessen, Der mit unverschämtem Stolz handelt (21:24).

  • DER TOR SIEHT DAS LEBEN NICHT REALISTISCH. Er glaubt, dass Weisheit leichterhand erworben werden kann, wie eine Tafel Schokolade im Laden an der Ecke.

Warum ist das Geld, um Weisheit zu kaufen, in der Hand eines Toren, Wenn er doch keinen Verstand hat? (17:16).

  • DER TOR KÜMMERT SICH NICHT UM DIE TATSÄCHLICHEN GEGEBENHEITEN und der Wunsch ist Vater seines Gedankens. Sein Schiff ist ständig dabei zu kommen.

Ein Verständiger hat die Weisheit vor Augen, Aber die Augen eines Toren sind am Ende der Welt (17:24).

4. DER TOR HAT KEINE DISZIPLIN. Der Tor sieht Selbstbeherrschung als unnötige und nutzlose Ablehnung eines augenblicklichen Vergnügens an. Deswegen fehlt es ihm an Disziplin auf jedem Gebiet im Leben.

  • DER TOR GEHT NICHT DISZIPLINIERT MIT GELD UND MATERIELLEN RESOURCEN UM:

Ein wertvoller Schatz und Öl sind im Hause des Weisen, Aber ein törichter Mensch wird sie verschlingen (21:20).

  • DER TOR DISZIPLINIERT SEINE LAUNEN NICHT:

Ein Tor macht seine Verärgerung sofort bekannt, Aber ein kluger Mann verbirgt die Schande (12:16).

Ein Tor verliert die Beherrschung, Aber ein weiser Mann bewahrt sie (29:11).

  • DES TOREN MUND IST UNDISZIPLINIERT:

Ein kluger Mann verbirgt sein Wissen, Aber das Herz des Törichten ruft Torheit aus (Spr 12:23).

Die Zunge des Weisen macht die Erkenntnis annehmbar, Aber der Mund des Toren speit Torheit (15:2; vgl. 18:2,7).

Es verwundert wenig, dass der Tor als schwätzender Tor (wörtlich: der törichter Lippen ist) bezeichnet wird (10:8,10).

5. DER TOR IST UNZUVERLÄSSIG.

  • ER IST UNZUVERLÄSSIG BEI SEINER ARBEIT: Der Tor ist unehrlich und schlecht, man kann ihm in keiner Hinsicht vertrauen.

Wer eine Botschaft in die Hand eines Toren legt, Der ist wie einer, der sich selbst die Füße abhaut und trinkt Gewalttätigkeit (26:6).

Wie ein Bogenschütze, der jeden verwundet, So ist der, der einen Toren oder einen Vorübergehenden dingt (26:10).

  • ER IST UNZUVERLÄSSIG IN SEINEN WORTEN. Die Worten eines Toren müssen immer infrage gestellt werden. Er ist ein Lügner, ein Betrüger und ein Verleumder.

Falsche Lippen bergen Hass, Und der Verleumdung verbreitet, ist ein Tor (10:18).

Die Weisheit des Klugen besteht darin, seinen Weg zu verstehen, Aber die Torheit des Toren ist die Täuschung (14:8).

Ein armer Mann, der in Lauterkeit wandelt, ist besser Als einer, der Verkehrtes spricht und ein Tor ist (19:1).

Selbst das, was der Tor für wahr hält, ist vielleicht nur seine eigene wertlose Meinung.

Die Zunge des Weisen macht die Erkenntnis annehmbar, Aber der Mund des Toren speit Torheit (15:2).

Die Lippen des Weisen breiten Erkenntnis aus, Aber die Herzen der Toren sind nicht so (15:7, vgl. Vers 14).

6. DER TOR IST UNBELEHRBAR. So sehr man sich auch bemüht: einem Toren versuchen etwas beizubringen ist bestenfalls frustrierend, oft aber auch schmerzlich. Wann immer ein Tor sich mit Weisheit und Belehrung konfrontiert sieht, wird er sie zurückweisen.

Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis; Die Toren verachten die Weisheit und die Anweisung (1:7).

Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung. Daher sollen sie von den Früchten ihres eigenen Weges essen Und übersättigt werden mit ihren eigenen Ratschlägen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten (1:29-32).

Der Tor widersetzt sich jeder Disziplinierung.

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber der die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Wer den Spötter belehrt, trägt selber Schande davon; Und wer den Bösen zurechtweist, einen Makel. Weise einen Spötter nicht zurecht, damit er dich nicht hasst; Weise einen weisen Mann zurecht, und er wird dich lieben (9:7-8).

Ein Spötter liebt den nicht, der ihn zurechtweist; Zu den Weisen wird er nicht gehen (15:12).

Ein Tadel dringt tiefer ein in einen Verständigen Als einhundert Schläge in einen Toren (17:10).

Die Torheit eines Toren sitzt tief. So sehr man sich auch bemüht, den Toren von seiner Torheit zu befreien, werden solche Anstrengungen doch zu Nichts führen. Ein Tor und seine Torheit sind anscheinend untrennbar miteinander verbunden.

Selbst wenn du den Toren zusammen mit den Getreidekörnern mit einem Stößel im Mörser zerstößt, Wird doch seine Torheit nicht von ihm weichen (27:22).

Der Tor kann nocht nicht einmal aus seinen eigenen Fehlern lernen. Wenn er Gelegenheit dazu hat, wird er seine Torheiten immer wieder tun:

Wie ein Hund, der zu seinem Gespeiten zurückkehrt, Ist der Tor, der seine Torheit wiederholt (26:11).

Es ist paradox aber wahr, dass der Tor – obwohl er sich selber der Belehrung verweigert – unbedingt Andere aus seinem Schatz an Weisheit belehren möchte.

Ein kluger Mann verbirgt sein Wissen, Aber das Herz des Törichten ruft Torheit aus (12:23).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

7. DER TOR IST UNANGENEHM, UNBELIEBT UND UNERWÜNSCHT. Der Tor ist eine Plage und ein Makel für die Gesellschaft. Er fügt seinen Eltern Schmerzen zu, denn er hasst sie (15:20) und macht ihnen Kummer (10:1; 17:21,25; 19:23). Er ist ein Verhängnis, wo immer er auftaucht (10:14; 17:12). Er behindert die Erkenntnis Anderer (14:7). Seine Sprache ist verleumderisch (10:18). Der Tor ist streitsüchtig (20:3) und rührt Uneinigkeit und Ärger auf.

Die Lippen des Toren bringen Zank, Und sein Mund ruft nach Schlägen (18:6).

Treibe den Spötter hinaus, und der Zank wird fort gehen; Selbst Hader und Schmähung werden enden (22:10).

Spötter entflammen eine Stadt, Aber die Weisen wenden den Zorn ab (29:8).

Für die Gesellschaft ist der Tor ein Horror.

Das Vorhaben der Torheit ist Sünde, Und der Spötter ist den Menschen ein Gräuel (24:9).

Die Ursachen der Torheit

Ich glaube, man kann die Ursachen der Torheit auf zwei prinzipielle Entscheidungen reduzieren: auf die Entscheidung, Gott zu misstrauen, und die Entscheidung, sich auf sein eigenes Herz zu verlassen.

Erstens ist der Tor jemand, der sich bewusst entschlossen hat, dem Weg der Weisheit nicht zu folgen. Obwohl die Weisheit nach ihm suchte, hat er sich ihr widersetzt und sie zurückgewiesen.

Weil ich rief und ihr euch weigertet; Weil ich meine Hand ausstreckte, aber keiner da war, der darauf Acht gab, Und ihr all meinen Rat unbeachtet ließet Und meine Zurechtweisung nicht wolltet; ... Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten (1:20-25,29).

Der Tor steht der Weisheit nicht neutral gegenüber; er hasst sie und er liebt das Schlechte seines eigenen Weges (vgl. 10:23;13:19; 29:27).

Zweitens wird man ein Tor, wenn man sich auf sich selbst verlässt. Wenn man nicht auf Gott vertrauen will (1:7,29), muss man auf sich selbst vertrauen. Die Sprüche sagen uns, dass der Tor selbstgewiss ist und auf seine eigene Weisheit statt auf Gott und den Ratschlag der Weisen vertraut.

Der Weg des Toren ist recht in seinen Augen, Aber wer auf einen Rat hört, ist weise (12:15).

Für den Toren ist niemand vertrauenswürdiger, weiser oder verlässlicher als er selbst.

Wer sich auf sein eigenes Herz verlässt, ist ein Tor; Aber wer in Weisheit wandelt, wird entrinnen (28:26).

Wenn wir uns der törichten Neigung bewusst werden, nur auf sich selbst zu vertrauen, verhilft uns das zu einem tieferen Verständnis für einen der bekanntesten Abschnitte im Buch der Sprüche:

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:5-7).

Der Tor, der sich auf sein eigenes Wissen verlässt, verweigert sich der Furcht des Herrn und entschließt sich für den Weg des Bösen.

Diese Entscheidung, sich selbst zu vertrauen, führt zu Arroganz (21:24) und Missachtung jeder Autorität, einschließlich der der eigenen Eltern (15:5; 10:8). Der Tor zeichnet sich durch Selbstzufriedenheit aus (1:32): Wer braucht schließlich Anleitung, wenn er alles weiß? Wer braucht Berichtigung, wenn er sich nie irrt? Wer braucht Fortentwicklung, wenn er doch schon Weisheit und Reife erlangt hat? Dem entsprechend hat der Tor einen autonomen Geist und lebt sein Leben ohne Rücksicht (14:16).

Der Umgang mit einem Toren

Jetzt, da wir die Eigenschaften des Toren gesehen und die Wurzeln seiner Torheit kennen gelernt haben, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf den Umgang mit Toren richten. Die Sprüche haben Einiges zu diesem Thema zu sagen, und fast die ganze Anleitung bezieht sich darauf, was wir nicht tun sollten: Unser Tun im Hinblick auf die Toren ist oft eher negativ als positiv.

1. WIR SOLLTEN DIE TOREN, WENN IRGEND MÖGLICH, MEIDEN. Weisheit ist für einen Toren nicht ansteckend, wohl aber Torheit für einen Weisen; daher sollte der Weise den Toren meiden.

Geh weg von dem Toren, denn sonst wirst du die Worte der Erkenntnis nicht hören (14:7).

Zudem ist der Tor gefährlich und schädlich, und wir sollten ihn meiden wie eine Bärin, die ihrer Jungen beraubt wurde (17:12).

2. WIR SOLLTEN DIE TOREN VERTREIBEN. Wenn wir dem Toren nicht aus dem Weg gehen können, muss er selber gegebenenfalls vertrieben werden.

Treibe den Spötter hinaus, und der Zank wird fort gehen; Selbst Hader und Schmähung werden enden (22:10).

Das Neue Testament lehrt uns, dass Christen nicht mit Menschen Umgang pflegen sollen, die sich zum Christentum bekennen, aber in Sünde leben (1.Kor 5:9-13). Die Kirche wird angewiesen, diejenigen auszustoßen, die biblische Zurechtweisung und Berichtigung missachten (Mat 18:15-17; 1.Kor 5:5). Paulus' an Titus gerichtete Worte scheinen in engem Bezug zu der Lehre der Sprüche zu stehen, dass wir den Toren aus dem Wege gehen sollten:

Weise einen ketzerischen Menschen ab, wenn er ein erstes und ein zweites Mal ermahnt wurde, da du weißt, dass ein solcher Mann verkehrt und sündig ist und durch sich selbst verdammt wird (Tit 3:10-11).

3. WIR SOLLTEN UNSERE ANLEITUNG NICHT AN NARREN VERSCHWENDEN. Im Neuen Testament lehrt Jesus, dass wir nicht Perlen vor die Säue werfensollten (Mat 7:6). Im Buch der Sprüche wird uns gesagt, dass wir nicht versuchen sollten, die Toren anzuleiten:

Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, Denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten (23:9).

4. WIR SOLLTEN DEM TOREN NICHT ERLAUBEN, UNS AUF SEIN NIVEAU HERABZUZIEHEN. Ein Tor kann einen zur Verzweiflung bringen; er sucht Ärger und wir sind oft versucht, ihm darin zu folgen. Wenn der Tor mit Allem herausplatzt, was ihm in den Sinn kommt, sind wir versucht, ebenfalls die Berherrschung zu verlieren. Die Sprüche mahnen uns, ihm nicht das Beste in uns preiszugeben, auf dass wir uns nicht auf sein Niveau hinab begeben.

Antworte dem Törichten nicht nach seiner Torheit, Damit du ihm nicht gleich wirst (26:4).

5. WIR SOLLTEN EINEN TOREN NICHT UNANGEMESSENER HOCHACHTUNG WÜRDIGEN, DAMIT ER SICH NICHT GESCHMEICHELT FÜHLT UND NOCH AUFGEBLASENER WIRD. Der Tor ist großspurig und stolz und wird jede positive Bermerkung als Kompliment ansehen. Wir sollten es vermeiden, ihn in irgendeiner Weise zu ehren.

Wie Schnee im Sommer und Regen in der Ernte, So ziemt sich Ehrung nicht für einen Toren (26:1).

Antworte dem Törichten gemäß seiner Torheit, Damit er sich nicht als weise ansieht (26:5).

6. WIR SOLLTEN NICHT VERSUCHEN, EINEN TOREN ZU BESSERN, DENN DADURCH STRAFEN WIR UNS NUR SELBER. Der Tor ist niemals offen für Zurechtweisung oder Verbesserung. Wenn man einen Toren durch bloße verbale Zurechtweisung berichtigen will, ist jede Anstrengung vergeblich.

Wer den Spötter belehrt, trägt selber Schande davon; Und wer den Bösen zurechtweist, einen Makel. Weise einen Spötter nicht zurecht, damit er dich nicht hasst; Weise einen weisen Mann zurecht, und er wird dich lieben (9:7-8).

Wenn ein weiser Mann mit einem Toren ins Gericht geht, Rast der Tor oder er lacht, und es gibt keine Ruhe (29:9).

7. WIR SOLLTEN EINEM TOREN DAS LEBEN NICHT LEICHT MACHEN. Verbale Zurechtweisung bewirkt zwar bei den Toren nichts, doch sollten wir uns auch nicht bemühen, die schmerzhaften Folgen ihrer Torheit abzumildern. Der Weg des Gesetzesübertreters ist holprig (13:15) und die Unvernunft eines Toren wird einiges an Schwierigkeiten mit sich bringen. Solch schmerzhafte Konsequenzen aus der Sünde können das Mittel werden, das den Toren zum Ende seiner Torheit bringt – aber unabhängig davon sollte man die schmerzhaften Schläge der Sünde für den Toren nicht abfangen.

In des Toren Mund ist die Rute für seinen Hochmut, Aber die Weisen bewahrt ihr Mund (14:3).

Die Lippen des Toren bringen Zank, Und sein Mund ruft nach Schlägen. Des Toren Mund ist sein Verderben, Und seine Lippen sind die Schlinge für seine Seele (18:6-7).

Luxus ziemt sich nicht für einen Toren; Viel weniger noch für einen Knecht, zu herrschen über Fürsten (19:10).

Der Verlorene Sohn kam erst zur Vernunft, als er die Folgen seiner Torheit erleiden durfte (Luk 15:11-14). Wir dürfen einen Toren nicht davon abhalten, in die Schweineställe des Lebens zu gehen, denn das ist der Ort, an dem sie ihre Torheit vielleicht erkennen werden.

8. TOREN SOLLTEN HART BESTRAFT WERDEN. Toren lernen nichts aus einem Vortrag, aber über einen körperlichen Schmerz können sie nicht hinweggehen. Die einzige Methode, einen Toren zu strafen ist die Rute.

Die Peitsche ist für das Pferd, der Zaum für den Esel Und die Rute für den Rücken des Toren (26:3).

Der Tor lernt vielleicht noch nicht einmal durch eine harte Strafe, aber Anderen mag es eine Lehre sein, das Ergebnis der Torheit zu sehen.

Schlägt man den Spötter, so werden die Unvernünftigen klug; Aber wenn man den Verständigen zurechtweist, wird er an Erkenntnis gewinnen (19:25; vgl. 21:11).

Die vorstehenden Prinzipien für den Umgang mit Toren könnten dazu führen, dass wir falsche Schlüsse ziehen. Ist der Tor ein vollkommen hoffnungsloser Fall? Sollten wir nicht jede Anstrengung unternehmen, um ihn von seiner Torheit zu bekehren? Was folgt aus den Sprüchen für die Evangelisation? In gewisser Hinsicht sind doch alle Ungläubigen Toren, da sie die Furcht des Herrn ablehnen – sollten wir also nichts dafür tun, um sie für Christus zu gewinnen? Die Antworten auf diese Fragen sind ebenfalls in den Sprüchen zu finden.

Der springende Punkt in den Sprüchen ist der, dass der Tor aus seiner Torheit nicht herausargumentiert, nicht herausbeschämt und wahrscheinlich noch nicht einmal herausgeprügelt werden kann (vgl. 27:22). Das sollte uns aber nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, dass der Tor ein vollkommen hoffnungsloser und hilfloser Fall ist. Jeder, der Christus nicht kennt, ist hoffnungslos von der göttlichen Vermittlung abgeschnitten. Der Grund dafür, dass wir gemäß der Lehre der Sprüche nicht versuchen sollen, einen Toren zu reformieren, ist der, dass er transformiert werden muss. Das Problem des Toren liegt in seinem Herzen (3:5; 4:23).

Die Sprüche erinnern uns daran, dass ein Tor von seiner Sünde erlöst werden muss, bevor wir ihm helfen können, sich von seiner Torheit zu befreien. Anstatt an den Symptomen der Torheit zu arbeiten, müssen wir uns mit dem Kern der Sache beschäftigen. Beachten Sie, dass sich die Weisheit in den Sprüchen allen Menschen anbietet; und insbesondere der Tor wird dazu gedrängt, sich von seiner Torheit abzukehren.

Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen? Kehrt um zu meiner Zurechtweisung, Dann will Ich meinen Geist über euch ausgießen; Ich will euch meine Worte bekannt geben (1:22-24).

Kommt, nährt euch von meinem Brot Und trinkt von dem Wein, den ich gemischt habe. Verlasst die Torheit und lebt Und geht voran auf dem Weg des Verständnisses (9:5-6).

Die Lösung für den Toren besteht darin, dass er sich von seiner Torheit und seiner Selbstgewissheit abkehrt und zur Gottesfurcht bekehrt. Wenn wir dem Toren helfen wollen, können wir das nur tun, indem wir ihm den Weg der Erlösung aufzeigen – aber nicht, indem wir ihn informieren (durch Lehren) oder reformieren (durch Zurechtweisung und Korrektur). Nur durch das Evangelium kann ein Mensch transformiert werden kraft des vergossenen Blutes Jesu Christi.

Schlussfolgerung

Es gibt für einen Christen viel zu lernen aus dem, was die Sprüche über den Toren sagen. Lassen Sie mich hier einige Themen vorschlagen, über die Sie mit Gewinn nachdenken könnten.

Erstens: Wenn wir zustimmen, dass Torheit Sünde ist, müssen wir uns auch dessen bewusst werden, dass Sünde Torheit ist. Wann immer wir uns für die Sünde entscheiden, entschließen wir uns gleichzeitig, die Rolle des Toren zu übernehmen. Zu sündigen heißt, dass wir uns weiser vorkommen als Gott und besser in der Lage, die Dinge zu beurteilen als Er. Sünde ist der Entschluss, Gottes Weisheit abzulehnen und unser Glück auf eigene Faust zu versuchen. Im Garten Eden täuschte Satan Eva, indem er sie glauben machte, dass Gottes Verbot unklug und unfreundlich sei und dass der Ungehorsam sie weise, ja sogar gottähnlich machen würde (Gen 3:5-6). So ist es immer mit der Sünde – wir können uns nicht für die Sünde entscheiden, ohne Gottes Weisheit damit zurückzuweisen. Sünde ist Torheit.

Zweitens kann man sich Satan als den Fürsten unter den Toren vorstellen. Wenn ich die Charakterzüge des Toren überdenke, komme ich zu dem Schluss, dass niemand dadurch besser beschrieben wird als Satan selbst. Er entschied sich dafür, gegen Gott zu rebellieren und seinen eigenen Willen gegen den Willen Gottes durchzusetzen (Jes 14:12-15). Er erfreut sich an der Sünde und bemüht sich aktiv, Andere auf seinen Weg des Bösen zu führen. Er sieht es als seine Pflicht an, Andere zu behindern und zum Verderben zu führen (1.Pe 5:8). Er ist ein Betrüger (1.Tim 2:14; Off 20:3), ein Sünder (1.Joh 3:8), ein Lügner und Mörder (Joh 8:44). Er klagt die Heiligen vor Gott an und verleumdet sie (Off 12:10). Er ist arrogant und stolz (Hes 28:17; 1.Tim 3:6). Er ist ein Unruhestifter und ein Ärgernis. Deswegen sollten wir ihm aus dem Weg gehen, und wir sollten nicht den Versuch machen ihn zurechtzuweisen (Jud 8-9). Satan ist der Fürst der Toren, er verkörpert das Wesen der Torheit.

Drittens: Jeder muss sich entscheiden, in wessen Augen er als ein Tor erscheinen will. Der sich selbst für weise hält, ist töricht vor Gott, und der auf Gott vertraut und den Weg der Weisheit geht, ist ein Tor für Satan (vgl. Hi 1) und für diejenigen, die ohne Christus leben. Der Weg des Kreuzes ist töricht in den Augen der Unerlösten (1.Kor 1:18-25). Um wahrhaft weise zu werden, müssen wir unserer begrenzten menschlichen Weisheit entsagen (Spr 3:5-6) und auf die Weisheit Gottes bauen. Wir müssen töricht werden, um Weisheit zu erlangen:

Niemand betrüge sich selbst. Wenn sich einer unter euch dünkt weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Tor, damit er weise werde. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott. Denn es steht geschrieben: Er ist DER DIE WEISEN IN IHRER EIGENEN LIST FÄNGT und wiederum: DER HERR KENNT DIE ÜBERLEGUNGEN DER WEISEN, DASS SIE NICHTIG SIND (1.Kor3:18-20).

Möchtest du weise sein vor den Augen Gottes? Dann musst du deine Sünden bekennen und an den Tod Jesu Christi am Kreuz von Golgatha zur Vergebung deiner Sünden glauben. Er starb an deiner Stelle. Er trug die Strafe für deine Sünden. Im Glauben an Christi Tod für dich betrittst du nicht nur den Weg der Weisheit – du betrittst den Weg des Ewigen Lebens.

Viertens: Es ist auch für einen Christen möglich, zum Toren zu werden. Leider können auch wir vom Weg der Weisheit abkommen auf den Weg von Torheit und Sünde. David tat das, als er einem anderen Mann die Frau und das Leben nahm (2.Sa 11), und Salomo tat es, als er fremdländische Frauen heiratete (1.Kö 11:1-4).

Als ich mich wieder einmal den Abschnitten des Neuen Testamentes zuwandte, die davon sprechen, dass wir den Alten Menschen ablegen sollen (z.B. Eph 4:22-32; Kol 3:9-17), fiel mir auf, dass das, was wir damit ablegen sollen, genau die Eigenschaften und Handlungen der Torheit sind. Unsere alte Natur ist zur Torheit prädisponiert. Die Christen unter uns müssen auch nach dem Toren in sich selbst suchen, nicht nur in den Anderen. Der Feind sind wir, so zu sagen, selbst. Die Torheit unserer alten Natur muss sorgfältig diszipliniert werden. Wir dürfen das Fleisch nicht verhätscheln, sondern müssen es kreuzigen. Letzten Endes ist das einzige Mittel gegen die Torheit das Kreuz.

Dann sagte Jesus zu Seinen Jüngern: Wenn jemand Mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir (Mat 16:24).

Die aber Christus Jesus angehören, haben ihr Fleisch mitsamt seinen Leidenschaften und Begierden gekreuzigt (Gal 5:24).

Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nicht mehr ich bin es, der lebt, sondern Christus lebt in mir; und das Leben, das ich jetzt im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und Sich selbst für mich dahingegeben hat (Gal 2:20).

Lasst uns, durch Gottes Gnade, danach streben, die Werke des Fleisches abzutöten, weise zu sein und der Torheit zu entsagen. Und lasst uns nach Errettung für die Toren streben, indem wir die Torheit des Kreuzes verkündigen.


24 Nicht nur vollendeter Mord stellt einen Menschen unter die Todesstrafe. Ein Herz, das von solch destruktiver geistiger Haltung entflammt ist, aus der ein verdammendes Wort entspringt, verdient das gleiche Urteil. Mit gewaltiger Schärfe machen Jesu Worte klar, dass Gottes Gericht über die Sünde radikal und weit greifend ist; denn es befasst sich nicht nur mit der vollendeten Tat, sondern bringt auch das dahinter liegende Motiv ans Licht ... Dem entsprechend siedelt Jesus in dieser dreistufigen Entwicklung die Sünden des Gedankens und der Zunge (einschließlich der Verdammung eines Menschen) auf derselben Ebene an wie die physische Ermordung, die nur durch den Tod abgegolten werden kann. T. Sorg, “Rhaka,” The New International Dictionary of New Testament Theology (Grand Rapids: Zondervan, 1975, I), S. 418. Ich finde es bemerkenswert, dass dieser Abschnitt über das griechische Wort 'Rhaka' unter dem Titel Fluch, Beleidigung, Tor eingeordnet ist. Tatsächlich kommt es einem Fluch gleich, jemanden einen Toren zu nennen und damit den Wunsch zu äußern, dass er vernichtet oder verdammt werden möge. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn unser Herr lehrte, dass Jemanden einen Toren zu nennen ebenso schwerwiegend ist wie ein Mord. Beachten Sie aber auch, dass unser Herr selbst in Bezug auf die Schriftgelehrten und Pharisäer, wie auch für die fünf törichten Jungfrauen, das griechische Wort 'Moros' benutzte, das in Matthäus 22:5 als Tor wiedergegeben wird (Mat 23:17; 25:2,3,8).

25 Die NASB überliefert drei hebräische Worte mit der Bedeutung Tor: Kesil (1:22,32;3:35;8:5; 10:1,18,23; 12:23; 13:10,16,19,20; 14:7,8,16,24,33; 15:2,7,14,20; 17:10,12,16,21,24, 25; 18:2,6,7; 19:1,10,13,29; 21:20; 23:9; 26:1,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12; 28:26; 29:11, 20), Ewil (1:7; 7:22; 10:8,10,41,21; 11:29; 12:15,16; 14:3,9; 15:5; 16:22; 17:28; 18:13; 20:3; 24:7,9; 27:3,22; 29:9), und Nabal (17:7,21; 30:22). Zusätzlich gibt es den Einfältigen, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben, und den Spötter (hebräisch: Luts, 1:22; 3:34; 9:7,8; 13:1; 14:6; 15:12; 19:25,29; 21:11,24; 22:10; 24:9; 29:8). Ich habe mich entschlossen, mich in dieser Botschaft auf die zwei hauptsächlich vorkommenden Arten von Toren (Kesil, Ewil) und auf den Spötter (Luts) zu konzentrieren. Der Nabal kommt selten vor und wird hier nicht berücksichtigt. Anstatt mich mit den Unterschieden zwischen den Arten von Toren aufzuhalten, möchte ich mich lieber auf ihre gemeinsamen Charakterzüge konzentrieren.

Passage: 

6. Der Faule

Einleitung

Vor Jahren, als ich noch an einer Schule lehrte, hatte ich einen Schüler, dem es selbst zu anstrengend war, auch nur gerade zu stehen. Wann immer möglich, lehnte er sich beim Gehen an der Wand an. Seine Technik der Fortbewegung war eigentlich ganz amüsant anzusehen und erinnerte etwas an Rollerfahren – abstoßen...gleiten, abstoßen...gleiten. Glen hatte darin geradezu Perfektion entwickelt. Normalerweise funktionierte das auch recht gut – abgesehen davon, dass er die Farbe von den Wänden herunterwischte und seine Hemden ruinierte.

Eines Tages aber machte die Klasse eine Exkursion und ging die Druckerei einer großen Stadtzeitung besichtigen. Ich hatte alle meine Schüler vorgewarnt, dass sie sich ruhig und vorsichtig verhalten müssten und nichts anfassen dürften. Zunächst ging Alles gut. Glen allerdings sah keine Notwendigkeit, seine Fortbewegungsart zu ändern, und so rutschte er durch das Gebäude, von den Wänden gestützt. Dann aber machte er einen entscheidenden Fehler und passte nicht auf, wo er hin ging. Eine Türschwelle erwischte ihn hinterrücks und ohne dass es Einer von uns verhindern konnte, schlug der ganze Kerl der Länge nach mit lautem Krachen in einen Schrank. Mit vielem Gestrampel befreite er sich schließlich und entstieg dem Schrank recht kleinlaut. Für den Rest des Tages zog er es dann vor, sich auf eine weniger unübliche Art fortzubewegen.

Der Faule hat etwas Amüsantes an sich, selbst im Buch der Sprüche. Dort finden wir ihn, nicht ganz ernst gemeint, beschrieben, wie er sich auf seinem Bett hin und her dreht wie eine Tür in ihren Angeln (26:14). Wir müssen lachen bei der Vorstellung, dass der Faule seine Hand in die Schüssel taucht, aber es nicht schafft, sie zurück zum Mund zu heben (26:15). Wir können uns nur amüsieren über seine Ausrede, warum er nicht zur Arbeit gehen kann: „Ein Löwe steht auf dem Weg“ (26:13).

Von der humorvollen Art, in der der Faule beschrieben wird, sollten wir uns aber nicht irreführen lassen. Im Buch der Sprüche wird Humor aus mindestens zwei Gründen eingesetzt: Erstens macht es uns eine treffende, humorvolle Beschreibung der Wahrheit schwerer, sie zu vergessen. Die Lehren der Sprüche über den Faulen haben also, sozusagen, „geistige Widerhaken“, die die Wahrheit tief in unserem Gedächtnis verankern. Zweitens wird Humor oft eingesetzt, um den Leser zu entwaffnen und ihn bereit zu machen für die Wucht der Anklage, die direkt unter der Oberfläche verborgen liegt. Während wir noch lachen, realisieren wir allmählich, dass die Pointe der Geschichte auf uns selbst gerichtet ist. Durch unser Lachen haben wir ja schon zugegeben, dass sie prinzipiell wahr ist – zumindest was Andere anbelangt. Und nun stehen wir plötzlich der unangenehmen Notwendigkeit gegenüber, uns auch der Wahrheit über uns selbst zu stellen.

Unter Berücksichtigung dessen wollen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf den Faulen richten, so wie er in den Sprüchen portraitiert wird. Lassen Sie uns das im Wissen darum tun, dass es wertvolle Lektionen für uns zu lernen gibt, nicht nur über Andere, sondern auch über uns selbst.

Charakterzüge eines Faulen

Der Zustand “Faulheit” kann anhand einiger verräterischer Symptome diagnostiziert werden. Wir werden jedes davon so betrachten, wie es die Sprüche beschreiben.

1. DER FAULE IST EIN ZAUDERER. Das Motto des Faulen ist: „Was du auf morgen verschieben kannst, das tue nie heute.“ Faule haben die Fähigkeit hoch entwickelt, sowohl den Beginn einer Arbeit aufzuschieben als auch die Vollendung bereits begonnener Arbeiten.

Der Faule kann unmöglich zur Arbeit gehen, weil ein gefährlicher Löwe auf dem Weg steht (22:13). Er hat ja ernsthaft vor zu arbeiten, aber erst nach einem klein Wenig mehr Schlaf (6:9-10). Wenn die Zeit der Ernte gekommen ist, ist der Faule noch nicht ganz so weit, auf das Feld zu gehen (10:5). Der Faule ist immer fast so weit, mit der Arbeit zu beginnen, aber eben nicht ganz.

Die Aufgaben, die der Faule begonnen hat zu erledigen, scheinen nie fertig zu werden. Die Vorhaben, die er beginnt, erweisen sich immer als zeitraubender und anspruchsvoller, als er gedacht hatte. Der Faule zögert nicht, die voreilige Absicht, eine Arbeit zu beginnen, zu korrigieren und diese Arbeit erst einmal wieder zur Seite zu legen. In den Sprüchen kann man eine ganze Reihe von Beispielen finden für diese Unfähigkeit, eine begonnene Arbeit fertigzustellen.

Ein träger Mann wird das Beutetier nicht braten, Aber eines Mannes kostbarer Besitz ist Fleiß (12:27).

Der Faule birgt seine Hand in der Schüssel; Er ist zu müde, um sie zurück an den Mund zu bringen (26:15).

Nach dem Herbst will der Faule nicht pflügen, Und er bettelt während der Ernte und hat Nichts (20:4).

Es gibt verschiedene Interpretationen für Sprüche 12:27. Ich verstehe diesen Vers so, dass der Faule sich zwar der Mühe unterzogen hat, seine Beute zu fangen, dann aber nicht weitermacht und sie brät. Dadurch verschwendet er seine Mühe und verliert die Frucht seiner Arbeit. Der Faule hebt zwar an und steckt seine Hand in die Schüssel,26 aber er bringt die Energie nicht mehr auf, sie wieder herauszuziehen und kommt daher nicht in den Genuss der Früchte seiner anfänglichen Mühe (26:15). Nachdem er die Ernte eingefahren hat, ist der Faule zu müde (oder vielleicht auch zu gleichgültig), um das Feld für das kommende Jahr zu bestellen (20:4).

Ich bin nie ein großer Sportler gewesen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass etwas durchzuziehen eines der wichtigsten Dinge im Sport ist. Beim Baseball, Golf oder Tennis, überall muss der Sportler beim Schlag bis zum Ende durchschwingen. Der Faule zieht Nichts durch und macht spätestens damit seine Mühen zunichte –wenn sie nicht bereits von vorneherein zu gering waren und zu spät eingesetzt wurden.

2. DER FAULE HAT IMMER EINEN GRUND. Unterschätzen Sie nie einen Faulen: Sein Gehirn arbeitet schneller als sein Körper. Wenn es darauf ankommt, sich seiner Verantwortung zu entziehen, reagiert Niemand so schnell wie der Faule. Es gibt immer einen „Grund“ für seine Unentschlossenheit und Tatenlosigkeit. Wenn der Faule beschließt nicht zu arbeiten, hat er immer eine – in seinen Augen plausible – Erklärung für seine Entscheidung. Die klassische Ausrede ist diejenige, die an zwei Stellen in den Sprüchen zu finden ist:

Der Faule sagt: „Ein Löwe ist draußen; auf der Straße werde ich getötet werden!“ (22:13; vgl. 26:13).

Soviel ich weiß, gab es zu dieser Zeit tatsächlich Löwen in Israel (vgl. Ri 14:8; 1.Sam 17:34; 1.Kö 13:24, 20:36; Spr 28:15). Die Wahrscheinlichkeit auf einen Löwen zu treffen war wohl gering, aber der Faule betont die Gefahr, dass es doch passieren könnte. Seiner Meinung nach ist es sinnvoller zu Hause und in Sicherheit zu bleiben. Wir mögen über eine solch alberne Ausrede lachen, aber viele der „Gründe“, mit denen sich Menschen bei ihrem Arbeitgeber „krank melden“, sind kaum überzeugender – jedenfalls nicht für alle außer demjenigen, der sich entschlossen hat zu Hause zu bleiben. Der springende Punkt ist der, dass der Faule eine Schwierigkeit konstruiert, die ihn von dem abhält, was er sowieso nicht tun wollte. Während seine Gründe für Andere unbefriedigend bleiben, empfindet er selbst sie als zwingend.

Lieber noch als sich zu entscheiden, nicht zur Arbeit zu gehen, würde der Faule überhaupt keine Entscheidungen treffen – außer derjenigen, jegliche Tätigkeit von seiner Seite her auf später zu verschieben. Häufig ist der Faule nicht aufrichtig genug um zuzugeben, dass er nicht zur Arbeit gehen oder dass er kein Feld bestellen wird. Der Faule zieht es vor, die Unannehmlichkeiten der Arbeit loszuwerden, indem er die Entscheidung darüber aufschiebt, ob er arbeiten sollte oder nicht. Wie der Faule begründen kann, dass er wegen eines „Löwen“ nicht arbeitet, so kann er auch die Entscheidung darüber aufschieben, weil etwas Unwichtiges (“ein wenig...“) ohnehin nicht so dringend sein kann.

“Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, Ein wenig Händefalten, um so dazuliegen” (6:10; vgl. 24:33).

Meine Frau Jeannette ist die Erste, die bei uns am Morgen aufsteht. Wenn sie mich aufweckt, sage ich ihr oft, sie solle in fünf Minuten wiederkommen, oder ich bitte sie, schon einmal den Kaffee aufzusetzen, so dass ich noch eine kurze Gnadenfrist habe. Der Faule tröstet sich selbst, wenn er das Unausweichliche aufschiebt, indem er sich einredet, dass es doch nur um ein wenig mehr Schlaf geht. Was können schließlich ein paar weitere Augenblicke der Ruhe schaden? Seiner eigenen Ansicht nach plant der Faule nur seinen Tag oder sammelt seine Kräfte.27 Im Hohenlied Salomos wird gesagt, dass es „die kleinen Füchse“ sind, die „den Weinberg verwüsten“ (Hoh 2:15). Der Faule entschließt sich selten bewusst, seine Pflichten zu vernachlässigen, aber er schiebt sie ständig auf.

3. DER FAULE NIMMT DEN WEG DES GERINGSTEN WIDERSTANDES. Wenn irgendetwas auf den Faulen zutrifft, dann dass er arbeitsscheu ist. Sein „Werkzeug“ ist das Bett (6:10; 10:5; 19:15; 20:33; 26:24). Ihm fehlt der Fleiß der Weisen.

Wie Essig für die Zähne und wie Rauch für die Augen, So ist der Faule für die, die ihn aussenden (10:26).

Der lässig ist in seiner Arbeit, Ist ein Bruder dessen, der zerstört (18:9).

Faulheit lässt in einen tiefen Schlaf fallen, Und ein lässiger Mensch wird Hunger leiden (19:15).

Wegen seiner Trägheit wird der Faule den Weg wählen, der das geringste Opfer von seiner Seite aus zu erfordern scheint und das größte Maß an unmittelbarem Vergnügen verspricht.

Liebe nicht den Schlaf, damit du nicht verarmst; Öffne deine Augen und du wirst mit Nahrung gesättigt werden (20:13).

Sein Verlangen [nach Müßiggang] bringt den Faulen zum Tode, Denn seine Hände weigern sich zu arbeiten; Den ganzen Tag lang verlangt er begierig, Während der Gerechte gibt und nicht zurückhält (21:25-26).

Wenn er der Arbeit nicht mehr aus dem Weg gehen kann, wählt der Faule dasjenige Vorgehen, das ihm auf dem leichtesten Wege Geld verschafft.

Wer sein Land bebaut, wird mit Brot gesättigt werden, Aber wer eitlen Dingen nachjagt, dem fehlt es an Verstand. Der Böse begehrt die Beute schlechter Menschen, Aber die Wurzel des Gerechten trägt Frucht (12:11-12).

Wer sein Land bebaut, wird Nahrung zur Genüge haben, Aber wer eitlen Dingen nachgeht, wird Armut zur Genüge haben. Ein Mensch mit bösen Augen jagt dem Reichtum nach Und weiß nicht, dass Not über ihn kommen wird (28:19,22).

4. DER FAULE IST TÖRICHT. Ich möchte den Faulen nicht mit dem Toren gleichsetzen, aber es ist doch augenfällig, dass der Faule töricht ist. Nicht alle Toren sind unbedingt faul, aber alle Faulen sind töricht.

Der Weg des Faulen ist wie eine Dornenhecke, Aber der Pfad des Gerechten ist ein breiter Weg (15:19).

Da der Faule hier dem Gerechten gegenüber gestellt wird, ist es wohl angemessen zu sagen, dass der Faule schlecht, der Gerechte aber fleißig ist. Die Sorgfalt des Weisen wird der Trägheit des Faulen gegenüber gestellt (10:26). Den Faulen mangelt es an Verstand (24:30) und sie sind nur in ihrer eigenen, eitlen Selbsteinschätzung weise (26:16). Mit anderen Worten: Der Faule ist ein Tor. Wie alle Toren strebt er der plötzlichen (doch für ihn unvorhergesehenen) Vernichtung zu (6:11; 20:34).

5. DER FAULE BENÖTIGT STÄNDIG ÜBERWACHUNG UND ANTRIEB. Außer unter Druck und Anstoß von außen wird ein Fauler seiner Verantwortung nicht nachkommen. Die immense Trägheit des Faulen kann nur durch dramatische Einwirkungen überwunden werden; seien es Magenschmerzen vor Hunger (13:25; 16:26) oder die Peitsche des Aufsehers (12:24). In Kapitel 6 wird der Faule gemahnt, sich ein Beispiel an der Ameise zu nehmen, die ihren Pflichten getreulich und doch ohne irgendeine Überwachung nachgeht (Vers 6-8).

Die Konsequenzen für den Faulen

Die Konsequenzen, denen sich der Faule gegenüber sieht, lassen sich in zwei Worten ausdrücken: Schwierigkeiten und Druck. Eine genauere Betrachtung der Sprüche führt zur Erklärung, warum der Faule diese beiden unangenehmen Konsequenzen tragen muss.

Gemäß der Weisheit der Sprüche wird “der nicht arbeitet auch nicht essen”.

Faulheit lässt in einen tiefen Schlaf fallen, Und ein lässiger Mensch wird Hunger leiden (19:15).

Oft wird das Ergebnis der Faulheit noch allgemeiner als “Armut” bezeichnet.

“Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, Ein wenig Händefalten, um so dazuliegen” – Und die Armut wird zu dir kommen wie ein Wegelagerer Und die Not wie ein bewaffneter Mann (6:10-11; vgl. 10:4; 20:13).

Allerdings hat der Faule noch andere Probleme außer Hunger und Armut. Sein Leben ist von Problemen gezeichnet:

Der Weg des Faulen ist wie eine Dornenhecke, Aber der Pfad des Gerechten ist ein breiter Weg (15:19).

Wie auch an anderer Stelle in diesem Weisheitsbuch gesagt wird, ist “der Weg des Gesetzesübertreters holprig“ (13:15).

Eine weitere Folge der Faulheit ist ständiger Druck. Der Faule wird, wenn es irgend geht, die Arbeit meiden. Während der Fleißige gedeiht und vorankommt, versagt der Faule überall außer in einer durch und durch strukturierten Umgebung.

Die Hand des Fleißigen wird herrschen, Aber die lässige Hand wird zur Zwangsarbeit verpflichtet werden (12:24).

Als College-Student arbeitete ich während der Weihnachtsferien für die Post. Normalerweise fuhr ich ein Postauto, aber als ich mich einmal im Postgebäude aufhielt, fielen mir überall, selbst in den Waschräumen, halbdurchlässige Spiegel auf. Was das bedeutete, war offensichtlich: „Du musst jederzeit damit rechnen, beobachtet zu werden.“ Die Faulen werden immer unter Druck sein, weil sie nur auf diese Weise etwas schaffen.

Die Wurzel des Problems der Faulen

Im Leben eines Menschen kommen mehrere Faktoren zusammen, um die Wurzel für charakterliche Mängel zu bilden. Wir werden jetzt einen Blick auf die Wurzel des Problems der Faulen werfen, wie sie das Buch der Sprüche darstellt.

1. DER FAULE IST SELBSTSÜCHTIG. Der Faule sieht immer auf die Nummer Eins – sich selbst. Er nimmt keine Rücksicht auf irgendeinen Anderen.

Sein Verlangen bringt den Faulen zum Tode, Denn seine Hände weigern sich zu arbeiten; Den ganzen Tag lang verlangt er begierig, Während der Gerechte gibt und nicht zurückhält (21:25-26).

Die Gerechten nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse Anderer. Wie die letzte Zeile von Vers 26 ausdrückt, sind sie gekennzeichnet durch großzügiges Entgegenkommen, wenn es darum geht, diese Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. auch 22:9; 29:7; 31:20). Den Faulen charakterisiert dagegen die Sorge um seine eigene Bequemlichkeit. Wer schon keine Opfer für sein eigenes Wohl bringen will, wird sicher auch kein Opfer für Andere bringen.

2. DER FAULE IST VERGNÜGUNGSSÜCHTIG. Wir haben in Sprüche 21:25-26 gerade gelesen, dass der Faule durch seine eigenen Begierden vernichtet werden wird. Darüber hinaus wird er von diesen Begierden ständig beherrscht.28

Die Seele des Faulen giert und bekommt Nichts, Aber die Seele des Fleißigen wird fett gemacht werden (13:4).

Wer das Vergnügen liebt, wird arm werden; Und wer Wein und Öl liebt, wird nicht reich werden (21:17).

Der Faule wünscht sich ein bequemes Leben, voller Luxus und Köstlichkeiten der Reichen. Da seine körperlichen Bedürfnissen die Kontrolle über ihn haben, wird der Faule Alles, was er hat, sofort verzehren. Seine Unfähigkeit, auf unmittelbare Befriedigung zu verzichten, führt ihn in die Armut.

3. DER FAULE IST KURZSICHTIG. Der Faule denkt nur ans Jetzt. Er spricht zwar ständig über Morgen – als dem Zeitpunkt, an dem er die Arbeit aufnehmen wird – aber er denkt nie voraus. Er versäumt es, die Zukunft zu planen, und er bereitet sich nie darauf vor.

Geh zur Ameise, du Fauler, Sieh ihre Wege und werde weise; Wie sie, ohne Befehlshaber, Beamte oder Herrscher, Ihre Nahrung im Sommer bereitet und in der Ernte ihre Nahrungsvorräte einsammelt (6:6-8).

Der im Sommer einsammelt, ist ein Sohn, der weise handelt, Aber wer in der Ernte schläft, ist ein schändlich handelnder Sohn (10:5).

Der Faule steht den Erfordernissen der Zukunft gleichgültig gegenüber. Während der Erntezeit ist mehr als genug Nahrung verfügbar, aber der kalte Winter steht bevor. Ohne fleißige Arbeit für die Ernte und die Rückstellung von Nahrung für den Winter wird der Faule Hunger leiden. Ihm fehlt einfach jegliches Gefühl der Dringlichkeit bezüglich der Zukunft.

4. DEM FAULEN MANGELT ES AN SELBSTDISZIPLIN. Wenn es etwas gibt, das dem Faulen fehlt, so ist es Selbstbeherrschung. Wenn es irgendetwas zu essen gibt, wird er es aufessen, ohne die Folgen zu bedenken. Wenn er die Wahl hat, zu arbeiten oder zu spielen, wird er sich immer für das Spielen entscheiden. Was immer leicht und vergnüglich ist, für das wird er sich entscheiden.

Ein weiser Mensch weiß, dass kurzfristige Opfer für das zukünftige Wohlergehen notwendig sind. Ein weises Kind entscheidet sich dafür, ohne Süßigkeiten und Eiscreme auszukommen, damit es das Geld für ein Fahrrad sparen kann. Der disziplinierte Sportler weiß, dass er nicht zu viel von bestimmten Nahrungsmitteln essen und nicht zu spät zu Bett gehen darf, wenn er einen Wettkampf gewinnen will. Der Faule aber ist nicht bereit, irgendwelche Opfer zu bringen oder auf irgendein Vergnügen zu verzichten, das vor seinen Augen liegt.

Die Lösung des Problems des Faulen

Der Faule mag bisweilen amüsant sein – aber nicht lange. Er ist eine Belastung für Andere; er nimmt, aber er gibt nicht. Er gehört zu den Lasten der Gesellschaft. Das Buch der Sprüche weist den Weg, wie der Faule zur Gesellschaft beitragen kann, statt nur von ihr zu zehren.

1. DIE AUFMERKSAMKEIT DES FAULEN KANN MAN DURCH SCHMERZEN, DRUCK UND SCHWIERIGKEITEN GEWINNEN. Wir haben gesehen, dass Schwierigkeiten und Druck die Konsequenzen aus dem Lebensstil des Faulen sind, aber sie können auch zu seiner Heilung beitragen. Denken Sie daran, dass der Faule von Natur aus Alles vermeidet, was schmerzhaft oder unangenehm ist. Dem entsprechend nimmt er auch den Hunger und die Armut Ernst, die aus seinem faulen Leben resultieren.

Der Gerechte hat genug, um seine Seele zu sättigen, Aber der Bauch des Bösen ist leer (13:25).

Die Seele des Arbeiters arbeitet für ihn, Denn sein Hunger treibt ihn voran (16:26).

Es ist wichtig für uns, die Art der Armut und Bedürftigkeit eines Menschen genau zu kennen. Einige Menschen haben keinen Einfluss auf ihre Armut, und denjenigen, deren Bedürftigkeit nicht Resultat ihrer Sünde ist, müssen wir entgegenkommen und ihnen helfen. Aber der Faule sollte nicht gefüttert werden, damit seine sündige Lebensart auf Kosten Anderer nicht noch verstärkt werde. Was die Sprüche andeuten, wird an anderer Stelle in der Schrift deutlich gesagt:

Denn auch, als wir bei euch waren, gaben wir euch gewöhnlich diese Weisung: Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen (2.Th 3:10).

Der so genannte “verlorene Sohn” in Lukas 15 kam erst zur Vernunft, nachdem er all seine Habe vergeudet hatte und am Schweinetrog angekommen war. Wenn wir ernstlich wünschen, dem zu helfen, der Anderen Weh tut, müssen wir daran denken, dass wir dem Faulen nur helfen können, wenn wir ihn die Konsequenzen seiner Sünden lange genug spüren lassen, dass er die Torheit seines Weges einsieht und ihn zugunsten des Weges der Weisheit aufgibt. Hüten wir uns aber auch vor der falschen Schlussfolgerung, dass Alle, die arm und bedürftig sind, Faule seien.

Der Faule muss lernen, dass der “Weg des geringsten Widerstandes” kein Weg des Wohllebens und Gedeihens ist. Gemäß dem Buch der Sprüche ist er wie eine Dornenhecke (15:19). Richten wir unsere Mühe nicht darauf, den Weg des Sünders leicht zu machen, sondern darauf zu tun, was in unserer Macht steht, um Männer und Frauen auf den Weg der Weisheit zu bringen. Die Schmerzen auf dem Weg der Torheit sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das Leiden und die Vernichtung, die all denen bevorstehen, die sich für diesen Weg entschieden haben.

2. DER FAULE MUSS SEINEN BLICKWINKEL UND SEINE PRIORITÄTEN ÄNDERN. Unser Herr fasste das Gesetz des Alten Testamentes in nur zwei Geboten zusammen:

Und Er sagte zu ihm: „‚DU SOLLST GOTT, DEINEN HERRN, LIEBEN MIT GANZEM HERZEN, MIT GANZER SEELE UND MIT ALL DEINEM SINN.’ Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: ‚DU SOLLST DEINEN NÄCHSTEN LIEBEN WIE DICH SELBST.’ An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mat 22:37-40).

Das Problem des Faulen ist es, das er diese beiden Gebote willentlich missachtet. Er liebt Gott nicht noch fürchtet er Ihn. Alles weist darauf hin, dass der Faule schlecht ist. Er wird in einen Gegensatz zum Gerechten gestellt (15:19; 21:25-26) und mit den Bösen gleichgesetzt (13:25). Ebenso wie der Faule Gott missachtet, zeigt er auch keine Liebe zu seinen Mitmenschen. Er strebt nur danach, Schmerzen zu meiden und sein eigenes Vergnügen zu verfolgen. Die Sprüche implizieren, was andere Schriften ausdrücklich lehren, dass wir nämlich Gott an die erste Stelle in unserem Leben setzen und danach streben müssen, Anderen zu dienen, statt nur unsere eigenen selbstsüchtigen Bedürfnisse zu befriedigen.

Dass ihr Nichts aus Selbstsucht oder leerer Einbildung tut, sondern Einer den Anderen mit Demut des Geistes als wichtiger erachte als sich selbst; dass ihr nicht bloß auf eure eigenen Interessen seht, sondern auch auf die Interessen der Anderen. Bewahrt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der, obwohl Er in Gottesgestalt existierte, nicht danach griff, Gott gleich zu sein, sondern Er entäußerte Sich selbst, indem Er Sklavengestalt annahm und dem Menschen gleich wurde. Und in der Beschaffenheit als ein Mensch gefunden, erniedrigte Er Sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja sogar bis zum Tod an einem Kreuz (Php 2:3-8).

Kurz gesagt, der Faule muss zuerst zur Erlösung gelangen durch Glauben an die Person und das Werk Jesu Christi, der für seine Sünden gestorben ist und ihm neues Leben anbietet – kein leichtes Leben, aber ein erfülltes Leben, das durch den Dienst an Gott und den Menschen gezeichnet ist.

Nur wenige Textstellen beschreiben die Veränderung, die durch das Evangelium im Leben eines Menschen geschieht, besser als Epheser 4:

Wer stiehlt, stehle nicht mehr, sondern er arbeite vielmehr hart und vollbringe mit seinen eigenen Händen, was gut ist, damit er etwas habe, um es mit dem Bedürftigen zu teilen (Eph 4:28).

Das Evangelium Jesu Christi verwandelt den verlorenen Menschen vom Parasiten zum Produktiven, von Einem, der nur von Anderen nimmt, in Einen, der unter Opfern gibt, um die Bedürfnisse des Hilflosen zu befriedigen. Das Evangelium wendet die Aufmerksamkeit eines Menschen von sich selbst weg auf Andere. Der richtige Weg, einen Faulen zu heilen, besteht darin, einen Heiligen aus ihm zu machen.

Der Faule muss also damit aufhören, nur für das Jetzt zu leben, und sein Leben statt dessen im Licht der Ewigkeit führen. Der Faule lebt, als gebe es kein Morgen, und deshalb muss er hinter allem Vergnügen herjagen, das er nur finden kann, und es genießen, sobald es sich ihm bietet. Ein Christ lebt dagegen im Licht von Gottes Verheißung eines Lebens voller Segnungen für alle, die an Ihn glauben und sich Vergnügungen daher versagen, die dem geistlichen Dienst und Wachstum abträglich sind. Das ist die Botschaft des elften Kapitels des Hebräer-Briefes:

Durch Glauben wollte Moses, als er erwachsen geworden war, nicht mehr der Sohn der Tochter Pharaos genannt werden; sondern er wollte lieber mit dem Volk Gottes schlecht behandelt werden als die vergänglichen Annehmlichkeiten der Sünde zu genießen; und achtete die Schmach Christi als größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens, denn er richtete den Blick auf die Belohnung hin (Heb 11:24-26).

Der Faule muss sein Wertesystem vollständig umkehren. Das vornehmste Ziel im Leben ist nicht, glücklich zu sein, sondern heilig (Christ-ähnlich) zu sein. Als Christ sollte man danach streben, wahrhaft fromm zu sein statt nur gedeihlich (30:7-9). Das bedeutet, dass jeder Christ bereit sein muss, Leiden und Bedrängnis in diesem Leben zu ertragen (2.Tim 3:12; 1.Pe 1:3-7; Jak 1:2-4). Auch die Freiheiten, die wir besitzen, müssen möglicherweise zurückstehen vor dem höheren Gut, Gott zu dienen oder zum Wohlergehen Anderer beizutragen (1.Ko 8ff).

Ich verstehe die Bibel so, dass die biblischen Prophezeiungen dazu da sind, Christen immer wieder daran zu erinnern, dass Gottes Absichten gewiss sind und dass wir unser gegenwärtiges Leben gottgemäß führen sollen, in dem Wissen, dass dieses Leben und auch diese ganze Welt vorübergehen.

Da alle diese Dinge solcherart zerstört werden sollen, was für Menschen solltet ihr da sein in heiligem Wandel und Gottgefälligkeit, dass ihr der Ankunft des Tages Gottes drängend harret, durch den die Himmel in Flammen aufgehen und die Elemente in Gluthitze zerschmelzen werden! Aber nach Seiner Verheißung erwarten wir neue Himmel und eine neue Erde, auf der Gerechtigkeit wohnen wird (2.Pe 3:11-13).

Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, aber es ist noch nicht offenbart worden, was wir sein werden. Wir wissen, dass, wenn Er offenbart werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, so, wie Er ist. Und jeder, der solche Hoffnung auf Ihn gesetzt hat, läutert sich selbst, so wie Er lauter ist. (1.Joh 3:2-3).

3. DER FAULE MUSS ARBEITEN. Die Quintessenz für den Faulen ist, dass er aufhören muss herumzulungern und zur Arbeit gehen muss. Ob er nun durch Schmerz und äußeren Druck oder (besser) durch die Aussicht auf ein neues Leben dazu gebracht wird: er muss seine Lethargie überwinden und tun, was getan werden muss.

Wer sein Land bebaut, wird mit Brot gesättigt werden, Aber wer eitlen Dingen nachjagt, dem fehlt es an Verstand (12:11).

Durch jederlei Arbeit ergibt sich ein Vorteil, Aber bloßes Reden führt nur zu Armut (14:23).

Wer sein Land bebaut, wird Nahrung zur Genüge haben, Aber wer eitlen Dingen nachgeht, wird Armut zur Genüge haben (28:19).

Im Hinblick auf die Entscheidung, welche Arbeit als Erste getan werden sollte, sagen uns die Sprüche, dass es diejenige Arbeit sein sollte, die uns am Besten auf die vor uns liegenden Schwierigkeiten vorbereitet. Nicht unsere Bequemlichkeit, sondern unsere dringendsten Nöte müssen Priorität haben.

Bereite deine Arbeit draußen Und mache sie dir auf dem Feld zurecht; Danach dann baue an deinem Haus (24:27).

Schlussfolgerung

Die Lehren der Sprüche über den Faulen haben weit reichende Folgen für Jeden von uns. Ich hoffe sehr, wir alle können zugeben, dass wir zu viel von einem Faulen in uns haben, wenn es an Aufgaben geht, die wir als unangenehm empfinden. Sei es bei der Arbeit oder zu Hause: Wir müssen lernen, das zu tun, was wichtig ist, bevor wir das tun, was uns den meisten Genuss bereitet.

Aber über diesen ganz offensichtlichen Anwendungsbereich hinaus gibt es einen Weiteren, der noch dringender zu berücksichtigen ist: Nirgendwo kommen die Symptome der Faulheit deutlicher zum Vorschein als als auf dem Gebiet meiner geistlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten. Mögen vielleicht auch noch andere Ursachen in Betracht zu ziehen sein – der Hauptgrund für meine Versäumnisse beim Gebet, beim empfohlenen Bibelstudium, bei der Anbetung und bei der Bezeugung meines Glaubens an Christus liegt darin, dass ich spirituell faul bin. Ich gebe zwar zu, dass diese Dinge wichtig, ja entscheidend sind, aber ich komme einfach nie dazu, sie so intensiv oder so gut zu betreiben, wie ich müsste.

Sehen wir der Tatsache ins Auge, dass unser geistliches Leben keineswegs leicht zu nehmen ist. Wir sind aufgerufen, Jünger unseres Herrn zu sein, und als Solche müssen wir Entbehrungen und Verfolgung ertragen. Mit den Worten eines Gospels: „Es ist kein leichter Weg...“ Der Faule in mir bringt mich immer wieder dazu, die Dinge leicht zu nehmen, den leichten Weg einzuschlagen und mir einzureden, dass Morgen ja auch noch ein Tag ist. Augenblick für Augenblick, Tag für Tag, ein winziges Bisschen nach dem Anderen geht der spirituelle Kampf verloren, größtenteils durch Passivität.

Mir wird immer klarer, warum der Faule eine so bedeutende Rolle im Buch der Sprüche spielt. In den ersten neun Kapiteln wird wiederholt nicht nur der Wert der Weisheit betont, sondern auch der Preis, der für sie zu zahlen ist:

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen Und meine Gebote in dir bewahren wirst, Leihe der Weisheit dein Ohr Und neige dein Herz der Erkenntnis zu; Denn wenn du nach Unterscheidungsvermögen rufst Und deine Stimme für die Erkenntnis erhebst, Wenn du dich um sie bemühst wie um Silber Und nach ihr suchst wie nach verborgenen Schätzen, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen Und die Erkenntnis Gottes finden (2:1-5; vgl. 3:1-18; 4:1-9).

Die korinthische Gemeinde des Neuen Testaments war fleischlich (vgl. 1.Ko 3:1-3). Als Paulus schließlich ihren Schwierigkeiten auf den Grund ging, stellte sich als eines der Hauptprobleme heraus, dass diesen Heiligen die Selbstdisziplin und Ausdauer fehlte, um sich Vergnügungen zu versagen, die ihrem Zeugnis, ihrer eigenen geistlichen Entwicklung oder dem Wohlergehen eines Mitchristen abträglich waren. In den letzten Versen von Korinther 9 und der ersten Hälfte von Kapitel 10 bezieht sich Paulus auf die Notwendigkeit zur Disziplin im christlichen Leben. Im Prinzip sagte Paulus dort den Korinthern, dass sie spirituell faul waren.

Beim Lesen des Neuen Testaments finde ich, dass die Charakterschwächen des Faulen aus den Sprüchen dort wiederholt behandelt werden. Beispielsweise in Matthäus 24, wo unser Herr über die Zeit der Großen Bedrängnis und über die letzten Tage sprach. Wiederholt drängte Er Seine Jünger zu wachen und bereit zu sein, damit sie nicht von seiner Rückkehr überrascht würden, wenn sie sich weniger wichtigen Dingen hingäben als dem Reich Gottes (vgl. Vers 42-43,50). In Kapitel 25 des Matthäus-Evangeliums fährt der Herr fort die Heiligen vor den Gefahren geistlicher Faulheit zu warnen. Im Gleichnis von den Talenten (Vers 14-30) ist es der Sklave, der nur ein Talent („ein wenig“, vgl. Spr 6:10) hat, der es versäumt, dieses für seinen Herrn zu verwenden. Der Sklave hat eine Ausrede (seinen „Löwen auf dem Weg“), indem er sagt, dass er die Strenge seines Herrn kenne und sich vor ihr gefürchtet habe. Aber der Herr akzeptiert seine Entschuldigung nicht, sondern antwortet ihm: “Du böser, fauler Sklave“ (25:26). Ungeachtet seiner Ausreden war dieser Sklave ein Fauler.

Wie unser Herr, so hatten auch seine Apostel wenig Mitleid mit einem Faulen. Paulus wies die thessalonische Gemeinde an, Keinem zu Essen zu geben, der nicht arbeiten wollte (2.Th 3:10). Fleiß und Selbstdisziplin wurden von allen Heiligen gefordert. Beachten Sie beispielsweise die Ermahnung des Paulus:

Eure Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet am Guten fest. Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, kommt einander in Ehrerbietung zuvor; seid nicht saumselig in euren Geschäften, seid glühend im Geist und dient dem Herrn; freut euch in der Hoffnung, harrt aus in der Bedrängnis, widmet euch dem Gebet, sorgt für die Bedürfnisse der Heiligen, zeigt Gastfreundschaft. Segnet die, die euch verfolgen, segnet, und verflucht nicht. Freut euch mit denen, die sich freuen, und weint mit denen, die weinen. Seid einander gleichgesinnt, seid nicht hochmütig im Geist, sondern den Niedrigen zugetan. Dünkt euch nicht weise (Rö 12:9-16).

Wenn er die Christen mahnt, wach zu werden im Licht der nahenden Rückkehr des Herrn, gebraucht Paulus eine sprachliche Wendung, die der über den Faulen ähnelt:

Und tut dies, weil ihr die Zeit erkennt, dass die Stunde für euch schon gekommen ist zu erwachen aus dem Schlaf; denn jetzt ist unsere Erlösung näher als zu der Zeit als wir gläubig wurden (Rö 13:11).

Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, dass der Tag euch überfalle wie ein Dieb; denn ihr seid alle Söhne des Lichts und Söhne des Tages. Wir gehören nicht zur Nacht, noch zur Finsternis; so lasst uns auch nicht schlafen, wie es die Anderen tun, sondern lasst uns wach und besonnen bleiben (1.Th 5:4-6).

Die Eigenschaften des Faulen werden im Neuen Testament beschrieben als die Eigenschaften der alten Natur des Menschen, die ein Christ ablegen muss:

Und habt nicht mehr Teil an den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern deckt sie vielmehr auf; denn von den Dingen, die sie im Verborgenen tun, auch nur zu sprechen ist schändlich. Aber alle Dinge werden sichtbar, wenn sie durch das Licht offenbart werden, und Alles, was sichtbar ist, ist licht. Aus diesem Grunde heißt es: „ERWACHE, DU SCHLÄFER, UND STEH AUF VON DEN TOTEN, UND CHRISTUS WIRD AUF DICH SCHEINEN.“ So achtet gewissenhaft auf euren Wandel, nicht als Unweise, sondern als weise Menschen; nutzt eure Zeit aus, denn die Tage sind schlecht (Eph 5:11-16).

Ertötet daher die Glieder eures irdischen Leibes in Bezug auf Unmoral, Unreinheit, Leidenschaft, böses Begehren und Gier, die zum Götzendienst führen. Denn es geschieht durch diese Dinge, dass der Zorn Gottes kommen wird; und auch ihr seid in ihnen einst gewandelt, als ihr in ihnen lebtet. Nun aber, legt auch ihr sie alle beiseite: Ärger, Zorn, Bosheit, Verleumdung und unzüchtige Rede aus eurem Munde. Belügt einander nicht, denn ihr habt euer altes Selbst mit seinen schlechten Gebräuchen beiseite gelegt und habt das neue Selbst angezogen, das zu wahrer Erkenntnis erneuert wird gemäß dem Bilde des Einen, der es geschaffen hat (Kol 3:5-10).

Das Neue Testament mahnt den Christen dringend, die Haltungen und Taten des alten Menschen abzulegen und dafür Christus anzulegen. Frühere Begierden müssen abgelegt werden, und wir sollen in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Liebe leben. Christen sind durch die Erkenntnis zu motivieren, dass die Zeit kurz und die Wiederkunft unseres Herrn nahe ist, so dass wir unsere Möglichkeiten jetzt nutzen müssen (vgl. Kol 4:5-6).

Wann immer ich auch predige, ist mir bewusst, dass es irgend jemanden geben wird, der versucht, meine Worte zu einer Entschuldigung für seine eigenen sündigen Taten zu verdrehen. Als ich diese Botschaft vorbereitete, fragte ich mich deshalb, wer wohl dieses Mal aufstehen und stolz auf seine sündige Lebensführung sein würde. Ein bestimmter Typus fiel mir ein: der Workaholic. Wie gut würde sich ein Workaholic fühlen – schließlich ist er kein Fauler. Er ist das genaue Gegenteil.

Ich würde an dieser Stelle gerne eine Hypothese aufstellen, die Beunruhigendes impliziert: Ich glaube, dass der Workaholic ein Fauler ist. Vergewissern wir uns, dass wir alle das Gleiche mit dem Ausdruck „Workaholic“ meinen. Der Ausdruck „Workaholic“ bezieht sich nicht auf Männer oder Frauen, die ihre Aufgaben mit Sorgfalt erfüllen. Wir müssen sorgfältig sein in Allem, was wir tun (Rö 12:11), und mit vollem Einsatz im Beruf wie für den Herrn arbeiten (Kol 3:23). Ein Workaholic ist dagegen ein Mensch, der von seiner Arbeit so eingenommen ist, dass er darüber anderen, wichtigeren Verpflichtungen aus dem Weg geht.

In unserer Gesellschaft gibt es diejenigen, die einfach und geradezu faul sind und sich weigern zu arbeiten. Während aber von diesen vielleicht eine Handvoll in unseren Kirchen sitzt, gibt es eine Menge Anderer, die sich dafür entschieden haben, auf eine gesellschaftlich akzeptierte Weise spirituell faul zu sein – indem sie Workaholics geworden sind. Ein Workaholic versäumt es, seine Verantwortung als Ehemann (oder –frau), Elternteil oder Mitglied der christlichen Gemeinschaft wahrzunehmen, weil er so sehr mit seiner Arbeit beschäftigt ist. Arbeit ist für den Workaholic der „Löwe auf dem Weg“. Es ist leichter für einen Workaholic, sich seinen Pflichten als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer hinzugeben als seinen anderen, geistlichen Verpflichtungen. Unter Druck von Anderen, dem Ehepartner oder dem eigenen Gewissen redet er sich heraus mit einer momentan schwierigen Situation, einem Bericht, der fertig gestellt werden muss, einer in Kürze ablaufenden Frist, den schweren Zeiten für das Geschäft. Natürlich gibt es dringende Situationen, in denen wir mehr Zeit als sonst für die Arbeit aufbringen müssen, aber für den Faulen scheinen diese niemals aufzuhören. Als Fauler lebt man von einer „Krise“ zur Nächsten. Am Ende aber müssen wir erkennen, dass wir deshalb zu viel Zeit und Energie in die Arbeit investieren, weil wir es so wollen, weil das einfacher ist als wenn wir uns mit unseren Verantwortlichkeiten zu Hause oder in der Kirche auseinandersetzen.

Der Workaholic hat also herausgefunden, dass seine Arbeit ihm eine Ausflucht bietet, wenn er die Erfüllung von Pflichten hinauszögert, die schwierig oder unangenehm sind. Er kann für sein sündhaftes Verhalten sogar eine Begründung konstruieren, indem er darauf besteht, dass er doch „seinem Zeugnis zuwider handeln“ würde, wenn er nicht gut arbeitete. Der spirituell Faule kann so sich selbst und seiner Familie die biblische Wahrheit vorenthalten und für seinen eigenen Untergang wie auch den Anderer verantwortlich werden. Jemand, der beruflich ein christliches Amt inne hat, ist sogar besonders anfällig dafür, ein Workaholic zu werden, weil er davon überzeugt ist, „das Werk des Herrn“ zu tun. Während wir die geistlichen Bedürfnisse anderer befriedigen, werden wir vielleicht nachlässig bei unseren Studien und in unserer Hingabe, oder dabei, unsere Familie zu führen. Ich weiß, dass das für mein Leben zutrifft. Seien wir also ehrlich mit uns selbst: Wenn das, wofür wir am härtesten arbeiten, uns davon abhält, die Gebote unseres Herrn zu beachten, können wir durchaus Workaholics und Faule sein.

Schließlich ist es aber auch möglich, dass du deine geistliche Verantwortung noch aus einem anderen Grund nicht wahrnimmst. Als Christ vernachlässigt man seine Verantwortlichkeiten möglicherweise aus Gleichgültigkeit oder Faulheit; es muss aber auch gesagt werden, dass Manchen das Interesse an den geistlichen Angelegenheiten deswegen fehlt, weil sie gar kein spirituelles Leben haben. Solche Menschen sind nicht faul, sie sind ohne Leben, spirituell tot. Möglicherweise lebst du deshalb nicht im Gehorsam gegenüber den Geboten der Schrift, weil du noch nicht zum ewigen Leben durch den Glauben an die Person Christi gekommen bist. Als Er von seinen Landsleuten gefragt wurde, was sie tun sollten, antwortete Jesus: „Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an Den glaubt, den Er ausgesandt hat“ (Joh 6:29). Wenn du deinen Glauben noch nicht auf Jesus Christus gesetzt hast, der an deiner Stelle gestorben ist und so die Strafe für deine Sünden erlitten hat, dann bitte ich dich jetzt dringend, das zu tun.


26 Die Orientalen verzichteten auf Löffel und Gabel und tauchten ihre Hand in die Schüssel, um sich ihre Portion herauszunehmen. Frühere Kommentatoren übersetzten “Schoß, Schlitz in einem Kleidungsstück” entsprechend unserem Ausdruck “die Hände in den Taschen vergraben”, aber das trifft weniger wahrscheinlich zu. A. Cohen, Proverbs (“Die Sprüche”) (London: Soncino Press, 1967), S. 129.

27 Kidner sagt über den sich selbst gegenüber Blinden Faulen, wie er in Spr 26:13-16 beschrieben wird, dass dieser gar nicht auf die Idee kommt, er sei faul: Er ist kein Drückeberger, sondern ein “Realist” (13); nicht zu nachgiebig sich selbst gegenüber, sondern “frühmorgens noch nicht in Bestform” (14); seine Trägheit hilft ihm, “sich nicht hetzen zu lassen” (15), seine geistige Abstumpfung, „sich nicht beirren zu lassen“ (16). Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche] (Chicago: Inter-Varsity Press, 1964), S. 163.

28 Kidner überschreibt diese beiden Verse “Die Tyrannei der Begierde” und sagt: “Der Faule lebt in einer Welt der Wünsche, die ihm Ersatz für die Arbeit ist. Das kann ihn materiell ruinieren (25) und spirituell gefangen halten (26), denn er kann sich weder selbst beherrschen noch sich selbst entkommen.” Ibid., S. 145.

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7. Gott und Mensch in den Sprüchen

Einleitung

Zwei Fehler, hauptsächlich, machen Viele von uns bei dem Versuch, das Alte Testament zu interpretieren. Der erste Fehler ist, dass wir dazu neigen, zu viel zu sehen. Damit meine ich, dass Viele einfach die Botschaft des Neuen Testaments aus dem Alten lehren. Buchstäblich jede Wahrheit des Neuen Testaments wird dann schon im Alten vorgefunden. Damit tut man dem Text oft wirklich Gewalt an. Der andere Fehler liegt darin, dass wir nicht genug in den Textstellen des Alten Testaments sehen, die wir studieren und über die wir predigen. Ich bin Dispensationalist, aber ich finde bei Einigen, die meine Überzeugung teilen, die Neigung, das Alte Testament nur als ein Buch aus einem anderen Zeitalter anzusehen. Ich glaube aber, dass die Heiligen des Alten Testaments mehr wussten, als wir ihnen zuschreiben. So konnte Jesus beispielsweise sagen: „Abraham, euer Vater, freute sich sehr darauf, Meinen Tag zu sehen, und er sah ihn und war froh“ (Joh 8:56).

Wenige Christen würden wohl erwarten, das Evangelium im Buch der Sprüche dargestellt zu finden. Ich glaube aber tatsächlich, dass das Evangelium darin enthalten ist, ebenso wie in anderen Büchern des Alten Testaments. Was das Alte Testament in allgemeinen Begriffen lehrt, lehrt das Neue spezifischer. Ich bin überzeugt davon, dass die wesentlichen Sachverhalte des Evangeliums eindeutig in den Sprüchen ausgesagt werden.

Ich habe ein besonderes Interesse daran, das Buch der Sprüche bezüglich seiner Lehren über Gott und den Menschen zu durchforschen. Die Sprüche enthalten meiner Meinung nach eine detaillierte Beschreibung Gottes, und das aus gutem Grund. Schließlich sind die Sprüche der Ausbildung eines gottgefälligen Charakters gewidmet. Und wenn ein Mensch gottgemäß sein will, muss er zuerst wissen, wie Gott ist. Schon aus diesem Grund dürfen wir erwarten, dass die Sprüche eine Beschreibung von Gottes Wesen enthalten.

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum die Sprüche viel zu unserem Verständnis vom Wesen Gottes beitragen können. Das Buch der Sprüche ist ein ausgesprochen praktisches Buch. Es handelt nicht von ätherischer, philosophischer Wahrheit, sondern von praktischer Wahrheit, von Wahrheit, die unmittelbar in gottgemäße Haltungen und Taten umgesetzt werden kann. Wenn die Sprüche uns über Gott unterrichten, enthüllen sie uns jene göttlichen Eigenschaften, durch die unser Leben geformt werden sollte. Sehen wir uns also das Buch der Sprüche an, um mehr über Gott und über das Verhältnis des Menschen zu Ihm zu erfahren.

Die Beschreibung Gottes in den Sprüchen

Gottes Wesen wird in den Sprüchen anhand dessen am deutlichsten, was Ihn erfreut und was Er hasst.

1. GOTT LIEBT DIE GERECHTEN, ABER ER HASST DIE BÖSEN.

Denn wer krumme Wege geht, ist abscheulich für den Herrn; Aber mit dem Rechtschaffenen pflegt Er vertrauten Umgang. Der Fluch des Herrn liegt auf dem Hause des Bösen, Aber Er segnet den Wohnort des Gerechten (3:32-33).

Der Weg des Bösen ist dem Herrn ein Gräuel; Aber Er liebt den, der die Gerechtigkeit verfolgt (15:9).

2. GOTT LIEBT DEN GUTEN MENSCHEN; ABER ER HASST DIE PLÄNE UND ABSICHTEN DES BÖSEN.

Des Herrn Wohlgefallen wird einem guten Menschen zuteil; Aber den, der Böses plant, wird Er verurteilen (12:2; vgl. 6:18).

Üble Pläne sind dem Herrn ein Gräuel, Aber die angenehmen Reden sind rein (15:26).

3. GOTT LIEBT DIE REDLICHKEIT BEIM ABSCHLUSS EINES GESCHÄFTES, ABER ER VERACHTET DIE UNEHRLICHKEIT.

Eine falsche Wägung ist dem Herrn ein Gräuel, aber ein volles Gewicht ist Sein Wohlgefallen (11:1; vgl. 20:10,23).

4. GOTT LIEBT DIE INTEGEREN, ABER ER HASST DIE, DEREN HERZEN FALSCH SIND.

Falsche Herzen sind dem Herrn ein Gräuel, Aber die untadelig wandeln sind Sein Wohlgefallen (11:20; vgl. 3:32).

5. GOTT LIEBT DIE EHRLICHEN, ABER ER HASST DIE LÜGNER UND IHRE FALSCHHEIT.

Falsche Lippen sind dem Herrn ein Gräuel, Aber die in Treue handeln sind Sein Wohlgefallen (12:22; vgl. 6:17,19).

6. GOTT LIEBT DIE GEBETE DER RECHTSCHAFFENEN, ABER ER HASST DIE RELIGIÖSEN ZEREMONIEN DER BÖSEN.

Das Opfer des Bösen ist abscheulich für den Herrn, Aber an dem Gebet des Rechtschaffenen findet Er Wohlgefallen (15:8; vgl. 21:27).

Ich finde den Gedankengang verblüffend ähnlich zwischen dieser Beschreibung dessen, was Gott liebt und was Er hasst, und der Bergpredigt in Matthäus 5-7. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Worte unseres Herrn Seine eigene Auslegung – im Gegensatz zu der der jüdischen religiösen Führer Seiner Zeit – des alttestamentarischen Gesetzes darstellen, ist es eigentlich wenig verwunderlich, dass Er dort die Lehren der Sprüche wieder aufnimmt.

Was wir gerade den Sprüchen darüber entnommen haben, was Gott liebt und was Er hasst, hat mindestens zwei ganz praktische Implikationen: erstens (womit wir uns noch später im Detail befassen werden), dass uns Einblick gewährt wird in das Ziel der göttlichen Führung, in den Willen Gottes. Gottes Wille ist, allgemein ausgedrückt, dass wir das tun, was Ihm wohlgefällt, und das lassen, was Er verachtet. Zweitens, dass man viel über den Charakter einer Person selbst aus dem erfahren kann, was diese Person liebt und was sie hasst. Aus den obigen Betrachtungen sollte damit offenbar werden, dass Gott selbst aufrichtig, gut, heilig, ehrlich und gerecht ist. Er liebt die Gerechtigkeit und Er hasst das Böse.

Wir haben aus den Sprüchen also gelernt, dass Gott gut ist. Die Sprüche beschreiben aber auch einen Gott, der groß ist: Er ist groß an Wissen und groß an Macht.

Die Theologen sprechen von Gott als einem Allwissenden, was schlicht bedeutet, dass Er Alles weiß. Die Sprüche spezifizieren einige der Bereiche von Gottes Allwissenheit näher:

1. GOTT KENNT DIE TATEN DER MENSCHEN, DIE GUTEN WIE DIE SCHLECHTEN.

Denn die Wege des Menschen liegen vor den Augen des Herrn, Und Er betrachtet alle seine Bahnen (5:21).

Die Augen des Herrn sind an jedem Ort Und beobachten die Schlechten und die Guten (15:3).

2. GOTT KENNT DIE HERZEN DER MENSCHEN UND SPÜRT IHRE MOTIVE AUF.

Scheol und Abaddon liegen offen vor dem Herrn; Um wie viel mehr die Herzen der Menschen! (15:11).

Alle Wege eines Menschen sind lauter in seinen eigenen Augen, Aber der Herr wägt die Absichten (16:2; vgl. auch 17:3; 21:2).

Gott ist auch allmächtig. Er hat alle Macht. Nichts liegt außerhalb Seiner Kontrolle. Gott ist in der Lage, das durchzuführen, wozu Er Sich entschlossen hat. Niemand ist fähig, Seinen Plan zu durchkreuzen. Selbst Könige, die mächtigsten Gestalten der Alten Welt, unterstanden Seinem Willen:

Das Herz des Königs ist wie Wasserbäche in der Hand des Herrn; Er lenkt es, wohin immer es Ihm gefällt (21:1).

Selbst die Bösen, die sich entschieden haben, gegen Gott zu rebellieren, werden am Ende Seine Absichten erfüllen.

Ein Jedes hat der Herr für seinen eigenen Zweck gemacht, Selbst das Böse für den üblen Tag (16:4).

Durch Seinen Willen werden Schlachten gewonnen, und selbst das, was zufällig erscheint, steht unter Seiner Kontrolle.

Das Pferd wird für den Tag der Schlacht gerüstet, Aber der Sieg gehört dem Herrn (21:31).

Das Los wird in den Schoß geworfen, Aber jede seiner Entscheidungen kommt vom Herrn (16:33).

Gottes Souveränität reicht sogar in die Rede und die Schritte eines Menschen hinein.

Die Pläne des Herzens gehören zum Menschen, Aber die Antwort der Zunge ist vom Herrn (16:1).

Das Herz des Menschen erdenkt sich seinen Weg, Aber der Herr lenkt seine Schritte (16:9).

Gott sorgt für Seine Schöpfung und Er wird niemals die Kontrolle darüber aus der Hand geben. Der Mensch muss sich wohl entscheiden, seiner Torheit abzusagen und sich für den Weg der Weisheit zu entscheiden. Kein irdisches oder himmlisches Wesen aber hat die Macht, dem Willen Gottes zu widerstehen.

Es gibt weder Weisheit noch Erkenntnis Noch irgendeinen Rat gegen den Herrn (21:30).

Gottes unendliche Güte und Größe stellt Ihn weit außerhalb der Reichweite des Menschen. Der Mensch wäre niemals in der Lage, Gott zu erfahren oder zu verstehen, wenn nicht Gott selbst zuerst die Menschen suchte, um Sich ihnen zu offenbaren und eine Beziehung mit ihnen aufzubauen.

Gewiss bin ich unverständiger als irgendein Mensch, Und ich habe nicht den Verstand eines Menschen. Und ich habe die Weisheit nicht gelernt, Aber ich habe die Kenntnis des Einen Heiligen. Wer ist zum Himmel aufgestiegen und herabgestiegen? Wer hat den Wind in Seiner hohlen Hand gesammelt? Wer hat die Wasser in Seinen Überwurf gewickelt? Wer hat alle Enden der Erde festgesetzt? Wie ist Sein Name und wie der Name Seines Sohnes? Du weißt es sicher! (30:2-4).

Tatsächlich kann ein Mensch sich noch nicht einmal selbst verstehen, geschweige denn dazu kommen, Gott zu verstehen.

Die Schritte des Menschen sind vom Herrn bestimmt; Wie kann der Mensch dann seinen Weg verstehen? (20:24).

Gott hat sich entschlossen, sich aufs Engste in die Geschäfte der Menschen verwickeln zu lassen. Er steht nicht ferne oder abseits. Wie es die Theologen ausdrücken würden: Gott ist immanent. Gottes Sorge für Seine Schöpfung reicht bis hin zum Gebrauch reeller Gewichte.

Eine gerechte Waage und Waagschalen gehören dem Herrn; Alle Gewichte des Beutels sind Sein Werk (16:11).

Er kennt die Bedürfnisse der Gerechten und geht auf sie ein.

Der Herr wird den Gerechten nicht hungern lassen, Aber Er wird die Gier des Bösen wegstoßen (10:3).

Er wird nicht zulassen, dass Schlechtes und Ungerechtigkeit ungestraft davon kommen, noch dass Freundlichkeit unbelohnt bleibt.

Wer den Armen verspottet, schmäht den, der ihn gemacht hat; Wer sich über Schaden freut, wird nicht ungestraft bleiben (17:5).

Wer dem Armen Großzügigkeit erweist, leiht dem Herrn, Und Er wird ihm seine gute Tat vergelten (19:17).

Eines der Dinge, die über Gottes Wesen konkret und intensiv dargestellt werden, ist die Tatsache, dass Er der Richter über die Erde und insbesondere über die Menschheit ist. Wir können sicher sein, dass es einen Tag der Abrechnung geben wird, an dem Gott über die Menschen richten und sie nach ihren Taten belohnen wird.

Reichtümer bringen keinen Nutzen am Tag des Zornes, Aber Gerechtigkeit wird vom Tode befreien (11:4).

Wenn du auch sagst: „Siehe, wir haben dies nicht gewusst“ – Wird nicht Er es bemerken, der die Herzen wägt? Und wird nicht Er es wissen, der deine Seele erhält? Und wird Er nicht dem Menschen nach seinem Tun erstatten? (24:12)

Wir finden in den Sprüchen häufig den Ausdruck „er wird nicht ungestraft bleiben” als Hinweis darauf, dass der oder die Schreiber einen Tag des Gerichtes kommen sahen, an dem Gott sicher die Menschen nach ihren Taten beurteilen würde (vgl. 11:21; 17:5; 19:5; 28:20).

Es wird zwar gesagt, dass selbst die Bösen einen göttlichen Zweck erfüllen (16:4), dennoch wird das Urteil über schlechte Menschen genau so sein, wie sie es verdienen. Sie „ernten nur, was sie gesät haben“ (vgl. Gal 6:7).

Wer fest in der Gerechtigkeit steht, wird das Leben erhalten; Und wer Böses betreibt, bringt seinen eigenen Tod herbei (11:19).

Ein Mensch wird mit Gutem gesättigt werden durch die Frucht seiner Worte, Und die Taten seiner Hände werden zu dem Menschen zurückkehren (12:14).

Wer die Aufrechten auf den Weg des Bösen verführt, Wird in seine eigene Grube fallen, Aber die Untadeligen werden das Gute ererben (28:10; vgl. 14:14,32).

Dies ist die biblische Doktrin der Vergeltung – man bekommt, was man verdient. Beachten Sie aber hier etwas, das durchaus von Bedeutung ist: Von den Bösen wird ausdrücklich gesagt, dass sie bekommen, was sie verdient haben – aber über die Segnungen für die Gerechten wird in einer anderen Formulierung gesprochen. Der das Böse tut, bringt seinen eigenen Tod herbei, aber vom Gerechten wird nicht gesagt, dass er das Leben verdient, sondern dass er es erhalten wird (11:19). Der Heilige des Alten Testamentes sah das vielleicht noch nicht so klar, wie wir es heute tun sollten, aber ich glaube, dass auch er wusste, dass das Leben ein Geschenk und keine Belohnung ist. Die Gerechten erhalten das Leben, aber sie erhalten es durch Gottes Gnade und nicht durch ihre eigenen Verdienste.

Die Sprüche stellen Gott dar als einen Sucher nach den Menschen. Ein Sünder wird zwar erst am Ende vor Gott als seinem Richter stehen – aber zu denen, die Ihn lieben, ist es Sein Wunsch, ein inniges Verhältnis zu unterhalten.

Denn wer krumme Wege geht, ist abscheulich für den Herrn; Aber mit dem Rechtschaffenen pflegt Er vertrauten Umgang (3:32).

Wörtlich heißt es hier im Text: “Sein vertrauter Rat” (Randnotiz, NASB) ist mit dem Gerechten. Weil Gott die Gemeinschaft mit den Menschen wünscht, wird Er als Dame Weisheit personifiziert, die die Menschen einlädt, mit ihr zu speisen:

„Kommt, nährt euch von meinem Brot Und trinkt von dem Wein, den ich gemischt habe. Verlasst die Torheit und lebt Und geht voran auf dem Weg des Verständnisses“ (9:5-6).

Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dieser Einladung und der Vertrautheit, die unser Herr zu Seinen Kindern in Offenbarung 3:20 sucht.

Gott hat es den Menschen ermöglicht, Ihn zu erfahren, weil Er Sich ihnen offenbart hat. Das Werk Seiner Hände kann in der Schöpfung betrachtet werden (3:19-20; 8:22-31). Man kann Ihn durch die Lehren der Weisen kennen lernen (2:1-11). Aber vor Allem hat Er Sich durch Sein heiliges Wort offenbart.

Jedes Wort von Gott ist geläutert; Er ist ein Schild denen, die zu Ihm Zuflucht nehmen. Füge Nichts zu Seinen Worten hinzu, Damit Er dich nicht zurechtweise und du als ein Lügner überführt werdest (30:5-6).

Das Dilemma des Menschen

Gemäß der Sprüche befindet sich der Mensch in einem ernsthaften Dilemma, und das aus zwei Gründen. Erstens wird jeder Mensch vor eine Entscheidung gestellt. Er kann sie aktiv treffen oder durch Geschehenlassen – aber sie muss getroffen werden. Es ist die Entscheidung, Gott zu fürchten oder sich Ihm zu widersetzen, der Weisheit zu folgen oder dem Pfad der Torheit.

Der weise Vater drängt seinen Sohn, die richtige Wahl zu treffen:

Mein Sohn, vergiss meine Lehren nicht, Sondern lass dein Herz meine Gebote halten, Und die Länge der Tage und Jahre des Lebens Und der Friede werden dir zukommen. Güte und Wahrhaftigkeit mögen dich nicht verlassen; Binde sie um deinen Hals, Schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. So wirst du Gunst und einen guten Ruf Bei Gott und den Menschen finden. Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:1-7).

Ebenso drängt Dame Weisheit die Menschen, ihr zu folgen:

„Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen? Kehrt um zu meiner Zurechtweisung, Dann will Ich meinen Geist über euch ausgießen; Ich will euch meine Worte bekannt geben“ (1:22-23).

Die Entscheidung, die jeder Mensch treffen muss, ist eine Entscheidung zwischen zwei Wegen, aus denen zwei Schicksale resultieren. Der Weg der Weisheit ist der Weg von Leben, Köstlichkeit und Frieden (3:16-18), der Weg der Sicherheit, ohne Furcht vor der Strafe für das Böse (1:33; 3:25-26). Den Gerechten wurde versprochen, dass sie „im Lande wohnen bleiben” sollten (2:21).

Schlechte Menschen, die den Pfad der Torheit gewählt haben, gehen genau auf das zu, was sie fürchten: Sie werden ernten, was sie gesät haben (1:31). Sie werden den Tod erleiden (2:18) und „aus dem Land ausgerottet werden” (2:21). Sie können nur den Zorn und die Verdammnis Gottes erwarten (3:32; 12:2).

Das Dilemma des Menschen wird durch einen zweiten Faktor noch verstärkt: Während er die Entscheidung zu treffen hat, Gott zu fürchten oder auf sich selbst zu vertrauen, ist er zur Torheit, zum Weg des Bösen prädisponiert. Schon in der Kindheit neigen wir dazu, unsere eigenen Wege zu gehen.

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft; Aber die Rute der Zucht wird sie von ihm entfernen (22:15).

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird [wörtlich: das sich selbst überlassen wird] bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Wenn wir älter werden, neigen wir zur Selbsttäuschung und glauben, dass der Weg, den wir gewählt haben, der Richtige sei – auch wenn er das nicht ist.

Es gibt einen Weg, der vor dem Menschen recht erscheint, Aber am Ende ist es der Weg des Todes (14:12; auch 16:25).

Der Weg des Toren ist recht in seinen Augen, Aber wer auf einen Rat hört, ist weise (12:15).

Alle Wege eines Menschen sind lauter in seinen eigenen Augen, Aber der Herr wägt die Absichten (16:2).

Schlechte Menschen sind nicht in der Lage, Wahrheit und Weisheit zu erkennen, und demzufolge wenden sie sich denen zu, die für die Torheit eintreten.

Wer verkehrten Sinnes ist, findet nichts Gutes, und wer verkehrter Zunge ist, wird ins Unglück fallen (17:20).

Ein Übeltäter hört auf böse Lippen, Ein Lügner schenkt zerstörerischer Zunge Gehör (17:4).

Das Dilemma des Menschen ist also dieses: Er neigt von Natur aus der Sünde zu und nicht zu Gott (die Theologen nennen das Verderbtheit), und diese Veranlagung veranlasst ihn dazu, sich gerade denjenigen Worten zu verweigern, die ihm den Weg zur Erlösung verheißen. Statt dessen hört der schlechte Mensch auf die, die ihm erzählen, was er hören will – Torheit. Die Wurzel des menschlichen Dilemmas ist die Sünde:

Die Toren spotten der Schuld, Aber unter den Aufrichtigen ist guter Wille [oder: Gefallen an Gott; Randnotiz NASB] (14:9).

Gerechtigkeit erhöht eine Nation, Aber die Sünde ist eine Schande für jedes Volk (14:34).

Wer kann sagen: „Ich habe mein Herz gereinigt, ich bin frei geworden von meiner Sünde“? (20:9).

Gottes Vorkehrungen

Die Sprüche legen uns nicht nur das Problem dar, sondern sie enthüllen auch Gottes Vorkehrungen zu seiner Lösung. Als ein praktisches Buch teilen die Sprüche den Menschen mit, was alles für eine Gemeinschaft mit Gott notwendig ist. Ich möchte nicht gerade sagen, dass dies die Schritte zur Bekehrung sind, sie sind eher auf einem anderen Maßstab Schritte zu einer Umkehr, vom Weg der Torheit zur Nachfolge der Weisheit. Gehen Sie sie gemeinsam mit mir durch.

1. DER MENSCH MUSS DEMÜTIG WERDEN UND SEINE SÜNDE BEKENNEN.

Die Furcht des Herrn ist Anleitung zur Weisheit, Und der Herrlichkeit geht Demut voraus (15:33).

Wer seine Übertretungen zudeckt, wird kein Gelingen haben, Doch wer sie bekennt und von ihnen lässt, wird Barmherzigkeit finden (28:13).

2. DER MENSCH MUSS GOTTES WORT GLAUBEN.

Neige dein Ohr und höre auf die Worte des Weisen Und richte deinen Sinn auf meine Erkenntnis; Denn lieblich ist es, wenn du sie bei dir behältst, Damit sie auf deinen Lippen bereit sind. Damit deine Zuversicht im Herrn gegründet werde, habe ich dich, gerade dich heute unterwiesen. Habe ich dir nicht hervorragende Dinge Als Ratschlag und Erkenntnis aufgeschrieben, Um dir die Gewissheit der Worte der Wahrheit zu zeigen, Damit du dem recht antworten könnest, der dich gesandt hat? (22:17-21).

Jedes Wort von Gott ist geläutert; Er ist ein Schild denen, die zu Ihm Zuflucht nehmen (30:5).

Wer das Wort verachtet, wird in seiner Schuld sein, Aber der das Gebot fürchtet, wird belohnt (13:13).

Einige mögen vielleicht meine Interpretation dieser Verse, insbesondere 22:17-21, anzweifeln. Aber der Gott, der errettet, ist es selbst, der gesprochen hat. Der Schreiber der ersten Textstelle scheint zu spüren, dass seine Worte von Gott kommen, und deshalb drängt er den Leser, ihnen für seine eigene Erlösung Beachtung zu schenken. Schließlich ist unsere Erlösung nur so sicher wie die Offenbarung, die sie uns in Aussicht stellt. Um an Gott zu glauben, müssen wir zuerst an Sein Wort glauben.

3. DER MENSCH MUSS AUFHÖREN, AUF SICH SELBST ZU BAUEN, UND NUR GOTT FÜR SEINE ERLÖSUNG VERTRAUEN.

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:5-7).

Der Name des Herrn ist ein starker Turm; Der Gerechte läuft hinein und ist in Sicherheit (18:10).

Die Furcht vor den Menschen legt dich in eine Schlinge, Aber wer auf den Herrn vertraut, wird erhöht werden (29:25).

4. DER MENSCH MUSS SEINER TORHEIT ENTSAGEN UND SICH DEM WEG DER WEISHEIT ZUWENDEN.

Wenn du dich um sie [die Weisheit] bemühst wie um Silber Und nach ihr suchst wie nach verborgenen Schätzen, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen Und die Erkenntnis Gottes finden. Denn der Herr gibt Weisheit; Von Seinem Mund kommt Wissen und Einsicht. Für die Rechtschaffenen bewahrt er dauerhafte Weisheit auf; Er ist ein Schild denen, die in Lauterkeit wandeln, Er behütet die Pfade der Gerechtigkeit Und erhält den Weg Seiner Frommen (2:4-8).

Verlasst die Torheit und lebt Und geht voran auf dem Weg des Verständnisses“ (9:6).

Die Sprüche fassen die Art, wie der Mensch ein Verhältnis zu Gott eingehen soll, gerne in dem Ausdruck “die Furcht des Herrn” zusammen.

1. DIE FURCHT DES HERRN IST DER ERSTE SCHRITT, UM WEISHEIT ZU ERLANGEN UND GOTT ZU ERKENNEN.

Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen Und die Erkenntnis Gottes finden (2:5).

Die Furcht des Herrn ist der Beginn der Weisheit, Und die Erkenntnis des Einen Heiligen ist Verständnis (9:10; vgl. 1:7; 15:33).

2. DIE FURCHT DES HERRN BRINGT UNS VOM TOD ZUM LEBEN, VON GOTTES ZORN ZUM LEBEN DURCH IHN.

Die Furcht des Herrn verlängert das Leben, Aber die Jahre der Bösen werden verkürzt werden (10:27).

Die Furcht des Herrn ist ein Quell des Lebens, Um sich abzuwenden von den Schlingen des Todes (14:27).

Die Furcht des Herrn gereicht zum Leben, Sodass man gesättigt schläft und vom Bösen nicht berührt wird (19:23).

Der Lohn der Demut und der Furcht des Herrn Sind Reichtum, Herrlichkeit und Leben (22:4).

3. DIE FURCHT DES HERRN LÄSST UNS DAS BÖSE MEIDEN UND GERECHTIGKEIT AUSÜBEN.

„Die Furcht des Herrn bedeutet, das Böse zu hassen; Stolz und Überheblichkeit, den schlechten Weg Und den verkehrten Mund hasse ich“ (8:13).

Wer in Rechtschaffenheit wandelt, fürchtet den Herrn, Aber wer verkehrt ist auf seinen Wegen, verachtet Ihn (14:2).

Durch liebende Güte und Wahrhaftigkeit wird Missetat gesühnt, Und in der Furcht des Herrn hält man sich vom Bösen fern (16:6).

Lass dein Herz nicht neidisch sein auf Sünder, Sondern lebe allezeit in der Furcht des Herrn (23:17).

4. DEN HERRN ZU FÜRCHTEN BEDEUTET, IHN ZU RESPEKTIEREN, ABER AUCH, IHM ZU VERTRAUEN.

Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:7).

In der Furcht des Herrn liegt ein tiefes Vertrauen, Und für seine Kinder wird es eine Zuflucht geben (14:26).

Um vor dem göttlichen Gericht bewahrt zu werden und in eine enge Gemeinschaft mit Gott einzutreten, muss der Mensch als Erstes demütig werden und seine Sündhaftigkeit bekennen. Er muss aufhören, auf sich selbst zu bauen und sein Vertrauen in Gott setzen. Und nachdem er dem Weg der Sünde entsagt hat, muss er das Böse meiden und der Gerechtigkeit anhängen.

Schlussfolgerung

Lassen Sie mich zum Schluss – im Hinblick auf das, was wir aus den Sprüchen über Gott und den Menschen gelernt haben – noch einmal zwei Verpflichtungen herausstellen, die wir nicht vernachlässigen dürfen.

1. DER MENSCH IST DAZU VERPFLICHTET, SICH ZU ENTSCHEIDEN, OB ER DEM WEG DER WEISHEIT FOLGEN WILL, INDEM ER SEINE SÜNDHAFTIGKEIT BEKENNT, SICH VOM BÖSEN ABKEHRT UND AUF GOTT VERTRAUT.

Die Sprüche konfrontieren uns immer wieder mit der Dringlichkeit unserer Entscheidung für oder gegen die Furcht des Herrn. Es gibt nur zwei Wege, den Weg der Weisheit und den Weg der Torheit. Diejenigen, die ihrer natürlichen Neigung folgen, werden auf dem Weg zur Vernichtung bleiben. Denjenigen, die ihre Sünde bekennen und auf Gott vertrauen, werden Leben, Frieden und Gemeinschaft mit Gott zuteil werden. Sei es durch aktive Entscheidung oder durch passives Geschehenlassen – jeder Mann, jede Frau und jedes Kind trifft seine Wahl. Schieben Sie die Entscheidung für den Weg der Weisheit, den Weg des Lebens nicht länger auf!

2. WER SICH FÜR DEN WEG DER WEISHEIT ENTSCHIEDEN HAT, IST VERPFLICHTET, DENEN DIESEN WEG ZU ZEIGEN, DIE IHN NOCH NICHT BETRETEN HABEN.

Ich glaube,dass das Buch der Sprüche uns zu Evangelisten erziehen möchte. Wir sollen es machen wie Gott (und Dame Weisheit) und den Menschen nachgehen, sie vor den Gefahren ihres Weges warnen und sie ermahnen, sich von der Torheit hin zur Weisheit zu bekehren. Es gibt mehrere Sprüche, die zeigen, dass der Weise verpflichtet ist, andere auf den Weg zu drängen, der die Menschen vom Tod zum Leben führt.

Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens, Und wer weise ist, gewinnt Seelen (11:30).

Der Rechtschaffene ist seinen Nächsten ein Vorbild, Aber der Weg der Bösen führt sie in die Irre (12:26).

Die Lehren der Weisen sind ein Quell des Lebens, Um sich abzuwenden von den Schlingen des Todes (13:14).

Befreie die, die zum Tode weggeführt werden; Und die zur Schlachtung hinstolpern, O halte sie zurück! Wenn du auch sagst: „Siehe, wir haben dies nicht gewusst“ – Wird nicht Er es bemerken, der die Herzen wägt? Und wird nicht Er es wissen, der deine Seele erhält? Und wird Er nicht dem Menschen nach seinem Tun erstatten? (24:11-12)

Derjenige, der seine eigene Sündhaftigkeit erkannt hat und die Gefahren, die auf dem Weg der Torheit entstehen, der kennt auch zur Genüge die Gefahren, die auf Andere zukommen, und er fühlt sich gedrängt, die Anderen zu warnen, und möchte die Worte der Weisheit mit ihnen teilen, die er als wahr erkannt hat.

Passage: 

8. Weisheit und Wohlstand (Teil I)

Die Einstellung der Bibel zum Reichtum

Einleitung

Unsere bisherigen Studien im Buch der Sprüche konzentrierten sich auf das, was ein Weiser nicht ist – einfältig, töricht, faul. Jetzt wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf das richten, was den, der weise ist, in den Sprüchen kennzeichnet. Wir beginnen damit, dass wir das Verhältnis von Weisheit und Reichtum näher untersuchen. Eine der Möglichkeiten, einen weisen Menschen zu erkennen, ist die Art, wie er mit Geld umgeht. Weisheit kann man nicht daran erkennen, wie viel Geld jemand besitzt, sondern daran, was er für eine Einstellung dazu hat, wie er es erworben hat und wie er Gebrauch davon macht. Diese Botschaft wird die Einstellung des Weisen zum Reichtum untersuchen; die Nächste wird sich dann mit der Art auseinandersetzen, wie Geld erworben und wie es gebraucht werden sollte.

Wenn ich die Betrachtungen zum Charakter des Weisen mit einer Abhandlung über Geld beginne, soll das nicht so verstanden werden, dass ich Geld für das wichtigste Thema halte, das es zu untersuchen gilt – das ist es keinesfalls. In Lukas 16:10 bezeichnet Jesus Geld als ein “Geringstes”. Allerdings gibt es mehrere Gründe, warum ein so Geringes wie Geld für uns von Wichtigkeit sein kann. In erster Linie stellt es – mag es auch ein Geringes sein – ein großes Problem für viele amerikanische Familien dar, für christliche wie für nicht-christliche. Wie unsere Regierung, so haben auch wir uns daran gewöhnt, einen defizitären Haushalt zu verwalten und mehr auf Kredit als mit Barzahlung zu leben. Die Folge davon ist, dass einer oder sogar beide Ehepartner mehr arbeiten müssen als vernünftig ist. Auch die christliche Freigebigkeit nimmt offensichtlich ab. Wenn etwas, das nur „ein Geringes“ ist, so „groß“ in unserem Leben wird, stimmt etwas mit unseren Prioritäten nicht. Jesus lehrte zudem, dass wenn wir in diesem „Geringsten“ des Geldes nicht treu sind, wir in Angelegenheiten von größerer Wichtigkeit auch nicht treu handeln werden (vgl. Lukas 16:10). Wollen wir also danach streben, weise im Umgang mit Geld zu werden. Lassen Sie uns die Weisheit Gottes zu diesem Thema suchen, wenn wir jetzt ein weiteres Mal das Buch der Sprüche aufschlagen.

Was ist besser als Reichtum?

Mancher scheint zu denken, dass es nichts Besseres gibt als Reichtum, aber gemäß der Sprüche gibt es viele Dinge, die wichtiger sind als Geld. Lassen Sie uns kurz einige dieser besseren Dinge betrachten.

1. AURRICHTIGKEIT UND FREUNDLICHKEIT SIND BESSER ALS WOHLSTAND. In den Sprüchen wird uns gesagt, dass es wichtiger ist ehrlich zu sein als reich.

Das Begehrenswerte an einem Menschen ist seine Güte, Und es ist besser arm zu sein als ein Lügner (Spr 19:22).

Reiche Menschen finden es nicht unbedingt wichtig, freundlich zu Anderen zu sprechen. Der Reiche in Sprüche 18:23 “antwortet heftig”. Die Ebenezer Scrooges im Leben gehen nicht freundlich mit Anderen um, doch die Sprüche bedeuten uns, dass Güte wichtiger ist als Reichtum. Ganz konkret wird uns in Vers 19:22 gesagt, dass es besser ist, ein ehrlicher Mensch zu sein als ein Reicher – wenn man zwischen Beidem zu wählen hat.

2. EIN GUTER RUF IST BESSER ALS REICHTUM.

Ein guter Name ist begehrenswerter als große Reichtümer; Gunst ist besser als Silber und Gold (22:1).

3. EIN GOTTGEFÄLLIGER CHARAKTER IST WICHTIGER ALS GELD. Es ist wichtiger gerecht zu sein als reich. Die Lauterkeit eines Menschen ist wichtiger als materieller Überfluss.

Ein armer Mann, der in Lauterkeit wandelt, ist besser Als einer, der Verkehrtes spricht und ein Tor ist (19:1).

Besser ist ein Wenig mit Gerechtigkeit Als eine Fülle von Ertrag ohne Recht (16:8).

4. EIN FRIEDVOLLES ZUHAUSE VOLLER LIEBE IST BESSER ALS EIN BANKKONTO VOLLER GELD. Zahllose Menschen opfern ihr Heim in dem Bemühen, Geld zu verdienen – oft unter dem Vorwand, für die Familie zu sorgen. Die Sprüche lehren uns, dass es wichtiger ist, ein Zuhause voller Liebe und Harmonie zu haben als eines, das nur Geld hat.

Besser ist ein Gemüsegericht, wo Liebe ist, Als ein gemästeter Ochse mit Hass dabei (15:17).

Besser ist ein trockener Kanten Brot und Ruhe dabei Als ein Haus voller Feste mit Zank (17:1).

Negativ ausgedrückt: Einer der Reichtum auf ungerechte Weise zu erlangen sucht, bringt Zerstörung über sein Heim.

Wer unrechtmäßigen Gewinn macht, bringt sein eigenes Haus in Schwierigkeiten; Aber wer die Bestechung hasst, wird leben (15:27).

5. WEISHEIT IST BESSER ALS WOHLHABENHEIT. Kein Thema wahrscheinlich wird so oft in den ersten Kapiteln der Sprüche wiederholt.

„Nehmt meine Zurechtweisung und nicht Silber, Und Erkenntnis lieber als das erlesenste Gold. Denn Weisheit ist besser als Geschmeide, Und auch alle anderen Dinge, an denen man Lust hat, kommen ihr nicht gleich“ (8:10-11).

Um wieviel besser ist es, Weisheit zu erwerben als Gold; Und Verständnis zu erlangen ist dem Silber vorzuziehen! (16:16).

Wenn es so viele bessere Dinge gibt als Reichtum, müssen wir wohl zugeben, dass Geld nicht annähernd so wichtig sein kann, wie manche annehmen. Ein weitergehendes Studium der Sprüche bestätigt das: Lassen Sie uns als Nächstes betrachten, was Geld nicht leisten kann.

Was Geld uns nicht geben kann

„Geld ist nicht Alles,“ soll jemand gesagt haben, „aber es liegt weit vor Allem, was an zweiter Stelle folgen könnte.“ Die Sprüche dagegen klären uns darüber auf, dass Geld nicht nur nicht an erster Stelle steht, sondern noch nicht einmal um die zweite Stelle konkurrieren kann. Ein Grund dafür ist, dass wir mit Geld diejenigen Dinge einfach gar nicht kaufen können, die im Leben am Wichtigsten sind.

1. GELD KANN UNS KEINE SICHERHEIT VERSCHAFFEN.

Hauptsächlich aus zwei Gründen kann Geld einem Menschen keine Sicherheit geben. Der Erste ist der, dass man mit Geld keine Sicherheit erwerben kann, weil sich Sicherheit eben nicht kaufen lässt. Es gibt Menschen, die sich selbst darüber hinweg täuschen und denken, dass ihr Reichtum ihnen Sicherheit bietet, aber das ist nur Einbildung.

Der Wohlstand eines Reichen ist wie eine befestigte Stadt Und wie eine hohe Mauer in seiner eigenen Vorstellung (18:11).

Der zweite Grund, warum Geld uns keine Sicherheit bieten kann, ist der, dass Reichtum oft vergänglich ist. Nicht nur kann unser Reichtum uns nicht sicher machen, sondern er selbst ist unsicher.

Mühe dich nicht ab, um Reichtum zu gewinnen, Hör auf darüber nachzudenken. Wenn du deine Augen darauf richtest, ist er schon fort. Denn Reichtum macht sich gewiss Flügel, Wie die eines Adlers, der dem Himmel zu fliegt (23:4-5).

Ich erinnere mich an die Geschichte von einem Mann, der hunderte Millionen Dollar bei einer einzigen Transaktion gewann. Nur ein paar Monate später berichteten die Zeitungen über einen Verlust, der den vorher gemachten Gewinn sogar noch überstieg. Jemand kommentierte: „Sein letztes Hemd hat er wohl nicht verloren, aber die Krawatte sitzt doch schon recht locker.“ Sicherheit kann nie durch Geld erworben werden.

2. MIT GELD KANN MAN KEINE WEISHEIT KAUFEN.

Warum ist das Geld, um Weisheit zu kaufen, in der Hand eines Toren, Wenn er doch keinen Verstand hat? (17:16).29

3. GELD KANN UNS DAS KOSTBARSTE GESCHENK DES LEBENS NICHT VERSCHAFFEN.

Wir wissen, dass man mit Geld keine wahren Freunde kaufen kann, denn gekaufte „Freunde” werden uns im Stich lassen, wenn wir einmal bedürftig sind.

All die Brüder eines Armen hassen ihn; Um wieviel mehr halten sich seine Freunde von ihm fern! Er jagt ihnen nach mit Worten, doch sie sind fort (19:7).

Der Verlorene Sohn (Lukas 15) ist ein neutestamentliches Beispiel für diese Tatsache.

Eine gute Ehefrau ist ein Geschenk des Herrn (vgl. Spr 18:22). Eine gottgefällige Frau kann man nicht kaufen; sie ist eine Gabe von Gottes Gnade.

Haus und Vermögen sind von den Vätern ererbt, Aber eine kluge Frau ist vom Herrn (19:14).

4. DIE ERLÖSUNG KANN MIT GELD NICHT GEKAUFT WERDEN.

Gottes Gnade wird nie durch irgendwelche Leistungen des Menschen erworben. Geld kann uns deshalb nicht erretten – im Gegenteil: Stolz und Selbstvertrauen, die es oft hervorruft, verstärken unsere Eigenwilligkeit und Sündhaftigkeit nur noch.

Reichtümer bringen keinen Nutzen am Tag des Zornes, Aber Gerechtigkeit wird vom Tode befreien (11:4).

Die Gerechtigkeit der Aufrechten wird sie befreien, Aber die Treulosen werden in ihrer eigenen Gier gefangen werden (11:6).

Wer auf seine Reichtümer vertraut, wird fallen, Aber der Gerechte wird gedeihen wie das grüne Laub (11:28).

Es trifft vielleicht nicht ganz zu, dass „die besten Dinge im Leben kostenlos” sind, aber es ist doch offenbar so, dass man die besten Dinge im Leben nicht mit Geld bezahlen kann.

Was Geld uns geben kann

Jeder, der aus der Armut heraus zu Wohlstand gelangt ist, wird bestätigen, dass Geld Auswirkungen hat. Leider sind viele davon nicht unbedingt vorteilhaft. Lassen Sie uns einige der Auswirkungen betrachten, die Geld auf unser Leben haben kann – als einen weiteren Hinweis darauf, dass Geld nicht das ist, was man von ihm behauptet.

1. SIE KÖNNEN SICHER SEIN, DASS GELD “FREUNDE” ANZIEHT.

Die Sprüche lehren uns, dass Geld die Zahl der Freunde erhöht, Armut sie dagegen verringert.

Reichtum bringt viele Freunde hinzu, Aber der Arme wird von seinem Freund geschieden (19:4).

Viele werden um die Gunst eines großzügigen Mannes flehen; Und jeder Mensch ist ein Freund dessen, der Geschenke gibt (19:6).

Als ich heranwuchs, zogen meine Eltern in ein recht rustikales, aber wunderbares Haus an einem See. Dort verbrachte ich die meisten meiner Jahre als Jugendlicher. Nach einigen Jahren der Beobachtung stellte ich fest, dass wir zwar viele nette Freunde hatten, ein bestimmter Typ von „Freunden“ uns aber nur im Sommer besuchen kam, wenn man gut angeln konnte oder das Wetter sehr heiß – also genau richtig zum Schwimmen – war. Reichtum verschafft einem viele derartiger „Freunde“, aber in schwierigen Zeiten werden solche Leute immer anderswo ihre Freundschaften suchen.

2. GELD GIBT DEN REICHEN LEICHT EIN TRÜGERISCHES GEFÜHL DER SICHERHEIT.

Eine derTextstellen, die wir gerade gelesen haben, sagt uns, dass Reiche dazu neigen, ihr Wohlbefinden fälschlicherweise auf ihren Reichtum zu beziehen.

Der Wohlstand eines Reichen ist wie eine befestigte Stadt Und wie eine hohe Mauer in seiner eigenen Vorstellung (18:11).

3. GELD KANN STOLZ MACHEN UND GLEICHGÜLTIG GEGENÜBER DEN GEISTLICHEN DINGEN.

Es ist eine Tatsache im Leben, dass der arme Mensch, der sich fragt, woher er seine nächste Mahlzeit nehmen soll, eher auf geistliche Dinge eingestellt ist als der Reiche, der sich darüber doch anscheinend gar keine Sorgen machen muss.

Der reiche Mann dünkt sich weise, Aber der Arme, der Verständnis hat, durchschaut ihn (28:11).

Agur, der fromme Mann in Kapitel 30, wollte Gott nicht um Reichtum bitten, weil er fürchtete, dass sich sein Herz dadurch vom Herrn abwenden könnte. Er wagte nicht zu bitten, dass er reich würde, damit – in seinen eigenen Worten – „ich nicht satt werde und Dich verleugne und sage ‚Wer ist der Herr?’“ (30:9).

Schlussfolgerungen

Es gibt eine Reihe von Grundsätzen im Buch der Sprüche, die unsere Einstellung zum Geld prägen sollten. Einige davon werden im Folgenden aufgeführt:

1. WEDER DER BESITZ NOCH DAS FEHLEN VON GELD SAGT ETWAS ÜBER JEMANDES GEISTLICHE VERFASSUNG AUS.

In Jesu Zeit neigte das Judentum zu der irrigen Ansicht, dass Wohlstand ein Beweis für Frömmigkeit sei. Die Reichen, so nahm man an, waren wohlhabend, weil sie wertvoller waren. Die geistliche Einstellung eines Mannes konnte damit rasch festgestellt werden, indem man sich sein Bankkonto ansah, die Art, in der er sich kleidete, oder sonstige äußerliche Zeichen des Überflusses. Der Asketizismus anderer religiöser Gruppierungen beinhaltete dagegen genau das Gegenteil: Sie glaubten, dass der Fromme allen materiellen Besitz vermeiden müsse, so dass für sie Armut ein Beweis von Frömmigkeit war.

Beide Sichtweisen sind aus verschiedenen Gründen falsch. Erstens kann jemand aus unrechten Gründen reich sein: Kriminalität kann beispielsweise seinen Wohlstand befördert haben. Außerdem kann man auch aus anderen Gründen arm sein als durch Sündhaftigkeit oder Trägheit. Mancher ist durch Ungerechtigkeit arm geworden, nicht durch fehlende Initiative (13:23). Wenn es besser ist, arm zu sein als ein Lügner (19:22), mag jemand die Armut vielleicht auch bewusst gewählt haben, um ehrlich und rein im Herzen zu bleiben. Der wichtigste Gesichtspunkt, den die Bibel uns lehrt, ist aber der, Andere niemals anhand ihrer äußeren Erscheinung zu beurteilen.

Aber der Herr sprach zu Samuel: „Schau nicht auf sein Aussehen oder auf die Höhe seines Wuchses, denn Ich habe ihn verworfen. Denn Gott sieht nicht so, wie der Mensch sieht; denn der Mensch sieht auf die äußere Erscheinung, der Herr aber sieht auf das Herz” (1.Sam 16:7).

In der Bergpredigt warnte unser Herr vor den Gefahren der Oberflächlichkeit, der Ausübung von nach außen hin sichtbaren Handlungen, die Einer tut, um gerecht zu erscheinen, ohne dass er aber Gott wirklich von Herzen dient (vgl. Mat 6:1-18). Wir dürfen nicht wagen, die Frömmigkeit Anderer an Kriterien zu messen, die nur die äußerliche Erscheinung und nicht die Einstellung des Herzens berücksichtigen.

Der folgende Spruch fasst das vielleicht so gut zusammen, wie man es nur sagen kann:

Da ist Einer, der sich als reich ausgibt, aber er hat Nichts; Ein Anderer gibt sich als arm aus und hat doch große Reichtümer (13:7).

Wahre Reichtümer lassen sich nicht in Geld bemessen.

2. GOTT HAT NICHT VERSPROCHEN, DASS ER JEDEN FROMMEM CHRISTEN REICH MACHT.

Die Frage, die als Erstes gestellt werden muss, ist: „Hat Gott den Israeliten, an die und für die die Sprüche ja geschrieben worden sind, versprochen, sie finanziell zu fördern?“ Offen gesagt denke ich, dass die Antwort darauf „Ja“ ist. Gott hatte versprochen, Abraham zu segnen (Gen 12:1-3) und diese Verpflichtung auch gegenüber seinen Nachkommen Isaak (26:24) und Jakob (35:9-12) und Jakobs Söhnen gegenüber (vgl. 49:3-27) wiederholt. Im Buch Deuteronomium werden Wohlstand und Sicherheit allen Menschen versprochen, die nach dem Gesetz leben, das Gott im mosaischen Vertrag niedergelegt hat. Die Segnungen im Falle des Gehorsams und die Folgen des Ungehorsams werden in Kapitel 28 dargestellt. Sollte das Volk Israel das Gesetz Gottes missachten, so werden sie gewarnt, würden sie aus dem Land vertrieben und in die Gefangenschaft fortgeführt werden (Vers 64-68). Beachten Sie die folgende Stelle aus den Sprüchen unter dem Aspekt von Gottes Versprechens an Israel:

Denn die Rechtschaffenen werden im Lande wohnen bleiben, Und die Untadeligen werden in ihm übrig bleiben; Aber die Bösen werden aus dem Land ausgerottet werden, Und die Treulosen werden aus ihm herausgerissen (2:21-22).

Die Segnungen der Gerechten, von denen das Buch der Sprüche spricht, sind genau die, die Israel von Gott versprochen wurden, sofern es Seine Gesetze halten würde. Meiner Auffassung nach war Wohlstand der Standard und das Ideal, das es anzusteuern galt, und das Ziel Israels war es, keine Armen im Volke Gottes zu haben. Genau das ist, denke ich, der Punkt von Deuteronomium 15:4-5:

Es sollte jedoch unter dir keine Armen geben, denn der Herr wird dich sicher segnen in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir als ein Erbe gibt, um es in Besitz zu nehmen, wenn du nur gehorsam auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hörst und gewissenhaft all die Gebote einhältst, die Ich dir heute gebiete.

Wohlstand war zwar das Ideal; er wurde aber nie als Etwas gesehen, das wirklich eintreten würde. In den folgenden Versen desselben Kapitels in Deuteronomium nämlich weist Gott die Israeliten auf ihre Verpflichtung hin, für die Armen in ihrer Mitte zu sorgen:

Wenn unter dir ein armer Mann ist, einer deiner Brüder, in einer deiner Städte in deinem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, so sollst du dein Herz nicht verhärten noch deine Hand gegenüber deinem armen Bruder verschlossen halten; sondern freigebig sollst du deine Hand für ihn öffnen und ihm großzügig leihen, so viel, wie er von dem benötigt, an dem er Mangel hat (Deu 15:7-8).

Die auffallendste Äußerung – eine, die auch unser Herr wiederholt (vgl. Mat 26:11) – ist die in Deuteronomium 15:11: „Denn an Armen wird es niemals fehlen in deinem Land.“ Selbst in Israel nahm man nie an, dass jeder einmal reich sein würde.

Ein Beitrag des Dispensationalismus zum Studium der Schrift ist die Unterscheidung zwischen den Versprechen an die Juden und denjenigen an die Heiligen des Neuen Testaments. Wenn wir davon ausgehen, dass aufgrund des Versprechens der Sprüche Jeder, der gottgefällig lebt, reich wird, müssen wir auch so konsequent sein und sagen, dass wir dann im Land Israel leben werden (Spr 2:21). Ich finde im Neuen Testament kein einziges Versprechen, dass Frömmigkeit mit großem Reichtum belohnt werden wird. Selbst unser Herr legte Seinen Reichtum beiseite und wurde um unseretwillen arm (2.Kor 8:9).

3. DIE SPRÜCHE HALTEN UNS NICHT AN, NACH WOHLSTAND ZU STREBEN, SONDERN DAZU, JEDES OPFER FÜR DIE WEISHEIT AUF UNS ZU NEHMEN.

Die Sprüche raten uns nicht zum Materialismus, sondern sie verbieten ihn.

Mühe dich nicht ab, um Reichtum zu gewinnen, Hör auf darüber nachzudenken. Wenn du deine Augen darauf richtest, ist er schon fort. Denn Reichtum macht sich gewiss Flügel, Wie die eines Adlers, der dem Himmel zu fliegt (23:4-5).

Ein Mensch mit neidischen Augen hastet dem Reichtum nach Und weiß nicht, dass Mangel über ihn kommen wird (28:22).

Der größte Schatz im Leben ist die Weisheit, die mit der Furcht des Herrn beginnt und eine lebenslange Suche nach der göttlichen Einsicht in das Leben ist. Wie wir angewiesen werden, nicht nach Glück zu streben sondern nach Heiligkeit, so werden wir auch angespornt, nach Weisheit zu suchen und nicht nach Wohlstand. Wenn sich Reichtum einstellt, sollte er ein glücklicher Umstand und ein Nebeneffekt sein, aber nicht das Ziel an sich. Das war auch der Wunsch von Agur, der erkannte, dass sowohl die Armut als auch der Wohlstand ihre Gefahren haben. Die aufrichtige Bitte, die Agur äußerte, war deshalb die, dass er gerecht werde, nicht reich. Sein Gebet soll auch für uns ein Beispiel sein:

Zwei Dinge erbat ich von Dir; enthalte sie mir nicht vor, ehe ich sterbe: Halte Täuschung und Lüge weit von mir, Gib mir weder Armut noch Reichtümer; Ernähre mich mit Speise, soviel mir beschieden ist, Damit ich nicht satt werde und Dich verleugne und sage ‚Wer ist der Herr?’ Und damit ich nicht in Mangel gerate und stehle Und den Namen meines Gottes entweihe (30:7-9).

Oh, dass du und ich doch mehr nach Weisheit als nach Wohlstand hungerten und dass wir bereit wären, unser Leben dafür zu zügeln! Lasst uns nicht den Wohlstand zum obersten Inhalt unseres Lebens machen, aber lasst uns den Reichtum auch nicht verdammen, als wäre er eine Sünde. Der ausschlaggebende Punkt ist unsere Einstellung zum Geld. Viele, die arm sind, sind stärkere Materialisten als die Reichen, weil sie dem Reichtum zu viel Wert einräumen. Wie wir den Reichtum betrachten und wie wir Gebrauch von ihm machen – das ist es, was vor Gott wichtig ist. In der folgenden Lektion werden wir deshalb den Erwerb und den Gebrauch des Geldes betrachten.

Ein abschließendes Wort ist hier noch angebracht: Vielleicht hast du Jesus Christus noch nicht als deinen persönlichen Erlöser kennen gelernt. Du bist ein Schuldner vor Gott, und kein noch so großer Geldbetrag wird deine Schuld zurückzahlen können. Deine Schuld ist die Sündhaftigkeit. Die Bibel lehrt uns, dass der Sünde Lohn der Tod ist (Rö 6:23). Es gibt keine Möglichkeit, dass du selbst je deine Schuld zurückzahlen könntest. In Seiner Gnade hat Gott Seinen Sohn Jesus Christus gesandt, dass Er am Kreuz von Golgatha sterbe. Er trug die Strafe für unsere Sünden. Er allein kann dir die Vergebung deiner Sünden anbieten und die Sicherheit, dass du in Ewigkeit mit Ihm im Himmel sein darfst. Der Preis war ohne Maßen – das Blut von Gottes schuldlosem Sohn. Du kannst von deiner Schuld befreit und ein Erbe von Gottes Reichtum werden, aber nur durch ein persönliches Verhältnis zu Jesus Christus. Ich bitte dich dringend, deine Sünden zu bekennen und auf Ihn zu vertrauen für dein ewiges Leben.


29 Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Spr 17:16 und 23:23, wo gesagt wird: “Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht.” Vers 17:16 bezieht sich auf den Toren: er kann Weisheit um keinen Preis erlangen. In Vers 23:23 wird der Weise ermahnt, die Wahrheit zu suchen. Wahrheit kann zwar nicht mit Geld gekauft werden, aber diese Redewendung lehrt uns, dass ebenso wie die kostbare Perle (Mat 13:46) auch die Wahrheit großer Opfer wert ist, um sie zu erlangen.

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11. Die Worte des Weisen

Einleitung

In seinem Buch”Killing Giants, Pulling Thorns” [“Wie man Riesen tötet und Dornen ausreißt”], erinnert uns Chuck Swindoll an diesen Spruch, eine verblasste Gravur auf einem grauen Schieferstein, auf einem Friedhof auf einem windumtosten Hügel im ländlichen England:

Unter diesem Stein,
ein Klumpen Lehm,
Liegt Arabella Young,
Die seit dem vierundzwanzigsten Mai
Ihren Mund hält.

Wenn es einen Fehler gibt, den alle Menschen gemeinsam haben, so ist es der Missbrauch der Sprache. Es verwundert daher wenig, dass eines der häufigsten Themen im Buch der Sprüche das angemessene Sprechen ist. So verbreitet das Problem mit dem Sprechen ist, so heikel ist es auch. Denn erstens kann man durch das, was man sagt, sowohl große Wohltaten wie auch große Übeltaten bewirken. Zum Anderen können einmal gesprochene Worte nicht zurück genommen werden, und es ist unmöglich, einen Schaden, den die Zunge angerichtet hat, wieder gut zu machen.

Der Anfang eines Streites ist wie wenn Wasser losgelassen wird, Daher ziehe dich zurück, ehe der Zank ausbricht (17:14).

Wenn du deinem Bruder Unrecht getan hast, ist er schwerer einzunehmen als eine befestigte Stadt, Und Streitigkeiten sind wie die Riegel eines Wohnturms (18:19).

Jakobus schließlich meint in seinem Brief, dass der Schlüssel zur Selbstbeherrschung in der Kontrolle über unseren Mund liegt:

Denn wir alle straucheln vielerart. Wenn Irgendeiner nicht in dem strauchelt, was er sagt, so ist er ein vollkommener Mensch und in der Lage, auch sonst seinen ganzen Leib zu zäumen. Wenn wir nun den Pferden das Zaumzeug ins Maul legen, damit sie uns gehorchen, so lenken wir auch ihren ganzen Körper (Jak 3:2-3).

In dieser Lektion werden wir so vorgehen, dass wir Worte genau so betrachten wie zuvor das Geld: als Etwas, das wir weise zum Wohle Anderer wie auch zu unserem eigenen Wohl investieren oder aber töricht zum Schaden Aller vergeuden können. Wir wollen zu Beginn die Macht der Worte zum Guten wie zum Bösen betrachten. Dann wollen wir versuchen, aus dem Buch der Sprüche zu lernen, welche Worte töricht verschwendet und welche weise investiert sind. Am Ende dann wollen wir nach Möglichkeiten suchen, wie wir unsere Worte gut gebrauchen können.

Das Potenzial der Worte

Im Gegensatz zum Geld sind Worte immer leicht verfügbar. Niemand von uns hat wohl je unter Wortknappheit zu leiden. Daher könnten wir geneigt sein, die Auswirkungen zu unterschätzen, die Worte auf uns selbst und auf Andere haben können. Die Sprüche mahnen uns, an das Potenzial der Worte zum Guten wie zum Bösen zu denken.

Tod und Leben liegen in der Macht der Zunge, Und wer sie liebt, wird von ihren Früchten essen (18:21).

Eine alte Redensart, die wir uns als Kinder immer wieder vorgesagt haben, lautet etwa: “Stock und Stein bricht mein Bein, Worte aber können mich nicht verletzen.”

Diese Redensart ist meiner Meinung nach eigentlich nicht sehr zutreffend. Tatsache ist doch, dass die Verletzungen, die Stock und Stein zufügen, wieder heilen – aber die Wunden, die grausame oder gedankenlose Worte zufügen, können tief gehen und ein Leben lang bestehen bleiben. Weise gesprochene Worte andererseits können Quell des Lebens, des Trostes und der Heilung sein.

Der Mund des Gerechten ist ein Quell des Lebens, Aber der Mund des Bösen birgt Gewalttat (10:11).

Durch seinen Mund zerstört der gottlose Mensch seinen Nächsten, Aber durch Erkenntnis werden die Gerechten befreit (11:9).

Durch den Segen der Rechtschaffenen wird eine Stadt erhöht, Aber durch den Mund der Bösen wird sie niedergerissen (11:11).

Da ist Einer, der überstürzt redet wie mit Schwerthieben, Aber die Zunge der Weisen bringt Heilung (12:18).

Ängstlichkeit im Herzen eines Menschen wird es niederdrücken, Aber ein gutes Wort macht es froh (12:25).

Ein ehrlicher Zeuge rettet Leben, Aber der Lügen spricht, ist trügerisch (14:25).

Wenn die Zunge beschwichtigt, ist sie ist ein Baum des Lebens, Aber wenn sie verdreht ist, zerschmettert sie den Geist (15:4).

Ein Mensch hat Freude an einer angemessenen Antwort, Und wie erfreulich ist ein Wort zur rechten Zeit! (15:23)

Angenehme Worte sind eine Honigwabe, Süß für die Seele und Heilung für das Gebein (16:24).

Ein nichtsnutziger Mensch gräbt Schlechtes aus, Und seine Worte sind wie ein versengendes Feuer. Ein hinterhältiger Mensch verbreitet Streit, Und ein Verleumder bringt enge Freunde auseinander (16:27-28).

Diese Sprüche halten uns die Macht des gesprochenen Wortes vor Augen, das Anderen Gutes oder Böses zufügen kann. Andere Sprüche lehren uns, dass jedes Wort, das wir sprechen, große Wirkung für den Sprechenden wie für den Hörenden zeitigen kann. Weise gesprochene Worte bringen dem Sprechenden Segen, aber töricht gesprochene Worte bringen Schwierigkeiten und Unglück.

Ein böser Mensch verstrickt sich durch die Übertretung seiner Lippen, Aber der Gerechte wird aus der Bedrängnis entkommen. Ein Mensch wird mit Gutem gesättigt werden durch die Frucht seiner Worte, Und die Taten seiner Hände werden zu dem Menschen zurückkehren (12:13-14).

Wahrhafte Lippen werden für immer andauern, Aber eine lügende Zunge währt nur einen Augenblick (12:19).

Von der Frucht seines Mundes wird ein Mensch Gutes genießen, Aber das Begehren des Treulosen ist Gewalttätigkeit. Der seinen Mund behütet, bewahrt sein Leben; Der seinen Mund weit aufmacht, kommt zum Verderben (13:2-3).

In des Toren Mund ist die Rute für seinen Hochmut, Aber die Weisen bewahrt ihr Mund (14:3).

Wer verkehrten Sinnes ist, findet nichts Gutes, und wer verkehrter Zunge ist, wird ins Unglück fallen (17:20).

Der Mund des Toren ist sein Verderben, Und seine Lippen sind eine Schlinge für seine Seele (18:7).

Von der Frucht seines Mundes wird der Magen eines Menschen gesättigt; Er wird gesättigt mit dem Ertrag seiner Lippen (18:20).

Wir ernten, was wir mit unseren Lippen säen. Wenn unsere Worte weise gesprochen sind, profitieren Andere genauso davon wie wir selbst auch. Wenn wir unsere Worte töricht oder boshaft gebrauchen, verletzen sie Andere wie uns selbst.

Töricht investierte Worte:
Wo Worte keine Macht haben

Genauso wie es Dinge gibt, die man mit Geld nicht kaufen kann, so gibt es auch Dinge, die man mit Worten nicht erreichen kann. In den Sprüchen werden einige Schwachstellen der Worte aufgeführt.

1. WORTE SIND UNWIRKSAM, WENN SIE VON EINEM TOREN GESPROCHEN WERDEN.

Wie die Beine des Lahmen, die herabhängen, So ist ein Spruch im Munde der Toren (26:7).

Wie die Dornen, die in die Hand eines Trunkenboldes fallen, So ist ein Spruch im Munde der Toren (26:9).

1. WORTE SIND UNWIRKSAM, WENN SIE ZU EINEM TOREN GESPROCHEN WERDEN.

Das Herz des Klugen sucht nach Erkenntnis, Aber der Mund des Toren ernährt sich von Torheit (15:14).

Ein Übeltäter hört auf böse Lippen, Ein Lügner schenkt zerstörerischer Zunge Gehör (17:4).

Ein Tadel dringt tiefer ein in einen Verständigen Als einhundert Schläge in einen Toren (17:10).

Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, Denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten (23:9).

3. WORTE SIND UNWIRKSAM, WENN SIE NICHT VON ENTSPRECHENDEN TATEN BEGLEITET WERDEN.

Durch jederlei Arbeit ergibt sich ein Vorteil, Aber bloßes Reden führt nur zu Armut (14:23).

Ein Knecht wird nicht durch Worte allein angeleitet; Denn wenn er sie auch versteht, wird er sich nicht daran halten (29:19).

4. WORTE SIND UNWIRKSAM, WENN SIE NICHT MIT DER WAHRHEIT IN EINKLANG STEHEN.

Wie ein Spatz vorbeischießt und eine Schwalbe fliegt, So setzt ein Fluch nichts in Brand ohne Ursache (26:2).

Wenn du auch sagst: „Siehe, wir haben dies nicht gewusst“ – Wird nicht Er es bemerken, der die Herzen wägt? Und wird nicht Er es wissen, der deine Seele erhält? Und wird Er nicht dem Menschen nach seinem Tun erstatten? (24:12)

Wenn er liebenswürdig spricht, glaube ihm nicht, Denn sieben Abscheulichkeiten sind in seinem Herzen. Wenngleich sein Hass sich durch Hinterlist bedeckt, So wird doch seine Bosheit vor der Versammlung offengelegt werden (26:25-26).

5. WORTE SIND UNWIRKSAM, WENN SIE NICHT ZUR RECHTEN ZEIT UND IN DER RECHTEN ART GESRPOCHEN WERDEN.

Wer seinen Freund mit lauter Stimme früh am Morgen segnet, Dem wird es als ein Fluch angerechnet werden (27:14).

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit:
Wann man Worte lieber sparen als sagen sollte

Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen einem weisen Menschen und einem Toren besteht darin, dass der Weise seinen Verbrauch an Worten beschränkt, während der Tor bei jeder Gelegenheit losschwätzt.

Wo viele Worte sind, fehlt die Übertretung nicht, Aber wer seine Lippen im Zaum hält, ist weise (10:19).

Ein kluger Mann verbirgt sein Wissen, Aber das Herz des Törichten ruft Torheit aus (12:23).

Das Herz des Gerechten denkt nach, wie es antworten soll, Aber der Mund des Bösen sprudelt Übles heraus (15:28).

Wer seine Worte zurückhält, besitzt Erkenntnis, Und der kühlen Geistes ist, ist ein Mensch von Verstand (17:27).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

Wer seinen Mund und seine Zunge verwahrt, bewahrt seine Seele vor Schwierigkeiten (21:23).

Siehst du einen Menschen, der hastig ist mit seinen Worten? Für einen Toren gibt es mehr Hoffnung als für ihn (29:20).

Es gibt mehrere Gründe für einen Weisen, zurückzuhaltend mit Worten zu sein:

1. ZURÜCKHALTUNG IST NOTWENDIG, UM ZU HÖREN, WAS DER ANDERE SAGEN WILL.

Wer antwortet, bevor er gehört hat, Dem ist dies Torheit und Schande (18:13).

Das Herz des Klugen erwirbt Erkenntnis, Und das Ohr des Weisen sucht nach Erkenntnis (18:15).

Der Erste, der seine Sache vertritt, erscheint gerecht, Bis ein Anderer kommt und ihn befragt (18:17).

2. ZURÜCKHALTUNG IST NOTWENDIG, UM ÄRGER UND STARKE EMOTIONEN VORBEIGEHEN ZU LASSEN.

Ein Tor macht seine Verärgerung sofort bekannt, Aber ein kluger Mann verbirgt die Schande (12:16).

Eine milde Antwort wendet Zorn ab, Aber ein unfreundliches Wort rührt Ärger auf. Die Zunge des Weisen macht die Erkenntnis annehmbar, Aber der Mund des Toren speit Torheit (15:1-2).

Wer seine Worte zurückhält, besitzt Erkenntnis, Und der kühlen Geistes ist, ist ein Mensch von Verstand (17:27).

Ein Tor verliert die Beherrschung, Aber ein weiser Mann bewahrt sie (29:11).

3. ZURÜCKHALTUNG GIBT DEM WEISEN ZEIT ZU BEDENKEN, WAS UND WIE ER SPRECHEN SOLL.

Das Herz des Gerechten denkt nach, wie es antworten soll, Aber der Mund des Bösen sprudelt Übles heraus (15:28).

Wenn Schweigen Gold ist:
Verbotenes Sprechen

Vielerlei Arten zu sprechen verbieten die Sprüche eindeutig. Wir wollen diese kurz betrachten:

1. VERTRAUENSBRUCH.

Wer als Verleumder umhergeht, enthüllt Geheimnisse, Aber wer vertrauenswürdig ist, deckt eine Sache zu (11:13).

Trage deine Sache mit deinem Nächsten aus Und offenbare nicht die Geheimnisse eines Anderen, Damit der es hört dir keinen Vorwurf macht Und dann das böse Gerede über dich nicht aufhört (25:9-10).

2. ÜBEREILTE VERSPRECHEN.

Mein Sohn, wenn du Bürge geworden bist für deinen Nächsten, Gar ein Versprechen gegeben hast für einen Fremden; Wenn du verstrickt worden bist durch die Rede deines Mundes, Gefangen worden bist durch die Reden deines Mundes, Dann tue dies, mein Sohn, und befreie dich; Da du in die Hand deines Nächsten geraten bist, Geh und demütige dich selbst und bestürme deinen Nächsten eindringlich. Gib deinen Augen keinen Schlaf, Noch deinen Lidern Schlummer; Befreie dich wie eine Gazelle aus der Hand des Jägers Und wie ein Vogel aus der Hand des Vogelfängers (6:1-5).

Eine Schlinge ist es für einen Menschen, wenn er übereilt sagt “Es ist heilig!” Und nach dem Gelübde Nachforschungen anstellt (20:25).

3. AUSEINANDERSETZUNG UND STREIT.

Ehrenvoll ist es für einen Menschen, sich vom Streit fernzuhalten, Aber jeder Tor wird Streit vom Zaun brechen (20:3).

4. DER VERSUCH, EINEN TOREN ZURECHTZUWEISEN ODER ANZULEITEN.

Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, Denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten (23:9).

Wenn ein weiser Mann mit einem Toren ins Gericht geht, Rast der Tor oder er lacht, und es gibt keine Ruhe (29:9).

5. SEINE ELTERN ZU BESCHIMPFEN.

Wer Übles auf seinen Vater oder seine Mutter herabruft, Dessen Lampe wird bei der Dunkelheit verlöschen (20:20; vgl. 30:11).

6. FALSCHES ZEUGNIS.

Ein falscher Zeuge wird nicht ungestraft davonkommen, Und wer lügt, wird nicht entrinnen (19:5).

Ein betrügerischer Zeuge spottet des Rechts, Und der Mund der Bösen verbreitet Schädliches (19:28).

7. SCHMEICHELEI.

Eine falsche Zunge hasst die, die sie zermalmt, Und ein schmeichelnder Mund bewirkt Verderben (26:28).

Wer einen Menschen zurechtweist, wird hernach mehr Gunst finden, Als wer mit seiner Zunge schmeichelt (28:23).

Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, Breitet ein Netz aus für seine Schritte (29:5).

8. KLATSCH UND VERLEUMDUNG.

Geflüsterte Worte sind wie Leckerbissen, Und sie gehen hinab in das Innerste des Leibes (18:8).

Wer als Verleumder umhergeht, enthüllt Geheimnisse, Lass dich daher nicht mit einem Schwatzhaften ein (20:19).

Der Nordwind bringt Regen mit sich Und heimliches Gerede eine ärgerliche Miene (25:23).

9. LÜGE UND TÄUSCHUNG.

Entferne von dir falsche Reden, Und tu hinterhältige Lippen weit fort von dir (4:24).

Ein nichtsnutziger Mensch, ein böser Mann Ist der, der mit falscher Rede umhergeht, Der mit seinen Augen zwinkert, der mit seinen Füßen Zeichen gibt, Der mit seinen Fingern Andeutungen macht (6:12-13).

10. EIGENLOB.

Wie Wolken und Wind ohne Regen Ist ein Mann, der sich zu Unrecht seiner Gaben rühmt (25:14).

Möge ein Anderer dich rühmen und nicht dein eigener Mund; ein Fremder und nicht deine eigenen Lippen (27:2).

Weise investierte Worte:
Wenn Reden Gold ist

Es gibt viele Gelegenheiten, wo Worte angebracht sind und Schweigen alles andere als Gold sein würde. Wir wollen einige dieser Gelegenheiten betrachten, bei denen der Fromme zu sprechen verpflichtet ist:

1.UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN SIE DURCH GOTTES HOHEIT GELEITET WIRD.

Die Pläne des Herzens gehören zum Menschen, Aber die Antwort der Zunge ist vom Herrn (16:1).

Ich möchte den Leser hier aber vor der Schlussfolgerung warnen, dass Gott für jedes Wort verantwortlich sei, das von den Lippen der Menschen kommt. Ich verstehe die Aussage dieses Spruches vielmehr so, dass wir zwar einen bestimmten Plan im Kopf haben mögen, dass aber, wenn wir unter göttlicher Leitung stehen, was wir sagen von Gott kommt. Dies trifft insbesondere zu, wenn wir Zeugnis für unseren Glauben ablegen oder ihn verteidigen.

„Wenn sie euch aber abführen, um euch auszuliefern, macht euch nicht im Voraus Sorgen über das, was ihr sagen sollt, sondern sagt, was immer euch in jener Stunde gegeben wird; denn nicht ihr seid es, die sprechen, sondern der Heilige Geist” (Mk 13:11).

2. UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN SIE WEISHEIT UND ERKENNTNIS VERBREITET.

Die Lippen des Weisen breiten Erkenntnis aus, Aber die Herzen der Toren sind nicht so (15:7).

Sie tut ihren Mund mit Weisheit auf, Und die Lehre der Güte ist auf ihrer Zunge (31:26; vgl. 31:1).

3. UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN WIR UNSEREN GLAUBEN MITTEILEN.

Die Lehren der Weisen sind ein Quell des Lebens, Um sich abzuwenden von den Schlingen des Todes (13:14).

Ein ehrlicher Zeuge rettet Leben, Aber der Lügen spricht, ist trügerisch (14:25).

Befreie die, die zum Tode weggeführt werden; Und die zur Schlachtung hinstolpern, O halte sie zurück! (24:11)

4. UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN WIR DIE WEISEN BERICHTIGEN.

Wie ein goldener Ohrring und ein Schmuck aus feinem Gold Ist dem hörenden Ohr eine weise Zurechtweisung (25:12).

Besser ist offene Zurechtweisung Als verhüllte Liebe. Treu sind die Wunden durch einen Freund, Aber trügerisch sind die Küsse eines Feindes (27:5-6).

Wer einen Menschen zurechtweist, wird hernach mehr Gunst finden, Als wer mit seiner Zunge schmeichelt (28:23).

5. UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN WIR FÜR DIE RECHTE DER BEDRÄNGTEN DEN MUND AUFMACHEN.

Öffne deinen Mund für die Stummen, Für die Rechte aller Unglücklichen. Öffne deinen Mund, richte gerecht Und verteidige die Rechte der Bedrängten und der Bedürftigen (31:8-9).

6. UNSERE REDE IST WIE GOLD, WENN UNSERE WORTE DEN BEDÜRFNISSEN ANDERER ENTSPRECHEN.

Da ist Einer, der überstürzt redet wie mit Schwerthieben, Aber die Zunge der Weisen bringt Heilung (12:18).

Ängstlichkeit im Herzen eines Menschen wird es niederdrücken, Aber ein gutes Wort macht es froh (12:25).

Wenn die Zunge beschwichtigt, ist sie ist ein Baum des Lebens, Aber wenn sie verdreht ist, zerschmettert sie den Geist (15:4).

Angenehme Worte sind eine Honigwabe, Süß für die Seele und Heilung für das Gebein (16:24).

Weise Wortwahl:
Wie man das Richtige richtig sagt

Als Student im Priesterseminar stand ich dem Kurs Homiletik – die Kunst (und Wissenschaft) eine Predigt zu gestalten – sehr kritisch gegenüber. Was für einen Unterschied sollte es schon machen, wie man etwas sagte, solange das Gesagte wahrhaft Gottes Wort entsprach? Nachdem ich aber einige Predigten meiner Komilitonen angehört hatte, stellte ich meinen Irrtum fest. Wie uns auch die Sprüche lehren, kann etwas inhaltlich Richtiges folgenlos oder sogar nachteilig für den Zuhörer sein, wenn es auf die falsche Art oder zur falschen Zeit gesagt wird.

1. EIN RECHTES WORT KOMMT ZUM RECHTEN ZEITPUNKT.

Ein Mensch hat Freude an einer angemessenen Antwort, Und wie erfreulich ist ein Wort zur rechten Zeit! (15:23)

Wie goldene Äpfel, in Silber gefasst, Ist ein Wort, das den Umständen angemessen gesprochen wird (25:11).

2. EIN RECHTES WORT WIRD RICHTIG ANGEWANDT UND FREUNDLICH GESPROCHEN.

Eine milde Antwort wendet Zorn ab, Aber ein unfreundliches Wort rührt Ärger auf. Die Zunge des Weisen macht die Erkenntnis annehmbar, Aber der Mund des Toren speit Torheit (15:1-2).

Wer weisen Herzens ist, wird verständig genannt werden, Und eine süße Sprache hat mehr Überzeugungskraft (16:21).

Das Herz des Weisen lehrt seine Zunge Und fügt seinen Lippen Überzeugungskraft hinzu (16:23).

Wer die Reinheit des Herzens liebt Und wessen Rede freundlich ist, dem wird der König Freund sein (22:11).

Durch Geduld kann ein Herrscher überredet werden, Und eine milde Zunge kann einen Knochen brechen (25:15).

Schlussfolgerung

Ich möchte noch einmal zusammenfassend betrachten, was wir aus den Sprüchen über den Gebrauch der Worte gelernt haben, und Sie dabei auf einige Stellen im Neuen Testament hinweisen, die dieselben Grundsätze lehren.

„Eure Rede sei ‘ja, ja’ oder ‘nein, nein’; und Alles, was darüber hinaus geht, ist von Übel” (Mat 5:37).

Unser Herr verurteilte hier weniger das Schwören, sondern betonte vielmehr die Notwendigkeit zur unbedingten Wahrhaftigkeit unserer Rede. Andere Menschen fordern einen Eid von uns, wenn sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie unsere Worte nicht ohne Weiteres für bare Münze nehmen können. Jesus lehrte, dass unser Reden so sehr von Wahrhaftigkeit geprägt sein sollte, dass niemand darüber hinaus gehende Festlegungen von uns fordern muss. Wie die Sprüche lehrt auch Jesus, dass im Leben der Frommen und Weisen kein Raum für Unaufrichtigkeit und Täuschung ist.

„Ihr Natternbrut, wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens spricht der Mund. Der gute Mensch bringt aus seinem guten Schatz Gutes hervor; und der böse Mensch bringt aus seinem bösen Schatz Böses hervor. Und ich sage euch, dass für jedes gedankenlose Wort, das die Menschen je sprechen, sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen. Denn aufgrund eurer Worte werdet ihr gerechtgesprochen werden und aufgrund eurer Worte werdet ihr verurteilt werden” (Mat 12:34-37).

Wie die Sprüche lehrt auch Jesus, dass sich der Charakter eines Menschen in seinen Worten zeigt. Die Pharisäer hatten gesagt, dass die Macht unseres Herrn auf Beelzebub, den Herrscher der Dämonen, zurückzuführen wäre (Mat 12:24). Jesus mahnte Seine Kritiker, ihre Worte vorsichtiger zu gebrauchen, da sie aufgrund ihrer Worte gerichtet werden würden.

Nur zu oft sind wir, wie die Pharisäer, schnell dabei zu sprechen, ohne nachzudenken. Wir werden für jedes nutzlose oder sorglos gesprochene Wort zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn wir aufgrund unserer Worte gerichtet werden, dürfen wir sie nicht gedankenlos gebrauchen. Worte haben große Macht, zum Guten wie zum Bösen, für den Hörer wie für den Sprecher.

Ihr wisst dies, meine geliebten Brüder. Jeder Mensch soll schnell sein zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn; denn des Menschen Zorn bewirkt nicht Gottes Gerechtigkeit. Legt daher alle Unsauberkeit ab und Alles, was an Schlechtigkeit noch übrig ist, und empfangt in Demut das Wort, das euch eingepflanzt wird und das eure Seelen zu retten vermag. Erweist euch aber als Täter des Wortes und nicht bloß als Hörer, die sich selbst betrügen (Jak 1:19-22).

In den Sprüchen haben wir gelernt, dass Derjenige weise ist, der mit Worten haushält: Ein weiser Mensch macht nicht sofort den Mund auf, er nimmt Rücksicht auf den Charakter dessen, zu dem er spricht. Er platzt nicht mit seinem Ärger heraus und seine Worte kommen zur rechten Zeit und sind sorgfältig gewählt. Jakobus führt uns eben diese Grundsätze vor Augen. Wenn er sagt „Ihr wisst dies” (Vers 19), spielt Jakobus vielleicht sogar auf die Lehre der Sprüche an. Jakobus warnt aber nicht nur vor einer übereilten, ärgerlichen Erwiderung. Er erinnert seine Leser auch daran, dass sie zwar mit ihren Worten sorgfältig umgehen, für das Wort Gottes aber schnell bereit sein müssen. Wenn wir dem Wort nicht dienen, nützen uns die Worte nichts.

„Nicht jeder, der zu Mir sagt ‘Herr, Herr’, wird in das Reich des Himmels eingehen, sondern wer den Willen Meines Vaters tut, der im Himmel ist“ (Mat 7:21).

Welchen Nutzen hat es, meine Brüder, wenn ein Mensch sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann dieser Glaube ihn retten? (Jak 2:14).

Unser Herr wie auch Jakobus lehrten beide, dass bloße Worte niemals Jemanden errettet haben. Ein Bekenntnis allein, ohne jede praktische Umsetzung, zeigt, dass der Glaube tot ist, nicht lebendig und zur Rettung führend. Vielleicht hast auch du einmal ein Glaubensbekenntnis abgelegt, mein Freund, aber es ist nur das geblieben – ein Bekenntnis. Bekenntnisse erretten dich nicht, sondern nur ein kraftvoller und lebendiger Glaube – ein Glaube, der Veränderungen in deinem Lebensstil bewirkt. Täusche dich nicht und denke, dass bloße Worte dich erretten werden. Diejenigen, die in Matthäus 7 sagten, dass sie ein Bekenntnis für den Herrn abgelegt und sogar große Taten in Seinem Namen vollbracht hätten, sind dieselben, von denen unser Herr sagte, dass Er sie nie gekannt hätte (Mat 7:22-23). Möge dein Glaube mehr werden als nur ein Bekenntnis, wenn du dein Vertrauen in Jesus Christus setzt, den schuldlosen Sohn Gottes, der an deiner Stelle am Kreuz gestorben ist, damit du ewig lebest.

Wandelt in Weisheit gegenüber den Außenstehenden, indem ihr eure Gelegenheiten nutzt. Lasst eure Rede stets gefällig sein, wie mit Salz gewürzt, damit ihr wisst, wie ihr Jedem zu antworten habt (Kol 4:5-6).

Sondern heiligt Christus als den Herrn in euren Herzen und seid stets bereit zu einer Verteidigung vor Jedem, der von euch einen Grund für die Hoffnung fordert, die in euch ist; doch tut dies mit Freundlichkeit und Respekt (1.Pe 3:15).

Unsere Worte können von Gott dafür genutzt werden, den Glauben an Ihn zu bezeugen. Wir sollten bereit sein zu sprechen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Unsere Worte sollten gefällig, aber doch anregend sein für Andere, sich auf ein Gespräch über geistliche Dinge einzulassen.

Es gibt wohl keine bessere Zusammenfassung über den Gebrauch der Worte als Paulus’ Lehre in Epheser 4:29:

Kein krankes Wort gehe aus eurem Mund hervor, sondern nur ein Wort, das zur Erbauung gut ist, so wie es der Augenblick erfordert; damit es denen Segen bringe, die es hören (Eph 4:29).

Möge uns Gott die Fähigkeit verleihen, unsere Lippen als ein Werkzeug Seines Segens einzusetzen.

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12. Die Eigenschaften eines gottgefälligen Ehepartners

Einleitung

Einer meiner Lehrer im College erzählte einmal von der ehrlichsten Beisetzungsansprache, die er je gehört hatte. Der Verstorbene war ein Trinker gewesen, er hatte als Vater versagt und war ein miserabler Ehemann gewesen. Jeder hörte gespannt auf die Worte des Predigers und fragte sich, was der überhaupt Gutes über diesen Trunkenbold sagen könnte. Zur Überraschung Aller lehnte sich der Prediger aus der Kanzel und sprach direkt zu der Witwe. Seine Botschaft an sie war klar und einfach: „Mach denselben Fehler nicht noch einmal!“

Viele Ehen in der Bibel sind alles Andere als ideal. Sarah, Abrahams Frau, fand ich immer auffallend übelgelaunt und herrisch. Hiobs Frau bot ihm wenig Trost in all seinen Prüfungen. Tatsächlich hätte man es vielleicht sogar als einen Segen für sie ansehen können, wenn sie bei einem jener Schicksalsschläge, die Hiobs Kinder und Herden vernichteten, mit dahingegangen wäre.

Eine ausgesprochen dramatische Ehen im Alten Testament ist die zwischen Abigail und ihrem Ehemann Nabal, die in 1.Samuel 25 beschrieben wird. Sie war weise und schön, während er unfreundlich und böse war (1.Sa 25:3). Wie schon sein Name andeutete, war er ein Tor (25:25). Ich bezweifle, dass Abigail bei der Wahl ihres Ehemannes viel hatte mitreden dürfen. Die Tragödie dieser Ehe wird jedoch nach dem in 1.Samuel 25 aufgezeichneten Bericht am Ende in ihr Gegenteil verkehrt, denn der Herr nimmt Nabals Leben und Abigail wird Davids Frau.

Dem, der so unglücklich ist, einen Toren geheiratet zu haben, stellen die Sprüche kein leichtes Leben und auch keine schnelle Heilung in Aussicht. In dem gesamten Buch wird vielmehr davon ausgegangen, dass ein Mensch mit den Fehlern leben muss, die er oder sie bei der Eheschließung begangen hat. Nirgendwo wird als Lösung für das Problem einer törichten Partnerwahl die Möglichkeit einer Scheidung erwähnt. Das Bild einer solchen Ehe wird bewusst in düsteren Farben gezeichnet.

Man könnte denken, dass die Verfasser der Sprüche der Ehe recht zynisch gegenüberstanden, denn sie wissen viel mehr über deren Gefahren als Freuden zu sagen. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass dieses Buch in erster Linie für junge, noch unverheiratete Männer geschrieben wurde („mein Sohn“, vgl. 1:8, 2:1, 3:1). Und eine Absicht der Sprüche ist es, diese jungen Männer dazu anzuhalten, sehr bedacht bei der Wahl ihrer Lebensgefährtin vorzugehen, da die Folgen einer schlechten Wahl so schmerzhaft wie unwiderruflich sind.

Für die Verfasser der Sprüche ist die Ehe die Norm. Nirgendwo wird das Alleinleben als Alternative erwähnt (so wie bei Paulus in 1.Korinther 7). Die Ehe wird als göttliche Institution angesehen, und es ist Gottes Gabe, wenn ein Mann eine tugendhafte Frau findet.

Haus und Vermögen sind von den Vätern ererbt, Aber eine kluge Frau ist vom Herrn (19:14).

Die Wahl der Lebensgefährtin kann eines Mannes Wohl oder Wehe bestimmen; sie kann seine Freude oder sein Verderben werden.

Wer eine [gute] Ehefrau findet, findet etwas Gutes, Und er erlangt die Gunst des Herrn (18:22).

Besser ist es, in einem öden Land zu leben Als mit einer streitsüchtigen Ehefrau, die eine Last ist (21:19).

Ein ständig träufelndes Dach an einem regnerischen Tag und eine streitsüchtige Frau gleichen sich; wer sie zu bändigen sucht, hält den Wind zurück und fasst in seiner Rechten Öl (27:15-16).

Das Potenzial, das eine Ehefrau zum Guten wie zum Schlechten hat, wird mit den Worten des folgenden Spruches zusammengefasst:

Eine tüchtige Frau ist eine Krone für ihren Ehemann, Aber die ihm Schande bereitet ist wie Fäulnis in seinen Knochen (12:4).

Eine Auseinandersetzung mit den Risiken der Ehe hat unter Anderem zum Ziel, diejenigen zu warnen, die sich vielleicht aufs Geratewohl in eine Ehe begeben, ohne eingehend über die Folgen dieser Entscheidung nachzudenken. Wenn man eine Ehe eingeht, legt man damit ein Gelübde ab, ein Versprechen, das man zu halten verpflichtet ist.

Eine Schlinge ist es für einen Menschen, wenn er übereilt sagt “Es ist heilig!” Und nach dem Gelübde Nachforschungen anstellt (20:25).30

Die meisten von uns sind die Verpflichtungen einer Ehe wohl schon eingegangen. Ich würde meine Frau jederzeit wieder heiraten, wenn ich es noch einmal zu tun hätte, aber in einer so glücklichen Lage sind Viele wohl nicht. Was haben die Sprüche den Verheirateten unter uns zu sagen, die wir unsere Wahl bereits getroffen haben? Wir können diesen Schritt nicht rückgängig machen, aber wir können auf jeden Fall danach streben, ein Ehepartner gemäß dem biblischen Ideal zu werden, das uns die Sprüche vor Augen halten.

Als Frau mag man anfangs irritiert darüber sein, dass die Sprüche zwar für den jungen Mann die Notwendigkeit herausstellen, die Wahl seiner Ehefrau sorgfältig zu bedenken, der Frau aber keinen Rat bezüglich ihrer Wahl eines gottgefälligen Ehemannes geben. Das aber ist nicht anders zu erwarten von einem König, der seine Söhne über die Entscheidungen belehrt, die sie in den kommenden Jahren zu treffen haben werden. Wir werden darüber hinaus sehen, dass die Sprüche doch auch jungen Frauen viel darüber zu sagen haben, was für einen Mann sie heiraten sollten. Da das Buch der Sprüche geschrieben wurde, um junge Männer zu belehren, wie sie zu gottgemäßen Führern werden, lehrt es als Nebeneffekt schließlich auch junge Frauen, was für einen Mann sie heiraten sollten – einen Mann, der ihr Haus gottgemäß führen wird.

Dieser Studienbrief will Diejenigen, die noch nicht verheiratet sind, dazu anhalten, ihre Wahl sorgfältig und auf der Grundlage von charakterlichen Eigenschaften zu treffen. Diejenigen, die schon verheiratet sind, sollten ihre Aufmerksamkeit nicht darauf konzentrieren, welchen Erwartungen ihr Ehepartner nicht entspricht, sondern sich vielmehr bemühen, das zu verstehen und für sich selber umzusetzen, was uns die Sprüche über den gottgefälligen Ehemann oder die gottgefällige Ehefrau sagen.

Wir werden an das Thema so herangehen, dass wir die verschiedenen Arten von Hinweisen betrachten, die sich am Ende zu einem Charakterbild des gottgemäßen Ehepartners zusammensetzen lassen. Es gibt Verse, die sich direkt mit Ehemann und Ehefrau befassen. Einige davon stellen die positiven Charakterzüge vor, Andere deren Gegenteil (z.B. die „streitsüchtige Ehefrau”). Darüber hinaus müssen wir aber auch indirekte Hinweise berücksichtigen. So haben die Sprüche beispielsweise viel über die Merkmale eines guten Freundes zu sagen; andererseits beschreiben sie auch Menschen, mit denen wir besser keinen Umgang pflegen sollten. Ich möchte alle diese Hinweise betrachten, damit wir die Eigenschaften besser kennen lernen, die wir bei einem Partner (wenn wir noch nicht verheiratet sind) oder als Partner (wenn wir bereits verheiratet sind) anstreben sollten. Bei der Betrachtung der Charaktereigenschaften eines gottgemäßen Ehepartners müssen wir auf jeden Fall daran denken, dass Gottgefälligkeit nur bei einem im Glauben gereiften Menschen zu finden ist. Wenn auch ein Ungläubiger oder ein unreifer Christ vielleicht einzelne dieser Eigenschaften aufweisen mag, so kann er doch unter dem Strich kein wirklich gottgemäßer Charakter sein und sollte als Lebenspartner für einen Alleinstehenden daher nicht infrage kommen. Möge Gott uns führen bei dieser entscheidenden Betrachtung.

Die Bedeutung der Charaktereigenschaften

Es gibt im Buch Genesis einen interessanten Gegensatz zwischen der Wahl von Rebekka als Isaaks Frau (Kapitel 24) und Jakobs Wahl von Rahel statt von Lea (Kapitel 29). Abraham sandte seinen ältesten und vertrauenswürdigsten Knecht aus, um – innerhalb der Kriterien, die er festgelegt hatte – eine Frau für Isaak auszuwählen (24:2-4). Die Probe, die sich der Knecht dafür klug zurechtlegte (24:13-14), war geeignet den Charakter der jungen Frau offenzulegen: sie würde von Herzen dienen und bereit sein, einem Fremden und seinen Kamelen Wasser zu geben.

Jakob dagegen wählte eine Frau für sich selbst. Er sträubte sich dagegen, Lea, die ältere Tochter, zu heiraten, obwohl das zu jener Zeit so Sitte war (29:26). Jakob zog Rahel Lea vor, nicht ihres Charakters wegen, sondern wegen ihres Aussehens und ihrer Persönlichkeit (29:17). Die spätere Entwicklung der Dinge scheint zu bestätigen, dass Rahel Jakobs, Lea aber Gottes erste Wahl war. Lea überlebte beispielsweise ihre jüngere Schwester. Lea und ihre Magd gebaren doppelt so viele Kinder wie Rahel und ihre Magd. Lea gebar Juda, aus dem später der Messias kommen würde, und Levi, den Führer der Priesterkaste. Und es war Lea, die in der Höhle von Machpela begraben wurde, neben Abraham und Sara und Isaak und Rebekka (49:31), während Rahel am Weg nach Bethlehem begraben wurde (35:19).

Was das Buch Genesis uns anhand eines praktischen Beispiels vor Augen führt, lehren die Sprüche im Grundsätzlichen: Ein Mann, der eine gute Ehe eingehen will, muss seine Lebensgefährtin aufgrund ihres Charakters und nicht aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Persönlichkeit auswählen.

Anmut ist Trug und Schönheit ist nichtig, Aber eine Frau, die den Herrn fürchtet, soll gepriesen sein (31:30).

Wir wollen nun versuchen, die Charaktereigenschaften eines gottgemäßen Ehepartners festzustellen.

Die Charaktereigenschaften einer gottgefälligen Ehefrau

Am Deutlichsten werden die Sprüche bei der Darstellung der Eigenschaften einer gottgemäßen Ehefrau. Diese werden noch zusätzlich betont durch die Gegenüberstellung mit den moralischen Verfehlungen einer Frau, die alles Andere als tugendhaft ist.

1. EINE GOTTGEMÄSSE EHEFRAU IST FROMM. Eine angemessene Beziehung zu Gott ist der Anfang der Gottgefälligkeit. Eine gottgemäße Ehefrau ist zuallererst und vor Allem eine gottesfürchtige Frau.

Anmut ist Trug und Schönheit ist nichtig, Aber eine Frau, die den Herrn fürchtet, soll gepriesen sein (31:30).

Im Gegensatz dazu ist eine Frau zu meiden, die Gott nicht kennt oder nicht fürchtet. Sie wird manchmal als eine “fremde Frau” bezeichnet, d.h. als eine Ausländerin, die den Gott Israels nicht kennt (vgl. 2:25; 5:3,20; 7:5). Sie praktiziert das Böse und hat keine Kenntnis vom Weg des Herrn.

Den Pfad des Lebens betrachtet sie nicht; Ihre Wege sind unstet, sie weiß es nicht (5:6).

Um dich von der schlechten Frau fernzuhalten, Von der glatten Zunge der Ehebrecherin (6:24).

Der Begriff „Gottesfurcht” wird selbst vielleicht nicht gebraucht; aber wenn die fromme Ehefrau als tugendhaft oder tüchtig bezeichnet wird (12:4, 31:10), so beschreibt das doch offenbar ihre herausragende Moral, die in ihrer Frömmigkeit wurzelt.

2. EINE GOTTGEMÄSSE EHEFRAU IST WEISE. Sie erinnern sich sicher, dass die Weisheit im Buch der Sprüche als eine Frau personifiziert wird (vgl. 1:20-33; 8:1-36; 9:1-6). Ebenso wird die ideale Ehefrau als eine Frau von Weisheit beschrieben.

Die weise Frau baut ihr Haus auf, Aber die Törichte reißt es mit ihren eigenen Händen nieder (14:1).

Sie tut ihren Mund mit Weisheit auf, Und die Lehre der Güte ist auf ihrer Zunge (31:26).

Das Gegenteil der frommen Frau ist die törichte Frau.

Die törichte Frau ungestüm, Sie ist einfältig und weiß Nichts (9:13).

Wie ein goldener Ring im Rüssel eines Schweines, So ist eine schöne Frau, der es an Zurückhaltung mangelt (11:22).

3. EINE GOTTGEMÄSSE EHEFRAU IST EINE EHRE FÜR IHREN MANN. Wenn ein Mann eine fromme Frau geheiratet hat, so hat er eine Frau, die ihm Ehre macht. Sie ist ihrem Ehemann eine wirkliche Hilfe.

Eine tüchtige Frau ist eine Krone für ihren Ehemann, Aber die ihm Schande bereitet ist wie Fäulnis in seinen Knochen (12:4).

Auf sie vertraut das Herz ihres Ehemannes, Und es wird ihm nicht an Gewinn fehlen. Sie tut ihm Gutes und nicht Böses Alle Tage ihres Lebens (31:11-12).

Eine gottlose Frau dagegen beschämt und schikaniert ihren Ehemann. Sie ist keine Hilfe, sondern steht ihrem Gefährten im Weg. Sie ist „wie Fäulnis in seinen Knochen“ (12:4), und er fühlt sich erbärmlich durch ihre Tiraden:

Ein törichter Sohn zerstört seinen Vater, Und die Streitereien einer Ehefrau sind wie ein ständig träufelndes Dach (19:13).

4. EINE GOTTGEMÄSSE EHEFRAU IST LIEBENSWÜRDIG. Die fromme Frau ist für ihre Liebenswürdigkeit bekannt. Das ist einer der Gründe für die Achtung, die sie von Anderen erfährt.

Eine liebenswürdige Frau erlangt Ehre, Und gewalttätige Männer erlangen Reichtümer (11:16).

Die gottlose Frau wird in sehr unschicklichen Ausdrücken beschrieben. Sie ist eine Plage durch ihre zänkische Natur.

Besser ist es, in einer Ecke unter dem Dach zu leben Als in einem Haus, das man mit einer streitsüchtigen Ehefrau teilt (21:9; vgl. 25:24).

Besser ist es, in einem öden Land zu leben Als mit einer streitsüchtigen Ehefrau, die eine Last ist (21:19).

5. EINE GOTTGEMÄSSE EHEFRAU IST IHREM MANN TREU. Dies wird am deutlichsten gezeigt durch den Kontrast mit der törichten Frau, die eine Ehebrecherin ist.

Um dich von der fremdländischen Frau zu befreien, Von der Ehebrecherin, deren Worte schmeicheln, Die den Gefährten ihrer Jugend verlässt Und den Bund ihres Gottes vergisst (2:16-17).

Um dich von der schlechten Frau fernzuhalten, Von der glatten Zunge der Ehebrecherin (6:24).

„Komm, wir wollen uns an Liebe satt trinken bis zum Morgen; Lass uns einander mit Liebkosungen erfreuen, Denn der Mann ist nicht zu Hause...“ (7:18-19).

Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber doch implizit davon ausgegangen, dass eine fromme Ehefrau züchtig ist. Sie ist eine Frau von Tugend und Tüchtigkeit (31:10) und ihr Ehemann vertraut ihr vollständig (31:11). Sie tut ihrem Mann nur Gutes und nichts Böses (31:12). Sie lehrt ihren Sohn die Vorzüge der Keuschheit. So ist sie gewiss eine züchtige Frau.

Die Charaktereigenschaften eines guten Freundes

Mancher mag nicht gleich einsehen, dass der Charakter des Ehepartners auch etwas mit den Eigenschaften eines guten Freundes zu tun haben sollte. Aber wenn man ein Wenig darüber nachdenkt, wird klar, warum das so ist. Der Bruch des Eheversprechens ist eine Versündigung gegen einen Gefährten, gegen einen engen und intimen Freund.

Die den Gefährten ihrer Jugend verlässt Und den Bund ihres Gottes vergisst (2:17).

Der Ausdruck, der hier mit „Gefährte“ wiedergegeben wird, wird an anderen Stellen für die allerengsten Freunde verwendet.31 Wenn mein Ehepartner kein Freund ist, was ist er oder sie dann? Und doch entscheiden sich manche Menschen törichterweise für eine Ehe mit Jemandem, der noch nicht einmal als Freund in Frage kommt. Wir werden jetzt die Eigenschaften eines guten Freundes kurz zusammenfassen und dabei auch die Eigenschaften Derjenigen betrachten, mit denen wir einen Umgang besser vermeiden sollten.

1. EIN GUTER FREUND IST TREU. Gut-Wetter-Freunde gibt es Viele, und sie werden in den Sprüchen auch erwähnt (vgl. 14:20; 19:4,6,7). Aber nur ein Mensch, der auch dann noch da ist, wenn uns der Wind ins Gesicht bläst, ist ein wirklicher Freund.

Ein Freund liebt allezeit Und ein Bruder ist für Widrigkeiten geboren (17:17).

Ein Mann, der viele Freunde hat, kommt ins Verderben, Aber es gibt auch einen Freund, der fester zu dir hält als ein Bruder (18:24).

Deinen eigenen Freund oder den Freund deines Vaters verlasse nicht, Und gehe nicht in das Haus deines Bruders am Tag deines Unheils. Besser ist ein Nachbar in der Nähe als ein Bruder in der Ferne (27:10).

2. EIN GUTER FREUND WEIST UNS NÖTIGENFALLS ZURECHT. Manches, was wir einem Freund sagen müssen, fällt uns vielleicht nicht leicht zu sagen. Ich bin immer wieder enttäuscht über die Sentimentalität, die unsere Freundschaften beherrscht, so dass wir Freunden oft schmeicheln, wenn wir sie eigentlich offen zurechtweisen müssten. Ein wahrer Freund ist so aufrichtig uns zu sagen, was wir hören müssen, anstatt uns zu schmeicheln.

Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, Breitet ein Netz aus für seine Schritte (29:5).

Besser ist offene Zurechtweisung Als verhüllte Liebe. Treu sind die Wunden durch einen Freund, Aber trügerisch sind die Küsse eines Feindes (27:5-6).

Wie kommt es also, dass wir anscheinend immer der Meinung sind, eine Frau sollte ihren Ehemann niemals kritisieren? Ist es nicht besser, wenn wir von unserer besten Freundin berichtigt werden, als von Jemandem, der uns feindlich gesinnt ist? Manchmal ist das Netteste, was eine Frau für ihren Ehemann tun kann, ihm mitzuteilen, dass seine Idee absolut lächerlich ist – natürlich auf liebenswürdigere Weise.

3. EIN GUTER FREUND IST RÜCKSICHTSVOLL UND TAKTVOLL. Ein guter Freund spürt unsere Bedürfnisse und spricht so zu uns, dass wir ermutigt und bereichert werden. Seine Sensibilität zeigt sich auch darin, dass er weiß, dass Frohsinn und Goodwill nicht in jeder Lage angemessen und erwünscht sind. „Es kommt nicht nur darauf an, ‘was’ wir sagen, sondern auch darauf, ‘wie’, ‘wann’ und ‘warum’ wir es sagen.”32

Wie Einer, der ein Gewand an einem kalten Tag ablegt, Oder wie Essig auf Lauge Ist Jemand, der vor einem betrübten Herzen Lieder singt (25:20).

Wer seinen Freund mit lauter Stimme früh am Morgen segnet, Dem wird es als ein Fluch angerechnet werden (27:14).

4. EIN GUTER FREUND FORDERT UNS. Wir brauchen nicht nur Kritik, wenn sie einmal angebracht ist, sondern manchmal müssen wir auch in unserem Denken gefordert oder auf die Probe gestellt werden. Ein guter Freund erlaubt uns nicht, geistig auf der Stelle zu treten, sondern er gibt uns auch einmal einen Stoß, damit wir weiter und größer denken.

Eisen schärft Eisen; So schärft ein Mann den Anderen (27:17).

Ein Plan im Herzen eines Menschen ist wie tiefes Wasser, Aber ein Mensch von Verständnis wird ihn herausziehen (20:5).

Gilt das nicht für unser Leben? Suchen Sie nicht die Freundschaft derer, die Ihr Denken herausfordern und Sie auch einmal mit ganz neuen Aspekten konfrontieren? Warum sollte einer dieser Freunde nicht Ihr Ehepartner sein?

5. EIN GUTER FREUND GIBT UNS GUTEN RAT. Die wir zu unseren Freunden wählen, sollten sich durch Weisheit auszeichnen und uns dementsprechend gottgemäßen Rat erteilen können.

Öl und Düfte erfreuen das Herz; So ist auch der Rat eines Mannes lieblich für seinen Freund (27:9).

Denken Sie einen Augenblick zurück an den Bericht über David, Nabal und Abigail in 1.Samuel 25. David war verärgert durch die groben Worte, die Nabal zu seinen Männern gesagt hatte, und er war entschlossen, jedes männliche Glied des Hauses Nabals auszulöschen (25:13,34). Abigail entwickelte daraufhin rasch einen Plan, um Davids Zorn zu besänftigen, und sprach mit weisem Ratschlag zu ihm, indem sie ihm klarmachte, wie nachteilig sich seine Handlungen auf seine weitere Regentschaft als König auswirken würden (25:28-31). Davids Erwiderung zeigt, dass er die Weisheit ihrer Worte anerkannte:

Daraufhin sprach David zu Abigail: „Gesegnet sei der Herr, der Gott Israels, der dich mir an diesem Tag entgegen gesandt hat, und gesegnet sei deine Verständigkeit, und gesegnet seist du, die du mich an diesem Tag davon zurückgehalten hast, Blut zu vergießen und mich mit meiner eigenen Hand zu rächen” (1.Sam 25:32-33).

Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass David in der Tat weise war, als er eine Frau heiratete, die solch weisen Rat erteilen konnte. Und auch wir würden gut daran tun, Jemanden zu heiraten, der oder die weisen Rat geben kann. Warum also scheinen Männer immer zu denken, dass die biblische Anweisung zur Unterordnung der Frau unter ihren Ehemann verbietet, dass sie ihm weisen Rat gibt, selbst wenn sie das taktvoll und mit demütigem Geist tut? Lassen Sie uns doch von David und Abigail lernen!

Wir sollten uns also bemühen, dass Menschen mit den oben aufgeführten Eigenschaften unsere Freunde werden. Und wir müssen andererseits Diejenigen meiden, deren Charaktereigenschaften unserem Wandel in der Weisheit im Wege stehen würden. Wenn wir aber keinen Umgang mit den im Folgenden beschriebenen Menschen pflegen sollen, sollten wir sie sicherlich schon gar nicht heiraten. Hier sind also einige Charaktereigenschaften, die Jemanden als Ehepartner ungeeignet erscheinen lassen:

1. WIR SOLLTEN KEINEN UMGANG MIT EINEM TOREN PFLEGEN.

Wer mit Weisen wandelt, wird weise werden, Aber wer mit Toren Gemeinschaft pflegt, wird Kummer leiden (13:20).

Geh weg von dem Toren, denn sonst wirst du die Worte der Erkenntnis nicht hören (14:7).

2. WIR SOLLTEN KEINEN UMGANG MIT JEMANDEM PFLEGEN, DER SICH NICHT BEHERRSCHEN KANN.

Verkehre nicht mit einem Mann, der voller Wut ist, Noch mit einem jähzornigen Mann, Damit du nicht seine Art lernst Und dir selber eine Schlinge legst (22:24-25).

3. WIR SOLLTEN KEINEN UMGANG MIT SCHLECHTEN MENSCHEN PFLEGEN.

Sei nicht neidisch auf schlechte Menschen Und verlange nicht, mit ihnen zu sein, Denn ihr Herz plant Gewalttat Und ihre Lippen reden von Unheil (24:1-2).

Wer mit einem Dieb gemeinsame Sache macht, hasst sein eigenes Leben; Er hört den Eid, aber er sagt es nicht (29:24).

4. WIR SOLLTEN KEINEN UMGANG MIT REVOLUTIONÄREN PFLEGEN.

Mein Sohn, fürchte den Herrn und den König; Lass dich nicht mit denen ein, die für Veränderungen sind; Denn ihr Unheil wird sich plötzlich erheben, Und ihr Untergang von diesen beiden her (24:21-22).

Es gibt Leute, die immer darauf aus sind, irgendetwas zu ändern – die Gesellschaft, die Regierung, andere Menschen. Es ist sicher nicht falsch, wenn man versucht, Etwas zu verbessern, aber ein Revolutionär neigt eher zum Abschaffen als zum Verbessern. Der Revolutionär möchte die Dinge um des Änderns Willen ändern, nicht um einer Verbesserung Willen. Nebenbei gesagt, einige Menschen suchen auch nach einem Ehepartner, der geändert werden muss – in einer Art lebenslanger Unternehmung. Die Sprüche empfehlen so etwas nicht.

5. WIR SOLLTEN KEINEN UMGANG MIT JEMANDEM PFLEGEN, DER SEINE GELÜSTE NICHT KONTROLLIEREN KANN.

Der verständige Sohn achtet das Gesetz, Aber wer mit Schlemmern Gemeinschaft pflegt, beschämt seinen Vater (28:7).

Die Charaktereigenschaften eines frommen Kindes

Vor einiger Zeit blieb ich einmal an den Worten des Hauptmanns im Evangelium nach Matthäus hängen:

„Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Befehlsgewalt steht, und habe Soldaten unter mir; und sage ich zu Diesem „Geh”, so geht er, und zu einem Anderen „Komm”, so kommt er, und zu meinem Knecht „Tu dies”, so tut er’s.“ (Mat 8:9, Hervorhebung durch mich).

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich es immer so verstanden, dass der Hauptmann sagte, er sei ein Mann von Befehlsgewalt, nicht unter ihr. Vielleicht handelt es sich um eine Art Euphemismus. Aber andererseits halte ich es für einen biblischen Grundsatz (und einen, der auch im Leben deutlich wird), dass kein Mensch zur Befehlsgewalt geeignet ist, der ihr nicht auch einmal unterworfen war. Schließlich hat selbst unser Herr gelernt, gehorsam zu sein (Heb 5:8).

Meiner Meinung nach lehren uns die Sprüche, dass wir aus dem Verhältnis eines Menschen zu seinen Eltern viel über seinen Charakter erfahren können. Beachten Sie die folgenden Textstellen:

Ein weiser Sohn nimmt die Zucht seines Vaters an, Aber ein Spötter hört nicht auf Zurechtweisung (13:1).

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber der die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater, Aber ein törichter Mensch verachtet seine Mutter (15:20).

Ein törichter Sohn verursacht seinem Vater Kummer Und Bitterkeit der, die ihn geboren hat (17:25).

Wer seinen Vater angreift und seine Mutter davontreibt, Ist ein schändlicher und undankbarer Sohn (19:26).

Höre auf deinen Vater, der dich gezeugt hat, Und verachte nicht deine Mutter, wenn sie alt geworden ist (23:22).

Der Vater eines Gerechten wird große Freude haben, Und der einen weisen Sohn zeugt, wird sich an ihm freuen. Lass deinen Vater und deine Mutter froh werden, Und lass die frohlocken, die dich geboren hat (23:24-25).

Es gibt eine Art, die ihrem Vater flucht Und ihre Mutter nicht segnet (30:11).

Alle diese Textstellen weisen darauf hin, dass ein guter Sohn ein frommer Mann ist; und ein frommer Mann gibt auch einen guten Ehemann ab. Jeder Mann aber, der kein guter Sohn ist, wird auch kein guter Ehemann werden.

Noch einen weiteren Spruch gibt es, der mit dem Thema ‚Eltern’ zu tun hat. Ehrlich gesagt, finde ich ihn etwas schwierig, aber er sagt uns, dass wir versuchen müssen, etwas über die Familienverhältnisse unseres zukünftigen Ehepartners zu erfahren, bevor wir ihn oder sie heiraten:

Unter drei Dingen erbebt die Erde, Und unter vieren kann sie es nicht aushalten:
Unter einem Sklaven, wenn er König wird, Und einem Toren, wenn er Nahrung zur Genüge hat,
Unter einer ungeliebten Frau, wenn sie geheiratet wird, Und einer Dienerin, wenn sie ihre Herrin aussticht (Spr 30:21-23).

Der rote Faden, der diese vier unerträglichen Situationen miteinander verbindet, ist der Folgende: Jemand bekommt Etwas, an das er oder sie nicht gewohnt ist und mit dem er nur schwer fertig wird, wenn er es hat. Ein Sklave, der bisher nur unter fremder Autorität gelebt hat, bekommt, wenn er König wird, selbst absolute Befehlsgewalt. Er wird versucht sein, seine neu errungene Autorität zu missbrauchen. Ein Tor wird normalerweise eher Armut und Entbehrung kennen. Mit einem vollen Magen weiß er dann gar nicht, wie er sich verhalten soll. Seine Motivation zum Handeln wird größtenteils dahin sein. Eine Dienerin, die über ihre Herrin hinauswächst, wird geneigt sein, Vergeltung zu üben, indem sie ihrer früheren Herrin das Leben schwer macht. Wenn sie sich zuvor ausgenutzt und unterdrückt vorkam, wird sie ihre Herrin ebenfalls Unterdrückung spüren lassen. Und entsprechend ist es auch mit einer ungeliebten Frau. Da sie niemals echte Liebe kennen gelernt hat, kann es leicht dazu kommen, dass sie sie bis zum Letzten auskostet und ausnützt und ihr Ehemann bald den Tag bereut, an dem er schwor, ihr in Liebe treu zu bleiben.

Ich bin mir dessen bewusst, dass Einige von Ihnen aus Familien kommen, in denen Sie wenig oder gar keine Liebe erfahren haben. Sie mögen sich dann fragen, ob dieser Spruch bedeutet, dass Sie zu einem Leben in Einsamkeit verdammt sind. Ich denke, nicht. Sicherlich umfasst Gottes Gnade Jedermanns Bedürfnisse. Aber der Spruch soll uns davor warnen, dass Diejenigen, die in Kinderjahren keine Liebe erfahren haben, dazu neigen können, die Liebe in einer Ehe auszunutzen. Ein Mensch, der von seinen Eltern nicht geliebt worden ist, sollte nicht seinen Ehepartner dafür büßen lassen. Und ein Mensch, der einen zuvor ungeliebten Ehepartner bekommt, sollte sich der Probleme bewusst sein, die eine solche Kindheit mit sich bringen kann. Die Sünden der Väter (und der Mütter) gehen auf die nachfolgenden Generationen über (Ex 20:5).

Überall im Buch der Sprüche lesen wir die Lehren von Vater und Mutter, die das Kind mahnen und anleiten. Leider ist das aber nicht in jeder Familie so. Sicherlich sind die meisten von uns oft nicht ganz zufrieden mit der Art und Weise, wie Kinder aufgezogen werden. Wir können daher Vieles über unseren Ehepartner lernen, wenn wir die häusliche Umgebung berücksichtigen, in der er oder sie aufgewachsen ist. Die Sprüche gehen davon aus, dass die Familie großen Einfluss auf den Erfolg des Kindes im Leben und als Ehepartner hat. Das ist ein Faktor, den wir uns nicht leisten können außer Acht zu lassen.

Die Eigenschaften eines gottgefälligen Ehemannes

Anfangs kam es uns so vor, als hätten die Sprüche Frauen, die nach Erkenntnis über die Eigenschaften eines gottgemäßen Ehemannes suchen, nur Wenig zu sagen. Ich habe aber inzwischen eingesehen, dass das so eigentlich gar nicht zutrifft. Generell kann man sagen, dass die Frau einen Mann wählen sollte, der weise ist. Da wir die Eigenschaften des Weisen früher bereits untersucht haben, wollen wir sie hier nur noch einmal zusammenfassen. Insbesondere die Folgenden scheinen mir ausschlaggebend für eine Ehe zu sein:

1. Ein weiser Ehemann ist freundlich und mitfühlend (12:10).

2. Ein weiser Ehemann ist ehrenhaft (29:24).

3. Ein weiser Ehemann arbeitet hart (12:11; 27:23-27).

4. Ein weiser Ehemann ist aufrichtig (12:17,19).

5. Ein weiser Ehemann hat Selbstbeherrschung (12:15; 16:32).

6. Ein weiser Ehemann spricht milde (12:18; 15:1-2,4).

7. Ein weiser Ehemann ist großzügig (14:21; 28:27).

8. Ein weiser Ehemann ist bereit, sich korrigieren zu lassen (auch von seiner Frau), und hört auf einen Rat (12:15; 15:12,31-32; 28:13; 29:1).

9. Ein weiser Ehemann ist integer (19:1; 20:7).

10. Ein weiser Ehemann ist treu und zuverlässig (17:17; 29:3; für den Gegensatz: 25:19; 31:3).

11. Ein weiser Ehemann ist bereit zu vergeben (19:11).

12. Ein weiser Ehemann kann zugeben, wenn er sich geirrt hat (28:13).

13. Ein weiser Ehemann ist bescheiden (15:25,33; 16:18-19; 18:12; 29:23).

14. Ein weiser Ehemann ist nicht streitsüchtig, sondern stiftet Frieden (17:1; 18:1,19).

15. Ein weiser Ehemann ist nicht launisch (14:29; 16:32; 17:27; 29:11).

16. Ein weiser Ehemann vermeidet Exzesse (20:1; 23:20-21, 29-35; 31:3-9).

17. Ein weiser Ehemann denkt auch an Andere, besonders an die Armen und Unterdrückten (29:7).

18. Ein weiser Ehemann kann vertraulich Gesprochenes bei sich behalten (17:9; 26:20).

19. Ein weiser Ehemann fürchtet Gott und gehorcht Seinem Wort (13:13; 14:26; 16:20; 28:25; 31:30).

20. Ein weiser Ehemann ist nicht eifersüchtig (27:4).

21. Ein weiser Ehemann sieht das Leben positiv (15:15; 17:22; 18:14).

Wenn ich mir diese Eigenschaften des Weisen so betrachte, erinnern sie mich an die Voraussetzungen, die der Apostel Paulus für die Ältesten und Aufseher der Gemeinde in 1.Timotheus 3 fordert. Die Voraussetzungen für Führungspersönlichkeiten in der Kirche und die Charaktereigenschaften des Weisen in den Sprüchen scheinen mir sehr ähnlich zu sein. Aber überrascht uns das? Wurden die Sprüche nicht geschrieben, um junge Männer anzuleiten, die einmal zu Führungspersönlichkeiten werden sollten? So gesehen fasst 1.Timotheus 3 nur noch einmal zusammen, was die Sprüche im Detail lehrten.

Schlussfolgerung

Für Menschen, die vor einer Eheschließung stehen, sollte die Aussage dieses Studienbriefes klar sein: Die Wahl Ihres Lebenspartners sollte auf der Grundlage von Charaktereigenschaften getroffen werden, nicht aufgrund von Charme oder äußerlicher Schönheit. Allgemein ausgedrückt, sollte Ihr Partner die Eigenschaften eines Weisen aufweisen. Genauer gesagt, wird ein gottgemäßer Ehemann oder eine gottgemäße Ehefrau sicher nicht der Art von Menschen entsprechen, deren Umgang wir nach den Sprüchen meiden sollen, sondern wird die Eigenschaften eines guten Freundes zeigen. Jeder, der die Lehren der Sprüche über die Ehe außer Acht lässt, wird das im weiteren Verlauf seines Lebens bedauern.

Es fällt mir sehr schwer zu sagen, dass viel von der Kraft der Sprüche und ihrer Warnungen bezüglich der Ehe durch eine Gegebenheit des christlichen Lebens im 20. Jahrhundert verloren gegangen ist – dadurch, dass selbst unter Christen die Scheidung eine akzeptierte Alternative zur unglücklichen Ehe geworden ist. Selbst Christen wollen oft nicht auf die Warnungen bezüglich eines streitsüchtigen Ehepartners hören, weil sie davon ausgehen, dass sie sich, wenn ihre Ehe nicht gut läuft, einfach aus ihrer Verpflichtung lösen und es halt noch einmal probieren können. Für mich ist das eine sehr traurige Feststellung über das heutige Christentum.

Warum unterscheidet sich unsere Auffassung von Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung so sehr von der unseres Herrn? Sie werden sich erinnern, dass die Pharisäer Jesus einmal fragten, ob es nach dem Gesetz irgendeine Möglichkeit gäbe, dass ein Mann sich scheiden ließe (Mat 19:3). In seiner Antwort betonte unser Herr die Regel, nicht die Ausnahme, und damit die Dauerhaftigkeit der ehelichen Gemeinschaft (Mat 19:4-9). Bedeutsam ist die Reaktion der Jünger unseres Herrn: „Wenn die Stellung eines Mannes zu seiner Frau so ist, dann ist es besser, nicht zu heiraten“ (19:10). Unser Herr korrigierte diese Auffassung nicht, sondern bestätigte sie (19:11-12) und machte dadurch deutlich, dass Er mit der Auffassung im Buch der Sprüche übereinstimmte. Wir sollten daher sorgfältig darauf achten, dass wir die Absicht Gottes bezüglich der Ehe erfüllen, anstatt die Ausnahmefälle in den Vordergrund zu stellen. Wenn wir von der Dauerhaftigkeit der Ehe ausgehen, werden wir wieder Männer und Frauen dazu anhalten können, ihre Ehepartner mit Sorgfalt zu wählen und dann mit ihnen so zu leben, dass sie zu ihrem Eheversprechen stehen.

Die Sprüche erteilen uns außerdem eine Lektion zum Thema Persönlichkeit. Ich glaube, viele Christen achten mehr auf ihre Persönlichkeit als auf ihren Charakter. Schlimmer noch, ich fürchte, dass Mancher sogar Gefahr läuft, Beides miteinander zu verwechseln oder einander gleichzusetzen. Manche Frauen neigen dazu, für den idealen Ehemann und geistlichen Führer Jemanden mit einer Verkäufernatur zu halten – Jemanden, der kontaktfreudig, energisch und aggressiv ist. Frauen, die mit einem Mann von weniger aggressiver Natur verheiratet sind, mögen dann gelegentlich versucht sein, auf ihren Mann herabzusehen, weil er nicht so dominierend ist. (Sie sollten sich einmal mit Frauen unterhalten, die sehr energische Ehemänner haben!) Manche Männer andererseits denken, dass die ideale “untertane” Ehefrau eine schüchterne und passive Frau sei. In beiden Fällen wurden Persönlichkeit und Charakter verwechselt. Gott aber legt nicht annähernd so viel Wert auf unsere Persönlichkeit wie auf unseren Charakter. Aggressive Männer sind nicht unbedingt bessere Führer und schon gar keine gottgemäßeren Führer, und genauso ordnen sich passive Frauen nicht unbedingt besser unter.

Lernen wir also daraus, dass unser Charakter weit wichtiger ist als äußere Schönheit oder unsere Persönlichkeit. Hat das nicht auch Petrus den Frauen gesagt, die ja oft sensibler für ihre äußere Erscheinung sind?

Und schmückt euch nicht nur äußerlich, indem ihr die Haare flechtet und Goldschmuck tragt und Kleider anzieht; sondern euer Schmuck sei die verborgene Person des Herzens, mit der unvergänglichen Eigenschaft eines sanften und stillen Geistes, wie es in den Augen Gottes wertvoll ist (1.Pe 3:3-4).

Die Sprüche sagen uns, dass Anmut (Persönlichkeit?) Trug ist und Schönheit nichtig (nach der NIV: „flüchtig”). Unsere Persönlichkeit kann trügerisch sein, denn man kann gleichzeitig charmant und geistlich schwach sein. Und Schönheit ist geht vorüber, während der Charakter unvergänglich ist. Streben wir also danach, gottgemäß zu werden.

Als Eltern müssen wir unsere Kinder so erziehen, dass sie für sich selbst wie auch bei denjenigen, mit denen sie befreundet sind, einen gottgemäßen Charakter anstreben. Wir müssen sie, durch Wort und Tat, die Dauerhaftigkeit eines Eheversprechens lehren, und die Freuden einer Ehe, die beide Partner zur Ehre Gottes führen. Man muss nicht weit suchen, um genügend Beispiele für gescheiterte Ehen und für die verheerenden Folgen zu finden, die daraus für alle Beteiligten entstehen.

Unter denen, die diese Botschaft lesen, sind sicher Einige, die aus dem einen oder anderen Grund niemals heiraten werden. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe, und einige davon sind durchaus lobenswert (vgl. 1.Kor 7). Lassen Sie mich einfach sagen, dass die Eigenschaften eines guten Ehepartners auch die Eigenschaften eines frommen Mannes oder einer frommen Frau im Allgemeinen sind. Nicht Jedermann wird ein Vorsteher oder Ältester in der Gemeinde, und doch sollte jeder Christ danach streben, den Anforderungen für Diejenigen, die ein solches Amt erlangen, zu genügen (1.Tim 3). Und genauso geziemt sich ein gottgemäßer Charakter für jeden Christen. Lassen Sie uns also für uns selbst danach streben und auch andere Gläubige ermutigen, danach zu streben. Und machen wir den Verlorenen deutlich, dass Frömmigkeit und Weisheit jede Anstrengung wert und nur für Denjenigen erreichbar sind, der den Herrn fürchtet.


30 siehe auch Numeri 30:2; Psalm 15:4.

31 Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche], Chicago: Inter-Varsity Press, 1964, S. 49-50.

32 Ibid., S. 166.

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13. Das Idealbild einer Ehe

Einleitung

Jedes Jahr werden wir Zeuge der Krönung einer neuen Miss Amerika. Für Millionen von kleinen Mädchen und jungen Damen ist Miss Amerika das Idealbild einer Frau. Bert Parks sang: „Da ist sie, Miss Amerika, da ist sie, dein Ideal...“. Für Viele ist also die ideale Frau jung, unverheiratet, sexy und gepflegt. Die ideale Frau in Sprüche 31 ist allerdings ganz anders. Sie ist verheiratet, und wir erfahren nichts darüber, wie alt sie ist oder ob sie hübsch ist. Die entscheidende Eigenschaft der idealen Frau besteht darin, dass sie fromm ist.

Die Frau in Sprüche 31 ist wirklich bemerkenswert. Sie macht Alles gut. Tatsächlich kommt es mir so vor, als mache sie Alles sogar zu gut, und sie kommt einem weiblichen Workaholic manchmal gefährlich nahe. Ich fürchte, wenn ein Mann seine zukünftige Frau mit dem Maßstab von Sprüche 31 messen will, wird er wohl niemals heiraten. Und Frauen, die sich mit der Frau in Sprüche 31 vergleichen, könnten leicht von Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühlen übermannt werden. Damit das nicht geschieht, sollen die folgenden Bemerkungen uns bei unserem Studium weiterhelfen.

Erstens: Diese Beschreibung einer Frau in Sprüche 31 wurde sorgfältig zusammengestellt. Sie wurde sicher nicht von einem Ehemann geschrieben, dem gerade noch rechtzeitig einfällt, dass Muttertag ist und der daraufhin hastig ein paar lobende Worte zu Papier bringt und an der Straßenecke ein Dutzend Rosen dazu kauft. Es handelt sich vielmehr um ein Stück hebräischer Poesie, das in Form eines Akrostichons geschrieben ist, als ein Gedicht also, bei dem die Anfangsbuchstaben der Verse das hebräische Alphabet bilden. Ein weiteres Akrostichon, bei dem diese Eigenschaft auch im englischen Text deutlich wird, ist Psalm 119, bei dem alle Zeilen innerhalb eines Abschnitts mit dem gleichen Buchstaben des hebräischen Alphabets (aleph, beth, gimel, etc.) beginnen. In beiden Fällen, in Sprüche 31 und Psalm 119, stellt der Text ein literarisches Meisterwerk dar und wurde sehr sorfältig konstruiert.

Zweitens: Die beschriebene Frau stellt ein Idealbild dar und ist nicht unbedingt als Zielvorstellung für jede Frau gedacht. Ein Vorbild soll man nachahmen, doch ein Ideal bleibt immer unerreicht. Das bedeutet, dass die Frau in Sprüche 31 nicht unbedingt der Maßstab sein sollte, an dem ein Mann seine zukünftige Frau misst. Genauso wenig ist diese Frau das Vorbild, das jede Frau nachahmen sollte. Sie ist eine Frau von gottgemäßem Charakter, und in dieser Hinsicht sollten sowohl Männer als auch Frauen ihrem Beispiel nacheifern. Aber darüber hinaus ist sie auch noch eine Frau von vielerlei Fähigkeiten. Sie ist Ehefrau, Mutter, Geschäftsfrau, Investorin, Landwirtin, Handwerkerin, und Anderes mehr. Ich kenne kaum eine Frau – und übrigens auch kaum einen Mann –, die oder der alle diese Dinge gut beherrscht; und ich bezweifle auch, dass der Schreiber wollte, dass wir all diese Unternehmungen mit Erfolg nachzumachen versuchen. Auf keinen Fall sollten wir uns schuldig fühlen, wenn uns nicht Alles so gut gelingt wie dieser Frau.

Drittens: Dieses poetische Werk wurde nicht primär für Frauen geschrieben, sondern für Männer. Es ist kein Gedicht, das ein Ehemann für seine Frau geschrieben hat, sondern ein an die Männer adressiertes Gedicht über die gottgemäße Frau. Diese Textstelle kann zwar auch als Anleitung für junge Männer dienen, die eine gottgemäße Ehefrau suchen; hauptsächlich aber soll sie verheiratete Männer dazu ermahnen, den Wert ihrer Ehefrauen anzuerkennen und diesen die Freiheit zu gewähren, die sie brauchen, um gemäß ihren Gaben und Talenten und in Übereinstimmung mit ihrer gottgegebenen Rolle als Ehefrau wirken zu können. Und diese Rolle ist, glaube ich, viel umfassender, als es Männer gewöhnlich akzeptieren.

Das heißt also, dass diese Textstelle eher geschrieben wurde, um Männer darin anzuleiten, wie sie bessere Ehemänner werden können, als dazu, Frauen zu helfen, bessere Ehefrauen zu werden. Sicherlich finden wir darin auch ein Beispiel, an das Frauen sich halten können; noch mehr aber finden wir eine Anleitung für den Mann, der ein gottgemäßerer Ehemann werden möchte. Wie wir sehen, gibt es hier also sowohl für Ehemänner als auch für Ehefrauen etwas zu lernen. Wir werden nicht nur etwas über den Charakter der gottgefälligen Ehefrau erfahren, sondern auch etwas über die Verantwortung des gottgefälligen Ehemannes dafür, dass er seiner Frau ermöglicht, ihr ganzes Potenzial als Frau zu verwirklichen. Niemand von uns wird hoffentlich noch Derselbe sein, wenn wir diesen spannenden und herausfordernden Text bearbeitet haben.

Charaktereigenschaften einer idealen Ehefrau

Bei der Betrachtung der Eigenschaften eines gottgefälligen Ehepartners in der vorhergehenden Lektion habe ich mich bewusst noch nicht ausführlich mit dieser eigentlich naheliegenden Textstelle befasst. Dem Charakter einer gottgefälligen Frau haben wir dort bereits gründlich Aufmerksamkeit geschenkt; daher möchte ich die Eigenschaften der idealen Ehefrau, wie sie uns in dieser Textstelle gezeigt werden, einfach noch einmal kurz darstellen:

1. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE FROMME FRAU. Diese Frau wird nicht ihres Charmes oder ihrer Schönheit wegen gelobt, sondern wegen ihrer Gottesfürchtigkeit (Vers 30).

2. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE FRAU VON AUSSERORDENTLICHEM CHARAKTER. Sie wird in Vers 10 als eine „hervorragende“ Frau beschrieben (NASB). In der NIV wird sie als „Frau von edlem Charakter“ bezeichnet. Außerdem wird sie als „mit Stärke und Würde gekleidet“ bezeichnet (Vers 25, NIV). Vers 10 drückt aus, dass eine Frau mit ihren Eigenschaften selten zu finden ist. Und da Frauen mit ihren Eigenschaften so knapp sind, muss ein Mann fleißig suchen, bis er eine solche Ehefrau findet.

3. DIE IDEALE EHEFRAU IST UNBEDINGT VERTRAUENSWÜRDIG. Vers 11 sagt uns, dass ihr Ehemann seiner Frau vollständig vertraut. Sie schadet ihm nie, sondern ist seine Hilfe und bringt ihm nur Gutes (Vers 12).

4. DIE IDEALE EHEFRAU IST FLEISSIG UND ARBEITET HART. Diese Frau gehört nicht zu den Faulen. Mehrfach wird ihre Stärke und ihr Fleiß hervorgehoben. Sie arbeitet mit ihren Händen (Vers 13). Sie steht früh auf und geht spät zu Bett (Vers 15 und 18). Im Gegensatz zum Faulen (6:6-11) trifft sie Vorsorge für die Zukunft (Vers 21, 25). Auf unsere Gesellschaft bezogen würde eine solche Frau nicht zu Hause herumsitzen und eine Serie nach der anderen im Fernsehen anschauen, denn sie hat keine Zeit für Müßiggang (Vers27).

5. DIE IDEALE EHEFRAU IST WEISE. Die tugendhafte Frau spricht mit Weisheit (Vers 26). Darüber hinaus besitzt sie auch praktische Weisheit, denn sie ist in der Lage, ihren Besitz weise zu investieren (Vers 16, 18).

6. DIE IDEALE EHEFRAU ZEICHNET SICH DURCH GROSSZÜGIGKEIT AUS. Diese Frau denkt an die Armen und Bedürftigen und gibt von ihren Einkünften ab, um deren Bedürfnisse zu befriedigen (Vers 20).

7. DIE IDEALE EHEFRAU SPRICHT MIT LIEBENSWÜRDIGKEIT. Beachten Sie, dass in Vers 26 die Lehren dieser Frau als „Gesetz der Güte“ bezeichnet werden. Ich verstehe das so, dass sie ihre Anweisungen auf freundliche Art gibt und dass ihre Lehren ermutigend und aufbauend sind.

Das also sind einige der Charaktereigenschaften einer idealen Ehefrau. Sie alle sind uns schon früher in den Sprüchen begegnet, denn es sind die gleichen Eigenschaften, die jeden Weisen auszeichnen sollten, ob Mann oder Frau, Ehemann, Ehefrau oder alleinstehende Person, Erwachsenen oder Kind. Die ideale Ehefrau ist eine Frau von Weisheit, eine Frau, die Gott fürchtet und deren Taten Ausdruck ihrer Frömmigkeit sind.

Der Verantwortungsbereich der idealen Ehefrau

Manche Frauen (und noch mehr Männer) scheinen der Auffassung zu sein, dass eine Ehefrau in einer sehr kleinen Welt lebt, die sich weitgehend auf Windeln und schmutziges Geschirr beschränkt. Es überrascht daher nicht allzu sehr, dass viele Ehefrauen in ihrer Rolle als Frau und Mutter unzufrieden sind. Beschränkt sich ihr Aufgabenbereich tatsächlich darauf, die Hausarbeit zu erledigen? Ist ihre Welt durch die Wände ihres Hauses begrenzt? Sprüche 31 zeigt ein deutlich breiteres Spektrum dessen, was eine gottgemäße Ehefrau und Mutter tun kann, sofern sie Willens und fähig dazu ist. Lassen Sie uns einige der Tätigkeitsbereiche betrachten, in denen sich die ideale Ehefrau frei und mit Zuversicht bewegt.

1. DIE IDEALE EHEFRAU ERLEDIGT ALLE EINKÄUFE FÜR DIE FAMILIE.

Sie schaut aus nach Wolle und Leinen Und arbeitet freudig mit ihren Händen. Sie ist gleich den Schiffen eines Kaufmanns, Sie bringt Nahrung von fern herbei (Vers 13-14).

Wir wissen alle, wie viel eine Familie so verbraucht. Die ideale Ehefrau trägt zum Wohl der Familie bei, indem sie alles Notwendige einkauft. Sie sucht, nehme ich an, nach der besten Qualität zum niedrigstmöglichen Preis. Sie kauft Lebensmittel nicht spontan im Supermarkt an der nächsten Ecke, sondern sucht mit Sorgfalt die besten Waren aus und nimmt, wenn nötig, für Qualität und Sparsamkeit auch längere Wege in Kauf.

2. DIE IDEALE EHEFRAU IST EINE MANAGERIN. Sie ist fähig zu führen und zu verwalten.

Auch steht sie auf, während es noch Nacht ist, Und gibt ihrer Hausgemeinschaft Speise, Und ihren Anteil (oder die anstehenden Aufgaben, Randnotiz NASB) ihren Mägden (Vers 15).

Sie gibt auf die Vorgänge in ihrem Haushalt wohl Acht, Und das Brot der Faulheit isst sie nicht (Vers 27).

3. DIE IDEALE EHEFRAU TRÄGT ZUM EINKOMMEN DER FAMILIE BEI. Zahlreiche Witze kursieren über die Ehefrau, die nach der Brieftasche ihres Mannes schnappt, sobald der Zahltag herangekommen ist. Auch die ideale Ehefrau mag nach der Brieftasche ihres Mannes greifen, doch nicht um etwas herauszunehmen, sondern um etwas hineinzutun. Diese Frau trägt zum finanziellen Wohlstand der Famlie bei.

Sie zieht ein Feld in Betracht und kauft es; Von ihren Einkünften pflanzt sie einen Weinberg (Vers 16).

Sie empfindet, dass ihr Gewinn gut sein wird; Ihre Lampe geht bei Nacht nicht aus (Vers 18).

Ich nehme an, dass die Bedürfnisse der Familie zumindest zum Teil aus dem Einkommen der Frau erfüllt werden. Beispielsweise kauft sie Stoffe und versorgt ihre Familie mit Kleidung, die sowohl praktisch (warm, haltbar) als auch geschmackvoll ist und dem, der sie trägt, gut zu Gesicht steht.

Sie hat für ihre Hausgemeinschaft keine Angst vor dem Schnee, Denn alle ihre Hausgenossen sind in Scharlachrot gekleidet (Vers 21).

Der Ausdruck „Scharlachrot” an dieser Stelle ist etwas umstritten.33 Wenn der Ausdruck vom Verfasser tatsächlich so gemeint ist, würde er die Kostbarkeit der Kleidung hervorheben. Wenn dagegen ein Wort gemeint ist, das in Etwa die Bedeutung „doppelt” hat, so liegt die Betonung mehr auf der Wärme der Kleidung. Ich neige zu der Auffassung, dass die Kleidung, die diese Frau ihrer Familie bereitet, wohl beides ist: kleidsam und elegant wie auch funktionell und warm.

Sie kleidet nicht nur ihre Familie, sondern stellt auch für sich selbst feine Gewänder her. Ich denke, dass sie damit weniger sich selbst etwas Gutes tun als vielmehr das Ansehen ihres Ehemannes erhöhen möchte. Ihre Kleidung soll ausdrücken, dass die Familie wohlhabend und der Mann in der Gemeinde einflussreich ist.

Sie macht sich Decken; Ihre Kleidung ist aus feinem Leinen und purpurroter Wolle (Vers 22).

Die NIV übersetzt den ersten Teil von Vers 22: „Sie macht Decken für ihr Bett.” Diese Deutung ist die Wahrscheinlichste34 und beschränkt den Verweis auf die persönliche Kleidung auf den zweiten Teil des Verses.

4. DIE IDEALE EHEFRAU INVESTIERT. Diese hervorragende Frau trägt nicht nur durch Produktion zum Einkommen der Familie bei, sondern sie investiert auch einen Teil dieses Geldes, um weitere Gewinne zu machen.

Sie zieht ein Feld in Betracht und kauft es; Von ihren Einkünften pflanzt sie einen Weinberg (Vers 16).

Das gängige Klischee ist das des hübschen kleinen Weibchens, das kaum genug Grips hat für Geschäfte. Wie könnte so eine Frau je die Börse verstehen oder eine Vorstellung davon haben, ob und warum man Gold oder besser Immobilien erwerben sollte? Diese Frau aber investiert, und sie ist offensichtlich erfolgreich damit.

5. DIE IDEALE EHEFRAU PRODUZIERT UND STELLT WAREN HER.

Sie stellt Gewänder her und verkauft sie, Und sie beliefert die Händler mit Gürteln (Vers 24).

Es ist schon möglich, dass sie all das selber herstellt, was sie an die Händler verkauft, aber ich neige mehr zu der Auffassung, dass ihre Geschäfte wohl so weit gediehen sind, dass sie Angestellte in einem Unternehmen beschäftigt. In diesem Falle könnte was als kleine Firma begonnen hat, inzwischen zu einem größeren Unternehmen geworden sein, das von dieser unglaublichen Frau geleitet wird.

6. DIE IDEALE EHEFRAU IST WOHLTÄTIG. Das Einkommen der gottgefälligen Ehefrau wird für die verschiedensten Zwecke eingesetzt. Einiges wird wieder investiert, Vieles wird für die Bedürfnisse der Familie ausgegeben, aber ein großzügig bemessener Teil wird auch für die Armen gegeben.

Sie reicht ihre Hand dem Armen, Und sie streckt die Arme aus zu dem Bedürftigen (Vers 20).

7. DIE IDEALE EHEFRAU LEHRT ANDERE MENSCHEN.

Sie tut ihren Mund mit Weisheit auf, Und die Lehre der Güte ist auf ihrer Zunge (Vers 26).

Viele, vielleicht sogar die meisten Lehren der idealen Ehefrau sind an ihre Kinder gerichtet. Ein Beispiel dafür stellen die ersten neun Verse von Kapitel 31 dar. Hier belehrt die fromme Mutter von König Lemuel (Vers 1) ihren Sohn über die Dinge, die einer gottgefälligen Regentschaft im Wege stehen können. Aber die Lehren der idealen Ehefrau können auch über ihren eigenen Haushalt hinaus reichen, so dass vor Allem andere Frauen in der Gemeinschaft von ihrer Weisheit profitieren können.35

8. DIE IDEALE EHEFRAU FÖRDERT ANSEHEN UND AUTORITÄT IHRES MANNES IN DER GESELLSCHAFT.

Ihr Ehemann ist bekannt in den Toren, Wenn er sich bei den Ältesten des Landes niedersetzt (Vers 23).

Der Mann hinter der idealen Ehefrau:
Der ideale Ehemann

Meines Wissens lesen nur sehr wenige Menschen Sprüche 31 im Hinblick darauf, was es einen Ehemann lehrt. Darf ich Sie aber daran erinnern, dass sich dieser Abschnitt – wie das gesamte Buch der Sprüche – nicht an Frauen, sondern an Männer richtet. Der Verfasser sagt häufig „mein Sohn“, aber nicht „meine Tochter“. Ich möchte also bei der Betrachtung dieses Kapitels die Absicht des Buches erfüllen und die Aufmerksamkeit auf den richten, den meiner Meinung nach auch der Schreiber im Auge hatte – auf den Mann.

Für eine Frau im Altertum gab es keine Möglichkeit, jemals so viel Freiheit und Verantwortlichkeit zu erleben, wenn sie nicht die Unterstützung und Ermutigung ihres Mannes hatte. Ihren Charakter verdankt die gottgefällige Ehefrau sich selbst und der Gnade Gottes in ihrem Leben. Aber die Freiheiten, die sie genoss, um in so vieler Hinsicht wirken zu können, sind das Verdienst ihres Ehemannes. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nun darauf richten, was für ein Mensch dieser „ideale Ehemann“ sein musste, damit seine ideale Ehefrau so sein konnte, wie sie beschrieben wird.

1. DER IDEALE EHEMANN BRINGT SEINER FRAU AUFRICHTIGE WERTSCHÄTZUNG ENTGEGEN.

Eine tüchtige Frau, wer kann [sie] finden? Denn ihr Wert übersteigt den von Juwelen bei Weitem (Vers 10).

Diese Worte sind nicht zynisch oder skeptisch gemeint. Der Verfasser sagt nicht: „Eine Frau von Charakter findet man nicht“, sondern „Eine Frau mit dem Charakter meiner Frau findet man selten.“ Sprüche 31:10-31 beginnt und endet mit dem Lobpreis der seltenen Qualitäten einer gottgemäßen Ehefrau. Wir können nicht davon ausgehen, ein guter Ehemann zu sein, so lange wir nicht die Qualitäten der Frau, die Gott uns gegeben hat, zu schätzen wissen.

2. DER IDEALE EHEMANN VERTRAUT DER TREUE UND DER KOMPETENZ SEINER FRAU VOLLSTÄNDIG.

Auf sie vertraut das Herz ihres Ehemannes, Und es wird ihm nicht an Gewinn fehlen (Vers 11).

Ein Mann mag vollkommenes Vertrauen auf die Keuschheit seiner Frau haben und doch daran zweifeln, dass sie ihm Gewinn bringt. Dieser Vers bezieht sich nicht auf das Vertrauen des Ehemannes auf die moralische Reinheit seiner Frau, sondern auf ihre Kompetenzen als Geldverdienerin und Geschäftsfrau.36 Ihr Ehemann könnte den Erwerb eines Grundstücks in ihre Hände legen, ohne ihr dabei ständig über die Schulter sehen zu müssen.

3. DER IDEALE EHEMANN VERLEIHT SEINEM GLAUBEN AN DIE FÄHIGKEITEN SEINER FRAU AUSDRUCK, INDEM ER IHR DIE FREIHEIT GIBT ZU WIRKEN UND IHR DABEI KEINE UNNÖTIGEN HINDERNISSE IN DEN WEG LEGT. Ich finde es schon erstaunlich, wie Männer über die Unmengen von staatlichen Vorschriften schimpfen können, durch die Industrie und Handel heutzutage geplagt werden, und gleichzeitig ihre eigene Ehefrau mit so vielen Regeln und Vorschriften belasten, dass es für diese praktisch unmöglich wird, irgendetwas richtig zu machen. Das Vertrauen des idealen Ehemannes, wie es in Vers 11 beschrieben wird, drückt sich in dem Grad an Freiheit aus, die er seiner Ehefrau bei der Erledigung ihrer Geschäfte zugesteht, ohne sie ständig zu überwachen oder unnötig einzuschränken. Glauben drückt sich in Freiheit aus. Das ist, nebenbei gesagt, der Grund, warum das christliche Leben, das Leben im Glauben, nicht durch zahllose Vorschriften reguliert werden muss.

4. DER IDEALE EHEMANN SCHÄTZT NICHT NUR DEN WERT SEINER FRAU, SONDERN ER ÄUSSERT AUCH DAS LOB, DAS SIE VERDIENT.

Ihre Kinder stehen auf und segnen sie; Und auch ihr Ehemann preist sie und sagt: „Viele Töchter haben sich als tüchtig gezeigt, Du aber übertriffst sie alle.“ Anmut ist Trug und Schönheit ist nichtig, Aber eine Frau, die den Herrn fürchtet, soll gepriesen sein. Gebt ihr den Ertrag ihrer Hände Und lasst sie in den Toren durch ihre Werke gepriesen sein (Vers 28-31).

Vers 31 weist den Ehemann an, seiner Frau das Lob zukommen zu lassen, das sie verdient. Ihre Werke sollen sie in den Toren preisen. Aber wer, frage ich, ist in den Stadttoren? Natürlich ihr Ehemann (Vers 23). Der gottgemäße Ehemann sitzt im Stadttor, und zu einem guten Teil deswegen, weil seine Frau hinter ihm steht. Dort im Stadttor, in der Öffentlichkeit, soll der gottgefällige Ehemann seine Frau preisen.

Schlussfolgerung

An den Beginn dieser Schlussfolgerungen möchte ich eine Warnung stellen: Ich fürchte immer Diejenigen, die nur hören, was sie hören wollen, und damit dann ihre sündhaften Taten rechtfertigen. Und ich sehe gleich mehrere Möglichkeiten, wie dieses Kapitel missbraucht werden kann. Deshalb möchte ich Sie im Voraus davor warnen. Die erste Möglichkeit ist die, dass unzufriedene Frauen den Text dazu missbrauchen, die Unabhängigkeit ihrer Einstellungen und Handlungen zu rechtfertigen. Eine Frau, die diesen Text fehldeutet, wird sich nur auf die Freiheiten konzentrieren, die der Ehefrau hier gewährt werden. Sie wird sich bestätigt sehen, wenn sie tut, was immer ihr gefällt, ohne ihren Ehemann um Rat zu fragen oder sich darum zu kümmern, was er davon hält. Die ideale Ehefrau in Sprüche 31 aber geht ihren Aktivitäten engagiert nach, weil ihr Mann ihr die Freiheit dazu gab, und nicht, weil sie selber gegen ihren eigenen Mann die Dinge in die Hand genommen hätte. Der Text schreibt einer Frau nicht vor, dass sie all diese Verantwortlichkeiten übernehmen muss, noch lobt er die Frau, die dies gegen den Willen ihres Mannes tut. Der Text mahnt Ehemänner, ihren Frauen mehr Freiheiten zu gewähren, aber er lehrt nicht, dass eine Ehefrau sich diese Freiheiten herausnehmen soll, wenn sie ihr nicht eingeräumt werden.

Wo die erste Warnung mit der übereifrigen Ehefrau zu tun hat, richtet sich die Zweite an den passiven Ehemann, der liebend gerne all seine Verpflichtungen von seiner Frau wahrnehmen lassen würde. Solche Männer bürden ihren Frauen all die Pflichten auf, die ihnen selbst zu viel werden, so dass sie ohne viele Sorgen durchs Leben gehen können. Zugegebenermaßen stört mich die Tatsache etwas, dass der Ehemann hier anscheinend im Stadttor sitzt und das Leben von der leichten Seite nimmt, während sich seine Frau die Finger wund arbeitet, um für die Familie zu sorgen. Ich glaube, viele Männer hätten es durchaus gerne, wenn ihre Frauen die ganze Last der Versorgung der Familie übernehmen würden, so dass sie selbst ohne Sorge das Amt der Führung übernehmen könnten. Das aber ist, denke ich, nicht biblisch. Die Ehefrau half ihrem Mann zwar in vieler Hinsicht, aber sie übernahm nicht seine Aufgaben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Ehemann ein bequemes Leben führte und an den Stadttoren philosophierte, während seine Frau sich mit geschäftlichen Entscheidungen und Ähnlichem abplagte.37 Sie war ihrem Ehemann eine Hilfe, aber sie tat nicht die Arbeit für ihn. Lassen Sie uns als Männer diese Textstelle nicht dazu benutzen, um unsere eigene Faulheit zu rechtfertigen, unseren Frauen all unsere Pflichten zu übertragen und selbst ein bequemes Leben zu führen.

Die dritte Warnung betrifft die Unverheirateten. Diese Textstelle beschäftigt sich mit der idealen Ehefrau, aber nicht unbedingt mit der idealen Frau im Allgemeinen. Sicher war die Ehe die Norm in den Tagen, als die Sprüche geschrieben wurden, aber ich möchte Sie an die Worte des Paulus in 1.Korinther 7 erinnern. Dort mahnt er alleinstehende Frauen, unverheiratet zu bleiben und alle Kraft, die sie sonst zur Befriedigug der Bedürfnisse ihres Ehemannes und ihrer Familie aufbringen müssten, allein dem Herrn zu widmen. Meiner Meinung nach steht es der alleinstehenden Frau in gleicher Weise frei, dem Herrn zu dienen, wie es der Frau in Sprüche 31 steht, ihrem Mann und ihrer Familie zu dienen. Nach Paulus’ Ansicht ist sie sogar noch freier (1.Kor 7:34-35). Alleinstehende Christen sollten aus Sprüche 31 etwas über ihre Freiheit lernen, Gott zu dienen, ohne sich dadurch, dass sie nicht verheiratet sind, als irgendwie zweitklassige Bürger in Gottes Reich zu fühlen.

Dieses Kapitel der Sprüche enthält für jeden Gläubigen eine Botschaft. Als Eltern mahnt es uns, dass wir unseren Kindern kein realistisches Ziel vorgeben, wenn wir ihnen Puppen mit makellosem Körperbau und schönen Gesichtern zum Spielen geben. Unterschwellig betonen wir damit die Ausstrahlung, nicht den Charakter, und wir vermitteln ihnen, dass sie Erfüllung finden könnten, wenn sie ihre eigenen Interessen verfolgen und familiäre Verpflichtungen und persönliche Opfer ablehnen. Lassen Sie uns stets darauf achten, dass die Eigenschaften der gottgemäßen Ehefrau das Ziel darstellen, auf das unsere Töchter hinstreben. Und wollen wir unsere Söhne lehren, dass es diese Art von Frauen ist, die das Eheleben zu einem Segen machen.

Ihr Ehemänner, lasst uns offen sein für eine radikale Änderung unserer Ansichten über die Eigenschaften des idealen Ehemannes. Ich kenne viele Frauen, die in ihrer Rolle als Frau und Mutter keine Befriedigung finden, und das großenteils deshalb, weil ihre Männer ihren Aufgaben in der Ehe nicht nachkommen. In vielen Fällen sehen Frauen wohl zu Recht, dass es ihre Ehemänner sind, die sie daran hindern, ihre Gaben und Fähigkeiten wirklich zu nutzen. Oft liegt das daran, dass sich ein Mann durch die Fähigkeiten seiner Ehefrau bedroht fühlt. Er fürchtet den Gedanken, dass seine Frau Manches besser kann als er selber, und so riegelt er diese Gebiete sorgfältig ab, auch wenn seine Frau ihm bei den entsprechenden Aufgaben gerne dienen und sie zudem besser erledigen würde. Wenn Sprüche 31 uns irgendetwas lehrt, dann die Tatsache, dass die ideale Ehefrau viel mehr Freiheiten hat, als die meisten Ehemänner ihrer Frau je zugestehen würden. Wir müssen unsere Rolle als Manager noch einmal gut überdenken, denn ein guter Manager nutzt stets die Fähigkeiten Anderer, soweit es irgend möglich ist.

Dieser Text hat meine Vorstellungen verändert, denn er hat mich dazu gebracht zu erkennen, dass der Tätigkeitsbereich einer Frau nahezu Alles umfasst, was ihr Ehemann tut. Auch die Aufgaben, die ich immer als typisch männliche angesehen hatte, sind dies nicht unbedingt. Die ideale Ehefrau verdiente Geld und hatte auch weitgehend die Kontrolle darüber, wofür es ausgegeben wurde. Sie wagte sich frei in die Geschäftswelt hinaus und war dort sehr erfolgreich. Und sie diente als Managerin ihres Haushalts.

Inzwischen sehe ich den Hauptunterschied zwischen Ehemännern und –frauen nicht mehr darin, dass manche Dinge von Männern getan werden und Andere (üblicherweise vielleicht die, die Männer nicht tun wollen) von Frauen, sondern vielmehr darin, dass eine Frau die Dinge, die sie tut, unter der Autorität ihres Ehemannes tut. Wenn die Frau Managerin ist, managt sie unter der Autorität ihres Ehemannes. Sie hat selbst viele Freiheiten und große Autorität, doch ihre Freiheit wird immer begrenzt durch die Autorität des Ehemannes, der ihr Oberhaupt ist.

Trifft das nicht auch auf unser geistliches Leben zu? Christus ist unser Oberhaupt, aber er hat uns viel Freiheit und Verantwortung übertragen. So wie Gott uns nicht in allen Einzelheiten reglementiert, sondern uns durch Grundsätze anleitet, so sollte auch der Ehemann die Autorität über seine Frau ausüben. Unsere Ehefrauen sollten durch unsere Führung nicht mehr bedrückt werden als wir selbst es unter der Führung Christi sind.

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit verheirateter Frauen liegt darin, dass sie oft Vieles gut machen, aber wenig oder keine Wertschätzung dafür erhalten. Was sie für die Familie beitragen, wird nicht anerkannt, und deshalb fühlen sie sich unbefriedigt. Die Sprüche sagen deutlich, was dagegen zu tun ist – wir sollen unsere Ehefrauen in aller Öffentlichkeit loben für all das, was sie gut machen. Lassen Sie uns auf diesem wichtigen Gebiet niemals nachlässig werden. Eine Frau sollte niemals selbst nach Ruhm streben – doch wir wollen sie stets dankbar und aufrichtig rühmen.

Nachdem ich die Freiheiten herausgestellt habe, die der idealen Ehefrau in Sprüche 31 gewährt wurden, möchte ich Sie aber auch darauf hinweisen, dass es trotz Allem Grenzen gab. Zuerst einmal war es der Ehemann, der eine öffentliche Führungsrolle in den Toren der Stadt innehatte (Vers 23), und nicht die Ehefrau. Die Ehefrau unterstützte durch ihre Rolle die Führerschaft ihres Mannes sehr, aber sie übernahm nicht die Führung an seiner Stelle. Zweitens wird die Rolle der Frau nicht so dargestellt, als umfasse sie auch die Autorität im Bereich der religiösen Anbetung in Israel. Frauen im Alten Testament hatten kein Priesteramt inne, noch konnten sie bei öffentlichen Gottesdiensten die Führung von Männern übernehmen. So sehr wir also bereit sein müssen, die Freiheiten der gottgemäßen Frau anzuerkennen, so aufrichtig müssen wir doch auch sagen, dass es Bereiche gibt, die den Männern vorbehalten sind – nicht weil Frauen unfähig zur Führung wären, sondern aufgrund der göttlichen Prinzipien bei der Gestaltung der Rolle von Männern und Frauen in der geistlichen Führerschaft.

Wenngleich aber bestimmte Einschränkungen für Frauen bestehen, bedeutet das doch nicht, dass eine Frau nicht in der Lage wäre, ihren Beitrag zu leisten. Beispielsweise regiert zwar der Ehemann im Stadttor, aber in Sprüche 31:1-9 ist es die gottgefällige Mutter, die durch ihre Erziehung die Taten ihres Sohnes bei seiner zukünftigen Regentschaft beeinflusst. Jede Mutter, die ein Kind wiegt, formt damit die Welt, wie Jemand einmal gesagt hat. Das ist, denke ich, der Sinn dessen, was Paulus in 1.Timotheus 2:15 lehrte. Die Frau mag wohl selbst keine öffentliche Führung in der Gemeinde übernehmen, aber sie kann fromme Kinder aufziehen, die die zukünftigen gottgemäßen Führer werden.

Mancher wird sich sicher fragen, was diese Textstelle für eine berufstätige Frau bedeuten mag. Wir sollten aus diesem Text lernen, dass es nicht falsch ist, wenn eine Frau Geld verdient und so zum Einkommen der Familie beiträgt; noch ist es falsch, wenn sie sich an einem Unternehmen beteiligt. Ich glaube, ein wichtiger Grundsatz, der in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommt, ist der, dass die Anstrengungen der Frau unter allen Umständen so geartet sein sollen, dass sie zum Wohlergehen der Familie beitragen. Jegliche Berufstätigkeit einer Ehefrau, die dem geistlichen und moralischen Wohlergehen der Familie abträglich ist, wäre in meinen Augen falsch. Dieser Grundsatz trifft aber ebenso auf den Ehemann zu wie auf die Ehefrau.

Zu behaupten, dass es unter allen Umständen falsch ist, wenn eine Frau arbeiten geht, wäre ein Schlag ins Gesicht dieses Textes. Auch die Behauptung, dass sämtliche Arbeiten dieser Frau auf ihr Heim beschränkt waren, würde den Text überstrapazieren.38 Zu arbeiten für die materielle Versorgung der Kinder, aber auf Kosten von deren geistlichem Wachstum stünde im Gegensatz zu biblischen Grundsätzen. Die Kinder dieser frommen Frau wurden, wie auch ihr Ehemann, durch ihre Arbeit gesegnet. Wir haben gehört, dass sie für ihre gütigen Lehren bekannt war (Vers 26). Alles, was diese Frau tat, war ein Akt des Gehorsams Gott gegenüber und aufopferungsvoller Dienst ihrer Familie gegenüber. Sie fand ihre Erfüllung darin, Gott und ihrer Familie zu dienen, und nicht darin, ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

Lassen Sie uns alle danach streben, Gott und unseren Mitmenschen zu dienen, und uns selbst dabei hingeben, sei es als Ehefrau, als Ehemann oder als alleinstehender Gläubiger. Und lassen Sie uns das stets zum Ruhme Gottes und Seiner Gnade tun


33 „Scharlach: Wenn dies die richtige Übersetzung ist, so drückt das vor Allem den hohen Preis aus. Sie kann sich das Beste und folglich auch das vollkommen Zufriedenstellende leisten. Aber das Wort hat eine Plural-Endung, die für „Scharlach“ ungewöhnlich ist; daher sind Zweifel an der Wortform wie an der Bedeutung angebracht. Die Konsonanten lassen auch die Lesart „doppelt“ zu (Avmg), d.h. doppelt dick, und diese Lesart wird durch die Vulgata wie auch durch die Septuaginta unterstützt (die Letztere ordnet den Ausdruck dabei dem folgenden Vers zu).“ Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche], Chicago: Inter-Varsity Press, 1964, S. 184.

34 Das Wort „Decken” aus Sprüche 31:22 findet man so nur noch einmal in Kapitel 7:16, wo es das Bett der Ehebrecherin bezeichnet. Das unterstützt wohl die Übersetzung der NIV eher als die der NASB. Mir scheint, dass man aus Vers 22 eine sehr wichtige Lektion lernen kann: Wenn der weise Ehemann mit der Frau seiner Jugend Freude haben und in ihrer Liebe gefangen bleiben soll (Spr 5:19), warum sollte die weise Ehefrau ihren Mann dabei nicht unterstützen, indem sie ihr Schlafzimmer genauso attraktiv macht, wie die Hure es tut? Hier, mein Freund, kann man einmal „Verschwendung“ üben, die sich auszahlt.

35 Gütige Lehre, wörtlich ‘die Lehre der Güte’ (RV: ‘das Gesetz der Güte’) ist die Unterweisung ihrer Kinder, ihrer Diener und Freunde, die aus einem gütigen, freundlichen Herzen entspringt: Obwohl sie mit fester Hand verwaltet, wie sie es als Geschäftsfrau gelernt hat, ist sie doch niemals herrisch oder unfreundlich.“ C. H. Toy, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Proverbs [Kritik und Exegese zum Buch der Sprüche], Edinburgh: T & T Clark, 1959, S. 547.

36 „…bezieht sich nicht auf die Zuneigung des Ehemannes, sondern auf sein Vertrauen auf sie als Managerin der Haushaltsgeschäfte.“ Ibid., S. 543.

37 Toy scheint darauf aber abzuheben, denn er schreibt: „Der Ehemann nimmt an der häuslichen Verwaltung nicht Teil – er ist mit öffentlichen Aufgaben beschäftigt.” Ibid., S. 542.

38 Mancher wird sich sicherlich auch fragen, was die Lehren in 1.Timotheus 5:14 und Titus 2:5 zur Frage der berufstätigen Ehefrau sagen. In 1.Timotheus 5:14 fordert Paulus jüngere Witwen auf zu heiraten, Kinder zu bekommen und ‚ihr Haus zu verwalten’ (NIV). Die Übertragung der NASB als ‚Haushalten’ ist eher vage und lässt die Vorstellung zu, dass die Frau zu Hause bleiben und sich mit Hausarbeit als ihrer primären Pflicht beschäftigen solle. Die KJV stimmt mit der NIV überein und gibt diesen Ausdruck mit ‚das Haus führen’ wieder. Die Vorstellung ist dabei die, dass die Frau sich den Pflichten des häuslichen Betriebes widmen soll. Dabei ist nicht Hausarbeit das Thema, sondern die Verwaltung eines Hauses. Das ist ganz offenbar die Bedeutung des Wortes oikodespoteo.

Die zweite Stelle, Titus 2:5, wird wiedergegeben mit ‚sich zu Hause beschäftigen’ (NIV), ‚das Haus hüten’ (KJV) oder ‚zu Hause arbeiten’ (NASB). Die Schwierigkeit dieser Textstelle liegt darin, dass die verschiedenen griechischen Texte hier jeweils ein unterschiedliches Wort gebrauchen. Eine Möglichkeit ist oikourgos, das sich zusammensetzt aus oikos, Haus, und ergos, Arbeit. Dieser Begriff sollte am Ehesten mit ‚zu Hause arbeiten’ übersetzt werden. Die zweite Möglichkeit ist das griechische Wort oikouros, das ‘zu Hause bleiben’ bedeutet. In jedem Fall müssen wir darauf achten, den Text im Lichte der kulturellen Gegebenheiten jener Tage und nicht der der heutigen Zeit zu interpretieren. Zu jener Zeit arbeitete keine Frau außer Hauses, es sei denn, sie war eine Prostituierte. Denken Sie daran, wie Paulus die Witwen mahnte, nicht aus Mangel an Beschäftigung von Haus zu Haus zu laufen und sich überall einzumischen (1.Tim 5:13). Da Frauen bei der Arbeit nicht aus dem Haus kamen, konnten sie in Versuchung geraten, ihre Zeit damit zu vergeuden, dass sie bei den Frauen in anderen Häusern herumhingen, Klatsch verbreiteten und wenig Gutes taten. Das Gebot ‚zu Hause zu bleiben’ oder ‚zu Hause zu arbeiten’ ist in diesem Zusammenhang zu sehen: Ein Mittel gegen Müßiggang und Klatsch war es, zu Hause zu bleiben, sich den Pflichten zum Unterhalt der Familie zu widmen und sein Haus wohl zu bestellen.

Mir scheint daher, dass wir uns vorsehen müssen, diese beiden Textstellen nicht zu voreilig oder zu uneingeschränkt auf das Thema der berufstätigen Ehefrau anzuwenden. Sie mögen prinzipiell gültig sein, aber sie dürfen nicht so aus dem Zusammenhang gerissen werden, wie ich es früher selbst einmal getan habe und Mancher es noch immer gerne tut.

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14. Weisheit und Kindererziehung (Teil I)

Wer ist verantwortlich für den Charakter eines Kindes?

Einleitung

Als meine Frau und ich vor einigen Monaten an einer Geschenkeparty für ein neugeborenes Baby teilnahmen, entdeckten wir die folgende Bemerkung in einem Notizbuch. Sie spiegelt meine Gefühle nahezu perfekt wider, wenn ich jetzt dieses Thema angehe:

„Früher hatte ich keine Kinder, aber sechs Theorien über Kindererziehung.
Jetzt habe ich sechs Kinder, aber keine Theorie über Kindererziehung.“

Meine Frau und ich haben sechs Kinder, von denen Eines beim Herrn ist. Es ist schon erstaunlich, wie sehr fünf Kinder zu haben den Dogmatismus aufgeweicht hat, mit dem ich früher über Kindererziehung gesprochen habe. Persönlich würde ich es eigentlich vorziehen, gar nicht mehr über dieses Thema zu sprechen, und das noch viele Jahre lang. Aber die Sprüche haben zu dem Thema so Vieles zu sagen. Außerdem haben Viele von Ihnen kleine Kinder und empfinden das Thema als eines der dringendsten Anliegen in ihrem Leben.

Bevor wir mit dem Studium beginnen, möchte ich Sie vorwarnen, dass Niemand je vollkommen objektiv auf diesem Gebiet ist, noch gibt es Irgendjemanden, der wirklich in jeder Hinsicht kompetent dafür wäre. Kinder können selbst sicher nicht objektiv sein, denn sie sind diejenigen, die den Prozess der Kindererziehung erleiden. Einige sehr autoritäre Worte zum Thema habe ich schon von Menschen gehört, die selber keine Kinder haben, ja noch nicht einmal verheiratet sind. Sie können zwar mit uns die Schriften zu diesem Thema interpretieren, aber sie können nicht aus eigener Erfahrung heraus sprechen. In den Sprüchen aber entsteht Weisheit niemals aus der Begegnung mit der Wahrheit am Grünen Tisch, sondern aus der Fähigkeit zu ihrer praktischen Umsetzung.

Falls Sie aber denken, dass ich damit sagen will, ich sei eine Autorität auf dem Gebiet der Kindererziehung, nur weil ich selber fünf Kinder haben – dann bin ich der Erste, der Ihnen widerspricht. Wenn es nur darauf ankäme, viele Kinder zu haben, um ein Experte für Kindererziehung zu werden, dann könnten wir uns an Jedermann mit einer großen Familie um einen fachmännischen Rat wenden. Aber um ehrlich zu sein, wir könnten wohl etwas darüber sagen, wie man Kinder kriegt, aber nicht darüber, wie man sie aufzieht. Ich möchte Ihnen gleich zu Anfang bekennen, dass ich nicht annähernd so viel von Kindererziehung verstehe, wie ich sollte; und einen Großteil dessen, was ich weiß, setze ich nicht so um, wie ich es sollte.

Auch die, deren Kinder schon erwachsen sind, sind nicht immer anerkannte Fachleute auf dem Gebiet. Wer das Glück hatte, dass aus allen seinen Kindern etwas geworden ist, mag geneigt sein, dieses Ergebnis sich selbst zuzuschreiben. Aber es gibt nicht ein Elternpaar, das tatsächlich die volle Anerkennung dafür akzeptieren dürfte, wenn seine Kinder zu gottgefälligen Menschen heranwachsen, denn das liegt allein in der Gnade Gottes. Jeder Erfolg in unserem Familienleben tritt eigentlich trotz vieler Fehler vonseiten der Eltern ein.

Die andere Seite ist die, dass es durchaus auch fromme Eltern gibt, deren Kinder sie enttäuscht und verletzt haben. Sie wüssten vielleicht trotzdem Wertvolles über die Erziehung von Kindern zu sagen, haben aber Hemmungen den Mund aufzumachen – und noch mehr widerstrebt es uns, auf sie zu hören. Wir wollen von den Erfolgreichen lernen und nicht von denen, die die bittere Medizin eines törichten Sohnes oder einer törichten Tochter zu schlucken hatten. Wenn Sie diese Einstellung haben, können Sie aber ebenso gut hier aufhören zu lesen, denn Salomo, der ja das Meiste zum Buch der Sprüche beigetragen hat, versagte selber doch offenbar kläglich darin, seinen Sohn Rehabeam zu einem weisen Mann zu erziehen (vgl. 1.Kö 12).

Die Frage, die ich hier aufwerfen möchte, ist die: „Wer ist verantwortlich für den Charakter unserer Kinder?” Ich habe die Meinung ja schon angedeutet, dass Eltern vielleicht gar nicht so viel Kontrolle über das Leben ihrer Kinder haben, wie mancher Lehrer behauptet. Es gibt hier, wie in jedem Bereich der biblischen Lehre, zwei Extreme, die man vertreten kann: Einerseits könnten wir der Meinung sein, dass das spirituelle Leben eines Kindes vollkommen in der Verantwortung seiner Eltern liegt. Das ist nicht nur unbiblisch, sondern stellt auch die Gegebenheiten einer Elternschaft ziemlich verzerrt dar. Andererseits könnten wir dem entgegengesetzten Extrem des Fatalismus anheim fallen und die Schlussfolgerung ziehen, dass wir für das geistliche Leben unserer Kinder gar Nichts können. Das würde zu Untätigkeit und ins Unglück führen. Meine Absicht ist es, das Thema der Verantwortlichkeit von Eltern und ihren Kindern aus der Sicht der Sprüche und der gesamten biblischen Offenbarung Gottes anzugehen. Ich denke, dass wir dann die Wahrheit zwischen den beiden beschriebenen Extremen finden werden und dass unsere Studien uns einerseits viel Frustration und Schuldgefühle nehmen, auf der anderen Seite aber auch zu mehr Sorgfalt und Gebet inspirieren können. Lassen Sie uns also die Frage der Verantwortlichkeit bei der Erziehung von Kindern betrachten. Wofür macht Gott Eltern verantwortlich?

Fromme Eltern ziehen unter Umständen
törichte und schändliche Kinder auf

Ich höre es selber nicht gerne – aber ich bin doch gezwungen einzuräumen, dass die Sprüche die schmerzliche Möglichkeit aufzeigen, dass man einen törichten und schändlichen Sohn oder eine solche Tochter aufzieht.

Sprüche Salomos. Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater, Aber ein törichter Sohn verursacht seiner Mutter Leid (10:1).

Ein weiser Sohn nimmt die Zucht seines Vaters an, Aber ein Spötter hört nicht auf Zurechtweisung (13:1).

Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater, Aber ein törichter Mensch verachtet seine Mutter (15:20).

Ein törichter Sohn verursacht seinem Vater Kummer Und Bitterkeit der, die ihn geboren hat (17:25).

Wer seinen Vater und seine Mutter beraubt und spricht ‚Es ist kein Vergehen’, Ist dem Mann Kumpane, der Verderben verursacht (28:24).

Es gibt eine Art, die ihrem Vater flucht Und ihre Mutter nicht segnet. Es gibt eine Art, die sich selbst als rein ansieht Und doch noch nicht einmal von ihrem eigenen Dreck reingewaschen ist. Es gibt eine Art – o wie hochmütig deren Augen geworden sind! Und voll Arroganz heben sie ihre Lider (30:11-13).

Mancher mag einräumen, dass es irgendwelche Eltern gibt, die törichte Kinder aufziehen – und wird dabei vielleicht nicht zugeben wollen, dass das auch fromme Eltern betreffen kann. Es fällt mir jedoch schwer einzusehen, wie ein gottloses Elternpaar so kummervoll darüber sein könnte, dass es einen gottlosen Sohn aufzieht. Als Petrus von Lots Gram angesichts der Sündhaftigkeit seiner Stadt sprach, beschrieb er diesen als einen gerechten Mann, dessen „gerechte Seele gequält war“ (2.Pe 2:7-8). Es sind die Gerechten, die von der Ungerechtigkeit gequält werden. Wollen wir also fortfahren.

Salomo versus Sigmund Freud:
Wodurch wird der Charakter eines Kindes bestimmt?

Wir sollten uns zu Beginn bewusst machen, dass die Fehler von Eltern negative Auswirkungen für die Kinder wie für die Eltern selbst haben. In den Worten der Sprüche:

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird, bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Nach dieser Einleitung muss ich nun andererseits aber auch darauf hinweisen, dass in den Sprüchen betont wird, dass nicht die Eltern letztendlich verantwortlich für den Charakter ihres Kindes sind. Das törichte Kind hat sich selbst entschieden, sein Leben auf den Pfaden der Torheit zu verbringen. Und die Strafe, die der törichte Sohn erhält, hat er selbst verdient. In Kapitel 1 klären Vater und Mutter ihren Sohn über die zwei Wege zu leben auf und warnen ihn davor, sich schlechten Menschen zu bösen Taten anzuschließen. Aber im Anschluss an diese elterliche Ermahnung spricht die Weisheit über das Schicksal dessen, der sich trotz Allem entscheidet, auf dem Pfad der Torheit zu wandeln:

„Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung“ (Vers 29-30).

„Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung. Darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels Und sich an ihren eigenen Ratschlägen übersättigen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten“ (1:30-32).

Die Eigenverantwortlichkeit des Kindes für die Entscheidungen in seinem Leben wird an anderer Stelle in den Sprüchen gezeigt:

Wenn du weise bist, bist du zu deinen eigenen Gunsten weise geworden, Und wenn du ein Spötter bist, wirst du allein es tragen (9:12).

Die Torheit eines Menschen verdreht seinen Weg, Und sein Herz ergrimmt selbst gegen den Herrn (19:3).

Wir finden also in den Sprüchen, dass an der Torheit eines Menschen nicht seine Eltern die Schuld tragen, sondern sie resultiert aus seinen eigenen Entscheidungen, aus den Überlegungen seines eigenen Herzens. Eltern leiden wohl an der Torheit eines Sohnes, aber es wird nicht gesagt, dass sie an Schuldgefühlen leiden müssen. Denn der Sohn allein muss die Konsequenzen aus seiner Entscheidung für den Weg der Torheit auf sich nehmen.

Weitere Hinweise auf die Eigenverantwortlichkeit des Kindes für seinen Charakter finden sich in den ersten neun Kapiteln der Sprüche. Während die Kapitel 10-31 uns über die Eigenschaften eines Weisen belehren, heben die Kapitel 1-9 die Entscheidung hervor, die am Anfang des Weges der Weisheit steht. Wenn man mit einem einzigen Wort die Stimmung dieser ersten Kapitel zusammenfassen wollte, so wäre es das Wort „Appell“. Sowohl der Vater als auch die Mutter appellieren an ihren Sohn, ihre Lehren zu befolgen und die Weisheit als etwas sehr Wertvolles anzustreben.

Höre, mein Sohn, auf die Zucht deines Vaters Und verlasse nicht das Gebot deiner Mutter. Denn sie sind ein anmutiger Kranz für dein Haupt Und eine schmückende Kette um deinen Hals (1:8-9).

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen Und meine Gebote in dir bewahren wirst, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen Und die Erkenntnis Gottes finden (2:1,5).

Mein Sohn, vergiss meine Lehren nicht, Sondern lass dein Herz meine Gebote halten (3:1).

Hört, o Söhne, auf die Zucht eines Vaters Und merkt auf, damit ihr Erkenntnis gewinnt (4:1).

Jeder Appell in diesen Anfangskapiteln der Sprüche basiert auf der gleichen Voraussetzung: Ein Vater und eine Mutter können ihr Kind über die Weisheit belehren und ihm ans Herz legen, sie zu suchen, aber sie können ihm die Entscheidung nicht abnehmen. Tatsächlich kann sich auch ein Kind weiser und frommer Eltern für die Rolle des Toren entscheiden – trotz all ihrer Mühen, ihn zum Gegenteil zu erziehen.

Und was ist mit dem Versprechen in Sprüche 22:6?

In dem verzweifelten Wunsch nach einer Erfolgsgarantie für Eltern, die sich intensiv um die Erziehung ihrer Kinder zur Frömmigkeit bemühen, wenden sich Viele an Sprüche 22:6 um biblische Unterstützung. Auch ich würde es vorziehen, eine solche Garantie zu haben; ich bin allerdings überzeugt, dass diese Textstelle Nichts dergleichen darstellt. Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass – unabhängig davon, zu welcher Auslegung wir schließlich gelangen werden – die Sprüche uns nicht so sehr Garantien als vielmehr Leitsätze bieten. Während Fleiß beispielsweise eine notwendige Voraussetzung für den Wohlstand ist, garantiert Fleiß doch nach den Sprüchen allein keinen Wohlstand. Selbst wenn im Buch der Sprüche stünde, dass eine umsichtige Erziehung gottgefällige Kinder hervorbringt – was, wie wir sahen, ja nicht unbedingt zutrifft –, so wäre das doch noch keine Garantie dafür, dass getreuliche Bemühungen frommer Eltern immer gottgefällige Kinder hervorbringen

Nach der Einschätzung vieler großer Bibelgelehrter bezieht sich Sprüche 22:6 gar nicht auf moralische Instruktionen, sondern spricht ein generelles Erziehungsprinzip aus: Keine Lehre, die dem Schüler angepasst ist, wird verlorene Mühe sein. Die NASB überträgt diesen Vers:

Erziehe ein Kind auf dem Weg, den es gehen soll; Selbst wenn es alt geworden ist, wird es sich nicht davon abkehren.

Wörtlich aber lautet der hebräische Text so:

Erziehe ein Kind gemäß seines Weges, Und wenn es alt geworden ist, wird es sich nicht davon abkehren.

Da ich vorhabe, mich mit dieser Bibelstelle in den nächsten Lektionen noch ausführlicher zu befassen, möchte ich Sie jetzt noch auf einige Aspekte dieses Textes hinweisen, die für unser Studium wichtig sind.

1. DER IMPERATIV IST ‚ERZIEHE’, UND DARAUS KÖNNEN WIR SCHLIESSEN, WAS DAS HAUPTANLIEGEN DER TEXTSTELLE IST. Eltern werden aufgefordert, ihre Kinder zu erziehen. Die Betonung scheint hier auf der Notwendigkeit zur Erziehung eines Kindes zu liegen, nicht auf der Art der Erziehung.

2. DER AUSDRUCK “WEG” BEZIEHT SICH FAST IMMER AUF DIE WESENSART ODER DIE ÜBLICHEN VERHALTENSMUSTER EINES LEBEWESENS.

Drei Dinge gibt es, die mir zu wunderbar sind, Und vier, die ich nicht erfassen kann: Der Weg eines Adlers am Himmel, Der Weg einer Schlange auf einem Felsen, Der Weg eines Schiffes mitten auf dem Meer, Und der Weg eines Mannes bei einem jungen Mädchen (30:18-19).

Man strapaziert diesen Ausdruck sehr, wenn man ihn als ‚Weg, auf dem es gehen sollte’ überträgt.

3. DER AUSDRUCK ‚ABKEHREN’ GEHÖRT NICHT ZU DENEN, MIT DENEN ABTRÜNNIGKEIT BESCHRIEBEN WIRD. In den Sprüchen wird er meist mit Bezug auf die Abkehr vom Bösen gebraucht (vgl. 3:7; 13:19; 16:17).

Diese und andere Punkte veranlassen viele Gelehrte zu der Schlussfolgerung, dass diese Bibelstelle Eltern gegenüber kein Versprechen für gottgefällige Kinder abgibt, wenn sie sie nur getreulich und in einem frommen Haus aufziehen. In Bezug auf diese Sichtweise, die wir gerade verworfen haben, schreibt Dr. Otto Zöckler:

Doch obwohl die Dritte [Sichtweise] den höchsten Anspruch darstellt und generell dort eingenommen wurde, wo man sich über das Original wenig Rechenschaft ablegte, wird sie doch vom hebräischen Wortlaut am Wenigsten getragen.39

Dem stimmt auch Derek Kidner zu:

Die vorgeschriebene Erziehung soll wörtlich ‚gemäß seinem (des Kindes) Weg’ sein, was offenbar die Respektierung seiner Individualität und Berufung, nicht aber die seines eigenen Willens impliziert (s. Vers 5 oder 14:12). Aber die Betonung liegt auf der elterlichen Opportunität und Verpflichtung.40

Die Sprüche lehren uns also durchgehend, dass für fromme Eltern keine Garantie auf fromme Kinder besteht, selbst dann nicht, wenn sie all ihren elterlichen Pflichten stets treulich und bedacht nachgekommen sind. Kidner kommentiert das so:

Viele [Sprüche] mahnen uns jedoch, daran zu denken, dass selbst die beste Erziehung Weisheit nicht einimpfen, sondern nur zu der Entscheidung ermutigen kann, selbst nach ihr zu suchen (z.B. 2:1ff.). Ein Sohn kann zu rechthaberisch zum Lernen sein (13:1; vgl. 17:21). Ein gutes Haus kann einen Faulenzer hervorbringen (10:5) oder einen Verschwender (29:3); er kann so rebellisch sein, seine Eltern zu verachten (15:20), zu verspotten (30:17) oder zu verfluchen (30:11, 20:20), oder so herzlos, mit ihrem Geld durchzubrennen (28:24) oder sogar seine verwitwete Mutter hinauszuwerfen (19:26). Es gibt zwar auch Eltern, die allein sich selbst ihr Unglück verdanken (29:15), aber letztlich muss jeder Mensch für sich selbst die Verantwortung übernehmen, denn es ist seine Einstellung zur Weisheit (29:3a, 2:2ff.), seine Nachgiebigkeit oder Widerstandsfähigkeit angesichts einer Versuchung (1:10), die seinen Kurs bestimmt.41

Elterliche Verantwortlichkeit
im Alten Testament

Die Lehre der Sprüche steht im Einklang mit der des gesamten Alten Testaments. Von den Eltern wird gefordert, dass sie ihre Kinder im Geist des Herrn erziehen (vgl. Deu 6), auf der anderen Seite können sie aber das Schicksal ihrer Kinder in geistlicher Hinsicht nicht bestimmen. So erschütternd es auch sein mag: es kam vor, dass fromme Eltern gottlose Nachkommen hatten, und das lag nicht unbedingt an einem Versäumnis vonseiten der Eltern.

Isaak zeugte Esau, einen Mann, der die geistlichen Dinge verächtlich ablehnte (vgl. Heb 12:16). Noahs Sohn Ham zog sich den Fluch seines Vaters zu, nachdem er von der Zerstörung durch die Sintflut verschont worden war (Gen 9:20-27). Manoah und seine Frau lernten die Schande durch einen Sohn kennen, der von Gott große Kraft verliehen bekommen hatte, aber ein Tor war – durch Simson (vgl. Ri 13-16). Die beiden Söhne Elis waren wertlose, gottlose Männer (1.Sa 2:12), aber Eli wurde nicht für ihren Unglauben verantwortlich gemacht, sondern nur für seine Unfähigkeit sie zu bändigen (1.Sa 3:12-14). Samuels Söhne waren ebenfalls schlechte Menschen (1.Sa 8:1-3). Während ich immer der Meinung war, dass Samuel den gleichen Fehler wie sein Vorgänger Eli gemacht hätte, gibt der Text Samuel nirgends eine Schuld an der geistlichen Verfassung seiner Söhne. Das bedeutet natürlich nicht, dass er keinen Fehler gemacht hätte; es zeigt nur, dass die Verderbtheit seiner Söhne als deren eigene Sünde angesehen wurde und nicht als die Seine.

Überall im Alten Testament stelle ich fest, dass die geistliche Verfassung von Eltern nicht eins-zu-eins mit der ihrer Kinder korrelierte. Fromme Eltern konnten böse Kinder haben. Böse Eltern hatten manchmal gottgefällige Kinder. Die geistliche Gesinnung von Kindern wurde durch die der Eltern nicht vorherbestimmt.

Erinnern Sie sich beispielsweise an die biblischen Aufzeichnungen über die Könige von Israel und Juda. Josaphat wandelte in Gerechtigkeit in der Art seines Vaters Asa (1.Kö 22:41-44). Ahasja, der Sohn von Ahab und Isebel, folgte deren böser Art (1.Kö 22: 51-52). Asa dagegen, der Sohn des bösen Abijam, folgte der Art seines Vaters nicht, sondern tat, was Recht war in den Augen Gottes (1.Kö 15:9-15). Und Ahas, der Sohn Jothams, handelte nicht gerecht, wie sein Vater es getan hatte, sondern folgte dem Weg des Bösen, so wie die Könige in Israel es damals taten (2.Kö 16:1-4).

Dass jeder Mensch individuell für seine eigenen Sünden verantwortlich ist, zeigt das Gesetz, denn weder waren Eltern für die Verfehlungen eines Sohnes zu bestrafen, noch war ein Sohn für die Sünde seines Vaters zum Tode zu verurteilen.

„Väter sollen nicht wegen der Kinder zu Tode gebracht werden, und Kinder sollen nicht wegen der Väter zu Tode gebracht werden. Jeder sollte wegen seiner eigenen Sünde zu Tode gebracht werden” (Deu 24:16).

Nach der folgenden Passage aus dem Alten Testament könnte es so erscheinen, als würden die Sünden der Väter unausweichlich auch zu den Sünden der Kinder:

„Du sollst sie nicht anbeten oder ihnen dienen; denn Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Verfehlungen der Väter heimsucht an den Kindern und an der dritten und vierten Generation derer, die Mich hassen” (Deu 5:9).

Der hier festgelegte Grundsatz ist jedoch nicht der, dass ein Sohn dazu bestimmt ist, die gleichen Sünden wie sein Vater zu begehen, sondern der, dass unsere Kinder zu leiden haben, wenn wir sündigen. Die Folgen unserer Sünden müssen leider zum Teil von unseren eigenen Kindern getragen werden.42 Daniel wie auch Nehemia, beides Männer, die in der Zeit der Gefangenschaft Israels lebten, akzeptierten, dass das Volk Gottes aus dem Gelobten Land vertrieben worden war, weil seine Väter sich gegen Gott aufgelehnt hatten (Ne 9, Da 9). Wie aber aus den Gebeten von Nehemia wie von Daniel hervorgeht, lag ihr Leiden nicht nur an den Sünden der Väter, sondern genauso auch an ihren eigenen Sünden (vgl. auch Jes 65:7, Jer 3:25). Dem entsprechend konnte Daniel zutreffenderweise sowohl „wir haben gesündigt” (Da 9:8) sagen als auch „sie haben gesündigt” (Da 9:7-8).

Es war der Prophet Hesekiel, der ein schlimmes Missverständnis des Grundsatzes aus Deuteronomium 5:9 korrigierte:

„Und das Wort des Herrn erging an mich und er sagte: „Was bedeutet es euch, diesen Spruch über das Land Israel zu sagen, der da lautet: ‘Die Väter sind es, die die sauren Trauben essen, Aber die Zähne der Söhne werden stumpf’? So wahr Ich lebe,“ spricht Gott, der Herr, „sollt ihr gewiss dieses Sprichwort in Israel nicht mehr benutzen. Siehe, alle Seelen sind Mein, die Seele des Vaters ebenso wie die Seele des Sohnes sind Mein. Die Seele, die sündigt, sie wird sterben. Aber wenn ein Mensch gerecht ist und Recht und Gerechtigkeit übt, … wenn er in Meinen Satzungen und Geboten wandelt und treu handelt – dieser ist gerecht und wird gewiss am Leben bleiben,“ so spricht Gott, der Herr“ (Hes 18:1-5,9).

Die alten Israeliten waren in ihrem Denken Prä-Freudianer. Sie glaubten, dass sie nur bestraft würden für die Sünden ihrer Väter. Deswegen waren sie fatalistisch und selbstzufrieden geworden. Wozu sollte man gerecht sein, wenn man sowieso (für die Sünden seiner Vorfahren) bestraft wurde? Hesekiel lehrte den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit: Wenn ein Mensch gerecht ist, wird er leben, aber wenn er sündigt, wird er dafür Strafe leiden. Ein Mensch wird belohnt oder bestraft für seine eigenen Taten, nicht für die seiner Eltern.

Um jedes Missverständnis über dieses Prinzip der individuellen Rechenschaft zu vermeiden, gab Hesekiel konkrete Anwendungsbeispiele für seine Lehre. Ein gerechter Mensch hat möglicherweise einen bösen Sohn, für dessen Sünden er aber nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Nur der Sohn selbst ist verantwortlich für seine Sünden (Hes 18:10-13). Ein böser Mensch andererseits hat möglicherweise einen gerechten Sohn. Dieser Sohn wird gewiss am Leben bleiben, aber sein böser Vater muss sterben (Vers 14-18). Das Prinzip wird in Vers 20 noch einmal ganz klar gesagt:

„Die Seele, die sündigt, sie selbst wird sterben. Der Sohn wird nicht die Strafe leiden für das Vergehen des Vaters, noch wird der Vater die Strafe leiden für das Vergehen des Sohnes. Die Gerechtigkeit des Gerechten wird auf ihm selber sein, und die Bosheit des Bösen wird auf ihm selber sein.“

Hesekiel führt diesen Grundsatz sogar noch weiter: Ebenso, wie wir nicht aufgrund der Taten unserer Eltern belohnt oder bestraft werden, werden wir auch nicht aufgrund unserer eigenen Vergangenheit gesegnet oder verurteilt. Jemand, der böse war, kann bereuen und gerecht leben und ihm werden dann die Taten der Vergangenheit vergeben (Vers 21-23). Genauso kann der, der früher einmal gerecht gelebt, sich jetzt aber dem Weg des Bösen zugewandt hat, nicht auf seine frühere Gerechtigkeit pochen, sondern wird für seine gegenwärtigen Sünden bestraft werden (Vers 24). Wir haben nie die Möglichkeit, die Vergangenheit zur Entschuldigung der Gegenwart heranzuziehen – weder in Bezug auf die Taten unserer Eltern noch auf unser eigenes früheres Verhalten.

Es gibt im Alten Testament keine Wahrheit, die eindeutiger und konsequenter gelehrt wird als diese: Eltern sind zwar verantwortlich für ihren eigenen Charakter und Lebenswandel, aber sie sind nicht letztendlich verantwortlich für den Charakter ihrer Kinder.

Die Verantwortlichkeit für Kinder
nach dem Neuen Testament

Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit von Eltern für den Charakter ihrer Kinder stimmt die Lehre des Neuen Testaments mit der des Alten vollständig überein: Es ist die Verantwortung christlicher Eltern, ihre Kinder anzuleiten und zu korrigieren.

Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und der Anleitung des Herrn (Eph 6:4).

Eltern sollen ihre Kinder auf Gottes Wegen leiten, sie können aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden für die Entscheidung, die ihre Kinder selbst bezüglich ihres Verhältnisses zum Herrn treffen. Ein Beweis dafür sind die Anforderungen Gottes an einen kirchlichen Führer im Hinblick auf seine Kinder. Gewiss werden diese Anforderungen für Älteste und Diakone nicht niedriger sein als für die übrigen Christen. Nach 1.Timotheus 3 sollen die Ältesten und Diakone nach der Befähigung ausgesucht werden, mit der sie die Führung über ihren eigenen Haushalt und ihre Kinder ausüben, nicht aber aufgrund ihrer geistlichen Errettung.

Er muss Jemand sein, der seinem eigenen Haushalt in vortrefflicher Weise vorsteht, der die Kinder mit Ernsthaftigkeit im Gehorsam hält (denn wenn ein Mann seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie will er für die Gemeinde Gottes sorgen?) … Lasst die Diakone Männer einer Ehefrau sein, die ihren Kindern und ihrem eigenen Haus wohl vorstehen (1.Tim 3:4-5,12).

Mancher mag sich fragen, ob Titus 1:6 dem nicht widerspricht, was ich gerade gesagt habe, denn es scheint, als fordere dieser Text, dass die Kinder eines Ältesten im Glauben errettet sein müssen.

Wenn nämlich irgendein Mann frei von Anklage ist, der Mann einer Ehefrau, und gläubige Kinder hat, die nicht der Verschwendung oder Widerspenstigkeit bezichtigt werden.

Ist diese Textstelle nicht eindeutig? Muss nicht ein Ältester auch an der geistlichen Verfassung seiner Kinder gemessen werden? Bengel bestätigte das: „Wer seine eigenen Kinder nicht zum Glauben bringen kann, wie soll der Andere dazu bringen?“43

Doch die Frage muss eigentlich umgekehrt gestellt werden. Kann irgendein Christ dafür verurteilt werden, dass es ihm nicht gelungen ist, einen anderen Menschen zu Christus zu bringen – oder gebührt ihm die Ehre, Jemanden bekehrt zu haben? Die Wahrheit ist doch, dass Niemand die Bekehrung eines Anderen herbeiführen kann. Wohl sind wir aufgefordert, unseren Glauben zu bezeugen, aber es wird von uns nicht verlangt, die Bekehrung irgendeines bestimmten Menschen herbeizuführen. Hätte denn unser Herr Bengels Anforderungen erfüllt? Errettete er Alle, zu denen er predigte? Und was ist mit Judas? Gelang es Paulus, Jeden zu bekehren, vor dem er seinen Glauben bekannte? Und sind alle durch Paulus Bekehrten standhaft geblieben?

Wir können Niemanden zum Glauben bringen. Gott allein kann den Menschen Glauben und neues Leben geben. Wir aber können nur Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegen und die Menschen dringend mahnen, Christus anzunehmen. Ob es unsere Kinder, unsere Eltern oder unsere Nachbarn sind – wir können für Keinen von ihnen die Verantwortung übernehmen, dass er bekehrt wird. Wir sind nur dafür verantwortlich, ein gottgefälliges Leben zu führen und für unseren Glauben Zeugnis abzulegen. Warum also sollte irgendein Ältester nach dem Glauben Einzelner seiner Familienmitglieder beurteilt werden?

Wie können wir dann aber Titus 1:6 verstehen? Ich glaube, die Erklärung ist recht einfach. Erstens müssen wir uns fragen, wie eine so wichtige Forderung, wenn es denn eine Forderung ist, in Paulus’ Brief an Timotheus fehlen konnte. Zweitens brauchen wir nur in ein griechisches Wörterbuch zu schauen, um festzustellen, dass das griechische Wort pistos in den meisten Fällen in der Bedeutung von ‚zuverlässig’, unseren Glauben oder unser Vertrauen stärkend, gebraucht wird (vgl. Titus 1:9, „das zuverlässige Wort“). So verstanden es auch die Übersetzer der King-James-Version, die das Wort als ‚zuverlässig’ übertrugen. Drittens sollte man auch sehen, dass das Wort durch die nachfolgende Formulierung näher erläutert wird. Wie sollen sich die ‚zuverlässigen’ Kinder eines Ältesten benehmen? Sie dürfen nicht der Verschwendung oder Rebellion beschuldigt sein. Ich ziehe an dieser Stelle die Übersetzung der NIV vor: Man soll „ihnen nicht den Vorwurf machen können, dass sie wild und ungehorsam sind“, eine Charakterisierung, die mit der aus 1.Timotheus 3 übereinstimmt.

Schlussfolgerung

Diese Lektion hat weit reichende Implikationen. Lassen Sie mich zunächst Diejenigen unter Ihnen ansprechen, die noch nicht zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind.

1. SIE KÖNNEN SICH NICHT AUF DEM GLAUBEN IHRER VÄTER AUSRUHEN. Ich weiß, dass es ein Lied gibt mit dem Titel „Glaube unserer Väter“, aber wir wollen seine Bedeutung für uns nicht fehldeuten. Der Glaube unserer Väter war ein heiliger Glaube, aber es ist nicht unser Glaube. Der Gegenstand ihres und unseres Glaubens ist derselbe – Jesus Christus –, aber ihr Glaube ist nicht unser Glaube, wenn wir nicht selbst dahin kommen, Christus als den Einen anzuerkennen, der an unserer Stelle auf Golgatha starb und dessen Gerechtigkeit die Unsere wurde und zur Vergebung unserer Sünden und zu ewigem Leben führt. Es spielt keine Rolle, wenn Ihr Vater Prediger, Missionar oder Kirchenführer war. Der einzige Weg, der zu Ihrer Errettung führt ist Ihre persönliche Entscheidung für den Glauben an Christus. Das ist der Grund, warum die ersten neun Kapitel der Sprüche das Kind immer wieder dazu drängen, auf dem Weg der Weisheit zu wandeln.

Wie Jemand einmal sehr passend gesagt hat: Gott hat keine Enkelkinder. Jede Generation muss sich wieder entscheiden, ob sie auf Christus vertrauen oder ihn ablehnen will. Im Alten Testament schloss Gott einen Bund mit Abraham (Gen 12:1-3), und auch Er bestätigte persönlich dieses Versprechen jeder neuen Generation gegenüber: gegenüber Isaak (26:24), Jakob (28:13-15) und gegenüber von dessen Söhnen (vgl. Gen 49:1ff., Ex 20:1ff. und alle Verheißungen an Israel im Alten Testament). Der Glaube ist eine persönliche Sache. Man kann die Erlösung nicht von seinen Vorvätern erben, denn sie ist eine Gabe Gottes an die, die Ihn um Errettung anrufen.

2. SCHIEBEN SIE DIE SCHULD FÜR IHREN UNGLAUBEN JA NICHT AUF IHRE ELTERN ODER IHRE VERGANGENHEIT. Viele Menschen erklären ihre Entscheidung gegen Christus mit Dingen aus der Vergangenheit: sie haben zu viele Heuchler kennen gelernt; ihre Eltern waren zu gesetzesgläubig; ihre Vergangenheit ist zu sündenbeladen, als dass ihnen vergeben werden könnte. Keine dieser Ausreden wird Gott beeindrucken. Niemals erleiden Sie die Qualen der Hölle wegen der Sünden eines Anderen, sondern nur um Ihrer persönlichen Entscheidung willen, Gottes rettendes Angebot abzulehnen. Und damit Sie nicht irgendwie Gott dafür die Schuld geben: Er freut sich an Niemandes Verdammnis. Er erfreut sich daran, Menschen von ihren Sünden zu befreien.

„Habe Ich denn wirklich Gefallen am Tod eines Bösen,” spricht Gott, der Herr, „und nicht vielmehr daran, dass er sich von seinem Weg abkehrt und am Leben bleibt?” (Hes 18:23)

3. SIE MÜSSEN DIE ÄUSSERLICHEN ERSCHEINUNGEN UND DEN KERN CHRISTLICHEN GLAUBENS AUSEINANDER HALTEN. Die alten Israeliten verwechselten immer mehr ihre zeremonielle Gesetzestreue mit echtem Glauben. Auch heute denken viele Männer und Frauen, dass sie errettet werden, wenn sie in die Kirche gehen, immer etwas in den Klingelbeutel tun, in einem Gemeindegremium mitarbeiten, oder dadurch, dass sie getauft sind. Gott aber schreibt uns zwar vor, wie wir uns als Christen verhalten sollen; dennoch ist es nicht unser Verhalten, das uns rettet, sondern Christus. Viele unserer jungen Leute fallen scheinbar vom Glauben ab, sobald sie auf das College kommen oder ihr Zuhause verlassen – aber in Wirklichkeit haben sie bis dahin nur den Gepflogenheiten der Familie gehorcht und niemals selber einen Glauben angenommen, noch die persönliche Beziehung zu Christus als Grundlage für alles Andere gesehen. Unterscheiden wir also sorgfältig zwischen Form und Inhalt, wenn es um unseren Glauben geht!

Die Kernaussage dieser Botschaft ist die Folgende: ELTERN TRAGEN DIE VERANTWORTUNG DAFÜR, DASS SIE GOTTGEMÄSS HANDELN UND IHRE KINDER ZUR FRÖMMIGKEIT ERZIEHEN, ABER SIE KÖNNEN IHRE KINDER NICHT GOTTGEMÄSS MACHEN. Ich möchte einige praktische Konsequenzen aus diesem Grundsatz aufführen.

1. WENN GOTTGEMÄSSE ELTERN ÜBER DIE ENTWICKLUNG IHRER KINDER TRAUERN; KÖNNEN SIE DAS OHNE SCHULDGEFÜHLE TUN. Wenn wir eine Aussage aus der Bibel entnehmen können, dann sicherlich die, dass gottgemäße Eltern möglicherweise gottlose Kinder haben. Das bedeutet, dass die geistliche Verfassung der Eltern nicht an der der Kinder gemessen werden darf. Wenn Ihr Kind sich entschieden hat, Ihnen auf dem Weg des Herrn nicht zu folgen, so liegt das letztlich in der Verantwortung Ihres Kindes selbst. Sie können Ihr Kind nicht gottgemäß machen; das kann nur Gott. Es ist möglich, dass Sie fromm sind und dennoch ein gottloses Kind aufziehen. Übernehmen Sie nicht die Schuld für Etwas, für das Sie nicht verantwortlich sind.

Wenn Sie so sind wie ich, dann gehen Ihnen Ihre Fehler als Eltern sehr nahe. Niemand, den ich aus der Bibel oder aus meinem Umfeld kenne, ist immer ein vorbildlicher Vater oder eine vorbildliche Mutter gewesen. Wir alle haben Fehler gemacht. Wenn unsere Kinder sich entschieden haben, Gott zu folgen, dürfen wir uns diese Gnade Gottes in ihrem Leben nicht anrechnen. Und wenn wir versagt haben, dürfen wir auch darin Trost finden, denn Gott hat für unsere elterlichen Sünden wie für alle Anderen auch Vergebung bereitet. Wir können ferner Trost darin finden, dass unsere Fehler als Eltern nicht der Grund für die Gottlosigkeit unserer Kinder sind, geradeso wie unsere Erfolge nicht der Grund für ihre Frömmigkeit sind. Es gibt Vergebung für jede Sünde. Lassen Sie uns als Eltern Trost darin finden, dass die unverzeihliche Sünde nicht diejenige ist, als Vater oder als Mutter versagt zu haben.

2. WIR BRAUCHEN UNS NICHT IN SCHULDGEFÜHLEN ÜBER DIE FEHLER UNSERER KINDER ZU VERZEHREN, ABER WIR DÜRFEN AUCH NICHT SELBSTZUFRIEDEN SEIN. Hesekiel erachtete es als notwendig, Gottes Volk für seine Selbstzufriedenheit der Sünde gegenüber zu tadeln. Die Menschen entschuldigten ihre eigene Sündhaftigkeit, indem sie sie ihren Vorvätern anlasteten. Wir sollten nicht müßig werden, nur weil wir selbst unsere Kinder nicht erretten können. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament fordern, dass wir unsere Kinder zur Erkenntnis Gottes erziehen (vgl. Deu 6:6-9,20-25; Eph 6:4). Wir müssen zwar nicht Rechenschaft über die Fehler unserer Kinder ablegen, aber wir tragen die Verantwortung für unsere eigenen Sünden als Eltern. Und obwohl wir unsere Kinder nicht selbst erretten können, können wir sie doch das Wort Gottes lehren, ihnen den Glauben an Christus eindringlich ans Herz legen und für ihre Errettung beten.

Die Tatsache, dass wir unsere Kinder nicht erretten können, sollte uns in keiner Weise von der gewissenhaften Erfüllung unserer elterlichen Verantwortlichkeiten abhalten. Zwar ist Gott der souveräne Erlöser, doch wir sind aufgefordert ihn zu verkünden. Und während wir selbst unsere Kinder nicht erretten können, kann Gott es doch tun. Wir sollten daher inbrünstig zu Ihm beten in dem Wissen, dass er Niemanden zu verderben wünscht 2.Pe 3:9; vgl. 1.Tim 2:4). Lassen wir uns diese Worte unseres Herrn eine Warnung sein:

„Und wer immer Einen von diesen Kleinen, die glauben, straucheln macht – es wäre besser für ihn, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde“ (Mar 9:42).

3. WENN WIR MEHR VERANTWORTUNG ALS NÖTIG FÜR DIE ENTWICKLUNG UNSERER KINDER ÜBERNEHMEN, KANN DIE ERZIEHUNG DADURCH SEHR BEHINDERT WERDEN. Zu viel Verantwortung für unsere Kinder zu übernehmen, kann ebenso zerstörerisch wirken wie zu wenig Verantwortung zu übernehmen. In der Annahme, dass für die geistliche Verfassung der Kinder hauptsächlich die Eltern verantwortlich sind, schließen wir möglicherweise auch daraus, dass unsere Frömmigkeit als Eltern an der Frömmigkeit unserer Kinder gemessen werden könnte. Das aber ist gefährlich und kann verheerende Folgen haben.

Lassen Sie uns beispielsweise annehmen, dass der Vater des Verlorenen Sohnes (Luk 15:11-32) zu den Ältesten in Ihrer Gemeinde gehörte. Was hätten Sie erwartet, dass er tun sollte, als sein Sohn ihn um sein Erbteil bat – wenn er doch genau wusste, was der damit anfangen würde? Der Vater hätte es nicht gewagt, sein Kind scheitern zu lassen, denn man hätte das als ein Scheitern des Vaters selbst angesehen. Und dabei ist der Vater in diesem Gleichnis nicht nur ein Vorbild dafür, wie wir uns als Eltern verhalten sollten, sondern er ist auch ein Sinnbild für Gott Selbst und die Art, wie Er mit uns umgeht.

Nur durch Scheitern nämlich kam dieser ‚Verlorene Sohn’ zur Besinnung. Erst nachdem er sein Geld vergeudet hatte und bei den Schweinen leben musste, sah er die Torheit seines Weges ein. Dann bereute er und kehrte zu seinem Vater zurück. Welcher Sohn, glauben Sie, war der Weisere und Frömmere – der, der seinem Vater niemals Schande bereitet, aber auch niemals wirklich die Gnade verstanden hatte (wie die Schriftgelehrten und die Pharisäer in den Tagen unseres Herrn), oder der, der gesündigt hatte und bereute? Genau diese Frage war es, die unser Herr an die scheinheiligen religiösen Führern Seiner Zeit richtete:

„Was denkt ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne, und er ging zu dem Ersten hin und sprach: ‚Mein Sohn, gehe heute im Weinberg arbeiten.’ Und dieser antwortete und sagte: ‚Das werde ich tun, Herr’, aber er ging nicht hin. Und er kam zu dem Zweiten und sagte das Gleiche. Aber dieser antwortete und sprach: ‚Ich werde es nicht tun.’ Danach aber gereute es ihn und er ging hin. Welcher von den Beiden hat den Willen seines Vaters getan?“ Sie sagten: „Der Letztere.“ Jesus sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: die Steuereinnehmer und die Huren werden vor euch in das Reich Gottes eingehen.“ (Mat 21:28-31).

Es will mir scheinen, dass wir über die Frömmigkeit der Kinder oft vorschnell urteilen, wo erst die Zeit zeigen wird, was geschieht. Mir scheint, wir loben die äußerlichen Erscheinungen von Gehorsam und Konformität, statt den Geist der Gehorsamkeit zu suchen, der, selbst aus Torheit und Sündhaftigkeit, zur Reue führen kann. Wir müssen Gott Zeit lassen, im Leben unserer Kinder zu wirken, und davon ausgehen, dass Er durch ihre Fehler ebenso wirkt wie durch ihren Gehorsam. Ist das nicht schließlich auch die Art, in der Er bei uns selbst wirkt?


39 Otto Zöckler, The Proverbs of Solomon. Commentary on the Holy Scriptures [Die Sprüche Salomos, Kommentar zur Heiligen Schrift]; von John Peter Lange (Grand Rapids: Zondervan [Reprint], 1960), Bd. V (im Orig. Bd. X von O.Z.), S. 192.

40 Derek Kidner, The Proverbs [Die Sprüche], Chicago: Inter-Varsity Press, 1964, S. 147.

41 Ibid, S. 50-51.

42 Deuteronomium 5:9 lehrt, dass unsere Kinder sicher die Folgen der Sünde ihrer Eltern spüren werden, aber das ist weit entfernt von der Aussage, dass ein Kind unausweichlich dem sündigen Pfad seiner Eltern folgen wird. Für das Kind eines Ehebrechers ist es kein unausweichliches Schicksal, zum Lügner zu werden, nur weil sein Vater betrügt. Und die Umkehrung von Deuteronomium 5:9 trifft ebenfalls zu. Das Kind gerechter Eltern wird wegen der Gerechtigkeit seiner Eltern Segnungen erfahren: Der Gerechte wandelt in integerer Lauterkeit – Wie sehr sind seine Söhne nach ihm gesegnet (Spr 20:7).

43 Bengel, zitiert nach A.R. Fausset in seinem Kommentar zum Brief an Titus. Robert Jamieson, A.R. Fausset, David Brown, A Commentary on the Old and New Testaments [Kommentar zum Alten und Neuen Testament], Grand Rapids: Eerdmans Publishing Co., [Photolithoprint] 1967, VI, S. 517.

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15. Weisheit und Kindererziehung (Teil II)

Die Natur eines Kindes

Einleitung

Ich habe einen Freund, der inzwischen als Chirurg in den Südstaaten arbeitet. Nachdem er sein Medizinstudium und die Assistenzarzt-Zeit beendet hatte, wurde er einem Airforce-Stützpunkt in der Mojave-Wüste in Kalifornien zugeteilt. Dort nahm er ein Hobby auf, dem ich auch sehr gerne nachgehe: Motorradfahren. Als er einmal alleine durch die Wüste fuhr, hatte er einen Unfall. Dabei brach er sich ein Bein, außerdem waren an seinem Motorrad mehrere Hebel beschädigt. Unter den gegebenen Umständen war er nicht mehr in der Lage, die Bremsen an seinem Motorrad zu benutzen, und doch musste er ja zurück zum Stützpunkt fahren, um sich dort medizinisch versorgen zu lassen. In der Wüste gibt es keine Verkehrszeichen; daher war das zunächst nicht weiter problematisch. Sobald aber mein Freund (der keine Uniform trug) wieder auf dem Stützpunkt war, wurde er von einem M.P. angehalten, weil er ein Stopp-Zeichen überfahren habe. Der Sergeant nahm den „Gesetzesbrecher“ beiseite und begann ihm prompt einen Vortrag zu halten. Aber mein verletzter Freund ließ sich davon nicht beeindrucken, zumal er dringend ins Krankenhaus wollte. Er unterbrach den Diensthabenden höflich, aber bestimmt und sagte etwas wie: „Einen Moment, Sergeant. Bevor Sie fortfahren, sollten Sie, denke ich, drei Dinge wissen. Erstens: Ich bin Major. Zweitens: Ich bin Arzt. Und drittens: Ich habe ein gebrochenes Bein.“ Darauf erwiderte der Sergeant prompt: „Jawohl, Herr Major. Ich helfe Ihnen sofort ins Krankenhaus.“

Viele von uns sind mit wenig oder ganz ohne Vorbereitung in die Kindererziehung hineingeworfen worden. Wie bei dem Sergeanten sind unsere Bemühungen dem entsprechend nicht immer von Wissen geleitet. Ich würde sagen, dass es auch für uns als Eltern drei Dinge gibt, die wir wissen sollten, um unsere Kinder richtig großzuziehen. Natürlich gibt es daneben noch Anderes mehr, das wir wissen müssen, und vielleicht sind Sie auch nicht in allen Einzelheiten meiner Meinung – aber ich glaube doch, dass das Buch der Sprüche von diesen drei Tatsachen ausgeht, wenn es uns lehrt, wie wir bei der Erziehung unserer Kinder vorgehen sollen. Wir wollen nun diese drei Faktoren sorgfältig untersuchen.

Ein Kind ist sündig

Vom Buch Genesis an wird überall in der Bibel gelehrt, dass der Mensch als Sünder geboren wird. Nicht ein Kind ist moralisch neutral, wenn es geboren wird. Jeder Mensch kommt als ein Kind Adams zur Welt, mit einer sündigen Natur, die nur kurze Zeit und keinerlei besondere Aufforderung braucht, um sich zu manifestieren.

Und der Herr begann den beruhigenden Wohlgeruch zu riechen; und so sprach der Herr zu sich: „Nie wieder werde Ich den Erdboden um des Menschen Willen verfluchen, denn die Neigung des Menschenherzens ist böse von Jugend an; und nie wieder werde Ich alles Lebende zerstören, wie Ich es getan habe“ (Gen 8:21, Hervorhebung durch den Autor).

Gewiss, ich bin ein Sünder von Geburt an, Sündig seit der Zeit, da meine Mutter mich empfing (Ps 51:5, NIV).

Schon von Geburt an sind die Bösen in die Irre gegangen; Vom Mutterleib an sind sie eigensinnig und sie reden Lügen (Ps 58:3, NIV).

Darum, so wie die Sünde durch einen Menschen in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen kam, weil sie alle sündigten – (Rö 5:12).

Die Sprüche legen nicht ausdrücklich die sündige Wesensart des Kindes von Geburt an dar, sondern sie gehen einfach davon aus, dass diese eine Tatsache ist. Ein Kind, das immer seinen Willen bekommt, wird unweigerlich die Torheit der Weisheit vorziehen und eine Schande für seine Eltern sein.

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird [wörtlich: das sich selbst überlassen wird] bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Am Anfang aller Kindererziehung steht daher die Grundannahme, dass ein Kind, wenn es sich selbst überlassen wird, im Laufe der Zeit nur immer professioneller sündigen wird. Erziehung beinhaltet also auch den Umgang mit der Sündhaftigkeit im Leben eines Kindes, sowie das Bemühen, Kinder von ihren natürlichen Neigungen weg und zur Furcht des Herrn und dem Weg der Weisheit hin zu bringen.

Auch der Appell an das Kind in den Sprüchen geht von dieser sündigen Neigung aus. Das Kind wird vor Gefahren gewarnt, die bisher noch nicht als Versuchung manifest geworden sind (wie die Ehebrecherin, Kapitel 5-7), und es wird auch gedrängt, sich vom bösen Weg abzukehren und dem Weg der Weisheit zuzuwenden. An keiner Stelle wird davon ausgegangen, dass ein Kind auf dem Weg der Weisheit wandelt; es sei denn, es habe bereits die bewusste Entscheidung getroffen, das Böse aufzugeben und die Furcht des Herrn zu erwählen.44

Entferne von dir falsche Reden, Und tu hinterhältige Lippen weit fort von dir. ... Weiche weder nach rechts noch nach links ab; Wende deinen Fuß ab vom Bösen (4:24,27).

Wenn die Weisheit den Einfältigen zuruft, dass sie ihren Weg ändern müssen, so deutet sie dabei an, dass es mehr als nur bloße Anfälligkeit für die Sünde gibt – vielmehr favorisieren die Menschen die Sünde sogar.

Die Weisheit ruft laut auf der Straße; Sie erhebt ihre Stimme auf den Plätzen; Am oberen Ende der lärmenden Straßen ruft sie aus; Am Eingang der Tore in der Stadt hält sie ihre Reden: „Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen? Kehrt um zu meiner Zurechtweisung, Dann will Ich meinen Geist über euch ausgießen; Ich will euch meine Worte bekannt geben“ (1:20-23).

Dann fährt die Weisheit fort und sagt, dass Jeder, wenn er der Vernichtung anheim fällt, die ihn am Ende des Weges der Bösen erwartet, dies aufgrund seiner eigenen Entscheidung tut. Jeder wird genau das erhalten, was er verdient (1:31-32).

Das Problem eines Kindes liegt nicht in seiner Umgebung, sondern in seinem eigenen Herzen. Wie das Herz aller Menschen (20:9) ist es böse. Ein Kind muss nicht einfach verbessert werden – es muss bekehrt werden. Ein Kind muss bis zu dem Punkt gelangen, wo es die Sündhaftigkeit seines Herzens erkennt, wo es aufhört, auf sich selbst zu bauen, und sich der Furcht des Herrn hingibt.

Behüte dein Herz mit großem Fleiß, Denn aus ihm fließen die Quellen des Lebens (4:23).

Und dann sagst du: „Wie habe ich die Zucht gehasst Und mein Herz die Zurechtweisung missachtet! Und ich habe nicht auf die Worte meiner Lehrer gehört Und meinen Unterweisern mein Ohr nicht geneigt“ (5:12-13).

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft (22:15).

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. (3:5-6).

Kinder denken manchmal, dass es Nichts ausmacht, wenn sie sündigen, solange niemand es sieht. Die Sprüche aber räumen schnell mit der Hoffnung auf, dass man mit dem Bösen davonkommen könnte; denn selbst wenn die Sünden von den Eltern unbeobachtet bleiben, so sieht Gott sie doch. Er erforscht sogar die Herzen.

Die Augen des Herrn sind an jedem Ort Und beobachten die Schlechten und die Guten (15:3).

Tod und Vernichtung liegen offen vor dem Herrn – Um wie viel mehr die Herzen der Menschen! (15:11, NIV).

Die Leuchte des Herrn durchforscht den Geist eines Menschen; Sie forscht sein innerstes Wesen aus (20:27, NIV).

Ich werde nie aufhören, mich darüber zu wundern, welche Entschuldigungen Eltern für ihre Kinder bereit halten, wenn das eigentliche Problem schlicht und einfach die gute alte Sünde ist. Unsere Kinder müssen schon in jungen Jahren lernen, dass die Sünde schmerzhafte Konsequenzen nach sich zieht und dass Gott eine Lösung für den Sünder bereitet hat: die Erlösung in Jesus Christus. Wir können das Problem der Sünde nicht durch Belehrung lösen, denn Belehrung alleine produziert nur geschultere Sünder. Diese Lektion habe ich schnell gelernt, als ich eine Zeit lang an einem staatlichen Gefängnis unterrichtete. Das vorrangige Problem des Kindes ist eines, das es mit der gesamten Menschheit gemeinsam hat: die Sünde. Und die Lösung dafür ist, die Sünde zu bekennen und auf das Erlösungswerk Christi zu vertrauen. Wollen wir also alle, die wir Eltern sind, bereit sein, mit unseren Kindern als mit Sündern umzugehen.

Denn der Herr gibt Weisheit; Aus Seinem Munde kommt Erkenntnis und Verständnis (2:6).

Damit deine Zuversicht auf den Herrn gesetzt wird, Habe ich dich, ja dich heute unterwiesen (22:19).

Ein Kind ist einfältig

Kürzlich erschien in der Zeitung ein Leserbrief an Ann Landers, in dem ein junger Mann sie in einer wichtigen Angelegenheit um Rat fragte. Er schrieb:

Ich bin 17 Jahre alt, männlich, und ich habe ein großes Problem. Ich bin letztes Jahr von der Oberschule abgegangen und von zuhause ausgezogen. Ich bin vier Monate weg geblieben und habe mich dann entschieden, wieder zurück zu ziehen. Ich habe einen Job und verdiene gutes Geld. Ich habe jetzt ein Angebot, mit Jemandem zusammen in eine Wohnung zu ziehen. Ich bin wirklich in Versuchung, das zu tun, denn bei meinen Eltern bin ich nicht besonders glücklich – zu viel Streit. Das Problem ist: Dieser Jemand ist eine Frau. Sie ist wie eine Schwester für mich. Ich schwöre, zwischen uns läuft Nichts.45

Zu meiner Erleichterung riet Ann ihm, nicht mit diesem „Jemand“ zusammenzuziehen, sondern Unterkunft bei einer Familie zu suchen oder, besser noch, mit seinen Eltern auszukommen zu lernen. Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Lesen diesen jungen Mann nicht ganz Ernst nahm. Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass er mit einem Mädchen geschwisterlich zusammen leben könnte, oder? Auf den zweiten Blick aber bin ich überzeugt, dass er das tatsächlich ernsthaft glaubte. Der Brief dieses jungen Mannes veranschaulicht eine Tatsache, die alle Eltern lernen müssen: dass nämlich unsere Kinder nicht nur sündig sind, sondern auch einfältig, naiv, gerade so wie dieser junge Mann.

Einige Eigenschaften von Kindern sollten weniger unter dem Aspekt der Sündhaftigkeit als unter dem der Einfalt gesehen werden. Beides kann gelegentlich miteinander zusammenhängen (vgl. 1:22), sollte aber nicht unbedingt gleichgesetzt werden. Die Naivität eines Kindes beruht zu einem großen Teil auf Unerfahrenheit, und dieser Zustand macht es anfällig für die Verführungen schlechter Männer und Frauen. Wollen wir einmal inne halten und einige Eigenschaften von Kindern betrachten, die in die Kategorie ‚Einfalt’ fallen könnten.

In den Sprüchen bedeutet ‚Einfalt’ eine Form der Naivität, die primär von fehlender Erfahrung her rührt. Ein Kind, das in alten Zeiten das Glück hatte, in ein frommes jüdisches Elternhaus geboren zu werden, wusste Wenig oder gar Nichts über die Schlechtigkeit böser Männer oder die Verführungskünste der Frauen. Das Pech der Amerikaner ist es, dass Kinder, die vor dem Fernseher aufwachsen, diese Dinge von klein auf kennen. Die frommen Eltern im Alten Testament wussten, dass ihre Kinder früher oder später den Schutz der Familie verlassen mussten, und sie versuchten, sie auf diesen Zeitpunkt vorzubereiten. Sie lehrten ihre Kinder, sich vor unerwünschter Gesellschaft vorzusehen, und sie beschrieben ihnen die Menschen, die sie zum Bösen verleiten könnten.

Die törichte Frau ist ungestüm, Sie ist einfältig und weiß Nichts. Und sie sitzt am Eingang ihres Hauses, Auf einem Sitz auf den Höhen der Stadt, Und sie ruft zu denen, die vorüber gehen, Die ihre Pfade gerade machen (9:13-15).

Wenn sie sagen: „Komm mit uns, Lass uns auf der Lauer liegen nach Blut, Lass uns die Unschuldigen grundlos aus dem Hinterhalt überfallen; Wir wollen sie lebendig verschlingen gleichwie der Scheol, Im Ganzen, gleich denen, die in die Grube hinab fahren. Wir werden allerlei kostbare Dinge von Wert finden, Wir werden unsere Häuser mit Beute füllen; Setze auf uns, einen Beutel soll es für uns alle geben“ – (1:11-14).

Ein nichtsnutziger Mensch, ein böser Mann Ist der, der mit falscher Rede umhergeht, Der mit seinen Augen zwinkert, der mit seinen Füßen Zeichen gibt, Der mit seinen Fingern Andeutungen macht, Der mit Verkehrtheit im Herzen fortwährend böse Pläne schmiedet, Der Streit entfesselt (6:12-14).

Ich ging am Acker des Faulen vorbei Und am Weinberg des Menschen, dem es an Verstand fehlt; Und siehe, er war mit Disteln zugewachsen Und von Nesseln bedeckt und seine Steinmauer war zerfallen (24:30-31).

Die Sprüche bieten dem unerfahrenen Kind eine Charakter-Beschreibung derer, von denen es sich fern halten sollte, derer, die einen jungen Menschen auf den Weg zu Tod und Vernichtung führen.

In ihrer Naivität tendieren Kinder dazu, die Welt durch die rosa Brille zu betrachten. Im Schutz ihres Elternhauses und durch den Mangel an Erfahrung mit den Bösen sind sie geneigt, von Jedem nur das Beste zu halten und auch Denjenigen offen gegenüber zu stehen, die sie ausnutzen wollen.

In vielen Familien wird der Idealismus von Kindern mit „Phantasie“ und „Kreativität“ gleich gesetzt, und entsprechend nähren wir diese Vorstellungskraft mit Märchen, die fast immer „glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ enden. So ist das Leben selbst aber nicht, und die Sprüche wirken diesem unrealistischen Idealismus entgegen, indem sie dem Kind eine starke Dosis Realismus bieten. Das Kind wird gelehrt, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie uns wünschen. In der realen Welt, auf die die Sprüche das Kind vorbereiten wollen, ist Bestechung oft wirksam (17:8), sind arme Menschen verloren und unterdrückt (13:23, 14:20), und den Reichen fehlt es niemals an „Freunden“ (19:4).

Die Einfalt der Kinder äu0ert sich auch in ihrer Unfähigkeit, über den Tag hinaus zu sehen. Der Schokoriegel heute ist ihnen viel wichtiger als die schulische Ausbildung in späteren Jahren. Weise Menschen dagegen schauen auf die Zukunft, um die beste Handlungsweise für die Gegenwart zu ermitteln (27:12). Ein großer Teil der Sprüche behandelt die angenehmen oder auch schmerzlichen Folgen unserer Handlungen. Die Lippen einer Ehebrecherin mögen im Moment attraktiv sein, aber das Kind wird davor gewarnt, dass ihr Haus auf dem Weg des Todes liegt (5:3-5). Ein Mann, der Ehebruch begeht, wird irgendwann dem erzürnten Ehemann gegenüber stehen – eine schmerzliche und unangenehme Erfahrung (6:32-34).

Da Kinder selbst von Natur aus dazu neigen, nur für die unmittelbare Gegenwart zu denken, müssen wir als Eltern die Lektion aus dem Buch der Sprüche lernen und unseren Kindern anhand von Erfahrungen aus dem wirklichen Leben die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Taten klarzumachen suchen.

Ein weiteres Anzeichen von Einfalt ist das oberflächliche Denken von Kindern. Sie sind beispielsweise beeindruckt, weil Johnny von nebenan einen Swimmingpool hat und einen eigenen Farbfernseher, und weil er durch den großzügigen Unterhalt seiner Eltern nie arbeiten muss. Dabei übersehen sie eher, dass Johnnys Vater vielleicht kaum zu Hause ist, dass seine Eltern ständig streiten, und dass Johnny immer fauler und egoistischer wird. Die Sprüche nehmen uns häufig mit unter die glatte Oberfläche und zeigen uns dort die Wahrheit, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist.

Ein Mensch gibt sich als reich aus und hat doch Nichts; Ein Anderer gibt sich als arm aus und hat doch große Reichtümer (13:7, NIV).

Im Haus des Gerechten gibt es große Schätze, Aber der Ertrag der Bösen bringt ihnen Unheil (15:6, NIV).

Besser ist ein Wenig in der Furcht des Herrn Als reichliche Schätze und Aufruhr dabei. Besser ist ein Gemüsegericht, wo Liebe ist, Als ein gemästeter Ochse mit Hass dabei (15:16-17).

Der Erste, der seine Sache vertritt, erscheint gerecht, Bis ein Anderer kommt und ihn befragt (18:17, NIV).

Ein Kind ist kindisch

Wir haben versucht zu differenzieren zwischen Sünde und bloßer Einfalt, zwischen Absichtlichkeit und Schwäche. Im obigen Abschnitt habe ich die Beschreibung der Einfalt auf Denken und Wahrnehmung eines Kindes beschränkt. Nun möchte ich den Rahmen etwas erweitern und weitere Neigungen von Kindern berücksichtigen, die am besten wohl unter dem Begriff „kindisch“ zusammengefasst werden können.

1. KINDISCH SEIN HEISST IMPULSIV SEIN. Wenn die Älteren unter uns vielleicht von Unentschlossenheit geplagt werden, so gilt für Kinder genau das Gegenteil. Junge Menschen haben kein Problem damit, Entscheidungen zu treffen. Aber eben das ist selbst ein Problem. Ein Kind ist schnell mit Entscheidungen bei der Hand – zu schnell. Und diese Impulsivität bringt sie oft in Schwierigkeiten. Der einfältige junge Mann beispielsweise entscheidet sich impulsiv, auf die Verführungskünste der Ehebrecherin einzugehen.

Plötzlich folgt er ihr, Wie ein Ochse zur Schlachtung geht Oder wie einer in Fesseln zur Züchtigung eines Toren, Bis ein Pfeil seine Leber durchbohrt; Wie ein Vogel in die Falle eilt, So weiß auch er nicht, dass es ihn sein Leben kosten wird (7:22-23).

Die Sprüche lehren uns, wie wir mit der Impulsivität umgehen sollen: indem wir unsere Kinder mit den Gefahren vertraut machen, die aus unbedachten Handlungen erwachsen.

Der Weise lässt Vorsicht walten und wendet sich ab vom Bösen, Aber ein Tor ist selbstverliebt und sorglos (14:16) .

Auch ist es nicht gut für einen Menschen, wenn er ohne Erkenntnis ist, Und wer mit seinen Füßen hastig ist, irrt vom Weg ab (19:2).

Eine Schlinge ist es für einen Menschen, wenn er übereilt sagt „Es ist heilig!“ Und nach dem Gelübde Nachforschungen anstellt (20:25).

2. KINDISCH SEIN HEISST, GEFAHREN NICHT ZU ERKENNEN.

Ein kluger Mensch sieht das Böse und verbirgt sich; Die Unerfahrenen gehen weiter und erleiden die Strafe (27:12).

Als ich auf dem Priesterseminar war, wohnten wir direkt neben dem Parkplatz des Seminars, und in der Umgebung verliefen viel befahrene Straßen. Einige von den Kindern im Hof öffneten immer wieder das Tor und rannten hinaus auf den Parkplatz oder auf die Straße. Natürlich waren sie sich der damit verbundenen Gefahren wenig bewusst. Bis sie alt genug waren, um diese Gefahren zu erkennen, brauchte es auch einmal eine Tracht Prügel, um ihnen klar zu machen, dass es sehr schmerzhafte Folgen haben kann, wenn man auf die Straße hinaus läuft.

Die Sprüche sind voller Warnungen vor Gefahren, die ein Kind leicht übersehen würde. Schlechte Gesellschaft, die Ehebrecherin, Bürge zu werden und fehlende Selbstbeherrschung – all das wird unter dem Aspekt der damit verbundenen Gefahren beschrieben. Die Sprüche vermeiden es dabei sorgfältig, die Sünde selbst genauer zu beschreiben, aber sie beschreiben die Folgen der Sünde im Detail.

Denn zu dem Tode hinab senkt sich ihr Haus, Und ihre Spuren führen zu den Toten; Keiner, der zu ihr geht, kehrt zurück, Noch wird er die Pfade des Lebens erreichen (2:18-19).

Damit nicht Fremde sich mit deiner Kraft sättigen Und deine mühsam erworbenen Güter in das Haus eines Ausländers gehen, Und du an deinem Ende stöhnen musst, Wenn es mit deinem Fleisch und deinem Leib zu Ende geht (5:10-11).

„Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, Ein wenig Händefalten, um so dazuliegen“ – Und die Armut wird zu dir kommen wie ein Wegelagerer Und die Not wie ein bewaffneter Mann (6:10-11).

Dem, der mit einer Frau Ehebruch begeht, mangelt es an Verstand; Der sich selbst zerstören will, tut das. Verletzungen und Schande wird er finden, Und seine Schmach wird nicht ausgetilgt werden (6:32-33).

3. KINDISCH SEIN HEISST, EMPFÄNGLICH FÜR EINFLUSSNAHME UND FÜHRUNG DURCH ANDERE ZU SEIN. Kinder neigen dazu, fast Jedem zu folgen. Trotz elterlicher Warnungen werden Kinder oft von Fremden angesprochen und mitgenommen. Teilweise mag das mit einem falschen Verständnis der Autorität von Erwachsenen zu tun haben. Gehorsame Kinder zögern vielleicht, sich einem Erwachsenen zu widersetzen, selbst wenn es sich um einen Fremden handelt, dessen Aufforderung schädlich oder gefährlich ist. Die Sprüche wissen um diese Gutgläubigkeit.

Der Unerfahrene glaubt Alles, Aber der kluge Mann bedenkt seine Schritte (14:15).

Die Weisheit erfordert es, das Kind vor den Gefahren des Umgangs mit bösen Menschen, seien es junge oder alte, zu warnen.

Wer mit Weisen wandelt, wird weise werden, Aber wer mit Toren Gemeinschaft pflegt, wird Kummer leiden (13:20).

Verkehre nicht mit einem Mann, der voller Wut ist, Noch mit einem jähzornigen Mann, Damit du nicht seine Art lernst Und dir selber eine Schlinge legst (22:24-25).

Sei nicht neidisch auf schlechte Menschen Und verlange nicht, mit ihnen zu sein, Denn ihr Herz plant Gewalttat Und ihre Lippen reden von Unheil (24:1-2).

4. KINDISCH SEIN HEISST UNDISZIPLINIERT SEIN. Damit meine ich, dass Kinder sehr wenig geneigt sind, sich irgendein Vergnügen zu versagen. Wenn man es einem Kind überlässt, wird es die ganze Packung Eiscreme leer essen, und nicht nur eine Portion davon. Kinder vermeiden das Unangenehme und suchen das Vergnügen. Demzufolge müssen die Eltern dem Kind die Beschränkungen auferlegen, die es sich selbst nicht setzen würde. So schickt man etwa das Kind zu einer festgesetzten Uhrzeit zu Bett, wenn man weiß, dass es – hätte es nur die Möglichkeit – die ganze Nacht fernsehen würde.

Wenn auch Eltern ihrem Kind von außen Einschränkungen auferlegen müssen, so wissen sie doch, dass sie das nicht für alle Zeit tun können. Am Ende muss das Kind selbst in der Lage sein, den Wert der Selbstbeherrschung zu erkennen und sich das Vergnügen des Augenblicks um der langfristigen Vorteile der Entsagung willen zu versagen. Daher werden weise Eltern ihrem Kind die Vorteile der Selbstbeherrschung klar machen, ihm immer mehr Entscheidungen selbst überlassen, je älter es wird, und dabei sowohl die guten Entscheidungen loben als auch deutlich auf die unangenehmen Folgen der schlechten hinweisen.

Der langsam ist zum Zorn ist besser als ein Starker, Und der seinen Geist beherrscht als der Eroberer einer Stadt (16:32).

Wer das Vergnügen liebt, wird arm werden; Und wer Wein und Öl liebt, wird nicht reich werden (21:17).

Ein wertvoller Schatz und Öl sind im Hause des Weisen, Aber ein törichter Mensch wird sie verschlingen (21:20).

Hast du Honig gefunden? Iss nur so viel, wie dir Not tut, Damit du nicht zu viel davon hast und dich übergibst. Setze deinen Fuß nur selten in das Haus deines Nächsten, Damit er deiner nicht überdrüssig wird und dich hasst (25:16-17).

Wie eine offene Stadt mit zerbrochenen Mauern Ist ein Mann, der seinen Geist nicht kontrollieren kann (25:28).

5. KINDISCH SEIN HEISST, DEN NUTZEN ELTERLICHER ZUCHT ZU VERKENNEN. Ein Kind, das gerne von seinen Eltern bestraft wird, braucht sicher Hilfe. Wir stellen uns eher das Kind vor, das, sein Bündel an das Ende eines Stockes gebunden, das Elternhaus verlässt, nachdem es dort gezüchtigt worden ist. Niemand sollte sich Schmerzen oder Strafe wünschen. Aber wenn eine Bestrafung erforderlich wird, sollte sie akzeptiert werden als Etwas, das aus elterlicher Liebe entsprungen und auf ein gutes Ende gerichtet ist. Die Textstellen, in denen die Notwendigkeit der Zucht gelehrt wird, sollen nicht nur den Eltern nützen, sondern auch den Kindern. Ein Kind soll lernen, dass die Zucht von Gott kommt und zu seinem Besten ist.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen hat (3:11-12).

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber der die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Strenge Zucht ist für den, der den Weg verlässt; Und wer Zurechtweisung hasst, wird sterben (15:10).

6. KINDISCH SEIN HEISST, WAHREN WERT NICHT ZU ERKENNEN. Nehmen wir an, ich würde einem Kind zehn glänzende neue Pfennigstücke oder zwei Groschen anbieten – was würde es wählen? Natürlich würde es die zehn Pfennige nehmen – aus dem einfachen Grund, dass ein Kind Werte noch nicht richtig einschätzen kann. Es geht davon aus, dass mehr Pfennige besser sein müssen als weniger Groschen. Ein paar Mal Einkaufen zu gehen wird seine Bildung diesbezüglich schnell heben.

Die Sprüche wissen um diese Schwäche von Kindern, den wahren Wert vieler der größten Schätze im Leben nicht richtig einschätzen zu können. Infolgedessen sprechen sie häufig vom Wert der Weisheit, der Gerechtigkeit und des Friedens.

Um wieviel besser ist es, Weisheit zu erwerben als Gold; Und Verständnis zu erlangen ist dem Silber vorzuziehen (16:16).

Reichtümer bringen keinen Nutzen am Tag des Zornes, Aber Gerechtigkeit wird vom Tode befreien (11:4).

Besser ist ein Wenig in der Furcht des Herrn Als reichliche Schätze und Aufruhr dabei. Besser ist ein Gemüsegericht, wo Liebe ist, Als ein gemästeter Ochse mit Hass dabei (15:16-17).

Schlussfolgerung

Aus unserem Studium der Natur eines Kindes im Buch der Sprüche resultieren mehrere Prinzipien, die wir im Kopf behalten und anzuwenden versuchen sollten. Ich will diese Grundsätze einmal aufzählen und einige Folgerungen daraus vorstellen.

1. DIE SPRÜCHE MACHEN ELTERN HOFFNUNG IN BEZUG AUF DAS ERGEBNIS IHRER KINDERERZIEHUNG. In unserer letzten Lektion versuchte ich Ihnen zu zeigen, dass Eltern das Schicksal ihrer Kinder nicht bestimmen können, und seien sie auch noch so pflichtgetreu in ihrer Elternschaft. Es stimmt zwar, dass Eltern nicht das letzte Wort über das Leben ihrer Kinder haben – aber die Sprüche machen uns darauf aufmerksam, dass sie doch das erste haben. Einerseits gibt es keine Garantie dafür, dass ein frommes Zuhause immer gottgefällige Söhne und Töchter hervorbringt; andererseits gibt es aber die Zusicherung, dass Gottes Weg zur Hervorbringung einer gottgefälligen Generation über fromme Eltern geht, die ihre Kinder gemäß der Schrift aufziehen.

Ich glaube, wir finden hier eine Parallele zu unserem Bemühen um die Verlorenen für Christus: Während wir einerseits keine Gewähr haben, dass jeder, vor dem wir Zeugnis ablegen, zum Glauben an Christus finden wird, können wir andererseits doch sicher sein, dass Gottes Methode, die Verlorenen zu erreichen, eben die Christen sind, die ihren Glauben mitteilen.

Wie denn sollen sie Den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Und wie sollen sie an Ihn glauben, von dem sie nicht gehört haben? Und wie sollen sie hören ohne Jemanden, der predigt? (Rö 10:14).

Wir müssen getreulich immer wieder Zeugnis ablegen für unseren Glauben an Christus, weil uns aufgetragen wurde, die Botschaft zu verkünden. Wir müssen sorgfältig auf die Erziehung unserer Kinder achten, weil uns Gott aufgetragen hat, das zu tun. In beiden Fällen müssen wir das Ergebnis aber am Ende Gott überlassen und anerkennen, dass wir jeweils nicht erfolgreich, sondern nur getreu sein müssen. Aber in beiden Fällen sollten wir bei unserem Bemühen auch Hoffnung haben, weil wir wissen, dass Gott unser Gebet erhört und dass Er sowohl Willens als auch in der Lage ist, Seine Absichten zu verwirklichen.

2. KINDER SIND TÖRICHT, ABER SIE SIND KEINE TOREN. Als Vater spornt mich die Beobachtung sehr an, dass nirgendwo in den Sprüchen ein Kind als Tor bezeichnet wird. Wir lesen zwar von der Schande eines Vaters, der einen Toren als Sohn gezeugt hat (17:21), und von dem Toren, der seines Vaters Zucht ablehnt (15:5), aber in beiden Fällen denke ich, ist der Sohn zu einem Toren herangewachsen und ist zwar noch der Sohn, aber kein Kind mehr.

Deshalb gibt es auch keinen Widerspruch zwischen denjenigen Textstellen, die Eltern auffordern, ihre törichten Kinder zu belehren und zu züchtigen, und denjenigen, die von der Belehrung oder Berichtigung eines Toren abraten. In Vers 23:9 lesen wir „Sprich nicht vor den Ohren eines Toren, denn er wird die Weisheit deiner Worten verachten“, und doch werden in Vers 22:6 Eltern aufgefordert, ihre Kinder anzuleiten. In Vers 27:22 finden wir „Selbst wenn du den Toren zusammen mit den Getreidekörnern mit einem Stößel im Mörser zerstößt, wird doch seine Torheit nicht von ihm weichen“, andererseits werden Eltern aufgefordert „Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung“ (13:24). Ein Kind ist von Natur aus töricht, aber zu einem Toren wächst es nur mit der Zeit und durch bewusste Entscheidungen heran. Wollen wir also sorgfältig darauf achten, wie wir mit der Torheit unserer Kinder umgehen, damit wir sie nicht dazu bringen, zu Toren heranzuwachsen.

3. KINDER KÖNNEN KAUM FROMM ODER WEISE SEIN. Ich bin sicher, dass diese Feststellung bei manch einem Elternteil ein Stirnrunzeln hervorrufen wird; dabei ist sie doch in vielerlei Hinsicht das Herzstück dieser Botschaft. Gerade so, wie die Sprüche zwischen ‚ein Tor sein’ und ‚töricht sein’ unterscheiden, so unterscheiden sie auch zwischen ‚Kind sein’ und ‚fromm sein’. Ein Kind muss sich entscheiden, ob es die Furcht des Herrn annehmen oder ablehnen will. Ein Kind mag sich entscheiden, den Weg der Wahrheit zu betreten, aber kein Kind kann weise im Sinne von gereift und lebensklug sein, geradeso wie Jemand am Beginn seines Klavierunterrichtes noch kein fertiger Musiker sein kann. Wir können Kinder also zu einer Entscheidung für das Lernen auffordern, aber wir können sie nicht dazu auffordern, vollkommen zu sein, oder von ihnen erwarten, dass sie es anders als erst allmählich mit der Zeit werden.

Denken Sie einen Moment darüber nach. Ist es schlüssig, wenn Eltern von einem sechs Monate alten und fünfzehn Pfund schweren Baby erwarten, dass es Gewichte hebt oder Fußball spielt? Warum also erwarten wir dann von unseren Kindern, dass sie etwas Anderes seien als Kinder? Sie können und sollen Gehorsam gegenüber ihren Eltern lernen, aber sie können unmöglich die Zeichen der Reife aufweisen, die erst mit der Zeit kommen.

Die Fehlermöglichkeiten sind hier immens groß. Es ist ein enormes Ansehen damit verbunden, wenn man ein Kind hat, das über sein Alter hinaus entwickelt ist. Wir möchten am liebsten schon unseren Babys das Lesen beibringen und schon in der Grundschule Aufbaufächer behandeln; wir möchten, dass unsere Kinder möglichst schon vorzeitig zur Schule gehen und Leistungen über ihr Alter und ihre Klassenstufe hinaus erbringen. So etwas bedeutet für Eltern Prestige. Ich möchte aber sagen, dass solche Neigungen schon unter dem Aspekt der Ausbildung selbst Gefahren bergen, und viel mehr noch im geistlichen Bereich. Wir dürfen nicht erwarten, dass die Meinungen und Haltungen unserer Kinder an unsere eigenen herankommen oder sie sogar noch übertreffen. Wir müssen davon ablassen, unsere Kinder zu einem Leben gemäß der Erwartungen zu zwingen, die Andere an sie oder an uns haben. Kinder können zu Reife, Frömmigkeit und Weisheit heranwachsen. Und sie werden es tun, wenn wir ihnen die Freiheit geben zu wachsen – nicht dadurch, dass wir ihnen unsere Beschränkungen, Vorschriften und Regeln auferlegen.

Im Galater-Brief setzt sich der Apostel Paulus mit dem Problem des Legalismus auseinander. Manche Christen bestanden darauf, dass die Gläubigen gemäß den Vorschriften des alttestamentarischen Gesetzes leben müssten, so wie es von den Juden jener Zeit verstanden und praktiziert wurde. Paulus zeigte ihnen die Torheit dieses Systems am Beispiel der Erziehung eines Kindes in einem jüdischen Elternhaus auf. Ein Kind lebte dort unter strenger Beaufsichtigung und Bevormundung, bis es das Alter (12 Jahre, glaube ich) erreichte, in dem es die vollen Rechte der Sohnschaft erhielt. Von diesem Tag an wurde das Kind als Mann betrachtet und erhielt die vollen Rechte eines Erwachsenen (3:23-24, 4:1-7). Der Punkt, auf den Paulus hinweisen wollte, war der, dass Israel unter dem Gesetz des Alten Testamentes in einer Zeit der Unmündigkeit gelebt hatte, nun jedoch nach dem Kreuzestod Christi und der Herabkunft des Heiligen Geistes Männer und Frauen in Freiheit wachsen und reifen konnten, ohne wie zuvor noch unter strikten Vorschriften und Regeln zu leben.

Mir kommt es hier nicht auf Paulus’ Argumentation im Detail an, sondern ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf das Beispiel lenken, das er gebraucht. Kinder, sagte er, waren strengeren Vorschriften und Regeln unterworfen, weil und solange sie Kinder waren. Wenn sie aber einmal den Punkt erreicht hatten, an dem sie zu Erwachsenen werden konnten (und sollten), erhielten sie ihre Freiheit, die Freiheit zu entscheiden, Fehler zu machen und zu wachsen. Auch wir als Eltern müssen erkennen, dass unsere Kinder sehr viel Beaufsichtigung benötigen, solange sie noch klein sind. Die meisten Entscheidungen müssen wir für sie treffen, und wir müssen sie manchmal vor sich selber schützen. Aber wenn sie heranwachsen, müssen sie die Freiheit erhalten, die eine unabdingbare Voraussetzung für das reif Werden ist. Über weite Strecken ist es das Ziel der Sprüche, Kinder auf die vor ihnen liegende Zeit der Freiheit vorzubereiten. Und wenn unsere Kinder an diesem Punkt angelangt sind, müssen wir sie gehen lassen, sie ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen, sie Fehler machen lassen und sie an Weisheit und Reife gewinnen lassen.

4. KINDISCH ZU SEIN BETRACHTEN DIE SPRÜCHE NICHT ALS EINE SÜNDE, NUR KINDISCH ZU BLEIBEN. Mit der Torheit eines Kindes müssen die Eltern bewusst umgehen, und das Kind muss sie bewusst ablegen. Töricht zu bleiben bedeutet, zu einem Toren zu werden. So müssen wir unsere Kinder zwar als das akzeptieren, was sie sind, aber wir dürfen ihnen nicht erlauben, so zu bleiben. Gegen kindisches Verhalten hilft nur der Reifeprozess.

Zu dieser Tatsache finde ich eine bemerkenswerte Parallele im Neuen Testament, wo Paulus schrieb:

Als ich ein Kind war, pflegte ich wie ein Kind zu sprechen, wie ein Kind zu denken, wie ein Kind zu argumentieren; da ich nun ein Mann geworden bin, habe ich die kindischen Dinge abgelegt (1.Kor 13:11).

Es war nicht falsch, dass Paulus als Kind kindisch war. Aber der Reifungsprozess macht den kindischen Dingen ein Ende. Ist Ihnen aufgefallen, dass es sich bei den Eigenschaften der Kinder um dieselben Probleme handelt, mit denen wir als Erwachsene zu kämpfen haben. So wie unseren Kindern die Selbstdisziplin fehlt, fehlt sie auch uns (vgl. 1.Kor 9:24-10:13). So wie unsere Kinder nur an das Jetzt denken und die Zukunft ignorieren, neigen auch wir oft dazu. Aus diesem Grunde wurde der Brief an die Hebräer geschrieben. In der „Halle des Glaubens“ in Kapitel 11 finden sich Diejenigen, die ihre Gegenwart im Licht und in der Gewissheit von Gottes Zusagen lebten – im Glauben. Sie und ich, meine lieben Freunde, können nicht die gleiche Entschuldigung in Anspruch nehmen wie unsere Kinder. Warum sind wir so oft kindisch, töricht und sündig? Wir müssen heran wachsen, die kindischen Dinge ablegen und reif werden.

Das war auch die Lage der Christen in Korinth. Für die gerade neu Erlösten war es normal, unreif zu sein (1.Kor 3:1), aber es war eine Sünde, wenn sie so blieben (1.Kor 3:2-3). Diejenigen von uns, die schon eine Zeit lang zu den Erlösten zählen, können sich nicht mehr wie unsere unreifen Brüder und Schwestern entschuldigen. Wir dürfen also keinesfalls erwarten, dass diese so handeln wie wir selbst, und wir müssen uns andererseits davor hüten, dass wir so handeln wie sie.

5. NICHT ALLE KINDISCHEN ZÜGE SIND SCHLECHT. Ich habe mich bisher auf diejenigen Charakterzüge konzentriert, die bei Erwachsenen entweder unerfreulich oder sogar sündig sind. Das sollte man aber nicht zu weit treiben. Kinder werden ihren Eltern (glaube ich) nicht nur gegeben, um von ihnen erzogen zu werden, sondern auch, um sie ihrerseits zu erziehen. Unser Herr lehrte, dass wir wie kleine Kinder werden müssen, um in das Reich Gottes zu kommen. Wir müssen einen kindlichen Glauben haben.

„Wahrlich, ich sage euch: Wer immer das Königreich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, wird niemals in dasselbe eingehen“ (Luk 18:17).

Viele Männer und Frauen sind einfach zu gewieft, zu kultiviert und differenziert, um in den Himmel zu kommen. Sie legen ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, ihre Intelligenz, ihre Werke. Wenn ein Kind einem Erwachsenen vertraut, ist es sich keiner eigenen Kraft oder Zulänglichkeit bewusst. Es ist dies ein Vertrauen aus vollkommener Abhängigkeit heraus. Das, mein Freund, ist die Art von Glauben, die Gott von dir fordert, damit du erlöst wirst. Wenn du in Gottes Himmelreich eingehen willst, musst du in demütigem, kindlichem Glauben bekennen, dass du ein Sünder bist und nicht in der Lage, dir Gottes Billigung oder seinen Segen selbst zu verdienen, und du darfst nur auf das vertrauen, was der Herr Jesus Christus für dich am Kreuz von Golgatha getan hat. Dort starb Er für deine Sünden und trug deine Strafe. Dort bietet Er dir die Vergebung der Sünden und die Zusage ewigen Lebens. Wirst du auf Ihn vertrauen?

Wollen wir also unsere Kinder als Kinder erziehen. Wollen wir danach streben, unsere eigenen kindischen Züge hinter uns zu lassen und zur Reife in Christus heranzuwachsen. Und wollen wir lernen, auf Gott allein zu vertrauen und nicht auf uns selbst.


44 An einigen Stellen in den Sprüchen ist die Perspektive auch die, dass das Kind, sozusagen, an einer Weggabelung steht (vgl. 1:10-33; 4:14-15). Das Kind wird dann so angesehen, als sei es weder auf dem Weg der Weisheit noch auf dem der Torheit; und der dringende Appell der Eltern basiert auf der Tatsache, dass das Herz des Kindes eher zu einer Entscheidung für den Weg des Bösen als für den Weg der Weisheit neigen wird. In diesem Fall scheint es mir so zu sein, dass das Kind als keinem der beiden Wege zugehörig gesehen wird, weil es noch nicht konkret mit dem Bösen in Berührung gekommen ist, über das es aber in Kürze eine Entscheidung wird fällen müssen. Diese Perspektive gründet sich also nicht auf die Unschuld, sondern auf die Unerfahrenheit des Kindes.

45 The Dallas Morning News, Montag, 20. September, 1982, Teil C, S. 4.

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16. Weisheit und Kindererziehung (Teil III)

Warum die Rute gerecht ist

Einleitung

Aus meinem eigenen, umfangreichen Erfahrungsschatz heraus könnte ich mit Leichtigkeit ein Buch über das Thema ‚körperliche Züchtigung’ schreiben. Es würde den Titel tragen: „Prügel, die in Erinnerung bleiben“. Aus meiner Jugendzeit gibt es ein Ereignis, das mir noch immer so vor Augen steht, als wäre es erst gestern gewesen. Mein Vater bat mich, die Zufahrtsstraße hinunter zu laufen und die Post zu holen. Ich antwortete ihm, dass ich mit Vergnügen diese 200 Meter oder so fahren würde. Schließlich, so erinnerte ich ihn, würde ich meinen eigenen alten 1936er Ford Pickup fahren. Stimmt schon, erwiderte mein Vater, aber ich würde ja sein Benzin verbrauchen. Kaum dass ich aber zur Hintertür hinaus war, sah ich prompt diesen Truck da stehen, unbenutzt – eine Schande. Überzeugt dass mein Dad einfach dumm war, stieg ich ein und startete den Anlasser, in der Hoffnung, dass der Motor anspringen würde, bevor es mein Vater aus dem Haus schaffen konnte. Der Motor sprang ungefähr genauso schnell an wie mein Vater. Gut, jetzt war es ohnehin zu spät, dachte ich mir – was geschehen war, war geschehen. Also konnte ich genauso gut durchstarten und hoffen, dass der Pickup schneller war als mein Vater – eine vergebliche Hoffnung!

Zu meines Vaters und meinem eigenen Pech überfuhr ich seinen Fuß mit dem ziemlich platten Vorderrad. Das verstärkte seinen Eifer natürlich nur noch. Mit erstaunlicher Wendigkeit griff mein Dad nach dem Truck und hielt sich an ihm fest, und da der Pickup auf der Fahrerseite keine Tür hatte, fanden wir uns Auge in Auge gegenüber: ich auf dem Fahrersitz und er auf dem Trittbrett. Nun weiß ich ja, dass manche Bibellehrer viel von der Rute reden als dem Instrument zur Disziplinierung, und genauso ausführlich und genau bezeichnen sie den Ort, auf dem sie zum Einsatz kommen soll. In diesem Fall aber war es ein Stock, der auf der Straße lag und den es meinem Vater gelang zu ergreifen – und ich saß noch auf dem Körperteil, auf dem er ihn am besten zum Einsatz gebracht hätte. Das Ende vom Lied war, dass ein kräftiger Hieb mich zur Vernunft und den alten Truck zum Stehen brachte. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich anschließend die Post zu Fuß hereinbrachte.

Um noch etwas zu meinem Vater und seinem Gebrauch des Schlagstocks zu sagen: Es gibt kein einziges Mal, an das ich mich erinnere, über das ich heute nicht schmunzeln kann. Das einzige Familienmitglied, das darüber anhaltend uneinig mit meinem Vater war, war Prinz, unser Collie. Ich glaube, der Hund litt genauso viel wie wir selber, wenn die Rute bei uns zum Einsatz kam.

Kein Buch der Bibel hat so viel über‚ die Rute’ zu sagen wie das Buch der Sprüche. Aber nur wenige Bücher aus der Zeit der letzten Jahre würden dem zustimmen, was die Sprüche lehren. Ein Artikel, der vor einigen Jahren im Journal of Psychology and Theology [Zeitschrift für Psychologie und Theologie] erschien, drückt aus, was vermutlich die meisten Amerikaner empfinden. Leichteres Schlagen, so stellte der Verfasser fest, bringe – wenn überhaupt – nur ganz geringen Nutzen, und häufigeres und festeres Schlagen sei definitiv als schädlich für das Kind anzusehen. Es folgen einige der Gründe, die der Verfasser zur Untermauerung seines Standpunktes heranzieht:46

1. Der Po des Kindes liegt sehr nahe bei seinen Geschlechtsorganen. Eine Tracht Prügel könnte daher sexuell stimulierend wirken (Aus diesem Einwand leuchten überall die Spuren Sigmund Freuds hervor).

2. Das Kind könnte die Wiedergutmachung, die einer Tracht Prügel folgt, so genießen, dass es Schläge provoziert.

3. Wenn man davon ausgeht, dass Schläge eine Art elterlicher Rache sind, muss man befürchten, dass das Kind Frustrationen genauso zu bewältigen lernt, wie es seine Eltern tun – indem es Schläge austeilt. Mit den Worten des Artikels ausgedrückt: Wenn wir unsere Kinder schlagen, geben wir ihnen „eine Kostprobe aus dem Urwald“47

4. Eine Frau, die unter einer Analfistel litt, brachte diese mit Schlägen bei ihrer Sauberkeitserziehung in Zusammenhang. Deshalb sollte niemand seine Kinder schlagen, damit sie eine solche Erfahrung nicht machen müssen.

5. Wenn die Möglichkeit besteht, geschlagen zu werden, kann ein Kind keine entspannte Haltung zum Leben entwickeln. Es lebt in ständiger Angst vor der nächsten Tracht Prügel.

6. Es gibt Kinder, die geschlagen werden und sich trotzdem noch schlecht benehmen. Daher kann eine Tracht Prügel wohl nicht wirksam sein.

Es erstaunt mich nicht, solche Aussagen von Nichtchristen zu lesen, von Menschen, die die Bibel nicht als Autorität ansehen. Aber dieser Artikel wurde von einem Mann geschrieben, der von einer der namhaftesten Theologischen Hochschulen der Vereinigten Staaten den Doktortitel verliehen bekommen hat. Außerdem lehrt er an einer christlichen Hochschule der Liberalen Wissenschaften.48 Bei dem Bemühen, Psychologie und Theologie unter einen Hut zu bringen, hat die Erstere sich wohl eindeutig durchgesetzt, wie wir an der folgenden Feststellung von Dr. Ruble sehen können:

Sollten Kinder geschlagen werden? Vom biblischen Standpunkt aus gibt es keine eindeutige Aufforderung, dass sie geschlagen werden sollten. Umgekehrt wird die Prügelstrafe auch nicht ausdrücklich verboten. Aus der Perspektive des Psychologen gibt es unterschiedliche Meinungen; die negativen Aspekte, die mit dem Schlagen verbunden sind, legen aber nahe, dass Kinder, wenn überhaupt, nicht schwer oder häufig geschlagen werden sollten.

Jeder Psychologe wird wohl die positiven und nicht die negativen Möglichkeiten zur Beeinflussung des kindlichen Verhaltens betonen. Schläge stellen einen aversiven Reiz dar und sind daher nicht so günstig wie eine verstärkende Belohnung zur Steuerung des Verhaltens. Wenn aversive Maßnahmen angewendet werden müssen, sollte man die gewaltlosen vorziehen.49

In einem weiteren Artikel schreibt Dr. Ruble später als Antwort auf die Kritik eines anderen christlichen Psychologen50:

Die Bibel lehrt nirgendwo, dass alle Kinder geschlagen werden sollten, um sich gut zu entwickeln. Vielmehr brauchen Kinder eine feste und geduldige Anleitung. Sie brauchen fröhliche, gut eingestellte und gut integrierte christliche Eltern, die dem Impuls um sich zu schlagen widerstehen, wenn sie vom Verhalten ihres Kindes enttäuscht sind. Sie brauchen erfinderische Eltern mit einem großen Repertoire kreativer Reaktionsmöglichkeiten auf das Kind. Und vor Allem brauchen sie ein Vorbild mit kraftvoller Ausstrahlung zur Nachahmung.51

Das zeigt mir, dass selbst evangelikale, bibelgläubige Christen an dem Thema ‚Schläge für Kinder’ zu beißen haben. Nicht nur wird deren Nutzen heute von manchen Christen infrage gestellt, sondern auch die Regierungsbehörden gehen offensichtlich immer mehr dahin, ihren Einsatz in den öffentlichen Schulen, aber auch zuhause zu ächten. Anfangs war ich einfach davon ausgegangen, dass Christen darüber einig seien, dass man Kinder auch schlagen muss, und ich wollte deshalb nur das Wie und Wann diskutieren. Inzwischen aber ist mir klar geworden, dass ich wohl diese ganze Lektion nutzen und die biblischen Argumente dafür darstellen sollte, dass christliche Eltern ihre Kinder schlagen müssen.

Die Leitgedanken für die Disziplinierung unserer Kinder müssen wir aus den Schriften ableiten, und anhand der Schriften müssen wir den Beitrag aller anderen Fächer dazu beurteilen. Die Bibel stellt den klaren Anspruch, eine angemessene und autoritative Anleitung für alle geistlichen Dinge zu sein, und dies insbesondere auch auf dem Gebiet der Zurechtweisung und Züchtigung.

Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; damit ein Mensch Gottes tauglich sei und ausgerüstet für jedes gute Werk (2.Tim 3:16-17).

Wenn es also die Schriften sind, die uns für jedes gute Werk und insbesondere für die Zurechtweisung angemessen ausrüsten, so wollen wir doch einmal in das Buch hineinsehen, das uns am meisten zum Thema ‚Schlagen’ zu sagen hat, in das Buch der Sprüche.

Was ist ‚die Rute’?

Bevor ich die biblischen Argumente für den Gebrauch der Rute aufzähle, muss ich doch noch in einem Punkt meine Übereinstimmung mit Dr. Ruble darlegen – wenn ich dabei auch nicht ganz so weit gehen möchte wie er.52 Ich stimme ihm zu, dass der Ausdruck ‚die Rute’ gelegentlich in einem weiteren Sinne benutzt wird als nur auf die körperliche Züchtigung bezogen. Der Ausdruck ‚Rute’ wird beispielsweise für die Züchtigung des Menschen durch Gott gebraucht (vgl. 2.Sa 7:14; Jes 10:5). In diesen Fällen geht man davon aus, dass der Ausdruck ‚Rute’ bildlich oder symbolisch für die göttliche Zucht steht. Das bedeutet aber nicht (wie Dr. Ruble zu folgern scheint), dass der Ausdruck ‚die Rute’ sich nirgendwo in den Sprüchen auf eine Tracht Prügel bezieht. Allerdings fürchte ich, dass manche Eltern andererseits vielleicht auch den Schluss ziehen, es gebe nur ein einziges Mittel zur Zurechtweisung – nämlich die Rute.

Ich glaube, wenn man Züchtigung nur unter dem Aspekt der ‚Rute’ betrachtet, liegt man damit aus verschiedenen Gründen falsch. Erstens lassen sich manche Kinder weniger durch die Rute beeindrucken als andere. Manche Kinder scheinen geradezu ein Hinterteil aus Gusseisen und eine sehr hohe Schmerzschwelle zu haben. Zu diesen spricht also die Rute nicht so laut wie zu den meisten Anderen. Zweitens werden andere Formen der Züchtigung vielleicht viel ernster genommen. Ein 16-jähriger Sohn, beispielsweise, würde wahrscheinlich eine Tracht Prügel viel lieber in Kauf nehmen als dass ihm die Autoschlüssel eine Woche lang weggenommen werden. Da eine Strafe darauf abzielt, die Aufmerksamkeit des Kindes zu wecken, sind andere Maßnahmen unter Umständen wirkungsvoller als Schläge. Zudem sind bestimmte Formen der Züchtigung vielleicht auch angemessener und leichter einzusehen als andere. Um noch einmal auf den 16-jährigen Sohn zurückzukommen: Wenn er bei einer rücksichtslosen Fahrweise ertappt würde, wäre der Entzug der Autoschlüssel eine nahe liegende und bedeutungsvolle Lektion für ihn. Wenn man ein Auto nicht richtig benutzt, verliert man das Vorrecht, fahren zu dürfen. Wir sollten uns nicht auf nur eine Form der Zurechtweisung beschränken lassen.

Einer meiner Freunde benutzt den Schlagstock als Antwort auf die verschiedensten Arten von Fehlverhalten, aber er hat einen interessantes Weg gefunden, um dabei zwischen unterschiedlich schweren Vergehen zu differenzieren. Er hat einen ziemlich langen Schlagstock, auf dessen Griff auf ganzer Länge Markierungen aufgetragen sind. Für schwerwiegenden Ungehorsam greift er diesen Stock ganz am Ende, um durch den Schwung einen langen und schmerzhaften Schlag auszuführen. Bei kleineren Vergehen fasst er ihn weiter oben wie ein Baseballspieler, der zu einem kurzen Schlag ansetzt.

Das ist eine Möglichkeit; aber ich denke, wir dürfen nicht für jedes Vergehen unserer Kinder den Schlagstock benutzen. Wenn die Sprüche uns Eltern dazu anhalten, die Rute nicht zu schonen, so steht das allgemein für die Notwendigkeit, unsere Kinder immer wieder zu verbessern, zurechtzuweisen und zu disziplinieren. Und eine der Möglichkeiten, die die Sprüche zur Zurechtweisung von Kindern empfehlen, ist die Rute. Zurechtweisung – ja. Der Schlagstock – vielleicht. Züchtigung – immer. Die Rute – manchmal.

Warum braucht man die Rute?

Die meisten Psychologen unserer Tage scheinen die Rute als ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu betrachten: als ein abschreckendes, ein primitives Mittel zur Steuerung des kindlichen Verhaltens, das dank des heute umfangreicheren Wissens über das menschliche Verhalten längst veraltet ist. Einfach ausgedrückt, sind wir über ein solch primitives Mittel zur Beeinflussung unserer Kinder inzwischen doch hinausgewachsen. Für den modernen Geist ist die Rute wirklich ‚eine Kostprobe aus dem Urwald’. Wie kommt es dann, dass das Buch der Sprüche so viel von der Rute spricht und Eltern anweist, bei der Kindererziehung von ihr Gebrauch zu machen? Dafür kann man eine Reihe von Gründen in den Sprüchen selbst und an anderen Stellen der Bibel finden.

1. DIE BIBEL FORDERT DEN GEBRAUCH DER RUTE, WEIL WIR VON SELBST NICHT VON IHR GEBRAUCH MACHEN WÜRDEN. Die Sprüche gehen gleichermaßen von der Sündigkeit der Eltern wie von der der Kinder aus. Daher werden Eltern in den Sprüchen aufgefordert, die Rute zur Zurechtweisung eizusetzen – einfach deshalb, weil wir sonst nicht dazu geneigt wären, das zu tun. Das ist aus einer ganzen Reihe von Gründen so:

Manche Eltern versäumen es aufgrund ihrer eigenen Erziehung, die Rute zu gebrauchen. Einige von diesen mögen in einem Elternhaus aufgewachsen sein, in dem sie selbst nicht geschlagen wurden. Und meistens neigen wir dazu, unsere Kinder so aufzuziehen, wie wir selbst aufgewachsen sind (vgl. Spr 4:3-4). Unsere früheren Erfahrungen müssen wir aber immer im Lichte der Schriften beurteilen. Natürlich sollten wir das bewahren, was gut und gottgemäß ist, aber wir sollten auch erkennen, welche Bestandteile unserer Erziehung falsch waren.

Schlimmer noch ist es, wenn Eltern in einer Familie aufgewachsen sind, in der die ‚Rute’ ein Werkzeug in der Hand eines wütenden Vaters war, der nicht zwischen Züchtigung und Kindesmisshandlung unterscheiden konnte oder wollte. Leider gibt es Menschen, die die Bibel dazu benutzen, um ihre Grausamkeit Kindern gegenüber zu rechtfertigen. Kindesmisshandlung aber wird nirgendwo in den Sprüchen sanktioniert.

Im Unterschied zu Psychologen wie Dr. Ruble gehen die Sprüche davon aus, dass die meisten Eltern von sich aus gar nicht züchtigen würden. In diesem Fall müssen Eltern dazu angehalten werden, Gebrauch von der Rute zu machen. Manche Psychologen gehen andererseits davon aus, dass der, der von der ‚Rute’ Gebrauch macht, ‚Schläge unter seinen Kindern austeilt’. Schlagen wird als eine Form der elterlichen Aggression angesehen, als ein Rückzug auf primitive Neigungen. Die Psychologie tendiert daher dazu, das Schlagen zu verbieten; denn sie geht davon aus, dass Jeder, der die Rute gebraucht, das auf die falsche Art und aus den falschen Gründen tut. Das ist aber eine unzulässige Verallgemeinerung. Wenn einige Eltern die Rute zur Misshandlung ihrer Kinder missbrauchen, so bedeutet das noch nicht, dass die Rute generell schlecht wäre. Sündigkeit kann sich in einigen Fällen so äußern, dass Eltern ihre Kinder misshandeln – aber viel öfter noch tritt Sündigkeit nach den Sprüchen in der Form auf, dass Eltern es ganz vermeiden, ihre Kinder zurechtzuweisen oder zu züchtigen.

Etliche Gründe für eine Zurückhaltung der Rute haben andererseits nichts mit unserem Elternhaus zu tun. Einer der Hauptgründe, warum wir es versäumen unsere Kinder zu züchtigen, liegt meiner Meinung nach in unserer Trägheit. Wir können es nicht leugnen: Unsere Kinder zeigen sich nie dann ungehorsam, wenn man sie leicht züchtigen könnte. Eher schon passiert das mitten in einem Football-Spiel der Dallas Cowboys. Und wer will schon aufstehen und einem Kind eine Tracht Prügel verabreichen, wenn beim dritten Down nur noch ein Yard bis zur gegnerischen Zwei-Yard-Linie fehlt? Oder wer ist schon begierig darauf, sein Kind im Gang eines Supermarktes zu schlagen, wo er Aller Augen auf sich gerichtet fühlt? Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ist meine Trägheit schon ein Hauptgrund dafür, dass ich meine Kinder nicht so oft schlage, wie ich es eigentlich tun müsste – ich bringe einfach die Energie nicht auf für etwas, das ich eigentlich nicht gerne tue.

Ein weiterer Grund dafür, dass Eltern ihre Kinder nicht schlagen, ist falsch verstandenes Mitleid. Nichts ist herzzerreißender als das Schreien eines Kindes unter den Schlägen. In der Tat beginnt das Schreien meist schon, bevor auch nur ein Schlag gefallen ist. Das Kind versucht verzweifelt, mit dramatischen Seufzern und Tränen die Tracht Prügel abzumildern oder zu verkürzen. Um den Eltern für diese Fälle das Rückgrat zu stärken und zu konsequentem Verhalten zu verhelfen, sagen uns die Sprüche:

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Wenn du es schlägst, wird es nicht sterben (23:13).

Im üblichen Sinne verstanden, versichert dieser Spruch Eltern mit einem schwachen Herzen, dass ihr Kind noch nicht wirklich reif für die Intensivstation im Krankenhaus ist – auch wenn es sich so anhört. Bleib dran, so wird uns geraten, trotz dieser Vorstellung.

Und noch ein weiterer Grund dafür, dass Eltern den Gebrauch der Rute vermeiden, sind falsche Vorstellungen von Liebe, Vergebung und Nachsicht. In unserer Kultur wird es als unvorstellbar erachtet, dass Liebe sich durch die Rute ausdrücken kann. Liebe, so meint man, bedeutet nie zu züchtigen, nie Schmerzen zu verursachen und mit dem Kind nur immer positiv umzugehen. Die Sprüche sehen die Liebe dagegen ganz anders:

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Lieben wir unsere Kinder? Dann sollen wir sie, wenn nötig, gewissenhaft züchtigen. Hassen wir unsere Kinder? Dann werden wir es vermeiden, die Rute einzusetzen. Die Liebe sucht im besten Interesse des Kindes zu handeln, und das wird gelegentlich durch Zufügen von Schmerzen mithilfe der Rute erfüllt.

Wir können vielleicht versucht sein, eine nachgiebige Erziehung zu rechtfertigen anhand von Schriftstellen wie:

Eines Menschen Einsicht macht ihn langsam zum Zorn, Und es ist ruhmvoll für ihn, eine Übertretung zu übergehen (19:11).

Diese und andere Textstellen, wie auch die Ermahnung unseres Herrn, ‚die andere Wange hinzuhalten’ (Mat 5:39) lehren uns, dass wir keine Vergeltung üben sollen, wenn uns Jemand angreift. Das ist natürlich richtig: wir sollen nicht nach Rache streben.

Sage nicht: „Ich will Böses heimzahlen.” Harre auf den Herrn und Er wird dich erretten (20:22).

Wenn wir auch nicht nach Rache streben sollen, dürfen wir andererseits aber auch nicht die Sünden im Leben unserer Kinder oder im Leben anderer Gläubiger übergehen (vgl. Mat 18:15-20; 1.Kor 5:1-8; Gal 6:1).

Schließlich und endlich halten sich manche Eltern meiner Meinung nach mit dem Einsatz der Rute auch deswegen zurück, weil man ihnen beigebracht hat, dass sie niemals im Zorn züchtigen dürfen. Wir können Zorn aber durchaus als Mittel nutzen, um uns zu einer Züchtigung zu motivieren – wenn wir ihn auch niemals die Bestrafung selbst steuern lassen dürfen. Meine persönliche Überzeugung ist es, dass Ärger uns als Eltern nicht davon abhalten sollte, unserer Pflicht im Hinblick auf die Rute nachzukommen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt ist, und ich werde mich deshalb in der nächsten Lektion ausführlicher damit beschäftigen. Im Moment will ich mich darauf beschränken zu sagen, dass Zorn uns nicht davon abhalten sollte, unsere Kinder zu züchtigen.

2. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, UM DIE SÜNDE DER KINDER IN GRENZEN ZU HALTEN. Das Buch der Sprüche geht meiner Meinung nach von diesem Grundsatz aus; ich bin mir aber – so muss ich gleich zu Anfang zugeben – nicht sicher, ob ihn die Sprüche auch ausdrücklich lehren. Regierungsgewalt und Todesstrafe werden in Genesis 9 von Gott eingesetzt, und zwar, um dadurch die Menschen von der Sünde abzuhalten. Das Schwert, das die Regierung trägt (Rö 13:4), ist die Todesstrafe. Diese Autorität wurde ihr verliehen, so wird uns gesagt, um das Böse im Zaum zu halten und die Gerechtigkeit zu belohnen (Rö 13:1-7; 1.Pe 2:14). Ich glaube, genau die gleiche Verpflichtung haben auch wir als Eltern im Hinblick auf unsere Kinder. Ihr Herz können wir vielleicht nicht ändern, aber wir können bis zu einem gewissen Grad ihr Verhalten beeinflussen; und das ist es auch, wofür wir verantwortlich gemacht werden (vgl. 1.Sa 3:13; 1.Tim 3:4). So wie die Regierung das Schwert trägt, so halten Eltern die Rute.

3. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, WEIL SIE DEN CHARAKTER EINES KINDES OFFENLEGT. Einem meiner Freunde verdanke ich die Erkenntnis, dass der Charakter eines Menschen sich oft anhand von dessen Reaktion auf Kritik zeigt. Auch die Sprüche lehren diese Tatsache, die natürlich ebenso auf die Reaktion eines Kindes auf die Rute übertragen werden kann.

Wer Zucht liebt, der liebt Erkenntnis, Aber wer Zurechtweisung hasst, ist dumm (12:1).

Ein weiser Sohn nimmt die Zucht seines Vaters an, Aber ein Spötter hört nicht auf Zurechtweisung (13:1).

Ein Tor missachtet die Zucht seines Vaters; Wer aber die Zurechtweisung beachtet, ist klug (15:5).

Ein Kind, das eine Züchtigung akzeptiert und daraufhin Reue und Besserung zeigt, befindet sich auf dem Weg der Weisen. Ein Kind, das auf Zurechtweisung verbittert reagiert (auch wenn sie zurecht durch die Eltern geschah), hat sich vom Weg der Weisheit abgewandt.

Im Hinblick darauf, dass die Rute eine Charakterprüfung für das Kind darstellt, müssen wir uns andererseits vorsehen, wenn wir bestimmte ‚positive’ Mittel bei der Erziehung einsetzen. Die weltliche Psychologie neigt dazu, nahezu jede negative Form der Zurechtweisung zugunsten der als positiver angesehenen Formen zu vermeiden. Positive Verstärkung ist gut und richtig, aber nicht, wenn sie notwendige negative Korrekturmaßnahmen verhindert. Wenn ich meinem Kind im Laden sage, dass es die Cornflakes-Packung zurückstellen soll, und es darauf mit „Nein!“ antwortet, habe ich mehrere Möglichkeiten zu reagieren. Aber wenn ich dann zu meinem Kind sage „Wenn du die Packung zurückstellst, kaufe ich dir Schokolade“, so ist das Bestechung und nicht Erziehung. Der Gehorsam unserer Kinder lässt sich am ehesten prüfen, wenn wir etwas Lästiges oder Unangenehmes von ihnen fordern, zum Beispiel, beim Arzt für eine Spritze still zu halten. Dem Kind einen Dollar zu geben und es aufzufordern, damit Süßigkeiten zu kaufen, ist keine Gehorsamsprüfung. Hüten wir uns vor ‚positiver’ Erziehung, wo sie nur Bestechung unter einem anderen Namen darstellt. Wir wollen sie nur dort einsetzen, wo es gottgemäß und richtig ist.

4. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, UM DAS KIND ETWAS ZU LEHREN. Eine Tracht Prügel ist eine Charakterprüfung für ein Kind, aber sie dient auch dazu, das Kind etwas zu lehren.

„Ihr sollt aber darauf achten, jedes Gebot, das ich euch heute gebiete, sorgfältig einzuhalten, auf dass ihr leben und euch mehren möget, und einziehen und das Land in Besitz nehmen, das der Herr euren Vorvätern zugeschworen hat. Und ihr sollt des ganzen Weges gedenken, auf dem der Herr, euer Gott, euch diese vierzig Jahre lang in der Wüste geleitet hat, damit Er euch demütige, euch auf die Probe stelle, um zu wissen, was in euren Herzen sei, ob ihr Seine Gebote halten würdet oder nicht. Und Er demütigte euch und ließ euch hungern und speiste euch mit Manna, das ihr nicht kanntet, noch kannten es eure Väter, damit Er euch erkennen lasse, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von Allem, das aus dem Munde des Herrn hervorgeht“ (Deu 8:1-3).

Mit diesem Bibeltext lehrte Moses die Israeliten etwas sehr Wichtiges: Die Schwierigkeiten, die sie entlang des Weges erfahren hatten, stellten nicht nur eine Erziehungsmaßnahme (Vers 5) und eine Charakterprüfung (Vers 2) für das Volk Gottes dar. Anhand dieser Lektion sollte Gottes Volk vielmehr auch erkennen, dass das Leben des Menschen aus mehr besteht als Brot zu essen, und dass der Mensch lernen muss, vollständig in Abhängigkeit von und im Vertrauen auf Gottes Wort zu leben (Vers 3). Auch Hiobs Heimsuchungen waren ebenso sehr eine Charakterprüfung (Hi 1:8) wie auch eine Lektion in seinem Leben, aus der Hiob lernen sollte, vor allem in schweren Zeiten stärker auf Gott zu vertrauen (Hi 38). Genau die gleiche Lektion lehrte der Hebräerbrief die Christen im Neuen Testament (vgl. insbesondere Kapitel 12). Das Buch der Sprüche untermauert diese Lehren überein, denn es sagt uns, dass auch die elterliche Zucht von Gott eingesetzt wurde, um die charakterliche Entwicklung eines Kindes zu fördern.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen findet (3:11-12).

Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Lehre ist ein Licht; Und die Zurechtweisungen der Zucht sind der Weg des Lebens (6:23).

Wessen Ohr auf die Leben spendende Zurechtweisung hört, der wird unter den Weisen wohnen. Wer die Zucht verwirft, macht sich selbst zunichte, Aber wer auf Zurechtweisung hört, wird Verständnis erwerben (15:31-32).

Die Rute der Zurechtweisung bringt Weisheit, Aber ein Kind, das sich selbst überlassen wird, bringt Schande über seine Mutter (29:15, NIV).

Es ist hierbei sehr wichtig, zwischen Bestrafung und Züchtigung zu unterscheiden. Bestrafung heißt, einem Übeltäter das zukommen zu lassen, was er verdient. Züchtigung zielt darauf ab, einen Menschen zu belehren, damit er reifer und gottgemäßer werde. Aus göttlicher Perspektive betrachtet gilt die Bestrafung den Ungläubigen, die Zucht aber Gottes Kindern. Die Erziehung unserer Kinder sollte gemäß der Zucht für Gottes Kinder gestaltet werden (vgl. 3:11-12). Die Züchtigung unserer Kinder mit der Rute sollte also lehrreich, nicht nur strafend sein (obwohl auch das richtig sein kann).

Soweit es um Anleitung geht, braucht man keine Rute, um weise Menschen zu belehren; denn sie werden auf Ratschläge hören und daraus lernen.

Weise einen Spötter nicht zurecht, damit er dich nicht hasst; Weise einen weisen Mann zurecht, und er wird dich lieben. Gib einem weisen Mann Anleitung, und er wird noch weiser werden; Lehre einen gerechten Menschen, und er wird an Gelehrsamkeit zunehmen (9:8-9).

Mancher allerdings lässt sich durch bloße Worte nicht belehren. Ein Kind, beispielsweise, kann noch nicht einsehen, wie gefährlich es ist, auf der Straße zu spielen. Die Rute unterstützt in diesem Fall das Wort „Nein“ und lehrt das kleine Kind, dass es schmerzhafte Folgen hat, wenn man auf der Straße spielt. In Anbetracht dessen erstaunt es mich, dass manche Psychologen über die Grausamkeit von Schlägen für Kinder sprechen. Ist es grausamer, ein kleines Kind zu schlagen, damit es auf diese Weise Gefahren zu meiden lernt, oder ist es grausamer, das Kind die naturgegebenen Folgen seiner Torheit erleiden und es unter Umständen sogar zu Tode kommen zu lassen? Mit einem Kind in diesem Alter kann man nicht argumentieren. Kinder können keine abstrakten Dinge (wie die Gefahr durch einen Lastwagen auf der Straße) erfassen; aber Schmerzen sind etwas, das sie verstehen können. Die Rute dient zur Anleitung derer, die Erklärungen noch nicht zugänglich sind.

Die Rute dient aber auch zur Anleitung derer, die zwar alt genug sind, aber dennoch nicht einsehen wollen. Für die, die es ablehnen, auf Argumente zu hören, stellt die Rute ein alternatives Lehrmittel dar. Für dickköpfigen Starrsinn ist die Rute ein Heilmittel, das Stolz und Arroganz in Demut und Ungehorsam in Gehorsam umwandeln kann.

Wenn Eltern die Rute einsetzen, wollen sie ihrem Kind zeigen, wo in seinem Leben die Sünde herrscht, und ihm deutlich machen, dass Sündigkeit einen hohen Preis hat. Dadurch soll das Kind angehalten werden, die Gefahren der Sünde zu erkennen und sich aus seiner Eigenwilligkeit dem Weg der Weisheit zuzuwenden, der mit der Furcht des Herrn beginnt.

Obwohl ich die folgende Textstelle noch nicht bis zum Ende durchdacht habe, scheint mir doch, dass auch das Buch Jesaja die Rolle der Rute hervorhebt, wenn es darum geht, einen starrköpfigen Sohn dazu zu bringen, dass er auf Argumente hört. Im ersten Kapitel lesen wir:

„So kommt und lasst uns miteinander rechten“, sagt der Herr. „Wenn eure Sünden auch scharlachrot sind, sollen sie doch weiß wie Schnee sein; wenn sie auch karmesinrot sind, sollen sie doch wie Wolle sein“ (Jes 1:18).

Dies ist ein Wort der Warnung und der Ermahnung. Israels Problem ist seine Eigenwilligkeit. Gott bietet Vergebung, wenn die Israeliten nur bereuen. Wenn sie auf Gottes Warnung hören, werden sie Vergebung und Segnung erfahren, aber wenn nicht, ...

„Wenn ihr willig seid und gehorcht, so werdet ihr die besten Dinge des Landes essen; weigert ihr euch aber und lehnt euch auf, so sollt ihr durch das Schwert gefressen werden.“ Wahrlich, der Mund des Herrn hat gesprochen (Jes 1:19-20).

Gott will sich mit den Menschen auseinander setzen und sie von der Sünde abbringen. Wenn sie auf ihn hören und bereuen, wird Er ihnen vergeben. Wenn nicht, wird Gott „die Rute“ einsetzen, um ihren Starrsinn zu brechen und sie zur Buße zu bewegen. Die Rute ist für diejenigen, die sich weigern, auf einfache Art zu lernen.

Die Rute ist also so etwas wie eine rote Warnleuchte auf dem Armaturenbrett eines Autos – ein Signal dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist und behoben werden muss. Das Licht selbst behebt das Problem nicht, aber es macht zumindest darauf aufmerksam. In diesem Sinne ist, denke ich, der folgende Vers zu verstehen:

Striemen, die weh tun, scheuern das Böse weg Und Schläge erreichen das Innerste (20:30).

Die Rute wird eingesetzt, um das Herz des Kindes zu erreichen und es vom Bösen abzubringen. Wenn Eltern von der Rute Gebrauch machen, wollen sie ihrem Kind damit die Folgen der Sünde verdeutlichen und ihm klar machen, dass es notwendig ist, Gottes Ausweg aus der Sündhaftigkeit anzunehmen.

Im Übrigen sollte ich wohl noch darauf hinweisen, dass die Rute, wo sie den Gezüchtigten selbst nicht zu belehren vermag, doch immer noch Anderen eine Lehre sein kann.

Schlägt man den Spötter, so werden die Unvernünftigen klug; Aber wenn man den Verständigen zurechtweist, wird er an Erkenntnis gewinnen (19:25).

5. DIE RUTE IST ERFORDERLICH, WEIL ES VERHEERENDE FOLGEN HAT, WENN MAN IHREN GEBRAUCH UNTERLÄSST. Einige Sprüche scheinen uns mehr zu verheißen, als wir zu hoffen wagen:

Hiebe und Wunden säubern vom Bösen, Und Schläge reinigen das innerste Wesen (20:30, NIV).

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Wenn du es mit der Rute züchtigst, wird es nicht sterben. Züchtige es mit der Rute und bewahre seine Seele vor dem Tode (23:13-14, NIV).

Ein oberflächlicher Blick auf diese Schriftstellen könnte uns zu der Annahme verleiten, dass der Schlagstock effektiver sei als die ‚vier geistlichen Gesetze’. Ein solches Missverständnis entsteht daraus, dass wir die Begriffe ‚Seele’ und ‚Tod’ nicht im gleichen Sinn verstehen wie die alten Israeliten. Der Begriff ‚Seele’ entsprach unserem Wort ‚Leben’: Eine ‚Seele’ zu retten, bedeutete damals, ein Leben zu retten. Auch ‚Tod’ hatte eine ganz bestimmte Bedeutung – eine, an die wir heutzutage nicht ohne Weiteres denken, die aber weit reichende Auswirkungen auf die Heiligen des Alten Testaments hatte.

Wenn ein Mann einen störrischen und rebellischen Sohn hat, der seinem Vater und seiner Mutter nicht gehorcht und noch nicht einmal auf sie hört, wenn sie ihn züchtigen, dann sollen ihn sein Vater und seine Mutter ergreifen und zu den Ältesten seiner Stadt zu den Toren seiner Heimatstadt hinausbringen. Und sie sollen zu den Ältesten dieser Stadt sagen: „Dieser unser Sohn ist störrisch und rebellisch, er will uns nicht gehorchen, er ist ein Schlemmer und ein Trunkenbold.“ Dann sollen ihn alle Männer seiner Stadt zu Tode steinigen; und so sollst du das Böse aus deiner Mitte entfernen, und ganz Israel soll es hören und sich fürchten (Deu 21:18-21).

Während ‚die Rute’ angewandt wurde, um die Sündhaftigkeit zu zügeln, wurde ‚der Stein’ angewandt, um sie auszumerzen. In alten Zeiten wussten Eltern, die an die Autorität von Gottes Wort glaubten, nur zu gut, dass wenn die Rute nicht wirkte, nur noch der Stein – das Steinigen – blieb. Für diese Eltern war daher die Motivation groß, die Rute gewissenhaft einzusetzen. Wenn das auch schmerzhaft für das Kind wie für die Eltern war, so war es doch noch weit besser als die Alternative – einen störrischen und rebellischen Sohn zu steinigen.

Ein Problem heutiger Eltern liegt darin, dass wir die verheerenden Folgen aus den Augen verloren haben, die entstehen, wenn man sich mit der Sünde im Leben eines Kindes nicht auseinandersetzt. Erinnern wir uns daran, dass Paulus vor allem den geistlichen, nicht nur den leiblichen Tod meinte, als er schrieb: „Der Sünde Lohn ist der Tod.“ Eltern eines undisziplinierten Kindes leiden an den irdischen Folgen in Form von Scham und Reue (z.B. 29:15), in der Ewigkeit sind die Konsequenzen der Sünde aber noch weit schlimmer. Wenn es also gelingt, das Kind mithilfe der Rute von seiner Sündigkeit und seiner Erlösungsbedürftigkeit zu überzeugen, dann ist diese Lektion aller Schmerzen wert und kann vielleicht den viel größeren Schmerz und das Leid der ewigen Verdammnis vermeiden helfen.

In diesem Licht betrachtet sieht die Rute ganz anders aus, als Manche sie sehen möchten. Wenn man die Rute für primitiv und grausam hält, so heißt das, dass man sich über die Alternative zu ihr nicht im Klaren ist. Ist es grausam, ein Kind an den Haaren zu ziehen? Sicherlich ist das schmerzhaft. Aber angenommen, Ihr Kind würde von einem Hochhaus herab in den sicheren Tod stürzen. Würden Sie es dann nicht an den Haaren fassen, wenn Sie damit sein Leben retten könnten? Natürlich würden Sie das tun. Genauso erscheint die Rute nur so lange als etwas Grausames, bis man ihre Alternativen bedenkt.

6. DIE RUTE IST ERORDERLICH, WEIL SIE GERECHT IST UND WEIL GOTT BEI SEINEN KINDERN VON DER RUTE GEBRAUCH MACHT. Gottgemäßes Verhalten ist gottähnliches Verhalten. Gleich am Anfang des Buches der Sprüche wird uns gesagt, dass menschliche und göttliche Zucht ähnlich, wenn nicht gar gleich sind.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen findet (3:11-12).

Diese Verse gründen sich ganz offensichtlich auf das alttestamentarische Gesetz Gottes:

„So sollst du wissen in deinem Herzen, dass der Herr, dein Gott, dich gezüchtigt hat, so wie ein Mann seinen Sohn züchtigt“ (Deu 8:5).

Wenn die Verantwortlichkeit irdischer Väter darin besteht, dem Vorbild Gottes als des Vaters der aufrichtigen Gläubigen nachzueifern (mit dieser Vorstellung werden wir uns in der nächsten Lektion beschäftigen), dann muss die Zucht eines Vaters so sein wie die von Gott Selbst.

Das ist genau der Haken bei der Sache für diejenigen, die nicht gläubig sind oder nicht biblisch denken. Sie können sich nicht vorstellen, dass eine Tracht Prügel gottgemäß sein kann, weil sie sich Gott nicht als Einen vorstellen können, der über Menschen richtet und sie zu einer Ewigkeit in der Hölle verdammt. Wenn Gott nur der Gott der Liebe ist (wie es Manche glauben möchten), dann wollte und könnte Er Niemanden zur Hölle schicken und den Menschen niemals irgendwelche Schmerzen zufügen. In diesem Fall könnten Eltern, die gottgemäß (gottähnlich) handeln wollen, ihren Kindern auch keine Schmerzen zufügen. Der springende Punkt ist also: Wie handelt Gott? Fügt Er den Menschen Schmerzen zu, wenn sie sündigen? Wenn Er das tut, dann handeln wir nur in Übereinstimmung mit Seiner Persönlichkeit, indem wir unseren Kindern für ihre sündigen Taten Schmerzen zufügen.

Ein genauerer Blick auf einige Bibelstellen lässt keinen Zweifel an einer Züchtigung durch Gott:

„Ich will ihm ein Vater sein, und er wird Mir ein Sohn sein; wenn er Unrecht tut, so will Ich ihn mit der Rute der Menschen und mit den Schlägen der Menschensöhne zurechtweisen“ (2.Sa 7:14).

„Wenn seine [d.h. Davids] Söhne Mein Gesetz verlassen und nicht in Meinen richterlichen Entscheidungen wandeln, wenn sie Meine Satzung verletzen und Meine Gebote nicht halten, so werde ich ihre Übertretungen mit der Rute heimsuchen und ihr Unrecht mit Plagen. Aber von ihm werde Ich Meine liebende Güte nicht nehmen, noch falsch an ihm handeln in Meiner Treue. Meinen Bund werde Ich nicht brechen, noch ändern, was aus Meinem Munde gegangen ist” (Ps 89:30-34).

Wehe Assyrien, das die Rute Meines Zornes ist, und der Stock in seinen Händen ist Mein Grimm (Jes 10:5).

In jeder dieser Bibelstellen spricht Gott davon, die ‚Rute’ zur Zurechtweisung Seines Volkes zu gebrauchen. Davids Söhne, die Könige von Juda, sollten von Gott für ihren Ungehorsam gezüchtigt werden; und doch sagt Gott, dass Er treu zu Seiner Zusage stehe, für David einen immerwährenden Thron zu errichten (2.Sa 7:12-13). Das ungehorsame Israel sollte durch Assyrien, Gottes ‚Rute’ der Zurechtweisung, gezüchtigt werden (vgl. Deu 28:15-68, insb. Vers 64; Jes 7:17-19, 8:5-8).

Immer wenn Gott Sein Volk züchtigt, wird Gottes Gericht über die Sünder als gerecht angesehen. Seine Züchtigung wird nie als ein Makel Seines ansonsten heiligen Charakters gesehen, sondern vielmehr als Ausdruck Seiner Heiligkeit.

Daher nun, unser Gott, du großer, mächtiger und Furcht einflößender Gott, der den Bund und die liebende Güte bewahrt, lass all die Mühsal nicht bedeutungslos erscheinen vor Dir, die auf uns und unsere Könige, unsere Fürsten, unsere Priester, unsere Propheten, unsere Väter und auf Dein ganzes Volk herabgekommen ist von den Tagen der Könige von Assyrien bis auf den heutigen Tag. Du aber bist gerecht in Allem, das über uns gekommen ist, denn Du hast treu gehandelt, wir aber haben böse gehandelt (Ne 9:32-33; vgl. Ps 78; Da 9).

Ananias und seine Frau Sapphira wurden für ihren Betrug mit dem Tod geschlagen (Apg 5:1-11). Nicht nur im Alten Testament ist Gott also ein Strafender, sondern auch im Neuen. In Matthäus 18:25-20 bezeichnete unser Herr den Weg, auf dem die Strafe für einen ungehorsam gewordenen Gläubigen festzulegen sei, und im 1. Korintherbrief 5:2-5 legte Paulus den Korinthischen Heiligen ans Herz, diese Vorschrift auch umzusetzen. Im weiteren Verlauf des ersten Korintherbriefes erklärte Paulus, dass einige der Heiligen krank geworden, andere gestorben seien, weil sie bei der Feier des Heiligen Abendmahls den Leib des Herrn nicht angemessen gewürdigt hätten (11:29-30). Auch Paulus selber praktizierte diese Art der Züchtigung (1.Tim 18-20).

Wenn ungehorsame Kinder Gottes nach beiden Testamenten so streng bestraft wurden, dann müssen wir gewiss ein noch schlimmeres Schicksal erwarten, wenn Jemand die Errettung zurückweist, die Gott den Menschen in der Person Seines Sohnes Jesus Christus bereitet hat.

Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen, und Bücher wurden geöffnet; und noch ein Buch wurde geöffnet, das Buch des Lebens; und die Toten wurden gemäß der Dinge gerichtet, die in den Büchern geschrieben waren, gemäß ihren Taten. Und das Meer gab die Toten heraus, die darin waren, und der Hades gab die Toten heraus, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein Jeder von ihnen nach seinen Taten. Und der Tod und der Hades wurden in den feurigen See geworfen. Das ist der zweite Tod, der feurige See. Und Jeder, dessen Name nicht im Buch des Lebens eingeschrieben gefunden wurde, wurde in den feurigen See geworfen (Off 20:12-15).

Insbesondere diejenigen verdienen die Verdammnis, die die Heiligen willentlich gequält haben. Beachten Sie wieder, dass Gott in der unten zitierten Textstelle als gerecht in Seinem Gericht über die Sünder dargestellt wird.

Und der zweite Engel goss seine Schale in das Meer aus, und es wurde zu Blut wie von einem toten Menschen; und alles Lebende in dem Meer starb. Und der dritte Engel goss seine Schale in die Flüsse und in die Wasserquellen aus; und sie wurden zu Blut. Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: „Gerecht bist Du, der ist und der war, o Heiliger, dass Du dieses Urteil gefällt hast; den sie haben das Blut von Heiligen und von Propheten vergossen, und Du hast ihnen Blut zu trinken gegeben. Sie sind es wert.“ Und ich hörte den Altar sprechen: „Ja, o Herr, allmächtiger Gott, wahrhaft und gerecht sind Deine Gerichte“ (Off 16:3-7).

Nun können wir verstehen, warum die Sprüche die Rute als gerecht und das Gericht als rechtmäßig ansehen. In Sprüche 1 stellt die Weisheit vollkommen zurecht fest, dass die Gerechtigkeit erfüllt wird, wenn Sünder nicht nur das ernten, was sie beabsichtigten, sondern gleichzeitig auch das, was sie so reichlich verdienen.

„Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; Sie werden mich unablässig suchen, aber sie werden mich nicht finden, Weil sie die Erkenntnis hassten Und die Furcht des Herrn nicht erwählten. Sie wollten meinen Rat nicht annehmen, Sie verschmähten all meine Zurechtweisung. Darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels Und sich an ihren eigenen Ratschlägen übersättigen. Denn die Eigenwilligkeit der Unverständigen wird sie töten, Und die Selbstzufriedenheit der Toren wird sie vernichten“ (1:28-32).

Schlussfolgerung

Wir können aus den Schriften keinen anderen Schluss ziehen als den, dass die Gerechtigkeit nach der Rute verlangt. Gottes Gerechtigkeit erfordert es, dass Er die Ungläubigen richtet und Sein eigenes Volk züchtigt. Gott hat das Königtum und irdische Autoritäten eingesetzt, um die Gerechtigkeit zu befördern und Übeltäter zu bestrafen (Spr 20:8, 24:25, 25:5; Rö 13:1-5). Desgleichen müssen auch Eltern Gerechtigkeit bei ihren Kindern belohnen und schlechte Taten bestrafen. Wenn Etwas in Ewigkeit gewiss ist und für unser Leben in Betracht gezogen werden muss, dann ist das die Tatsache, dass ein Sünder seine Strafe erhalten wird.

Sei dir dessen gewiss: Der Böse wird nicht ungestraft davonkommen, Aber die gerecht sind, werden frei sein (11:21, NIV).

Die Gesellschaft hat Unrecht, mein Freund – ganz und gar Unrecht! Es ist keine Sünde, wenn man ein Kind schlägt. Wenn Eltern gottgemäß sein wollen, müssen sie das Böse so behandeln, wie Gott es tut. Geradeso, wie Gott für den Sünder immer Vorsorge trifft, müssen Eltern ihrem Kind den Weg zum Leben zeigen. Geradeso, wie Gott Seine ungehorsamen Kinder züchtigt, müssen auch wir es tun, zu ihrem und zu unserem eigenen Nutzen. Die Rute ist gerecht. Zucht ist von Gott. Eine Tracht Prügel kann sogar ein spiritueller Akt sein. Sie ist es nicht immer, aber das ist Etwas, womit wir uns in unserer nächsten Lektion befassen werden.

Mein Freund, bist du bisher möglicherweise nachlässig mit dem Gebrauch der Rute gewesen, weil du dir Gott nicht als einen Züchtiger vorstellen möchtest? Möchtest du lieber einen fürsorglichen Gott haben als einen, der die Sünde bestraft? Viele von uns erziehen ihre Kinder einfach deshalb nicht richtig, weil ihnen das Vorbild – Gott – so nicht gefällt. Aber ob wir es nun mögen oder nicht: der Gott der Bibel – im Alten wie im Neuen Testament – ist ein Gott, der der Sünde im Leben der Gläubigen wie der Ungläubigen entgegen tritt.

Du und ich, wir haben die Wahl. Wir können entweder unsere Sündigkeit einsehen und die Vergebung annehmen, die uns Gott in der Person Seines Sohnes bereitet hat, oder wir müssen die Folgen unserer Sündigkeit erleiden – in Ewigkeit. Wenn wir uns für Seine Errettung entscheiden, wird Er uns weiterhin für unsere Sünden züchtigen, doch nur so, dass wir daran wachsen und reifen, um Ihm ähnlicher zu werden. Wie möchtest du Gott gerne gegenübertreten: als ein Sohn oder als ein Sünder, der Seinen Sohn zurückgewiesen hat? Du hast die Wahl, mein Freund. Ich bete dafür, dass du dich für den Weg der Weisheit entscheidest, für den Weg des Lebens durch den Herrn Jesus Christus. Er starb am Kreuz von Golgatha für deine Sünden. Er bietet all denen Erlösung an, die an Sein Werk in Golgatha glauben. Lege dein Vertrauen noch heute in Ihn.


46 Richard Ruble, “Should Children Be Spanked?” [Sollte man Kinder schlagen?] Journal of Psychology and Theology, Juli 1973, S. 64-65.

47 Hier zitiert Ruble Ginnot (S. 181), der in dem obigen Artikel auf S. 64 angeführt wird.

48 In diesem Artikel steht, dass Richard Ruble seinen Abschluss (Masters) am Faith Seminary machte und den Titel eines Doktors der Theologie vom Dallas Theological Seminary erhielt. Anschließend war er Vorsitzender der Abteilung für biblische Studien und lehrte er als Professor für Bibel und Psychologie an der John-Brown-Universität.

49 “Should Children Be Spanked?” [Sollte man Kinder schlagen?] S. 66.

50 In einer veröffentlichten Erwiderung auf Dr. Rubles Artikel weist Alan R. McThomas auf viele Denkfehler von Ruble hin. McThomas, der damals Doktorand an der Rosemead Graduate School of Psychology war, äußert die Hoffnung, dass nicht alle, die Theologie und Psychologie in Einklang bringen wollen, dabei die falschen Schlüsse ziehen. Vgl. Alan R. McThomas, “Reaction” [Entgegnung], Journal of Psychology and Theology, Juli 1973, S. 67-69.

51 Richard Ruble, “Should Children Be Spanked? A Reply To McThomas” [Sollte man Kinder schlagen? Eine Antwort auf McThomas], Journal of Psychology and Theology, Oktober 1973, S. 79.

52 Dr. Ruble schreibt: „… die Erwähnung von Schlägen für ein Kind kann einfach als eine Metapher dafür angesehen werden, dass Kinder Strafen brauchen, von denen Schläge eben eine bekannte Form darstellten.“ (‚Sollten Kinder geschlagen werden?’ Juli 1973, S. 65). Mit dieser Feststellung selbst habe ich wenig Probleme, aber bei ihrer Ausformung ignoriert Dr. Ruble buchstäblich die klare Aufforderung der Sprüche zum Gebrauch der Rute. Für ihn, so scheint es, würde das Tor zu einer ganzen Welt voller Misshandlungen geöffnet, wenn man ‚die Rute’ als etwas Anderes denn eine Metapher einstufen würde. Selbst wo die ‚Rute’ aber eine Metapher darstellt, drückt sie doch die Form der Strafe aus, die die Sprüche meinen – und genau diese Form der Strafe will Ruble nicht als relevant für heutige Eltern betrachten.

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17. Weisheit und Kindererziehung (Teil IV)

Die Grundlagen der göttlichen Zucht

Einleitung

Wenn die Bibel über das Verhältnis zwischen Gott und Seinem Volk spricht, so tut sie dies mit den Worten ganz intimer familiärer Beziehungen: Manchmal wird das Volk Gottes mit einer Verlobten oder Ehefrau verglichen (z.B. Jes 62:5; Jer 3:32; Hes 16:32; Hos 2:2; Eph 5:22-33; Off 21:9); an anderen Stellen wird das Verhältnis eines Glaubenden zu Gott dem eines Sohnes zu seinem Vater gleichgesetzt.

Dann sollst du zu Pharao sagen: „So spricht der Herr: ‚Israel ist Mein Sohn, Mein Erstgeborener’“ (Ex 4:22).

„Ich will ihm ein Vater sein, und er wird Mir ein Sohn sein; wenn er Unrecht tut, so will Ich ihn mit der Rute der Menschen und mit den Schlägen der Menschensöhne zurechtweisen; aber Meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie Ich sie von Saul weichen ließ, den Ich vor dir weggenommen habe“ (2.Sa 7:14-15; vgl. auch Deu 32:6; Jes 63:17; Jer 3:19, 31:9).

So viele Ihn aber aufnahmen, die ermächtigte Er, Gottes Kinder zu werden, gleich denen, die an Seinen Namen glauben (Joh 1:12).

Denn ihr habt nicht den Geist der Sklaverei empfangen, dass ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Annahme an Sohnes Statt empfangen, durch welchen wir ausrufen: „Abba! Vater!“ (Rö 8:15).

J.I. Packer ist der Meinung, dass das Wesen des Christentums in keinem anderen Begriff besser zum Ausdruck kommt als in dem der ‚Söhne Gottes’.53 Diese Beziehung hilft Eltern, die ihre Kinder auf gottgemäße Art erziehen möchten: sie sagt ihnen, dass die elterliche Zucht nach der unseres Vaters gestaltet werden soll. Göttliche Zucht ist also das Vorbild für die elterliche Erziehung.

Mein Sohn, verwirf nicht die Zucht des Herrn Und verabscheue nicht seine Zurechtweisung; Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, Gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er Gefallen hat (3:11-12).

Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und der Anleitung des Herrn (Eph 6:4; vgl. auch Deu 8:5; Heb 12:7-13).

Wir haben zuvor darüber gesprochen, warum Eltern ihre Kinder züchtigen müssen. Wir müssen die Rute einsetzen, weil die Sprüche das von uns fordern (vgl. 13:24, 19:18, 23:13, 29:17). Und wir müssen die Rute einsetzen, weil Gott das auch tut. Wenn wir gottgemäß (Gott ähnlich) sein wollen, müssen wir mit der Sünde genauso umgehen, wie Gott es tut. Es kann niemals gottgemäß sein, das Böse einfach zu ignorieren. Sobald wir aber verstanden haben, warum wir züchtigen müssen, sollten wir auch zu verstehen suchen, wie wir züchtigen müssen. Unser Vorbild dabei ist Gott, der Vater, wie Er Seine Kinder züchtigt. Wir werden besser begreifen, wie die Rute – getreu der Anweisung im Buch der Sprüche – eingesetzt werden muss, wenn wir die Methoden betrachten, die Gott zu unserer Züchtigung einsetzt.

Das also ist das Thema dieser Studie – die Grundsätze der göttlichen Zucht. Da es sich um ein weitläufiges Thema handelt, müssen wir uns in zwei aufeinander folgenden Lektionen damit beschäftigen.

Züchtigung ist nicht
dasselbe wie Bestrafung

Wir müssen uns bewusst sein, dass Gott Seine Kinder anders behandelt als die Ungläubigen. Ungläubige werden dafür bestraft, dass sie nicht glauben und Gottes Fürsorge für die Sünder mit Vorbedacht zurückweisen (vgl. Spr 1:20-32). Für diejenigen, die ihren Glauben in Ihn setzen, hat Christus die Strafe übernommen. Daher werden Christen nicht für ihre Sünden bestraft – sie werden vielmehr gezüchtigt, damit sie Gehorsam und Reife erlangen.

Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen: Der Begriff ‚Zucht’, das muss betont werden, bezieht sich darauf, wie Gott im Leben Seiner Kinder wirkt – über die Zurechtweisung für begangene Sünden hinaus. Anders ausgedrückt kann man sagen, dass Gott den züchtigt, der sich nicht einer bestimmten Sünde schuldig gemacht hat. Beachten Sie die folgenden Beispiele, in denen der Begriff ‚Züchtigung’ in diesem erweiterten Sinn gebraucht wird.

„Aus den Himmeln ließ Er dich Seine Stimme hören, um dich zu züchtigen; und auf der Erde ließ Er dich Sein großes Feuer sehen, und mitten aus dem Feuer hörtest du Sein Wort“ (Deu 4:36).

„So sollst du in deinem Herzen wissen, dass der Herr dein Gott dich gezüchtigt hat, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt. Daher sollst du die Gebote des Herrn deines Gottes halten und auf Seinen Wegen wandeln und Ihn fürchten“ (Deu 8:5-6).

„Und wisset an diesem Tag, dass Ich Mich nicht an eure Söhne wende, die die Zucht des Herrn eures Gottes nicht nicht gekannt und nicht gesehen haben – Seine Größe, Seine starke Hand und Seinen ausgestreckten Arm“ (Deu 11:2).

Das Wort ‘Zucht’ oder ‘Züchtigung’ erscheint in jedem dieser Verse, aber es wird nicht im Zusammenhang mit einer Bestrafung für Sünden gebraucht. In Deuteronomium 4:36 ‚züchtigt’ Gott Israel bei der Verkündung der Gebote auf dem Berge, indem Er Seinen Ruhm und Seine Macht durch Blitze, Posaunenschall und Rauch aus dem Berg demonstriert (Ex 20:18,22). Diese Offenbarung von Gottes Größe zielt darauf ab, dass Israel Gott den Herrn zu fürchten lerne und also nicht mehr sündige (Ex 20:20). Man könnte das eine vorbeugende Züchtigung nennen.

In Deuteronomium 8:5 spricht Gott erneut davon, Israel zu züchtigen. Das tut Er, indem Er sie, ohne die gewohnte Versorgung mit Dingen wie Wasser und Nahrung, in die Wüste führt. In diesen Jahren wird das Volk Gottes auf die Probe gestellt und gelehrt, darauf zu vertrauen, dass Gott all ihre Bedürfnisse erfüllt (8:2-3). In der Zeit der Not lernt Israel Gott zu fürchten (Deu 8:6), auf Ihn zu vertrauen und Ihm zu gehorchen.

Auch in Deuteronomium 11:2 wird diese Art der Zucht deutlich. Gott ‘züchtigt’ die Israeliten dadurch, dass er Seine Macht und Größe offenbart. Durch Seine Werke während und nach dem Auszug aus Ägypten erweist Gott Sich als allein würdig, Israels Anbetung und Gehorsam zu empfangen. Auf Gottes Größe und auf Seiner Befreiung des Volkes Israel basiert die Gehorsamspflicht Seinen Geboten gegenüber (Deu 11:8-9).

Diese Art der Züchtigung, wie sie in den genannten Kapiteln des Buches Deuteronomium beschrieben wird, findet sich genauso auch an anderen Stellen im Alten wie im Neuen Testament. Joseph wurde sein Schicksal – von den Brüdern betrogen, ein Sklave in fremdem Land und ungerecht gefangen gesetzt zu werden (Gen 37-41) – nicht aufgrund eines sündigen Lebens zuteil, sondern damit er für die vor ihm liegende Verantwortung gestärkt und vorbereitet werde (vgl. Gen 50:20). Und auch Hiob litt nicht um seiner Sünden Willen, denn Gott nannte ihn „einen untadeligen und aufrechten Mann, gottesfürchtig und das Schlechte meidend“ (Hi 1:8).

In dem genannten Sinn wurde selbst der Herr Jesus von Gott ‚gezüchtigt’, um Gehorsam trotz allem Ungemach zu lernen.

In den Tagen Seines Fleisches brachte Er Gebete und flehende Bitten mit lautem Schreien und mit Tränen vor Dem dar, Der Ihn vor dem Tode erretten konnte, und Er wurde wegen Seiner Gottesfürchtigkeit erhört. So lernte Er, wiewohl er Sohn war, Gehorsam aus alldem, was Er erlitt; und nachdem Er vollkommen gemacht worden war, wurde Er die Quelle ewiger Rettung für alle, die Ihm gehorsam sind (Heb 5:7-9).

Deshalb kann der Verfasser auch in Kapitel 12 zu den Hebräern sagen, dass das Leiden als eine normale Erfahrung zum Christentum gehört, als eine Erfahrung, die zu unserem Besten ist und darauf abzielt, dass wir heilig werden (Heb 12:10).

Genau an diesem Punkt kommt es oft zu ernsthaften Fehlurteilen. Manche Christen denken so wie Eliphas, Hiobs ‚Freund’, der darauf bestand, dass Mühsal und Leiden (‚Zucht’) stets aus den Sünden im Leben eines Heiligen resultieren.

„Liegt es an deiner Ehrfurcht, dass Er dich zurechtweist, mit dir ins Gericht geht? Ist nicht [vielmehr] deine Schlechtigkeit groß und deiner Verfehlungen kein Ende?“ (Hi 22:4-5)

Eliphas hatte Unrecht. Sowohl ‚wegen’ als auch ‚für’ Hiobs Ehrfurcht vor Gott ließ Er zu, dass Hiob in der Hand Satans leide. Leiden (‚Züchtigung’) entsteht nicht notwendigerweise aus Sünde.

Manche Menschen halten noch heute an diesem Irrtum des Eliphas fest, während Andere derartige Gedanken ganz und gar verwerfen. Sie glauben überhaupt nicht daran, dass Gott die Menschen für ihre Sünden züchtigt, geschweige denn, dass Er Seine eigenen Kinder – auch ohne dass sie gesündigt haben – züchtigt, um sie zu christlicher Reife zu bringen. Diese Menschen aber verbreiten lediglich den Irrtum, den als Erster Satan vor Jahrtausenden äußerte, als er Eva verführte.

Nun war die Schlange raffinierter als alle anderen Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte. Und sie sagte zu der Frau: „Sollte Gott wirklich gesagt haben ‚Ihr sollt nicht von jedem Baum des Gartens essen’?“ (Gen 3:1).

Was Satan mit dieser Frage ausdrücken wollte, ist offensichtlich: Wie könnte ein guter und gnädiger Gott Seinen Kindern je etwas Gutes vorenthalten? Die Antwort auf diese Frage ist, wie Christen wissen, dass Gott damit Adam und Eva nicht etwas Gutes vorenthielt, sondern etwas Schädliches für sie verhinderte. Dieses Verhindern (Satan würde es als Beraubung betrachten) war zusätzlich eine Prüfung für ihren Glauben an Gott und für ihren Eifer, Ihm auch dann zu gehorchen, wenn sie nicht verstanden, warum Er sie nicht von der verbotenen Frucht essen ließ.

Aus der gleichen Vorstellung heraus nahm Satan auch an, dass Hiob Gott nur so lange dienen würde, wie Gott ihm das lohnte. Lass Gott erst einmal Widrigkeiten in Hiobs Leben bringen, so argumentierte er, dann wird Hiob Gott auf der Stelle entsagen. Dass Hiob inmitten aller Prüfungen weiter auf Gott vertraute, konnte Satan sich einfach nicht vorstellen.

Kein Wunder, also, dass Satan unseren Herrn versuchen wollte, indem er Ihm vorschlug, Steine zu Brot werden zu lassen. Schließlich hatte Jesus 40 Tage ohne Nahrung in der Wüste verbracht. Gewiss konnte Gott nicht wollen, dass Sein Sohn etwas so Grundlegendes wie Brot entbehrte, oder? Die Antwort unseres Herrn ist ein Zitat aus dem 8. Kapitel des Buches Deuteronomium: Gehorsam Gott gegenüber ist wichtiger als die Erfüllung unserer körperlichen Bedürfnisse (Mat 4:4). Gott führte nämlich die Israeliten aus dem gleichen Grund 40 Jahre lang durch die Wüste, aus dem auch der Heilige Geist unseren Herrn 40 Tage lang in die Wüste führte: Der Mensch muss lernen, an Gottes Wort mehr als an allem Anderen – sein tägliches Brot eingeschlossen – zu hängen. So wie Israel lernte auch unser Herr in der Wüste die Zucht. Wäre Er Satans Vorschlag gefolgt, hätte Er dann nicht auch argumentieren können, dass es unmöglich Gottes Willen sein konnte, Ihn am Kreuz von Golgatha leiden zu lassen? Die Zucht lehrt Gottes Kinder, Ihm selbst dann zu gehorchen, wenn es weh tut.

Die Erziehung von Kindern umfasst also viel mehr als sie nur für begangene Fehler zurechtzuweisen. Sie schließt auch ein, ihnen mit den Widrigkeiten des Lebens so umgehen zu helfen, dass sie in Zeiten, wo Er nicht da oder ihren Bitten gegenüber gleichgültig zu sein scheint, im Glauben wachsen und Gott gehorchen lernen.

Diese Zucht sollte, nach dem Buch Deuteronomium, Gottes Volk lehren, den Herrn zu fürchten und sich vom Bösen abzukehren. In gleicher Weise betont das Buch der Sprüche häufig die Furcht des Herrn (1:7, 9:10, 15:33 u.A.). Eltern müssen also danach streben, dass ihre Kinder sie zu respektieren lernen; geradeso wie wir lernen müssen, Gott zu fürchten, um uns vom Bösen abzukehren (Spr 3:7, 8:13).

Zu fordern, dass Eltern es ihren Kindern absichtlich schwer machen sollten, ginge sicher zu weit. Andererseits bin ich überzeugt, dass wir uns vorsehen müssen, ihnen das Leben nicht zu leicht zu machen. Eltern, die selbst unter Entbehrungen aufgewachsen sind und hart arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen, neigen oft dazu, ihren Kindern das Leben möglichst leicht zu machen. Das Leben – auch das christliche Leben – ist schwer. Aber gerade dann, wenn wir im Leben zu kämpfen haben, lernen wir am besten, aus dem Glauben zu leben – so wie ein Baum auf Trockenheit reagiert, indem er seine Wurzeln immer tiefer in den Boden einsenkt. Lassen Sie uns also danach streben, dass wir unseren Kindern schlechte Zeiten durch Gottvertrauen, Glauben und Gehorsam überwinden helfen, statt stets zu versuchen, alle Widrigkeiten des Lebens von ihnen fernzuhalten.

Die Zucht, die wir in Deuteronomium 4, 8 und 11 beschrieben finden, stellt die Grundlage jeder anderen Form von Erziehung dar. Gott begründete als Allererstes Seine Autorität über Israel, indem Er Seine Kraft und Macht offenbarte. Niemand sollte fragen müssen „Warum soll ich Gott gehorchen?“ Die Antwort auf diese Frage stand schon lange fest, bevor das Gesetz durch Moses verkündet wurde. Gott hat die Souveränität über den Menschen, weil Er der Schöpfer des Menschen ist (Gen 1-2). Und über die Israeliten hat Gott zusätzliche Souveränität, weil Er sie aus der Knechtschaft führte, damit sie Seine Diener würden (Lev 25:55). Gottes Autorität gründet sich auf Seine große Macht und seinen Ruhm. Das zeigte sich, als Er das Gesetz gab (vgl. Ex 20:18-26).

Mir gefällt die Frage, die Dr. James Dobson dazu stellt: „Wer ist hier der Verantwortliche?“ Das ist etwas, was sehr früh im Leben eines Kindes klargestellt werden muss. Gott begann Sein Volk zu züchtigen, indem Er zunächst Seine Autorität, Sein Recht über sie zu herrschen, eindeutig festlegte. Er gab dem Volk Israel seine Verfassung, und zwar eine, die alleine durch Ihn gestaltet wurde. Genauso müssen Eltern ihr Recht zu bestimmen in der Familie eindeutig festlegen. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass Kinder klein und Eltern groß sind. Das ist einer der Wege, wie Gott dem Kind zeigt, dass seine Eltern das Recht haben zu bestimmen. Gleich ob es noch andere Gründe dafür gibt – jedenfalls sind Eltern genau so größer und stärker als das Kind, wie Gott unendlich mächtiger ist als wir.

Wenn das so ist, sind moderne Theorien über Kindererziehung meiner Meinung nach ganz schön in Schwierigkeiten. Sie sagen uns, dass wir mit Kindern auf deren eigenem Level umgehen sollen. Wir sollen mit ihnen als mit Ebenbürtigen sprechen. Wir sollen uns auf demokratische Weise darüber einigen, was getan werden soll. Dieser Meinung bin ich nicht. Zwar muss ein Kind am Ende dahin gelangen, dass es seine eigenen Entscheidungen trifft, aber damit beginnen kann man den Prozess der Kindererziehung nicht. Eltern müssen sehr früh klarstellen, dass sie das Recht zu bestimmen haben, und dann dieses Recht, wann immer es infrage gestellt wird, durch zurechtweisende Züchtigung bestätigen. „Wer ist hier der Verantwortliche?“ Die Bibel sagt uns, das wir, die Eltern, es sind. Machen wir das also unseren Kindern klar. Macht heißt nicht, dass man immer Recht hat, aber sie begründet das Recht zu bestimmen. Nehmen wir die Herrschaft auf. Und übernehmen wir die Verantwortung in unserer Familie.

Strafende Züchtigung
ist die Antwort auf einen bewussten Verstoß
gegen eindeutig festgelegte Verhaltensregeln

Wir finden reichlich Anleitung für Eltern in der Art, wie Gott mit dem Volk Israel umging. Gott hielt nicht nur konsequent sein Herrschaftsrecht fest, sondern Er macht auch eindeutig klar, nach welchen Regeln sich Sein Volk verhalten sollte. Durch das Gesetz belehrte Gott die Israeliten darüber, was von ihnen erwartet wurde und welche Konsequenzen ihr Gehorsam oder Ungehorsam haben würde.

„Wenn ihr in Meinen Satzungen wandelt und Meine Gebote haltet und sie ausführt, dann werde Ich euch Regen zu seiner Zeit geben, so dass das Land seinen Ertrag gibt und die Bäume des Feldes ihre Frucht tragen. Und euer Dreschen wird bis zur Weinlese dauern, und die Weinlese bis zur Aussaatzeit. Dann werdet ihr bis zur Sättigung zu essen haben und in eurem Land in Sicherheit wohnen“ (Lev 26: 3-5).

„Aber wenn ihr Mir nicht gehorcht und alle diese Gebote nicht ausführt, wenn ihr stattdessen Meine Satzungen verwerft und eure Seele Meine Bestimmungen verabscheut, so dass ihr all Meine Gebote nicht haltet und so Meinen Bund brecht, dann will Ich Meinerseits euch Dieses zufügen: Ich will euch mit plötzlichem Schrecken heimsuchen, mit Auszehrung und Fieber, das das Augenlicht dahinschwinden und die Seele verkümmern lässt; und ihr sollt euren Samen umsonst säen, denn eure Feinde werden ihn verzehren. Und Ich will Mein Angesicht gegen euch richten, so dass ihr vor euren Feinden zu Boden geschlagen werdet; und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, wo Keiner euch verfolgt. Und wenn ihr Mir nach alldem noch immer nicht gehorcht, dann will Ich euch noch siebenfach mehr für eure Sünden strafen“ (Lev 26:14-18).

Hier im Buch Levitikus, wie auch an anderen Stellen (z.B. Deuteronomium 28), macht Gott klar, dass Ungehorsam gegenüber Seinem Gesetz göttliche Züchtigung nach sich ziehen wird. In den Tagen der Richter lebten die Menschen nicht in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz, sondern „ein Jeder tat, was in seinen eigenen Augen recht war“ (Ri 21:25). Als Nehemia im Gebet die Sünden seiner Landsleute bekannte, gestand er ein, dass Gott Sein Volk zurecht gezüchtigt hatte, da sie Sein Gesetz vernachlässigt hatten (Ne 9:29). Gottes strafende Züchtigung wird eindeutig über die Bösen kommen – über die, die Gottes Wort verabscheuen und nicht bereit sind, ihm zu gehorchen (vgl. Ps 50:17).

So wie den Eltern die Verantwortung übertragen wurde, ihre Kinder das Gesetz Gottes zu lehren (Deu 6), so erhob Gott auch Propheten, die die Israeliten das Gesetz lehrten und sie vor den Folgen des Ungehorsams warnten – und doch hörten und gehorchten diese nicht (vgl. Jer 2:30-31, 5:3-6, 7:28, 11:1-8; Hes 5:5-8). Wann immer Gott Israel züchtigte und andere Völker als Seine ‚Rute’ gebrauchte, gab es keinen Zweifel darüber, warum Er Sein Volk jeweils so behandelte, wie Er es tat.

Daraus ergibt sich eine wichtige Richtschnur für uns als Eltern. Gott fordert in den Sprüchen, dass wir von der ‚Rute’ Gebrauch machen. Wir dürfen Kinder aber nur dann mit der ‚Rute’ zurechtweisen, wenn sie mit Absicht gegen eine eindeutig festgelegte Regel verstoßen haben und wenn die Konsequenzen aus einem solchen Regelverstoß zuvor genau bekannt gegeben wurden. Nichts frustriert Kinder mehr, als wenn sie für Etwas bestraft werden, von dem sie gar nicht wussten, dass es falsch ist, oder wenn die Regeln ständig geändert werden. Lassen Sie uns also gottähnlich in unserer Zucht sein, indem wir die Verhaltensregeln klar und einfach gestalten und sie konsequent vertreten, damit unsere Kinder wissen, was von ihnen gefordert wird und was geschieht, wenn sie nicht gehorchen.

Noch ein weiteres Prinzip wird hier ersichtlich. Gottes Gesetz enthielt nicht nur Vorschriften, sondern auch Grundsätze. Ein sehr kleines Kind ist in der Lage, einfache Regeln zu verstehen und zu befolgen, auch wenn es die Gründe dafür noch nicht einsieht (z.B. „Spiel nicht an den Steckdosen herum“). Früher oder später kommt es dann jedoch darauf an, dass Eltern ihrem Kind die Regeln auch begründen. Eine Regel, für die es keine Begründung gibt, sollte abgeschafft werden. Wenn es aber eine fundierte Begründung für die Regel gibt, sollte das Kind sie kennen.

Das alttestamentarische Gesetz enthielt weit mehr als nur einen Satz von strikt zu befolgenden Vorschriften. Hinter den einzelnen Geboten und Verboten (Vorschriften) standen vielmehr bestimmte Grundsätze. Über diese Grundsätze sann der Psalmist nach (vgl. Ps 119). Und Paulus konnte auf einen Text anspielen, der den Bauern aufforderte, seinem Ochsen keinen Maulkorb anzulegen, und diesen auch auf die Prediger des Evangeliums beziehen (1.Kor 9:8-9). Desgleichen betonten auch die Propheten das Grundsätzliche (z.B. Hos 6:6). Im Gegensatz dazu war das Judentum häufig mehr von den Vorschriften eingenommen; und das in einem Ausmaß, dass Jesus die religiösen Führer zurecht anklagen konnte, „die Mücke“ (die peinlich genauen Vorschriften der Pharisäer) auszusieben, „das Kamel“ (die im alttestamentarischen Gesetz enthaltenen Grundsätze) aber herunterzuschlucken (Mat 23:24). Die Bergpredigt zeigte, wie unser Herr – im Gegensatz zu den Pharisäern – das Gesetz auslegte. Auch die Propheten des Alten Testaments sprachen, wie unser Herr, mehr über die grundlegenden Aspekte der Gerechtigkeit, Gnade und einen gehorsamen Geist, als über die kleinlichen Übertretungen menschengemachter Regeln.

Die elterliche Zucht ist zwar unumgänglich, das eigentliche Ziel aber ist die individuelle Selbstdisziplin. Das ist der Grund, warum die Sprüche unser Augenmerk nicht so sehr auf die Vorschriften als vielmehr auf die Grundsätze lenken, von denen das Leben geleitet sein soll. Das in den ersten Kapiteln der Sprüche ansgesprochene Kind ist ein Jugendlicher, der das Alter erreicht hat, in dem er seine eigenen Entscheidungen treffen muss, in dem seine Eltern nicht länger für ihn denken können und wollen. Wenn ein Kind weise und gottgefällig aufwachsen soll, so muss das aus seinem eigenen Wunsch nach Frömmigkeit heraus geschehen – und aus seiner eigenen Diziplin heraus, aufgrund derer es sich schädliche Vergnügungen und riskanten Umgang versagt.

Einer der größten Fehler, den christlichen Eltern machen können, liegt darin, dass sie sich mehr auf die Regeln als auf die Begründungen, mehr auf die Vorschriften als auf die Grundsätze im Leben konzentrieren. Wenn wir unsere Kinder so züchtigen, wie Gott es mit Israel tat (und jetzt mit uns tut), dann stehen am Anfang zwar die Regeln, danach lenken wir die Aufmerksamkeit unserer Kinder dann aber auch bald auf die Begründungen. Nur so kann Reife entstehen. Oft haben unsere Kinder noch nicht zu denken gelernt, wenn wir sie schon auf das College schicken. Das liegt daran, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch immer fraglosen Gehorsam von ihnen erwarten, so als ob sie noch ganz kleine Kinder wären. Äußere Disziplin ist notwendig für unreife Menschen, aber sie ist (als Legalismus) der Entwicklung von Selbstdisziplin sehr abträglich. Lassen Sie uns also Männer und Frauen von Grundsätzen sein und unsere Kinder dasselbe lehren.

Göttliche Züchtigung ist vielfältig

Wenn uns der Begriff ‚Rute’ in den Sprüchen begegnet, nehmen wir fast automatisch an, er beziehe sich auf einen Stock oder eine Gerte. Im Allgemeinen würde ich diesem buchstäblichen Verständnis der ‚Rute’ in den Sprüchen zustimmen. Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass der Begriff ‚Rute’ an anderen Stellen in der Bibel (z.B. 2.Sa 7:14; Hi 9:34; Jes 9:4, 10:5; Klg 3:1; 1.Kor 4:21) nicht so wörtlich gemeint ist, sondern sich in einem erweiterten Sinne auf Züchtigung oder Zurechtweisung bezieht. Manche Christen, fürchte ich, ignorieren die Tatsache, dass Züchtigung viele verschiedene Formen annehmen kann, und greifen nur auf die Gerte, den Gürtel oder den Stock zurück. Ich möchte die Aufmerksamkeit all derer, für die die ‚Rute’ nur eine Tracht Prügel bedeutet, hier einmal auf die unterschiedlichen Formen lenken, die die göttliche Züchtigung in den Schriften annimmt.

In Levitikus 26:14-39 werden ganz verschiedene Folgen beschrieben, die sich aus einem Bruch des Gesetzes ergeben können. Und wenn die göttliche Züchtigung einsetzt und das Gesetz trotzdem weiterhin missachtet wird, können sogar noch schlimmere Folgen auftreten (26:18ff.). Auch Deuteronomium 28 beschreibt die Folgen des Ungehorsams gegenüber Gottes Gesetz.

An vielen Stellen in den Schriften besteht die Züchtigung für den Menschen darin, dass er die natürlichen Folgen seiner Sünden erleidet.

„Hast du dir dies nicht selbst angetan, indem du den Herrn deinen Gott verließest, so oft Er dich auf deinem Weg geleitete? Und nun, was suchst du auf dem Weg nach Ägypten, um die Wasser des Nils zu trinken? Oder was willst du auf dem Weg nach Assyrien, um die Wasser des Euphrat zu trinken? Deine eigene Schlechtigkeit wird dich zurechtbringen und deine Untreue wird dich zurechtweisen. Erkenne also und sieh, dass es schlecht und bitter für dich ist, wenn du den Herrn deinen Gott verlässt und Meine Furcht nicht in dir ist“, so spricht der Herr Gott der Heerscharen (Jer 2:17-19).

David sündigte, indem er die Frau Urias nahm und ihn selber zu Tode brachte. Die Folgen seiner Sünde bezogen sich direkt auf die Sünde selbst:

„Warum hast du das Wort des Herrn verachtet, dass du getan hast, was böse ist in Seinen Augen? Du hast Uria, den Hethiter, durch das Schwert erschlagen; seine Frau hast du dir zur Frau genommen, und ihn hast du mit dem Schwert der Söhne Ammons getötet. Daher wird nun das Schwert niemals von deinem Hause weichen, weil du Mich verachtet hast und hast die Frau Urias, des Hethiters, zu deiner Frau gemacht.“ So spricht der Herr: „Siehe, Ich werde Unheil über dich bringen aus deinem eigenen Hause; Ich will dir deine Frauen vor deinen eigenen Augen nehmen und sie deinem Nächsten geben, und er soll im hellen Tageslicht bei deinen Frauen liegen“ (2.Sa 12: 9-11).

Gerade so, wie David die Frau Urias genommen hatte, sollten auch seine Frauen genommen werden. Gerade so, wie David das Schwert gegen Uria eingesetzt hatte, sollte auch sein Haus durch das Schwert leiden.

In der Geschichte vom Verlorenen Sohn in Lukas 15 steht der Vater für Gott und der Verlorene für die Steuereinnehmer und die Sünder. Der ‚nicht verlorene’ Sohn stellt die religiösen Führer zu Jesus Zeiten dar, die zwar Sünder waren, davon aber nichts wissen wollten, und die es übelnahmen, dass Gott denen Gnade zeigte, die es nicht verdient hatten. Der Vater hätte auch andere Wege finden können, um seinen Sohn zu bestrafen, aber er zog es vor, ihn sein Erbe verschleudern zu lassen. Und dort im Schweinestall zwischen den Essensabfällen kam der junge Mann zur Besinnung und entschloss sich, zu seinem Vater zu gehen und ihn um Vergebung zu bitten. Die Zucht, die Reue und Buße bewirkt, wurde also besser dadurch erreicht, dass der Sohn Fehler machen durfte, als durch den buchstäblichen Gebrauch der Rute.

Ich halte Vielseitigkeit aus einer ganzen Reihe von Gründen für eine wichtige Voraussetzung elterlicher Zucht. Jeder dieser Gründe wird aus dem größeren Feld der göttlichen Zucht ersichtlich.

1. GÖTTLICHE ZUCHT SETZT NUR SO VIEL ZWANG BZW. SCHMERZ EIN, WIE NÖTIG IST, UM REUE HERVORZURUFEN. Gott beabsichtigt mit Seiner Züchtigung, Seine Kinder zurechtzuweisen; und es gibt keinen Grund, dabei mehr Schmerzen zu verursachen als nötig ist, um sie zur Buße zu bewegen. Die Sprüche lehren uns, dass ein Weiser durch einen einzigen Tadel korrigiert wird, während ein Tor sich selbst durch Schläge kaum beeindrucken lässt (9:7-9, 17:10). Eine ‚Rute’ ist nur bei denjenigen erforderlich, die auf Argumente nicht hören können oder wollen, denn deren Aufmerksamkeit wird erst durch Schmerzen geweckt (19:29, 26:3, 29:19). Warum sollte man ein Kind schlagen, wenn es weise genug ist, sich durch ein Wort korrigieren zu lassen – vorausgesetzt seine Reue ist echt? (Dabei spielen allerdings noch einige andere Faktoren eine Rolle, die wir später diskutieren werden.)

2. GÖTTLICHE ZUCHT IST INDIVIDUELL ZUGESCHNITTEN AUF DEN, DER GEZÜCHTIGT WIRD. In den Schriften bestraft Gott die Ungläubigen und züchtigt Seine Kinder in jeweils individueller Weise. In Lukas 12:47-48, beispielsweise, erhielt der Knecht, der dem Willen seines Herrn wissentlich zuwider gehandelt hatte, viele Peitschenhiebe, aber der, der unwissend war, nur wenige. Gott behandelt uns entsprechend unserer Reife und unserem geistlichen Alter. In der Anfangszeit wurden die korinthischen Christen noch nicht dafür getadelt, dass sie ‚fleischlich’ und unreif waren; etliche Zeit später aber wurden sie als dem Fleisch verhaftet bezeichnet (1.Kor 3:1-3). Auch werden Führer, wegen ihres Einflusses auf Andere, strenger behandelt als die Nachfolgenden (vgl. Jer 23; Hes 34; Mat 23; Mar 9:42; Luk 17:1-2; Joh 3:1). Zudem behandelt Gott uns nicht nur gemäß unserer Taten, sondern auch gemäß unserer Einstellungen und Motive (Mat 5:21-37; 1.Kor 4:5).

Göttliche Zucht trägt der Tatsache Rechnung, dass falsches Verhalten aus beliebig vielen Problemen herrühren kann, von denen nicht alle sündig sein müssen.

Und wir bitten euch dringend, Brüder, ermahnt die Unordentlichen, ermutigt die Kleingläubigen, helft den Schwachen, und seid langmütig gegenüber allen Menschen (1.Th 5:14).

Manchmal neigen wir dazu, alle Menschen gleich zu behandeln. Einige Menschen sind so eifrig im Kritisieren und Verbessern, dass sie jeden Fehler tadeln, egal warum er geschehen ist. Nehmen Sie beispielsweise an, dass meine Tochter es versäumt hätte, die Fenster zu putzen, wie ich es ihr aufgetragen hatte. Wenn das Kind noch klein ist und die Fenster nicht erreichen kann, ist dieses Versäumnis nicht ihre Schuld: Sie kann gar nicht tun, was ich ihr aufgetragen habe. Wenn ich ihr eine Leiter gäbe, sie aber Höhenangst hätte, müsste ich sie beruhigen und ermutigen und sie vielleicht festhalten, solange sie auf der Leiter steht, aber ich müsste sie nicht schlagen. Wenn sie aber willentlich ungehorsam gewesen wäre, dann wären ein Tadel oder die Rute angebracht. Göttliche Disziplin behandelt den einzelnen Menschen unter Berücksichtigung dessen, wer und was er ist. Und genauso muss unsere Erziehung individuell angepasst werden.

3. GÖTTLICHE ZUCHT STELLT JEWEILS DEN ANGEMESSENSTEN UND WIRKSAMSTEN WEG DAR, AUF DEM REUE ERREICHT WERDEN KANN. Wir haben gesehen, wie Gott David so züchtigte, dass es zu den Sünden passte, die dieser begangen hatte. Wenn wir für praktisch jedes Fehlverhalten den Schlagstock hernehmen, machen wir damit wahrscheinlich oft von einer unangemessenen und daher weniger effektiven Art der Züchtigung Gebrauch. Wenn Ihr 17-jähriger Sohn beispielsweise über Ihre elterliche Sperrstunde hinaus ausbliebe, würde er danach wohl lieber eine Tracht Prügel in Kauf nehmen als eine Zeit lang Hausarrest zu erhalten. Seine sozialen Vorrechte zu verlieren ist meiner Meinung nach aber in diesem Fall passender und lehrreicher als Schläge. Ebenso waren der Schweinestall und die Essensreste wirksamer zur Bekehrung des Verlorenen Sohnes als es eine Tracht Prügel gewesen wäre. Lassen Sie uns also die ‚Rute’, die wir einsetzen, genauso sorgfältig auswählen, wie Gott es tut.

Schlussfolgerung

Ich möchte die Grundsätze der göttlichen Zucht, die ich in dieser Lektion darzustellen versucht habe, noch einmal kurz zusammenfassen. Erstens: Wir müssen unsere Kinder nicht nur züchtigen, weil Gott züchtigt, sondern auch, wie Gott Seine Kinder züchtigt. Seine Zucht ist daher das Vorbild für die elterliche Zucht.

Zweitens: Zucht umfasst viel mehr als nur auf die Sünden von Kindern zu reagieren. Zucht beginnt damit, dass wir in der Familie unser Recht zu bestimmen festlegen. Zucht lehrt unsere Kinder, dass uns als Eltern sowohl die Weisheit als auch die Stärke verliehen wurde, um der Verantwortliche in der Familie zu sein. Wir sind unseren Kindern weder Kameraden noch Altersgenossen, sondern Eltern – das ist ein großer Unterschied.

Drittens: Wir sind verpflichtet, die Regeln für unsere Kindern so deutlich zu machen, dass Züchtigung das vorhersehbare und angekündigte Ergebnis einer Übertretung von genau festgelegten Verhaltensregeln darstellt. Kinder müssen wissen, was wir von ihnen erwarten und was passiert, wenn sie diesen Anforderungen willentlich zuwider handeln. Außerdem müssen wir ihnen den Grund für eine Regel und den Grundsatz hinter einer Vorschrift genau erklären.

Und schließlich: Der Schlagstock ist kein Allheilmittel oder die Lösung allen Übels. Die ‚Rute’ im wörtlichen Sinn sollte eingesetzt werden, wenn Kinder auf Argumente nicht hören können oder wollen. In dem Maße, wie die Kinder Einsichtsfähigkeit entwickeln, sollten andere Mittel als Schläge eingesetzt werden, und die Art der ‚Rute’sollte dabei man stets unter dem Aspekt festlegen, wie am wirksamsten Reue erreicht wird.

Sie sehen schon, Schläge für Kinder sind nicht annähernd so einfach zu abzuhandeln, wie es Ihnen anfangs vielleicht vorgekommen sein mag. Züchtigung ist, wie jeder andere Bereich christlichen Lebens, ein Thema, für das wir Weisheit von oben benötigen. Lassen Sie uns diese Weisheit suchen bei unserem Bemühen, die ‘Rute’ gerecht zu gebrauchen.


53 J.I. Packer sagt zu diesem Thema: „Die gesamte Lehre des Neuen Testaments kann man in einem einzigen Satz zusammenfassen, indem man sie als die Offenbarung der Vaterschaft des heiligen Schöpfers betrachtet. In gleicher Weise fasst man die ganze Religion des Neuen Testaments zusammen, wenn man sie als das Wissen um Gott als unseren heiligen Vater beschreibt. Wenn Sie wissen wollen, wie tief Jemand das Wesen des Christentums erfasst hat, dann achten Sie darauf, wie wichtig ihm der Gedanke ist, Gottes Kind zu sein und Gott zum Vater zu haben. Wenn es nicht diese Vorstellung ist, die ihn zur Anbetung bringt und sein Gebet wie auch seine ganze Lebensperspektive beeinflusst, dann heißt das, dass er das Christentum nicht besonders gut verstanden hat. Denn Alles, was Christus lehrte, Alles, was das Neue Testament neu und besser als das Alte macht, Alles, was eindeutig christlich und nicht nur jüdisch ist, findet sich in der Erkenntnis der Vaterschaft Gottes zusammengefasst. ‚Vater’ ist der christliche Name für Gott.“ J.I. Packer, ”Knowing God“ [Gott erkennen], Downers Grove: Inter-Varsity Press, 1975, S. 182. Die Lektüre des Kapitels ‚Söhne Gottes’ kann ich nur empfehlen. In der Tat ist das gesamte Buch ein spiritueller Genuss.

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18. Weisheit und Kindererziehung (Teil V)

Der Zorn und die Rute

Einleitung

Egal, worum es geht, es gibt fast immer – mindestens – zwei Extreme, in die man verfallen kann; und beide sind falsch. So ist es zum Beispiel auch, wenn es um den Zorn geht. Margaret Johnston Hess beschreibt eines dieser Extreme in ihrem Artikel „What to Do with Your Anger“ [„Was tun, wenn man sich ärgert”]:

Ein vielbeschäftigter Vater aus der Mittelklasse brütete Monate lang darüber, dass seine 19 Jahre alte Tochter es hartnäckig vorzog, in einer Stadtwohnung zu leben, statt in dem wunderschönen Vorstadthaus, für das er so hart gearbeitet hatte, um es seiner Familie zu ermöglichen. Er hatte das Gefühl, dass sie sich dort mit den falschen Leuten einließ. Seine innerliche Wut wurde immer größer, und eines Abends nahm er einen Revolver und ging zu ihrer Wohnung, entschlossen, sie heim zu holen. Als er sie schlafend fand, in einem Zimmer mit drei jungen Männern, von denen einer bei ihr im Bett lag, schoss er auf den Jungen, der neben ihr lag, traf aber statt dessen seine Tochter tödlich. In bitterer Reue stellte er sich sofort der Polizei. Er hatte seinem Ärger Luft gemacht.54

Oberflächlich betrachtet mag es erscheinen, als läge der Fehler dieses Vaters darin, dass er seinem Ärger Luft machte. Ich neige jedoch zu einer etwas anderen Ansicht: Ich glaube, der Vater hatte den entscheidenden Fehler schon vor den Ereignissen in der Wohnung seiner Tochter gemacht, indem er immer versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. Statt dessen hätte er ihm eher in angemessener Weise Luft machen müssen, bevor er sich von ihm überwältigen ließ.

Margaret Johnston Hess bietet uns ein sehr anschauliches Bild für die Gefahren, die durch unterdrückten Zorn entstehen. Sie schreibt:

In der Nähe einer Stadt im Staat Washington werden Tausende Tonnen von radioaktivem Atommüll in riesigen unterirdischen Behältern gelagert. Die Haltbarkeitsdauer der Behälter liegt bei 22 bis 30 Jahren. Der Müll in ihnen wird seine tödliche Wirkung noch etwa 600 Jahre lang behalten.55

Wenn man versucht, seinen Ärger zu unterdrücken, statt ihm auf angemessene Art Luft zu machen, wird man feststellen, dass Ärger – wie der oben erwähnte Atommüll – sich nicht unter Verschluss halten lässt.

Vielleicht haben manche Christen Schwierigkeiten damit, ihre Launen zu beherrschen; die meisten anderen aber machen eher den Fehler, ihren Zorn zu unterdrücken, manchmal bis zu dem Punkt, dass sie ihn überhaupt verleugnen. Solcher verborgene Ärger hat die Eigenschaft, irgendwann plötzlich auszubrechen, und dann fügt er unseren Beziehungen oft großen Schaden zu.

Wenn es in christlichen Kreisen schon ein Tabu geworden ist, seinen Ärger zu zeigen, dann wird das umso mehr verurteilt, wenn es um die Erziehung von Kindern geht. Immer wieder sagt man uns: „Züchtige niemals dein Kind im Zorn!“ Ich würde sagen, dass eine Züchtigung im Zorn oft, aber nicht notwendigerweise, sündig und schädlich ist – und dass sie es auf keinen Fall sein sollte. Deshalb habe ich diese Lektion dem Verhältnis von Zorn (Ärger) und Zucht gewidmet.

Wer sagt, dass die ‚Rute’ (Züchtigung) niemals eingesetzt werden darf, solange wir zornig sind, behauptet damit, dass elterliche Zucht sich von der göttlichen Zucht unterscheidet, denn aus der Schrift geht eindeutig hervor, dass Gott Seine Kinder im Zorn züchtigt.

„Ihr sollt einer Witwe oder einer Waise kein Leid zufügen. Wenn ihr ihnen in irgendeiner Weise Leid zufügt und sie zu Mir schreien, so werde Ich ihr Schreien gewiss hören, und Mein Grimm wird entbrennen“ (Ex 22:22-24).

Nun wurde das Volk wie Solche, die sich vor den Ohren des Herrn beklagen, dass es ihnen schlecht gehe; und als der Herr das hörte, entbrannte Sein Grimm, und das Feuer des Herrn loderte auf unter ihnen und fraß am Rande des Lagers (Num 11:1, vgl. auch Verse 10, 33).

Darum hörte der Herr und geriet in heftigen Zorn, Und ein Feuer entzündete sich gegen Jakob, Und Grimm kam auch über Israel ... Der Zorn Gottes kam über sie Und tötete einige ihrer kräftigsten Männer Und warf die besten Männer Israels nieder (Ps 78:21,31).

Wach auf. Wach auf. Erhebe dich, o Jerusalem, die du aus der Hand des Herrn den Becher Seines Zornes getrunken hast; den Kelch, der taumeln macht, hast du bis zur Neige geleert (Jes 51:17).

Ich sah, und siehe, das fruchtbare Land war eine Wüste und all seine Städte waren niedergerissen vor dem Herrn, vor Seinem erbitterten Grimm (Jer 4:26).

Ich bin der Mann, der Leid gesehen hat durch die Rute Seines Zornes (Klg 3:1).

Kaum Jemand würde wohl den Zorn des Herrn im Alten Testament abstreiten; viele Menschen aber neigen dann dazu, den Gott des Alten Testamentes doch als irgendwie verschieden von dem Gott des Neuen Testamentes anzusehen. Und doch war auch unser Herr zornig über die Sünde der Menschen (Mar 3:5; vgl. Mat 21:12-14), und in den Gleichnissen, die Gott als Menschen darstellen, erzürnt Er Sich über unrechtes Verhalten (z.B. Mat 18:34, Luk 14:21). Auch das Buch der Offenbarung spricht von denen, die Gott ablehnen und sich ihm widersetzen, als von denjenigen, die den Becher Seines Zornes trinken (Off 14:10).

Nicht jeder Zorn ist göttlich. Deshalb lehrt uns Jakobus: „Des Menschen Zorn bewirkt nicht Gottes Gerechtigkeit“ (Jak 1:20). Paulus war der Meinung, dass Zorn – selbst wenn er auch gerechtfertigt sein mochte – in die Sünde führen kann: „Zürnet, aber sündigt nicht; lasst die Sonne über eurem Grimm nicht untergehen“ (Eph 4:26). Lassen Sie uns jetzt genau untersuchen, welcher Zorn gerecht ist. Dazu wollen wir aus den Schriften die Eigenschaften von Gottes heiligem Zorn ableiten.

1. GERECHTER ZORN WIRD DURCH SÜNDEN HERVORGERUFEN. Durch die gesamte Geschichte Israels hindurch wurde Gottes Unmut erweckt durch die Sünden Seines eigensinnigen und ungehorsamen Volkes.

„Hört das Wort des Herrn, o ihr Könige von Juda und ihr Bewohner Jerusalems. So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels: ‚Siehe, ich will ein solches Unheil über diese Stätte bringen, dass Jedem, der davon hört, die Ohren gellen; weil sie Mich verlassen haben, und haben diese Stätte zu einem fremden Ort gemacht und an ihm Opfer verbrannt für andere Götter, die weder sie selbst noch ihre Vorväter noch die Könige von Juda je gekannt hatten; und weil sie diese Stätte mit dem Blut Unschuldiger erfüllt und dem Baal Höhen gebaut haben, um ihre Kinder als Brandopfer für Baal im Feuer zu verbrennen, was Ich weder geboten noch geredet hatte und was Mir nie in den Sinn gekommen ist. Darum siehe, es kommen Tage“, so spricht der Herr, „da diese Stätte nicht mehr Tophet oder das Tal des Ben-Hinnom genannt werden wird, sondern vielmehr das Tal des Gemetzels’“ (Jer 19:3-6).

Nach Ansicht der Sprüche wird ein König zurecht durch Sünden erzürnt.

Das Wohlgefallen des Königs liegt auf dem Knecht, der weise handelt, Aber sein Grimm richtet sich auf den, der schändlich handelt (Spr 14:35).

Entsprechend werden Regierungen nach dem Neuen Testament von Gott eingesetzt, um Zorn über die Sünder zu bringen.

Denn sie (die Regierung) ist Gottes Dienerin zu deinem Besten. Wenn du aber Schlechtes tust, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht ohne Grund; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin, die Zorn bringt über den, der Böses treibt (Rö 13:4).

Gottes Grimm wird an jeder einzelnen Stelle, die ich in den Schriften gefunden habe, allein durch die Sünde des Menschen hervorgerufen. Rein menschlicher Ärger, wie er durch Ichbezogenheit und Ungeduld entsteht, ist sündig (Mat 5:22; Eph 4:31).

2. GERECHTER ZORN IST KEIN ANLASS ZU SÜNDIGEN. Gottes Zorn hat nicht nur einen gehörigen Grund (die Sünde der Menschen), sondern beschränkt sich auch gehörig auf sein Ziel. In jedem Fall göttlicher Züchtigung musste Gottes Volk anerkennen, dass Gott gerecht gezüchtigt hatte. Diese Tatsache findet auch Ausdruck in Nehemias Gebet für sein Volk:

„Daher nun, unser Gott, du großer, mächtiger und Furcht einflößender Gott, der den Bund und die Güte bewahrt, lass all die Mühsal nicht bedeutungslos erscheinen vor Dir, die auf uns und unsere Könige, unsere Fürsten, unsere Priester, unsere Propheten, unsere Väter und auf Dein ganzes Volk herabgekommen ist von den Tagen der Könige von Assyrien bis auf den heutigen Tag. Du aber bist gerecht in Allem, das über uns gekommen ist, denn Du hast treu gehandelt, wir aber haben böse gehandelt“ (Ne 9:32-33).

Gott hat niemals Gefallen daran, Seine Kinder zu züchtigen. Er tut es zögernd und mit Bedauern. Göttliche Zucht ist Gottes „ungewöhnliches Werk“ (Jes 28:21).

Im Anfang der Herrschaft von Jojakim, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, erging dieses Wort vom Herrn: „So spricht der Herr: ‚Tritt in den Vorhof am Hause des Herrn und sprich zu denen, die aus allen Städten von Juda gekommen sind, um im Hause des Herrn anzubeten, all die Worte, die Ich dir geboten haben ihnen zu sagen. Nimm kein einziges Wort hinweg! Vielleicht werden sie zuhören und umkehren, ein Jeder von seinem schlechten Weg, damit auch Mich das Unheil reuen könne, das Ich ihnen anzutun gedenke um ihrer bösen Taten Willen’“ (Jer 26:1-3).

Gottes Züchtigung war hart, aber niemals eine Misshandlung. Es gibt Menschen, die ihre Brutalität mithilfe von Bibelzitaten zu rechtfertigen versuchen. Sie sollten sich dessen bewusst sein, dass Gottes Grimm niemals außer Kontrolle gerät, und niemals züchtigt er erbarmungslos oder behandelt Seine Kinder ohne Gnade.

Denn ihr Herz war nicht fest bei Ihm, Noch hielten sie treu an Seinem Bund. Er aber, Der barmherzig ist, vergab ihre Schuld und verdarb sie nicht, Und oft hielt Er Seinen Grimm zurück Und ließ nicht Seinen ganzen Zorn aus. So gedachte Er dessen, dass sie nur Fleisch waren, Ein Hauch, der dahingeht und nicht wiederkehrt (Ps 78:37-39).

Der Herr ist barmherzig und gnädig, Langsam zum Zorn und überströmend von Güte. Er wird nicht für immer mit uns hadern, Noch wird Er ewig zornig bleiben. Er hat uns nicht nach unseren Sünden behandelt, Noch hat Er uns unsere Schuld vergolten. Denn so hoch, wie die Himmel über der Erde sind, So groß ist Seine Güte gegenüber denen, die Ihn fürchten (Ps 103:8-11).

In 2.Samuel 24 versündigt sich David gegen den Herrn, indem er die Israeliten zählen lässt (Vers 1). Durch den Propheten Gad wird David mitgeteilt, dass er die Form seiner Strafe selbst wählen könne. Zur Auswahl stehen drei Möglichkeiten: (a) sieben Jahre Hungersnot; (b) drei Monate in der Hand seiner Feinde oder (c) drei Tage Pest (Vers 13). David wählte das Letztere, und zwar aus dem folgenden Grund:

„Ich bin in großer Bedrängnis. Lass uns nun in die Hand des Herrn fallen, denn Sein Erbarmen ist groß, aber in die Hände von Menschen lass mich nicht fallen“ (2.Sa 24:14).

David hatte erfahren, was wir alle bei unserer elterlichen Zucht wissen und selber praktizieren müssen: Gottes Zucht wird immer getragen von Mitleid und Gnade.

3. GERECHTER ZORN IST NIEMALS EIN LIEBESENTZUG, SONDERN IMMER EIN AUSDRUCK DER LIEBE. Gott zieht sich nicht aus Seiner Liebe für uns zurück, wenn Er uns züchtigt; sondern Er züchtigt uns, wenn wir uns aus Seiner Liebe zurückgezogen haben.

Dann kam der Geist Gottes über Sacharja, den Sohn des Priesters Jehojada; und er trat vor das Volk und sprach zu ihnen: „So hat Gott gesprochen: ‚Warum übertretet ihr die Gebote des Herrn, so dass ihr kein Gelingen haben könnt? Weil ihr den Herrn verlassen habt, hat Er euch seinerseits verlassen’“ (2.Chr 24:20).

„Aber dieses Volk hat ein störrisches und rebellisches Herz; sie haben sich abgewandt und gehen ihrer Wege. Sie sagen nicht in ihrem Herzen: „Lasst uns doch den Herrn unseren Gott fürchten, der uns Regen gibt zur rechten Zeit, den Herbstregen und den Frühlingsregen zu seiner Zeit, und der die Wochen der Ernte einhält wie versprochen.“ Eure eigenen Missetaten haben diese Dinge verhindert, und eure Sünden halten das Gute von euch fern“ (Jer 5:23-25).

„Du hast Mich verlassen, spricht der Herr, und rückwärts geht dein Weg fortwährend. Daher werde Ich Meine Hand gegen dich ausstrecken und dich verderben; Ich bin es müde, mich immer wieder erweichen zu lassen“ (Jer 15:6).

„Aber Ich halte dir entgegen, dass du die Liebe, die du zuerst hattest, verloren hast. Gedenke also dessen, wovon du abgefallen bist, und bereue und tue wieder, wie du früher getan hast; anderenfalls werde Ich zu dir kommen und deinen Leuchter von seinem Platz fortstoßen – es sei denn, du bereust“ (Rev. 2:4-5).

Gottes Grimm, so wie er sich in der Züchtigung Seiner Kinder äußert, steht nicht im Gegensatz, sondern im Einklang mit Seiner Liebe. Mancher will uns weismachen, dass wir die Rute nicht einsetzen dürfen, weil das nicht liebevoll sei. Die Bibel aber sagt uns das Gegenteil:

Ich weiß, o Herr, dass Deine Urteile gerecht sind Und dass Du mich in Treue niedergebeugt hast (Ps 119:75).

Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, gleich wie ein Vater den Sohn, an dem er Gefallen hat (Spr 3:12).

„Mein Sohn, achte die Züchtigung des Herrn weder gering noch verzage, wenn du von Ihm zurechtgewiesen wirst; denn die der Herr liebt, die züchtigt Er, und Er sucht einen Jeden heim, den Er als Sohn aufnimmt“ (Heb 12:5-6).

„Die ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun“ (Off 3:19).

Das Buch der Sprüche sagt Eltern: ein Kind zu lieben heißt, es zu züchtigen; und wenn man versäumt, es zu züchtigen, so bedeutet das, dass man es nicht liebt.

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Gerechte Entrüstung über Widersetzlichkeit und Ungehorsam eines Kindes entsteht aus dem Wissen der Eltern, dass solche Haltung und Benehmen nicht den eigentlichen Interessen des Kindes dienen, sondern zu seiner Vernichtung führen. Zorn (und die Rute) stehen nicht im Widerspruch zur elterlichen Liebe, sondern sie sind ein Ausdruck der Liebe.

4. GERECHTER ZORN ERHEBT SICH LANGSAM. Fromme Menschen sind wie Gott, der langsam zum Zorn ist. Der Zorn der Bösen dagegen entflammt rasch.

Du aber, o Herr, bist ein barmherziger und gnädiger Gott, langsam zum Zorn und überströmend an Güte und Wahrhaftigkeit (Ps 86:15).

Wer langsam ist zum Zorn, ist reich an Verständnis; Aber wer reizbar ist, vermehrt die Torheit (Spr 14:29).

Der langsam ist zum Zorn ist besser als ein Starker, Und der seinen Geist beherrscht als der Eroberer einer Stadt (16:32).

Ihr wisst dies, meine geliebten Brüder. Jeder Mensch soll schnell sein zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn; denn des Menschen Zorn bewirkt nicht Gottes Gerechtigkeit (Jak 1:19-20).

Gerechter Zorn ist nicht impulsiv und entzündet sich nicht an Nichtigkeiten. Eine derartige unüberlegte Entrüstung wäre vielmehr menschlicher, sündiger Zorn, der keinen Platz im christlichen Leben hat und keinen positiven Beitrag zur Erziehung leistet.

5. GERECHTER ZORN WIRD PROMPT ZUM AUSDRUCK GEBRACHT UND NICHT UNNÖTIG LANGE AUFRECHT ERHALTEN.56 Gott ist zwar langsam zum Zorn; doch wenn Er einmal zornig ist, handelt Er nicht langsam. Wenn sich die göttliche Züchtigung als Ausdruck Seines Zornes über die Menschen ergießt, so geschieht das prompt und heftig, geht aber andererseits auch schnell wieder vorüber.

„Ich Meinerseits [will] euch Dieses zufügen: Ich will euch mit plötzlichem Schrecken heimsuchen“ (Lev 26:16).

So ließ Er ihre Tage in Vergeblichkeit enden Und ihre Jahre in plötzlichem Schrecken (Ps 78:33).

Daher wird plötzlich sein Unheil kommen; In einem Augenblick wird er zerbrochen werden, und es wird keine Heilung geben (Spr 6:15).

Ein Mann, der trotz vieler Zurechtweisung halsstarrig bleibt, Wird plötzlich zerbrochen und kann nicht mehr geheilt werden (Spr 29:1).

Weil das Urteil über eine schlechte Tat nicht eilends vollzogen wird, sind die Herzen der Menschensöhne unter ihnen vollständig darauf ausgerichtet, Böses zu tun (Pr 8:11).

Aber plötzlich werden diese Dinge über dich kommen, an einem Tag: dass du deine Kinder verlierst und Witwe bist. Sie werden in vollem Maße über dich kommen, trotz deiner vielen Zaubereien und der großen Macht deiner Beschwörungen (Jes 47:9, vgl. auch Vers 11).

Während sie noch sagen „Friede, Sicherheit!“, wird die Vernichtung plötzlich über sie kommen, gleichwie die Geburtswehen über eine schwangere Frau; und sie werden ihr nicht entrinnen (1.Th 5:3).

Diesen Grundsatz – dass nämlich unser Zorn prompt und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden muss – sollten wir meiner Meinung nach nicht nur bei der Erziehung unserer Kinder, sondern in all unseren Beziehungen anwenden.

Zürnet, aber sündigt nicht; lasst die Sonne über eurem Grimm nicht untergehen und gebt dem Teufel keinen Raum (Eph 4:26-27).

Manche Christen meinen, dass jeder Zorn schlecht ist, und versuchen daher, ihren Ärger zu unterdrücken, selbst wenn er gerechtfertigt ist. Ich glaube, jeder Ärger, der nicht umgehend erledigt wird, kann – selbst wenn er gerecht ist – umschlagen und zu einem Schwachpunkt in unserem Leben werden, den Satan dann ausnutzt.

Im 37. Psalm mahnt David die Gerechten, nicht bekümmert zu sein, wenn die Bösen trotz ihrer Sünden ungeschoren davonkommen. Die Lösung dieses Problems liegt nicht in der Macht der Rechtschaffenen selbst, und sie müssen deshalb lernen, sich nicht über die Übeltäter aufzuregen, sondern sich (und die göttliche Vergeltung) in die Hand Gottes zu legen, der am Ende Alles recht macht. Auch wir müssen mit unserem Ärger so umgehen, dass wir uns in Gottes Hand begeben und darauf vertrauen, dass Er die Vergeltung bewirkt, anstatt selbst nach Rache zu streben. Aber selbst in diesem Fall, wo es uns nicht obliegt, Etwas gegen den Sünder zu unternehmen, müssen wir unseren Ärger rasch dem Herrn anvertrauen, damit er uns nicht zur Sünde verführt.

Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Achtet auf das, was richtig ist in den Augen aller Menschen. Wenn möglich und soweit es von euch abhängt, haltet Frieden mit allen Menschen. Rächt euch selber nicht, Geliebte, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum, denn es steht geschrieben: „‚Mein ist die Rache, Ich will vergelten’, spricht der Herr“ (Rö 12: 17-19).

Einerseits dürfen wir nicht selbst nach Rache streben, und manchmal sind wir vielleicht auch nicht in der Lage, einen schlechten Menschen zu bessern (im Allgemeinen aber sind wir schon dafür verantwortlich, unsere Kinder zu verbessern, wenn sie etwas Falsches tun). Andererseits kann es unseren Ärger leicht zum Siedepunkt bringen, wenn wir eine Züchtigung unseres Kindes unnötigerweise verzögern – und das Kind mag dadurch zu der irrigen Annahme verleitet werden, dass Sünde ungestraft bleibt. Zurechtweisung, so sagt uns die Bibel meiner Meinung nach, muss prompt angebracht werden, weil unser Zorn nicht zu lange kochen darf.

Wenn die ‚schlechte Nachricht’ darin besteht, dass Gottes Züchtigung rasch über uns kommt, sobald Sein Zorn erst einmal entflammt ist, so ist die ‚gute Nachricht’ die, dass Sein Zorn auch rasch vorübergeht.

Singt das Lob des Herrn, ihr Seine Frommen, und danket Seinem heiligen Namen. Denn Sein Zorn währet nur einen Augenblick, Aber Sein Wohlwollen ein Leben lang; Den Abend lang mag das Weinen währen, aber am Morgen erschallen die Jubelrufe (Ps 30:4-5).

Der Herr ist barmherzig und gnädig, Langsam zum Zorn und überströmend von Güte. Er wird nicht für immer mit uns hadern, Noch wird Er ewig zornig bleiben (Ps 103:8-9).

„Für einen kurzen Augenblick habe Ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde Ich dich wieder sammeln. In der Flut Meines Zornes verbarg Ich mein Angesicht einen Moment lang vor dir, aber mit immerwährender Güte will Ich mich deiner erbarmen“, so spricht der Herr, dein Erlöser (Jes 54:7-8).

6. DIE RUTE VERLEIHT DEM GERECHTEN ZORN AUSDRUCK, ABER SIE VERTREIBT IHN AUCH. Züchtigung tut den Erfordernissen von Gottes Gerechtigkeit Genüge und beschwichtigt daher Seinen Zorn. Das ist ein Grund dafür, dass der göttliche Zorn rasch vorübergeht.

„So wird Mein Grimm zu seinem Ende kommen, und Ich werde Meinem Zorn über sie Genüge getan haben und beschwichtigt sein; dann werden sie erkennen, dass Ich, der Herr, in Meinem Eifer gesprochen habe, wenn Ich Meinen Zorn über sie zu Ende gebracht habe“ (Hes 5:13).

Eine der großen Doktrinen der Bibel ist die der Versöhnung. Wer das Neue Testament studiert, versteht, dass der Tod Jesu Christi am Kreuz von Golgatha Gottes gerechtem Vergeltungsbedürfnis für die Sünde Genüge tat. Dass der Mensch nicht länger den Zorn eines grimmigen Gottes fürchten muss, ist Teil der guten Botschaft des Evangeliums. Christi Werk am Kreuz lässt den Sünder in Frieden leben mit Gott und söhnt Gott, andersherum ausgedrückt, mit dem Sünder aus.

Meine Kindlein, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigen möget. Wenn aber Jemand sündigt, so haben wir beim Vater einen Fürsprecher, Jesus Christus, der gerecht ist; und Er ist selbst die Sühne für unsere Sünden, und nicht nur für die Unseren, sondern auch für die der ganzen Welt (1.Jo 2:1-2).

Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt hat und sandte Seinen Sohn zur Versöhnung unserer Sünden (1.Jo 4:10).

Die körperlichen Schmerzen des Kreuzestodes fürchtete unser Herr weniger (Mat 26:36-46), als den Zorn Gottes zu ertragen. Wer seinen Glauben und sein Vertrauen auf die Person und das Werk Christi gesetzt hat, ist sich dessen bewusst, dass der Zorn, den Er trug, uns galt, denn als Ungläubige waren wir „Kinder des Zorns“ (Eph 2:3). Wer auf Christus vertraut, muss den Zorn Gottes nicht länger fürchten, denn unser Herr hat ihn an unserer Stelle erlitten.

Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm (Joh 3:36).

Gott aber erweist Seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. Um wieviel mehr werden wir durch Ihn also nun, da wir durch Sein Blut gerecht gemacht worden sind, vor Gottes Zorn bewahrt werden. Denn wenn wir, während wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, um wieviel mehr werden wir dann jetzt, wo wir versöhnt worden sind, durch Sein Leben gerettet werden (Rö 5:8-10).

Wie andere Menschen jener Zeit auch, durchlebten Noah und seine Familie die Qualen der Sintflut. Der entscheidende Unterschied bestand für Noah darin, dass er in der Arche war und die Anderen draußen. Die Arche widerstand dem Zorn des Unwetters und rettete die, die in ihr lebten. Auf die gleiche Art kann ‚in Christus zu leben’ einen Mann oder eine Frau retten. Ihn traf der Zorn Gottes. In Ihm überstehen wir Gottes Zorn und in Ihm haben wir das ewige Leben. Zu wissen, dass Gottes gerechter Zorn durch Christus Genüge getan wurde, ist Teil der Freude über unsere Erlösung.

Richtig durchgeführt zerstreut die elterliche Züchtigung den Zorn genauso, wie die göttliche Züchtigung es tut. In erster Linie tut die elterliche Zucht dem gerechten Zorn der Eltern Genüge. In meiner Zeit als Lehrer an einer öffentlichen Schule war es immer wieder interessant, das Gefühl der Entspannung in der ganzen Klasse (und besonders bei dem, der gezüchtigt worden war) zu spüren, wenn wir aus dem Vorraum wieder hereinkamen und ich den Schlagstock in den Schrank zurück stellte. Die Schüler wussten, es war jetzt vorbei – erledigt. Der Gerechtigkeit war Genüge getan worden.

Ich glaube, in einer etwas anderen Weise vertreibt die Rute auch den Zorn desjenigen, der gezüchtigt wird. Ich habe viele Kinder erlebt, die richtiggehende Feindseligkeit in sich aufgebaut hatten – aber nach einem kurzen Intermezzo im Vorraum war ihr Zorn verflogen. Mit den Tränen bringt die Rute, so scheint es, auch den Zorn zum Ausbruch, der sich in einem Kind aufstauen kann. Ein Kind, das nicht zurechtgewiesen, das „sich selbst überlassen“ wird (Spr 29:15), baut leicht immer mehr Aggressionen auf, die schließlich in irgendwelchen destruktiven Verhaltensweisen zum Ausbruch gelangen können. Die Rute entlastet den Druck solcher Gefühle, indem sie diese vertreibt.

Ein biblisches Beispiel dafür finde ich bei David, als er versäumte, sich mit seinem Sohn Absalom auseinanderzusetzen. Amnon vergewaltigte Absaloms Schwester Tamar. David wurde darüber sehr zornig, aber er versäumte es, irgendetwas zu unternehmen (2.Sa 13:21-22). Auch Absalom war erzürnt über diese Tat. Wie sein Vater tat er nichts dagegen – zumindest eine Zeit lang. Schließlich aber rächte sich Absalom und tötete Amnon (13:23-29). Absalom floh in die Verbannung, und David versäumte es, als er sich über Amnons Tod getröstet hatte, nach ihm zu schicken, so lange, bis er schließlich dazu gedrängt wurde (14:1-21). Aber selbst nachdem David Absalom zurückgeholt hatte, setzte er sich nicht mit der bösen Tat auseinander, die dieser begangen hatte, sondern befahl, dass Absalom in seinem eigenen Hause bleiben und das Angesicht des Königs nicht sehen sollte (14:24). Infolgedessen wurde Absalom verbittert im Geist und entwickelte die Absicht, seinem Vater das Königtum wegzunehmen.

Hätte David Amnon mit Entschlossenheit gezüchtigt, so hätte Absalom wohl nie einen Mord begangen. Und hätte sich David mit der Sünde seines Sohnes Absalom auseinandergesetzt, wäre in seinem Königreich wahrscheinlich niemals eine solche Unruhe ausgebrochen. Denn wenn David Absalom für seine Sünde angemessen gezüchtigt hätte, wären dessen Zorn und Bitterkeit beschwichtigt worden.

Schlussfolgerung

Ich möchte in keiner Weise menschlichen, sündigen Zorn heilig sprechen; denn die Bibel lehrt uns, dass solcher Zorn abgelegt werden muss. Mancher, der diese Botschaft liest, mag vielleicht versucht sein, sie zur Rechtfertigung seiner Unbeherrschtheit und seiner Brutalität gegenüber seiner Frau, seinen Kindern und anderen Menschen heranzuziehen. Der ganz überwiegende Teil unseres Ärgers aber ist sündig, nicht geistlich. Gott verbietet uns, Sein Wort zu benutzen, um unsere Sünden zu ‚heiligen’, denn das ist ein Teil des alten Selbst, das wir ablegen müssen (Kol 2:5-11).

Wenn ich mich über meine Kinder und ihre Handlungen ärgere, entspricht das zugegebenermaßen meistens nicht der rechten Art von Zorn, und ich gehe auch oft mit meinem Zorn nicht bibelgemäß um. Trotzdem muss ich aber sagen, dass es andererseits wohl an der Zeit ist, wenn Sie und ich, die wir uns angewöhnt haben, Passivität und Selbstzufriedenheit als fromm zu betrachten, endlich einmal aus der Haut fahren. Wenn wir gottgemäß sein wollen, müssen wir erzürnt sein, wenn Jemand sündigt, und auch Etwas dagegen unternehmen – und sei es nur, dass wir darüber beten (vgl. Ps 37; 73). Manche Christen sündigen vielleicht, indem sie zornig werden; viel mehr Christen aber sündigen, weil sie nicht zornig werden, wo es angebracht wäre.

Von Henry Ward Beecher wird das folgende Zitat überliefert:

Ein Mensch, der nicht zornig sein kann, kann auch nicht gut sein. Ein Mensch, der nicht bis ins Innerste seines Herzens entrüstet sein kann über Schlechtigkeiten, ist entweder ein Schwamm oder ein böser Mensch.57

Und Powell Davies schreibt:

Damit ist etwas wirklich Ernst zu Nehmendes mit der Mehrheit der so genannten normalen Menschen passiert: Sie haben vergessen, wie man sich entrüstet. Und das liegt nicht daran, dass sie von Menschlichkeit und Güte überfließen, sondern daran, dass sie moralisch weich und nachgiebig geworden sind. Wenn sie Böses und Ungerechtigkeit erleben, werden sie von Schmerz aber nicht von Abscheu erfüllt. Sie murren und brummeln, [aber] nie schreien sie. Sie begehen die Sünde des Nicht-zornig-Seins.

Und doch wäre ihr Zorn über alles Andere hinaus das, was sie zählen ließe. Wenn sie schon keinen Kreuzzug anführen oder eine Reform in die Wege leiten können, so könnten sie doch zumindest die Bedingungen dafür schaffen, dass ein Kreuzzug wirkungsvoll und eine Reform erfolgreich wird. Der Zorn der Mehrheit könnte Anstand und Integrität ins öffentliche Leben zurück bringen, er könnte den korrupten Demagogen erschreckt zum Schweigen bringen und den Rufmörder in die Vergessenheit befördern. Er könnte ehrlichen Führern die Gelegenheit geben sich durchzusetzen.58

Wie George Matheson, der schottische Liederdichter und Prediger einmal sagte: „Es gibt Zeiten, wo ich gut daran tue, zornig zu sein, aber ich habe mich in den Zeiten geirrt.“59

Wenn gesagt wird, dass man nicht im Zorn züchtigen soll, heißt das für manche Menschen, dass man sein Kind niemals züchtigen darf, wenn man zornig ist – was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass Mancher von uns so selten züchtigt. Und die Anderen versäumen es zu züchtigen, weil sie nicht zornig genug sind. Zu sagen, dass man nie im Zorn züchtigen sollte, ist dasselbe wie zu sagen, dass man nie essen sollte, wenn man hungrig ist, oder nie weinen, wenn man traurig ist. Es ist in Ordnung, Zorn zu empfinden, so lange er angemessen begründet ist und angemessen auf sein Ziel begrenzt wird. Wenn uns der Zorn dagegen die Selbstbeherrschung verlieren und Kinder verletzen oder misshandeln lässt, müssen wir lernen, ihn zu beherrschen, so wie wir auch andere Gefühle und Gelüste zu beherrschen lernen müssen. Aber wir wollen den Zorn nicht pauschal verurteilen – das ginge zu weit.

Denen, die uns weismachen wollen, ein Kind zu schlagen bedeute, ihm „eine Kostprobe aus dem Urwald“ zu geben, kann ich nur sagen, dass es grausamer und unmenschlicher ist, das Kind nicht zu schlagen (oder in anderer Weise zu züchtigen) als Gebrauch von der Rute zu machen. Viele Eltern haben ihre Kinder schon misshandelt, weil sie die Rute nicht eingesetzt haben. Der Zorn der Eltern baut sich dann immer weiter auf, bis sie schließlich so in Rage geraten, dass sie das Kind mit der Faust schlagen oder mit einer Lampe, oder es erschießen. Auch manches Kind ist immer zorniger und feindseliger geworden, weil es nicht gezüchtigt wurde, wie das Beispiel von Absalom zeigt.

Lassen Sie uns zuerst die Freude erfahren zu wissen, dass Gottes Zorn über die Sünder versöhnt worden ist, dass ihm Genüge getan wurde durch das Erlösungswerk des Kreuzes. Lassen Sie uns dann die Grundsätze der göttlichen Züchtigung und der Rute zu verstehen und Erziehungsprozess anzuwenden suchen, durch Gottes Gnade und zu Seinem Ruhm.


54 Margaret Johnston Hess, “What to Do with Your Anger” [Was tun, wenn man sich ärgert]. Eternity, April 1972.

55 Ibid.

56 Es ist wichtig, hier zwischen Gottes Zurechtweisung, der Züchtigung Seiner Kinder, und Gottes Gericht über die Ungläubigen zu unterscheiden. Gottes Zorn über die Ungläubigen kommt nicht sofort zum Ausdruck, damit die Menschen noch Gelegenheit zur Buße bekommen (2.Pe 3:9). Wenn Gottes Zorn nämlich erst einmal über die Ungläubigen hereinbricht, wird es kein Zurück mehr geben (vgl. 2.Th 2:11-12) und Sein Zorn wird ewig sein. Dass sich Züchtigung (für die Gläubigen) und Gericht (über die Ungläubigen) unterschiedlich vollziehen, liegt also größtenteils daran, dass eine jeweils andere Absicht dahinter steht: Züchtigung soll zurechtweisen, das Gericht aber bestrafen.

57 Keine Literaturstelle bekannt.

58 Norman V. Hope, “How to Be Good – and Mad” [„Wie man ein guter Mensch wird – und ein wütender“]. Christianity Today [Christentum heute], 19. Juli, S. 119.

59 Ibid.

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19. Weisheit und Kindererziehung (Teil VI)

Die Ziele, der Ablauf
und das Privileg der göttlichen Züchtigung

Einleitung

Immer, wenn ich gebeten werde zwei Menschen miteinander zu verheiraten, versuche ich unter Anderem herauszufinden, wie weit jeder von den Beiden zu einer dauerhaften Beziehung entschlossen ist. Eine solche Selbstverpflichtung zur Dauerhaftigkeit hat tiefgreifenden Einfluss auf die Beziehung. Ich will Ihnen erläutern, warum das so ist.

In jüngerer Zeit werden allzu viele Ehen nur auf einer bedingten Verpflichtung aufgebaut. Jeder fühlt sich dem Anderen genau so lange verpflichtet, wie der seinen Erwartungen entspricht, so lange, wie beide glücklich sind und Erfüllung finden. Sobald sich in der Beziehung Probleme auftun, wird jedem der Beiden bewusst, dass es ja noch eine andere Möglichkeit gibt, eine Ausflucht – die Scheidung. Wenn man aber davon ausgeht, dass man eine unerfreuliche Beziehung nur so lange ertragen muss, wie einem der Sinn danach steht, dann bringt man erheblich weniger Mühe auf, um diese Beziehung wachsen und tiefer werden zu lassen. Wenn man in eine Ehe investiert, die vielleicht schon bald wieder zu Ende ist, macht das ungefähr genau so viel Sinn, wie wenn man einen höheren Beitrag zur Sozialversicherung einzahlen würde.

Eine christliche Ehe soll man mit der Verpflichtung zur Dauerhaftigkeit eingehen. Unser Herr drückte das so aus: „Was also Gott zusammengefügt hat, das soll kein Mensch trennen“ (Mat 19:6). Wenn ein christliches Paar einen Konflikt erlebt (was unweigerlich auf es zukommen wird), müssen Beide bei ihrer Auseinandersetzung stets den Gedanken im Kopf haben: „Egal, was passiert, mit diesem Menschen zusammen werde ich den Rest meines Lebens verbringen.“ Ich kann Ihnen sagen, dass die Art, in der wir Probleme in unseren Beziehungen lösen, durch eine solche Festlegung ganz schön beeinflusst wird. Wenn Sie Ihre Frau sicher nie wiedersehen würden, könnten Sie leicht versucht sein, mancherlei hässliche Dinge zu sagen und zu tun. Da Sie aber wissen, dass Sie morgen und übermorgen und überübermorgen immer noch mit ihr leben, mit ihr arbeiten und mit ihr sprechen werden, sehen Sie sich sicher eher vor, Ihre Beziehung nicht zu beeinträchtigen. Die Dauerhaftigkeit einer Beziehung bestimmt also, wie wir die Konflikte angehen, die innerhalb dieser Beziehung auftreten.

Wenn wir Kinder erziehen, gilt genau der gleiche Grundsatz im Hinblick auf das Vorgehen bei einer Zurechtweisung. Göttliche Zucht ist Gottes Art, im Leben Seiner Söhne zu wirken, um sie zu gehorsamen und loyalen Kindern zu machen. Egal, was passiert – wenn wir einmal Kinder Seines Glaubens in Christus geworden sind, werden wir immer Seine Kinder bleiben. Gottes Umgang mit uns wird durch die Tatsache bestimmt, dass wir Seine Kinder sind und immer bleiben werden. Genauso werden wir uns bei der Bestrafung eines Kindes durch die Tatsache leiten lassen, dass wir das Kind in der Zucht halten wollen. Das Verhältnis zwischen uns und unserem Kind bestimmt, wann und wie wir die ‚Rute’ einsetzen.

In dieser Botschaft möchte ich mich auf einige wichtige Grundsätze konzentrieren, die den Erziehungsprozess leiten sollen. Der erste Grundsatz hat mit den Zwecken und Zielen der Züchtigung zu tun. Der Zweite bestimmt die Durchführung der Züchtigung. Der Dritte erinnert uns daran, dass Züchtigung ein Privileg ist. Lassen Sie uns diese wichtigen Tatsachen im Auge behalten, wenn sich jetzt unsere Studien über die Kindererziehung in den Sprüchen dem Ende nähern.

Die Ziele der göttlichen Züchtigung

Das Verhältnis eines Menschen zu Gott ist Ausschlag gebend dafür, wie Gott sich ihm gegenüber verhalten wird, und macht den Unterschied zwischen Züchtigung und Verdammnis aus. Wenn Gott Jemanden zu ewiger Verdammnis verurteilt, lässt Er ihm damit nur das zuteil werden, wonach derjenige selber strebt und was er andererseits auch verdient. Gott handelt absolut gerecht und richtig in SeinemGericht über den Sünder.

Wenn Gott einen Sohn züchtigt, tut Er das weniger, um ihn zu bestrafen, als um ihn zu bessern. Rehabilitation – dieser Begriff, der häufig auf unser Gefängnissystem bezogen gebraucht wird –, hat viel mehr Bedeutung für einen Christen als für einen Kriminellen. Gott züchtigt Seine Söhne, damit sie sich von ihren bösen Wegen abkehren und dem Weg der Weisheit und Gerechtigkeit zuwenden. Gottes Kinder müssen nicht bestraft werden, denn Christus hat ihre Strafe am Kreuz von Golgatha übernommen. Daher ist göttliche Züchtigung eher eine Zurechtweisung als eine Strafe.

Göttliche Züchtigung dient zwar vielerlei Zwecken; hier möchte ich mich aber nur auf den der Wiedervereinigung oder Versöhnung konzentrieren. Sünde trennt den Menschen von Gott. Als Adam und Eva sündigten, zogen sie sich damit aus der engen Gemeinschaft zurück, die sie zuvor mit Ihm genossen hatten (Gen 3:8). Und die, die Gottes Angebot zur Erlösung in Christus zurückweisen, werden in Ewigkeit aus der Gegenwart Gottes ausgesondert werden (2.Th 1:9). Der Tod Christi hat die Mauer zwischen Gott und Mensch beseitigt. Die ihr Vertrauen in Christus gesetzt haben, sind dagegen mit Gott versöhnt worden (Rö 5:10; 2.Kor 5:18; Kol 1:20-21).

Ein Christ kann durch die Sünden in seinem Leben niemals in dem Sinne von Christus getrennt werden, dass er seine Erlösung verlieren würde. In jedem Fall beeinträchtigt Sünde jedoch die Vertrautheit und die Freude in der Beziehung zwischen einem Heiligen und seinem Erlöser. Dieser Verlust der Vertrautheit zwischen einem Christen und dem Herrn wird oft als ‚being out of fellowship’ [‚die Gesellschaft Gottes verlassen’] bezeichnet. Ich empfinde hier zwar den Begriff ‚Gesellschaft’ als nicht besonders passend; aber der Zustand, den dieser Begriff zu beschreiben versucht, existiert tatsächlich. Wenn ein Mann und eine Frau streiten, ‚verlassen sie nicht ihre Ehe’, sondern es ist einfach so, dass ihr Verhältnis sich für die Zeit ihrer Uneinigkeit verschlechert und nicht mehr das ist, was es eigentlich sein könnte. Genauso kann auch ein Christ sein Verhältnis zu Gott nicht in vollem Ausmaß genießen, wenn er absichtlich sündigt.

Als ich stillschwieg über meine Sünde, verzehrte sich mein Körper durch mein andauerndes Stöhnen. Tag und Nacht lag Deine Hand schwer auf mir; meine Lebenskraft wurde mir entzogen wie in der Fieberhitze des Sommers. Schließlich erkannte ich meine Sündigkeit an vor Dir und verbarg meine Unzulänglichkeit nicht mehr; ich sagte: „Meine Verfehlungen will ich vor dem Herrn bekennen“, und Du vergabst die Schuld meiner Sünden (Ps 32:3-5; vgl. Ps 51).

Eines der Ziele göttlicher Züchtigung besteht darin, die Schranken zu beseitigen, die dem Genuss der ‚Gesellschaft’ mit Gott entgegen stehen, und das Verhältnis zwischen Gott und dem sündigen Heiligen wieder herzustellen – zu Vertrautheit und Freude statt Unbehaglichkeit und Entfremdung. Der Ungläubige wird am Ende bestraft, indem er in Ewigkeit aus Gottes Gegenwart ausgesondert wird (2.Th 1:9); der Heilige, der sündigt, aber wird gezüchtigt, damit er die vertraute Gemeinschaft mit Gott wieder erlangen kann:

„Die Ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun. Siehe, Ich stehe an der Tür und klopfe an; und wenn einer Meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde Ich zu ihm eingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit Mir“ (Off 3:19-20).

Göttliche Züchtigung verfolgt also mindestens zwei Ziele: Gerechtigkeit und ein intaktes Verhältnis. Gottes Züchtigung sucht den eigensinnigen Heiligen von der Sünde zur Heiligkeit zurückzubringen und sein Verhältnis zu Gott von der Belastung durch die Sünde zu befreien, damit Vertrautheit und Gemeinschaft wieder hergestellt werden.

Manchmal erfordert göttliche Züchtigung eine vorübergehende Entfremdung oder Trennung, um dadurch die Buße und Wiedervereinigung zu erreichen. Im Falle des in offensichtlicher Sünde lebenden korinthischen Christen forderte Paulus, dass dieser gemieden, aus der Gesellschaft ausgeschlossen, ja sogar Satan zur Bestrafung übergeben werden sollte; aber das Ziel dieser Züchtigung war letztendlich doch die Wiederherstellung der Gemeinschaft (vgl. 1.Kor 5:1-13). Im Falle des Verlorenen Sohnes in Lukas 15 war es der Sohn selbst, der sich aus der Gemeinschaft entfernte, am Ende aber kehrte er dorthin zurück.

Ich weiß, dass manche Menschen die Isolation als eine nicht besonders gute Form der Strafe darstellen, aber ich kann diese Auffassung eigentlich nicht teilen. Warum sollte man die Isolation nicht als eine mögliche Option betrachten, wenn die elterliche Züchtigung doch nach dem Vorbild der göttlichen Züchtigung gestaltet werden soll? Sünde selbst trennt. Christen sollen sich von bestimmten Sündern fernhalten (Mat 18:15-17; 1.Kor 5), und es steht fest, dass Gott die Ungläubigen aus Seiner Macht und Gegenwart aussondern wird (2.Th 1:9). Ein zeitweiliger Ausschluss oder eine vorübergehende Trennung gibt einen Vorgeschmack auf die Folgen der Sünde und kann daher durchaus ein angemessener Weg zur Züchtigung eines ungehorsamen Kindes sein.

Der Haupteinwand gegen eine Isolation ist der, dass sie Groll und Bitterkeit erzeugen kann. Das stimmt sicherlich, aber auch eine Tracht Prügel kann Groll auslösen – wenn das Kind denn töricht darauf reagieren will. Wir müssen daran denken, dass der Heilige Geist im Herzen eines Kindes arbeitet, und eine kurze Zeit der Einsamkeit kann genau die richtige Voraussetzung zum Nachdenken und Gewissenskampf sein. Ein Kind alleine auf sein Zimmer zu schicken, sollten wir deshalb nicht voreilig und gedankenlos als Möglichkeit zur Züchtigung verwerfen.

Ausschlag gebend bei der göttlichen Züchtigung ist die Tatsache, dass sie immer in der Hoffnung auf Buße und auf die Wiederherstellung der Vertrautheit mit Gott stattfindet, da unser Verhältnis als Kinder Gottes durch die Sünde ja nicht beendet wird. Das Gericht über die Sünder dagegen trägt keine solche Hoffnung in sich. Wo immer ich in der Bibel von Gottes Züchtigungen lese, sucht Gott doch immer – egal wie schwer oder langdauernd die Sünde gewesen sein mag – die Reue des Sünders zu bewirken und bietet immer Hoffnung auf Vergebung und Wiedervereinigung. Selbst im tiefsten Leid, das Israel seiner großen Sünden wegen zu tragen hatte, konnte das Volk auf Gott schauen und wissen, dass Er mitleidig und barmherzig ist und dass es immer Hoffnung gibt:

Tatsächlich enden niemals die Taten der Güte des Herrn, denn Sein Erbarmen versagt nie. Sie sind alle Morgen neu, und groß ist Deine Treue. „Der Herr ist mein Teil“, sagt meine Seele, „darum hoffe ich auf Ihn.“ Der Herr ist freundlich zu denen, die auf Ihn harren, zu dem Menschen, der Ihn sucht. ... Denn der Herr wird nicht auf immer verstoßen; denn wo Er Leid verursacht, wird Er Sich wieder erbarmen nach der Fülle Seiner Güte. Denn nicht aus Seinem eigenen Herzen bedrückt er oder betrübt die Menschensöhne (Klg 3:22-25, 31-33).

Noch die Warnungen Gottes vor dem drohenden Gericht beinhalten explizit oder implizit die Zusicherung, dass Er Seinen Zorn zurückhalten möchte, wenn Sein Volk nur bereut und sich von seinem bösen Weg abkehrt:

Dann erging das Wort des Herrn an mich: „Kann Ich nicht; o Haus Israel, mit dir verfahren, wie es dieser Töpfer tut?“ spricht der Herr. „Siehe, wie der Ton in des Töpfers Hand bist du in Meiner Hand, o Haus Israel. In einem Augenblick mag Ich über ein Volk oder ein Königreich sprechen, dass Ich es ausrotten, niederreißen oder zerstören werde; wenn sich aber das Volk, gegen das Ich gesprochen habe, von seiner Bosheit abkehrt, wird Mich auch das Unheil reuen, das Ich über sie zu bringen dachte (Jer 18:5-8).

Jeremia wusste, dass Gott Seinem Volk aufs Neue Barmherzigkeit erweisen würde, nachdem Er sie gezüchtigt hatte, um ihre Herzen zu Ihm zurück zu bringen. Er würde sie zurück in das Land bringen und dort Seine Segnungen über ihnen ausgießen:

„Und es wird geschehen, dass Ich Mich, nachdem Ich sie ausgerissen habe, wieder über sie erbarme; und Ich werde sie zurück bringen, einen Jeden zu seinem Erbteil und auf sein Land“ (Jer 12:15).

Fast immer, wenn Gott Seine Propheten sandte, um Sein Volk vor Seinem kommenden Zorn zu warnen, bereitete Er gleichzeitig einen „Ausweg“, auf dem die Strafe abgewendet und die Vertrautheit mit Gott erneuert werden konnte:

Hört und merkt auf, und seid nicht hochmütig, denn der Herr hat gesprochen. Gebt dem Herrn, Eurem Gott, die Ehre, bevor Er Finsternis bringt und eure Füße auf den Bergen in der Dämmerung stolpern und Er das Licht, auf das ihr noch hofft, zu tiefer Dunkelheit macht und in Düsternis verwandelt (Jer 13:15-16).

An einem bestimmten Punkt gab es kein Zurück mehr für das Volk Gottes. Als Jesaja zum Prophetentum berufen wurde, hatte Israel die Zeit zur Reue schon verpasst, und Jesajas Worte kündeten von der bevorstehenden Düsternis (vgl. Jes 6:9-12). Und doch gab es selbst dann noch Hoffnung, denn Gott versprach einen Rest des Volkes zu bewahren, an dem Er alle Zusagen Seines Bundes erfüllen würde (Jes 6:13; vg. Rö 11:1-10).

Hier stoßen wir auf einen der wichtigsten Zwecke des Prophetentums – die Hoffnung selbst im größten Leid aufrecht zu erhalten. Viele der Prophezeiungen sind zwar Warnungen vor dem, was geschehen wird, wenn Gottes Volk in seiner Sünde verharrt – aber die Übrigen beinhalten dafür großenteils das Versprechen dessen, was Gott an Heilung und Segnungen bewirken wird, wenn Seine Züchtigungen erst einmal ihren Zweck erfüllt haben:

Dies ist das Wort, das vom Herrn an Jeremia erging: „So spricht der Herr, der Gott Israels: ‚Schreibe alle die Worte, die Ich zu dir gesprochen habe, in ein Buch. Denn siehe, es wird eine Zeit kommen,’ spricht der Herr, ‚wo Ich die Geschicke Meines Volkes Israel und Juda wenden werde.’ Der Herr spricht: ‚Und Ich werde sie zurück bringen in das Land, das Ich ihren Vorvätern gab, und sie werden es besitzen’“ (Jer 30:1-2).

„Und fürchte dich nicht, o mein Knecht Jakob,“ spricht der Herr, „und sei nicht bestürzt, o Israel. Denn siehe, Ich will dich aus der Ferne erretten und deine Nachkommen aus dem Land ihrer Gefangenschaft. Und Jakob soll zurückkehren und Ruhe haben und ohne Sorge sein, und niemand soll ihn schrecken. Denn Ich bin bei dir,“ spricht der Herr, „um dich zu erretten; denn Ich will all die Völker vollständig vernichten, unter die Ich dich zerstreut habe, nur dich will Ich nicht vollständig vernichten. Aber Ich will dich in gerechtem Maße züchtigen und werde dich keineswegs ungestraft lassen (Jer 30:10-11).

Der Herr erchien mir von ferne und sprach: „Ich habe dich mit immerwährender Liebe geliebt; darum habe Ich dich zu mir gezogen mit lauter Güte. ... Hört das Wort des Herrn, ihr Völker, und verkündet an den fernen Küsten und sprecht: „Der Israel zerstreut hat, wird es wieder sammeln und es behüten wie ein Hirte seine Herde. ... Denn Ich werde ihre Trauer in Freude verwandeln und sie trösten und ihnen Freude statt Betrübnis geben (Jer 31:3,10,13b).

Auch die vielleicht bedeutsamste Stelle findet sich in diesem Kapitel im Buch Jeremia. Inmitten allen Kummers, den sie um ihrer Halsstarrigkeit Willen erleiden, lässt Gott hier einen Ton der Hoffnung und des Triumphes erklingen. Gott hat Sein Volk gezüchtigt, um sie zur Reue zu bewegen und sie an den Platz zurückzubringen, den sie aus eigenem Willen aufgegeben hatten:

So spricht der Herr: „Mäßige das Weinen in deiner Stimme und die Tränen in deinen Augen. Denn deine Mühe soll belohnt werden,“ spricht der Herr, „und sie sollen aus dem Land ihrer Feinde zurückkehren. Und es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft,“ spricht der Herr, „und deine Kinder sollen wieder in ihre Heimat kommen. Ich habe wohl gehört, wie Ephraim klagt: ‚Du hast mich gezüchtigt, und ich wurde gezüchtigt wie ein junger Stier, der noch nicht abgerichtet ist. Bring mich zur Umkehr, dass ich wieder hergestellt werde, denn Du bist der Herr, mein Gott. Denn nachdem ich bekehrt worden war, bereute ich, und nachdem ich zur Einsicht gebracht worden war, schlug ich mir an die Brust. Ich wurde beschämt und gedemütigt, denn ich trug die Schande meiner Jugend.’ Ist Ephraim Mein teurer Sohn? Ist er ein liebes Kind? So oft Ich auch gegen ihn gesprochen habe, gedenke Ich seiner doch gewiss auch weiterhin. Darum sehnt sich Mein Herz nach ihm, und Ich werde Mich seiner gewiss erbarmen,“ spricht der Herr (Jer 31:16-20).

In diesen prophetischen Texten (vor Allem in dem Letzten), finde ich eine bemerkenswerte Parallele zu der Züchtigung von Kindern, wie sie uns das Buch der Sprüche lehrt. Ist Ihnen aufgefallen, dass Gottes Liebe zu Seinem Volk mit der eines Vaters für seinen Sohn gleich gesetzt wird (vgl. Spr. 3:11-12)? Die Zucht oder Züchtigung, die Israel erhielt, wird ausdrücklich mit der verglichen, die einem Jugendlichen typischerweise zuteil wird (Jer 31:19). Gottes Züchtigung, so schwerwiegend sie auch sein mochte, galt denen, die er von Herzen liebte, und geschah zu dem Zweck, sie zur Reue und Umkehr zu bewegen (vgl. 31:18-19).

Damit finden wir in den Sprüchen die Züchtigung als lebensrettend und Leben spendend beschrieben. Die elterliche Erziehung sollte nicht nur von Hoffnung getragen sein, sondern auch dem Kind Hoffnung geben:

Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Lehre ist ein Licht; Und die Zurechtweisungen der Zucht sind der Weg des Lebens (6:23).

Wer die Zurechtweisung befolgt, ist auf dem Pfad des Lebens, Aber wer die Zucht verlässt, geht in die Irre (10:17).

Die Lehren der Weisen sind ein Quell des Lebens, Um sich abzuwenden von den Schlingen des Todes (13:14).

Wer die Rute zurückhält, hasst seinen Sohn; Aber wer ihn liebt, sucht ihn heim mit Züchtigung (13:24).

Strenge Zucht ist für den, der den Weg verlässt; Und wer Zurechtweisung hasst, wird sterben (15:10).

Züchtige deinen Sohn, denn darin liegt die Hoffnung; Lass dich nicht hinreißen, zu seinem Tod beizutragen (19:18, NIV).

Daraus lernen wir, dass elterliche Zucht ein Kind niemals zur Verzweiflung, sondern vielmehr zur Reue bringen soll. Elterliche Zucht, die nach dem Vorbild von Gottes Zucht gestaltet wird, sollte zwar die Rute einsetzen, gleichzeitig aber auch klar machen, dass Gott ein Mittel zur Heilung der Sünder bereit hält. Wenn Menschen durch die Zucht demütig gemacht und dazu gebracht werden, ihre Sünden zu bekennen und zu bereuen, so wird Gott ihnen vergeben und sie erneut an den Ort vertrauter Gemeinschaft mit Ihm setzen.

Wer seine Übertretungen zudeckt, wird kein Gelingen haben, Doch wer sie bekennt und von ihnen lässt, wird Barmherzigkeit finden. Wohl dem, der allezeit Scheu empfindet; Aber wer sein Herz verhärtet, wird ins Unglück fallen (28:13-14).

Wo immer göttliche Züchtigung in der Bibel beschrieben wird, kann man feststellen, dass sie im Rahmen einer vertrauten Beziehung geschieht. Gottes ungehorsames Volk wird als Seine Braut (z.B. Jer 31:32) oder Sein Sohn (Jer 31:20) bezeichnet. Gottes Züchtigung entspringt Seiner Fürsorge und Betroffenheit als liebender Vater. Züchtigung ist notwendig, um den Ungehorsam von Gottes Volk zu beheben und das Verhältnis wieder herzustellen, das durch die Sünde beeinträchtigt wurde. Gott züchtigt nicht um zu zerstören, sondern um wieder herzustellen. Gott hält immer ein Heilmittel bereit und bietet immer eine Hoffnung. Gottes ungehorsames Kind weiß, dass sein himmlischer Vater leidenschaftlich darauf wartet, dass Sein eigensinniges Kind zurück kommt. Mit Sicherheit ist das eine der Aussagen der Geschichte vom Verlorenen Sohn (Luk 15:11-32).

Eine Lektion, die für uns Eltern daraus erwächst, ist, dass die Hoffnung auf Reue und Umkehr bis zu einem gewissen Grad von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung abhängt. Was Reue und Wiedervereinigung für den Sünder so attraktiv macht, sind doch die unvergleichlichen Segnungen, die er als Kind Gottes in Harmonie mit Ihm erfährt. Der Verlorene Sohn hätte wenig Veranlassung zu seinem Vater zurückzukehren, wenn sein Verhältnis zu ihm nicht so wäre, dass er es wiederhergestellt zu haben wünschte. Viele von uns haben vielleicht kein solches Verhältnis zu ihren Kindern, das zu Reue und Wiedervereinigung motiviert.

Lassen Sie uns in dieser Hinsicht versuchen Gott-ähnlich zu sein. Lassen Sie uns danach streben, dass wir ein Verhältnis zu unsereren Kindern entwickeln, in dem sich Liebe und Sorge ausdrücken. Lassen Sie uns unsere Kinder so züchtigen, dass sie ihre Sünden ablegen und dass unser Verhältnis zu ihnen nicht mehr unter der Entfremdung durch Sünde leiden muss. Lassen Sie uns auf so vielerlei Arten wie möglich ausdrücken, dass Züchtigung stets in Liebe und mit Hoffnung durchgeführt wird. Lassen Sie uns solche Eltern sein, zu denen unsere eigensinnigen Kinder gerne zurückkehren, nachdem sie zu sich selbst gefunden haben.

Der Ablauf
der göttlichen Züchtigung

Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich Schwierigkeiten mit einigen Stellen in den Sprüchen, die eigentlich zu vielversprechend scheinen. Stellen wie die folgenden scheinen doch zu versprechen, dass die Rute ein Kind unbedingt zur Gerechtigkeit bringen wird:

Hiebe und Wunden säubern vom Bösen, Und Schläge reinigen das innerste Wesen (20:30, NIV).

Torheit ist an das Herz eines Kindes geknüpft; Aber die Rute der Zucht wird sie von ihm entfernen (22:15).

Enthalte dem Kind die Zucht nicht vor; Auch wenn du es mit der Rute schlägst, wird es nicht sterben. Du sollst es mit der Rute schlagen Und seine Seele vor dem Scheol bewahren (23:13-14).

Können Schläge wirklich die Sünde aus dem Leben eines Kindes vertreiben? Ist eine „ordentliche Tracht Prügel“ eine Art Allheilmittel für ein Kind? Bringen wir ein Kind durch einen Stock weg von der Sünde und hin zu Gott? Ich glaube, die Antwort auf mein Dilemma ist am besten in dem folgenden Vers zusammengefasst:

Die Rute und die Zurechtweisung bringen Weisheit, Aber ein Kind, dem freier Lauf gelassen wird, bereitet seiner Mutter Schande (29:15).

Die Rute war nie als ein Allheilmittel gedacht, sondern immer nur als ein Element der Kindererziehung. Die Rute als solche lehrt ein Kind nur wenig; aber zusammen mit einer verbalen Anleitung kann sie ein Kind von der Torheit zur Weisheit, von der Sünde zur Frömmigkeit bringen. Die Rute ist kein Allheilmittel, sondern nur ein Teil der Kindererziehung. The rod was never intended to be a cure-all, but only a part of the process of child-training.

Wenn Gott im Alten Testament Gebrauch von der ‚Rute’ der Züchtigung macht, geschieht das nie isoliert, sondern immer als Teil eines umfassenderen Geschehens, das Seine Kinder zu größerer Reife, Glauben und Gehorsam bringen sollte. Ich will versuchen, die einzelnen Schritte im Ablauf solcher Zurechtweisung und Züchtigung zu beschreiben, so wie ich sie gegenwärtig verstehe.

Erster Schritt: Festlegung des Herrschaftsrechts. Wie wir gesehen haben, wird das Wort ‚Züchtigung’ in Deuteronomium 4:36, 8:5 und 11:2 dort gebraucht, wo Gott Seine Größe zeigt, indem Er Israel aus Ägypten befreit und dann in der Wüste und am Berg des Gesetzes Seine Majestät und Macht offenbart. All das diente dem Zweck, Gottes Autorität – Sein Herrschaftsrecht – über das Volk Israel zu etablieren.

Auch Eltern müssen ihre Autorität etablieren, indem sie ihren Kindern deutlich machen, dass sie die Verantwortlichen sind. Sicher sollten wir auf unsere Kinder hören und ihre Meinungen und Gefühle berücksichtigen, doch die Verantwortlichkeit und Autorität zur Kindererziehung hat Gott den Eltern übergeben. Kinder sind nicht gleichberechtigt, so wie wir auch nicht gleichberechtigt mit Gott sind. Kindererziehung basiert auf der Voraussetzung, dass es die Eltern sind, die die Verantwortung tragen.

Zweiter Schritt: Aufstellung der Regeln. Nachdem Gott Seine Autorität festgelegt hatte, gab Er Seinem Volk das Gesetz – die Verhaltensregeln, die Er für sie aufgestellt hatte. In Abhängigkeit von Israels Gehorsam oder Ungehorsam diesem Gesetz gegenüber würde Gott das Volk entweder segnen oder züchtigen. Weil Gott heilig ist, musste auch Sein Volk ein heiliges Leben führen. Das Gesetz beschrieb daher die Art der Lebensführung, die dem Volk Gottes angemessen war.

Auch Eltern müssen die Verhaltensregeln für ihre Kinder festlegen. Wir müssen nicht nur deutlich machen, dass wir das Recht haben, die Regeln aufzustellen, sondern wir müssen die Regeln dann auch tatsächlich festlegen. Die Maßstäbe, die Gott setzte, waren klar und einfach (ich sage nicht: leicht). Die Maßstäbe, die wir setzen, sollten ebenfalls realistisch, klar und schlüssig sein.

Dritter Schritt: Darstellung der Folgen einer Sünde wie auch des Weges zur Heilung. Das Gesetz, das Gott Seinem Volk gab, enthielt eindeutige Aussagen über die Folgen der Sünde. Sowohl Deuteronomium 28 als auch Levitikus 26 beschreiben die Konsequenzen von Redlichkeit wie auch Unredlichkeit. Israel wusste genau, was Gott tun würde, wenn es Seinem Gesetz gegenüber ungehorsam werden würde.

Gott wusste um die Schwachheit Seines Volkes, und daher traf Er auch Vorsorge für ihre Sündigkeit. Das eingesetzte Opferungssystem ermöglichte nicht nur unmittelbar die Befreiung von einer Sünde, sondern nahm auch in prophetischer Weise die endgültige Erlösung vorweg, das Opfer des ‚Lammes Gottes’, das die Sünde der Welt hinweg nehmen würde (vgl.Joh 1:29; Heb 10:1-18).

Auch die elterliche Zucht sollte eine Ermahnung bezüglich der Konsequenzen ungehorsamen Verhaltens beinhalten. Unsere Kinder müssen wissen, dass die Regeln, die wir festgelegt haben, ihrem Leben Segen zu bringen beabsichtigen und dass ein Verstoß gegen diese Regeln unangenehme Folgen nach sich zieht. Kinder lassen sich eher durch die Schmerzen des Ungehorsams beeindrucken als durch die einzelne Vorschrift oder Aufforderung selbst. Wie Gott sollten Eltern daher ihre Kinder die Konsequenzen aus einer Sünde wissen lassen, bevor noch eine Regel übertreten wird.

Mehr noch als über die schmerzlichen Folgen der Sünde müssen Eltern aber mit ihren Kindern über die Fürsorge Gottes sprechen, die Er für die Sünder in der Person Seines Sohnes bereitet hat. Im Alten Testament fand jede Sünde ihre Strafe; aber Gott sorgte auch für eine Möglichkeit, die dem Gesetzesübertreter Vergebung und Versöhnung bot.

Vierter Schritt: Darlegung der Gründe für die Regeln. Es reichte nicht aus, dass dem Volk die Regeln einmalig durch Moses bekannt gegeben wurden, sondern dieses dem Moses gegebene Gesetz sollte auch weiterhin von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Die Verantwortung für diese Belehrung lag primär bei den Eltern, besonders beim Vater (vgl. Ex 12:24-27; Deu 6). Zusätzlich setzte Gott zur Belehrung jeder neuen Generation religiöse Führer ein, Männer wie die Priester, die Schreiber (Esr 7:6; Ne 8:1-18) und die Propheten. Jede Generation musste aufs Neue über das Ziel und die Bedeutung des Gesetzes belehrt werden. In jeder Generation mussten die Männer und Frauen wieder an Gottes Maßstäbe erinnert werden.

Kein Buch des Alten Testamentes enthält so viele ausdrücklich an ‚Söhne’ gerichtete Lehren wie das Buch der Sprüche. Das Gesetz wird als gegeben vorausgesetzt und nun in praktischer Hinsicht ausgelegt – in Hinsicht darauf, wie man sein Leben führen soll. Die Folgen der Sünde wie auch die Vorteile des Gehorsams gegen Gott werden eindeutig dargestellt. Über die reinen Vorschriften hinaus aber geben uns die Sprüche Grundsätze an die Hand, von denen unser Leben geleitet werden sollte.

Im Neuen Testament werden die Väter aufgefordert, ihre Kinder „in der Zucht und der Ermahnung des Herrn“ zu erziehen (Eph 6:4). Immr wieder ist es die Verantwortung der Eltern (in erster Linie) und Anderer (in zweiter Linie), einen jungen Menschen Gottesfurcht und Gehorsam zu lehren. Da jede folgende Generation aufs Neue belehrt werden muss, ist dieser Vorgang niemals abgeschlossen. Was ein Sohn von seinem Vater gelernt hat, muss er seinerseits seine Kinder lehren (vgl. Spr 4:3-9).

Fünfter Schritt: Verbale Zurechtweisung. Es bleibt nicht aus, dass wir sündigen. Egal wie gut wir die Regeln selbst und ihre Gründe kennen – am Ende werden wir sie doch irgendwann einmal missachten. Selbst Salomo, der einen großen Teil der Sprüche schrieb, missachtete seine eigenen Ermahnungen. Die Rolle der Propheten im Alten Testament bestand unter Anderem darin, auf einzelne Sünden hinzuweisen, auf bestimmte Fälle, in denen Gottes Gesetz verletzt worden war. So tadelte Nathan David (2.Sa 12) und die Propheten des Alten Testaments klagten Israel und Juda zunächst ihrer Sünden wegen an (vgl. auch Ne 13:15). Erst nachdem Gottes Volk anhaltend Sein Wort missachtet und Seine Propheten abgewiesen hatte, sah sich Gott schließlich gezwungen, die ‚Rute’ der Züchtigung einzusetzen:

„Und du sollst zu ihnen sagen: ‚Das ist das Volk, das der Stimme des Herrn seines Gottes nicht gehorcht und keine Zucht angenommen hat; die Wahrheit ist dahin und von ihrem Munde weggetilgt worden’“ (Jer 7:28).

„Aber sie hörten nicht und neigten ihre Ohren nicht zu mir, sondern wurden halsstarrig, um nicht zu hören und keine Zucht anzunehmen“ (Jer 17:23).

„Und der Herr hat euch wieder und wieder all Seine Diener, die Propheten, gesandt; ihr aber habt ihnen nicht zugehört noch eure Ohren geneigt, um sie zu hören“ (Jer 25:4).

Idealerweise muss die Züchtigung nicht über eine verbale Zurechtweisung hinaus gehen. Die Sprüche beschreiben den Weisen als Einen, der aus einem einzigen Wort des Tadels lernt und die ‚Rute’ nicht benötigt (vgl. 13:1, 15:31-32, 17:10-11). David, der ein Mann nach Gottes Herzen war, reagierte sofort auf den bloßen Tadel Nathans (2.Sa 12:13).

Sechster Schritt: Die Rute. Am Ende wird es immer Einige unter uns geben, die auf die einfache Art nicht lernen wollen. Demzufolge ist dann die ‚Rute’ nötig, um die Lehre und verbale Zurechtweisung zu unterstreichen, die bis dahin missachtet wurde. Wenn Gott Seine ‚Rute’ in Israel einsetzte, so geschah das, weil Israel Seine Zurechtweisung durch die Propheten zurückgewiesen hatte:

„Daher spricht der Herr der Heerscharen: ‚Weil ihr Meinen Worten nicht gehorcht habt, siehe, so will Ich ausschicken und alle Familien des Nordens holen,’ spricht der Herr. ‚Und ich werde zu Nebukadnezar, dem König von Babylon, Meinem Knecht, senden und sie gegen dieses Land aufbringen und gegen seine Bewohner und gegen all die Nationen ringsumher. Und ich werde sie bis auf den Grund zerstören und sie zum Gegenstand des Entsetzens und des Spottes und der immerwährenden Verwüstung machen’“ (Jer 25:8-9).

Besonders bemerkenswert an den Worten des Jeremia und an ihrer Erfüllung ist es, dass die ‚Rute’, die Gott hier bei Seinem Volk einsetzte, ganz genau dem entsprach, was im Gesetz und durch die Propheten angekündigt worden war. Gottes Züchtigung war genau so, wie Er zuvor gewarnt hatte.

Siebter Schritt: Reue und Versöhnung. Die Rute ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel – ein Mittel, um die Belehrung und die verbale Zurechtweisung zu unterstreichen, die ihr vorangegangen sind. Wenn Jemand sich nicht durch bloße Worte belehren lässt, dann macht die Unbelehrbarkeit des Sünders, wie uns die Sprüche (29:19) sagen, den Einsatz der Rute erforderlich. Die Rute zielt darauf ab, den Sünder demütig zu machen, ihn zur Reue zu bewegen, und schließlich das Verhältnis wieder herzustellen, das durch die Sünde belastet worden ist. Der Vorgang der Züchtigung ist nicht abgeschlossen, bevor nicht der Verletzende und der Geschädigte wieder in den Genuss ihrer vertrauten Beziehung zueinander gekommen sind. Das ist die bewegende Kraft, die hinter den folgenden Worten aus dem dritten Kapitel der Offenbarung steht:

„Die Ich lieb habe, weise Ich zurecht und nehme sie in Zucht; seid daher eifrig, Buße zu tun. Siehe, Ich stehe an der Tür und klopfe an; und wenn Einer Meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde Ich zu ihm eingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit Mir“ (Off 3:19-20).

Unter den kulturellen Gegebenheiten jener Zeit fand die engste Gemeinschaft zwischen Freunden und innerhalb der Familie am Esstisch statt. In dieser Textstelle ergeht die Einladung an den eigenwilligen Sünder, damit er auf Gottes Züchtigung reagiere, bereue und in den vertrauten Status als Kind Gottes wieder eingesetzt werde. Dieser Text stellt keine Einladung zur Erlösung dar, sondern eine Ermahnung für den eigensinnigen Christen, auf die züchtigende Hand Gottes zu antworten, seine Sünden zu bereuen und in die vertraute Gesellschaft wieder aufgenommen zu werden, die er zuvor erfahren hatte.

Auch als Eltern sollten wir dies als das Ziel unserer Züchtigung ansehen. Wir sollten danach streben, dem Kind zu zeigen, dass die Züchtigung durch seine Sünde und durch die Weigerung, auf eine verbale Zurechtweisung zu hören, erforderlich wurde. Wenn das Kind zu aufrichtiger Reue gelangt ist, sollte es unmittelbar die Erleichterung der Vergebung und den Genuss der erneuerten Vertrautheit spüren dürfen. Wie immer man es nennen will, soll dies das Ende und das Ziel jeder Züchtigung sein – die Wiedervereinigung und die Gemeinschaft.

Das Privileg der Züchtigung

Der Vorgang der Züchtigung ist von Natur aus schmerzhaft. Trotzdem aber ist er auch ein großes Privileg. Am Ende unserer Betrachtungen über die elterliche Zucht möchte ich Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen, welche Segnungen die ‚Rute’ sowohl für die Eltern als auch für das Kind mit sich bringt. Überall in den Schriften finden wir geschrieben, dass die ‚Rute’ zwar Schmerzen bringt, aber auch tröstet:

Dein Stock und Dein Stab, sie trösten mich (Ps 23:4).

Das Tröstende an der Rute ist die Tatsache, dass Züchtigung ein Beweis für unsere Kindschaft ist. Die Rute ist der Beweis dafür, dass wir Kinder Gottes sind und dass Er uns viel zu sehr liebt, um die Sünde in unserem Leben zu ignorieren. Da die Sünde unserer Beziehung mit Ihm im Wege steht, sucht Er nachdrücklich, Sich mit unseren Sünden auseinanderzusetzen und die Segnungen und die Vertrautheit unserer Beziehung wieder herzustellen. Deswegen können wir die Zucht als ein Geschenk der Gnade Gottes ansehen.

Eliphas hat diese Tatsache in Bezug auf Hiobs Leiden vielleicht missverstanden, aber die Tatsache als solche bleibt doch bestehen:

„Siehe! Glücklich ist der Mann, den Gott zurechtweist, So verwirf du nicht die Zucht des Allmächtigen. Denn Er fügt Schmerzen zu und gibt Erleichterung; Er verwundet, aber Seine Hände heilen auch“ (Hi 5:17-18).

Der Psalmist konnte von Gottes Zucht sagen:

Selig ist der Mann, den Du in Zucht nimmst, o Herr, und lehrst ihn aus Deinem Gesetz (Ps 91:12).

Bevor ich gepeinigt war, ging ich in die Irre, Nun aber halte ich Dein Wort. Zu meinem Guten wurde ich gepeinigt, Damit ich Deine Bestimmungen lerne. Ich weiß, o Herr, dass Deine Entscheidungen gerecht sind Und dass Du mich in Treue gepeinigt hast (Ps 119:67,71,75).

Das ist gleichermaßen auch die Botschaft der Sprüche:

Denn wen der Herr liebt, den weist Er zurecht, gleich wie ein Vater den Sohn, an dem er Gefallen hat (Spr 3:12).

Am umfassendsten befasst sich der Hebräerbrief mit den Segnungen der Zucht:

Zur Züchtigung dient euch, dass ihr erduldet; Gott behandelt euch als Seine Söhne; denn wo ist der Sohn, den sein Vater nicht züchtigen würde? Wenn ihr aber ohne die Zucht seid, deren Teilhaber nun alle geworden sind, so seid ihr illegitime Kinder und nicht Söhne. Zudem hatten wir irdische Väter, die uns züchtigten, und wir respektierten sie; sollen wir uns dann nicht umso mehr dem geistigen Vater unterwerfen und leben? Denn sie züchtigten uns für eine kurze Zeit, wie es ihnen am besten erschien; Er aber züchtigt uns zu unserem Besten, damit wir an Seiner Heiligkeit teilhaben mögen. Für den Augenblick scheint jede Züchtigung nicht erfreulich, sondern betrüblich, doch nachher trägt sie denen, die durch sie erzogen wurden, die Frucht von Frieden und Gerechtigkeit ein (Heb 12:7-11).

Selbst wenn wir sie also für den Augenblick als schmerzhaft empfinden, sollte eine Züchtigung doch ein Quell des Trostes sein, denn sie zeigt uns nicht nur Gottes Liebe, sondern sie sucht auch die Sünde in unserem Leben zu heilen und die vertrauliche Gesellschaft und Gemeinschaft mit Gott wieder herzustellen. In gleicher Weise sollte unsere elterliche Zucht mit der Sünde im Leben der Kinder umgehen und das Band der Liebe und der Hingebung zwischen uns und ihnen vertiefen.

Die Züchtigung unserer Kinder stellt auch für uns Eltern ein Privileg dar. Sie stellt unseren Gehorsam Gott gegenüber wie auch unsere Liebe dem Kind gegenüber auf den Prüfstand. Die Sprüche fordern von Eltern, ihre Kinder zu züchtigen und betonen, dass das ein Beweis elterlicher Liebe ist (vgl. 13:24, 22:15, 23:13). Einer der Vorzüge einer Züchtigung liegt meiner Meinung nach darin, dass sie Eltern die Gelegenheit gibt, die Botschaft des Evangeliums in einem sehr anschaulichen Zusammenhang zu vermitteln. Befreiung von der Sünde ist genauso wenig in der ‚Rute’ zu finden wie in der Opferung eines Stiers oder Ziegenbockes in alter Zeit (vgl. Heb 9). Befreiung von der Sünde ist nur im Blut unseres Herrn Jesus Christus zu finden, das Dieser am Kreuz von Golgatha für uns vergossen hat.

In Johannes 16 spricht unser Herr vom Dienst des Heiligen Geistes. Er sagt:

„Er aber, wenn Er kommt, wird der Welt die Augen öffnen bezüglich der Sünde und der Gerechtigkeit und des Gerichts“ (Joh 16:8).

Mit was, frage ich Sie nun, befasst sich die elterliche Zucht? Hat sie nicht mit Sünde, Gerechtigkeit und Gericht zu tun? Es gibt keine bessere Gelegenheit, um die Problematik der Sünde im Leben eines Kindes hervorzuheben, als wenn die ‚Rute’ zum Einsatz kommen muss. Und es gibt keine andere Lösung für die Sünde als das Gericht, das unser Herr am Kreuz von Golgatha auf sich nahm. Lassen Sie uns also die Gelegenheit der Züchtigung nutzen, um unseren Kindern die endgültige Lösung für ihre Sünde nahe zu bringen, und lassen Sie uns dafür beten, dass Gott dann unsere Kinder zu Sich zieht. Nicht die ‚Rute’ rettet, sondern das Kreuz. Wir wollen niemals die ‚Rute’ gebrauchen, ohne dabei auf das Kreuz zu verweisen.

Möge Gott uns als Eltern befähigen, so zu züchtigen, wie Er Selbst es tut – zu Seinem Ruhm und zu unserem Besten.

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20. Weisheit und der Wille Gottes

Einleitung

Viele Christen suchen göttliche Führung mithilfe von schlichten Formeln: „Betrachte die Schriften, dein Gefühl und die Umstände. Wenn alle drei übereinstimmen, dann ist das der Wille Gottes.“ Ich glaube nicht, dass die Bibel uns derlei Formeln bietet. Christliches Leben wird aus dem Glauben und in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes gelebt; und das Wort Gottes wird dabei mithilfe der uns von Gott verliehenen Weisheit umgesetzt (vgl. Jak 1:5). In der Einleitung zum Buch der Sprüche sichert der Verfasser dem Leser zu, dass dieses Buch ihm wertvolle Einsichten in den Willen Gottes verschaffen wird:

Die Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel: um Weisheit und Zucht zu erwerben; um Worte der Einsicht zu verstehen; um ein züchtiges und kluges Leben zu erlangen; um zu tun, was richtig und gerecht und redlich ist; um dem Einfältigen Klugheit zu verleihen und dem jungen Menschen Erkenntnis und Urteilsvermögen – auf dass der Weise zuhöre und an Wissen gewinne und der Einsichtige Führung erhalte (Spr 1:1-5, NIV).

Es ist meine Überzeugung, dass kein anderes Buch des Alten Testamentes und vielleicht auch kein Buch des Neuen Testamentes bessere Einsicht in den Willen Gottes verschafft als das Buch der Sprüche. Am Ende unserer Studien in diesem sehr praxisorientierten Buch wollen wir das Thema der göttlichen Führung, so wie es hier dargestellt wird, eingehend betrachten.

Die Notwendigkeit göttlicher Führung

Die Sprüche gehen davon aus, dass göttliche Führung unentbehrlich ist, wenn man ein Leben in Weisheit und Frömmigkeit führen will. Wenn wir den Wert der göttlichen Führung richtig würdigen wollen, müssen wir zuerst einmal verstehen, warum der Mensch ihrer so dringend bedarf. Wir wollen daher zunächst drei Gründe betrachten, warum der Mensch die Führung Gottes braucht.

1. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH EINFÄLTIG IST. Nach Auffassung der Sprüche bedeutet Einfältigkeit, unerfahren, beeinflussbar und verletzlich zu sein. Dieser Zustand ist zwar besonders typisch für die Jugend, stellt aber auch eine Krankheit der Menschheit im Allgemeinen dar. Der menschliche Verstand ist nicht in der Lage, Gottes Geist und Herz zu erfassen, es sei denn durch übernatürliche Veranlassung und Befähigung (vgl. 1.Kor 2:6-16).

Vor dem Sündenfall waren Adam und Eva noch nicht durch eine der Sünde zugeneigte Wesensart belastet; in ihrer Unschuld jedoch waren sie auch unerfahren. Satan führte sie in Versuchung, indem er ihnen eine Erfahrung anbot, die Gott ihnen verboten hatte. In ihrer Naivität erkannten sie die täuschende und listige Natur Satans nicht und erfassten auch nicht in vollem Umfang die Gefahren eines Ungehorsams Gott gegenüber. Auch in den Sprüchen wird dem Unerfahrenen von Madam Torheit eine Erfahrung angeboten (9:16-17), aber in beiden Fällen handelt es sich um Erfahrungen, von denen wir uns nachher wünschen, dass wir sie besser nicht gemacht hätten. Gottes Wort klärt die Menschen über die verborgenen Gefahren des Lebens auf, die wir noch nicht erfahren haben und hoffentlich auch nie erfahren werden. Göttliche Führung klärt den Menschen über die Dinge auf, die er (durch Unwissenheit und Unerfahrenheit) nicht weiß, aber wissen muss, wenn er ein gottgemäßes und weises Leben führen will.

2. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH SÜNDIG IST. Die Sprüche sagen uns, dass der Mensch, der tut, was „von Natur aus kommt“, Dinge tut, die sowohl töricht sind als auch genau entgegen gesetzt zu dem, was Gott will. Der junge Mann wird angehalten, nicht auf seine eigene, sondern auf Gottes Weisheit zu vertrauen (3:5-7). Um weise zu werden, muss man sich von seiner eigenen Torheit abkehren und Gott fürchten lernen (1:22, 2:2, 8:5, 10:13, 9:6). Das grundlegende Problem des Menschen liegt in dem Zustand seines Herzens (4:23): Unser böses Herz neigt zur Sünde und Torheit und nicht zur Gerechtigkeit (6:14,18). Unsere Unfähigkeit, Gottes Wege und Seinen Willen zu erfassen, rührt nicht nur von unserer menschlichen Unzulänglichkeit (unserer Einfältigkeit) her, sondern auch daher, dass wir Gefallene sind. Wo unser Menschsein uns daran hindert, Gottes Willen zu erkennen, hindert uns unsere Sündigkeit daran, nach diesem Willen zu suchen und uns ihm zu unterwerfen. Wo wir durch unser Menschsein Gottes Willen nicht erkennen, suchen und finden wir ihn durch unsere Verderbtheit nicht:

„Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen; da ist Keiner, der Erkenntnis hat, da ist Keiner, der Gott sucht“ (Rö 3:10-11).

3. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST NOTWENDIG, WEIL DER MENSCH VON ANDEREN ZUR SÜNDE VERLEITET WIRD. Satan wird als ein aggressiver Feind dargestellt, der die Menschen zu täuschen und Gottes Wort zu verdrehen sucht (z.B. 1.Pe 5:8). Erstmalig geschah das im Garten Eden (Gen 3; vgl. 1.Tim2:14, 4:1-5). Häufig benutzt Satan Andere für seine teuflischen Pläne (vgl. 2.Kor 11:13-15). Im Buch der Sprüche sehen wir, wie Menschen durch gewalttätige Männer (z.B. 1:10-19) und verführerische Frauen (z.B. 2:16-19) verleitet werden. Während wir unsererseits den Willen Gottes nicht von selbst erkennen und aufgrund unserer Verderbtheit auch nicht geneigt sind, ihn zu erforschen, gibt es auf der anderen Seite Viele, die uns einreden wollen, dass sie schon Pläne für uns gemacht haben, und zwar Pläne, die unsere sündige Natur gerne anzunehmen gewillt ist. Göttliche Führung ist erforderlich, um das Gute vom Bösen unterscheiden zu können, und das Törichte vom Weisen.

Kennzeichen der göttlichen Führung

Die meisten Christen sind sich der Notwendigkeit göttlicher Führung deutlich bewusst; weit weniger deutlich wissen sie aber Bescheid darüber, wie man die göttliche Führung selbst erkennt. Aus dem Buch der Sprüche wie auch aus anderen Stellen der Schriften kann man verschiedene Kennzeichen der göttlichen Führung herauslesen.

1. GÖTTLICHE FÜHRUNG ERKENNT MAN ANHAND IHRER WEISHEIT. J.I. Packer hat in seinem – zurecht mit ‚Knowing God’ [Gott erkennen] betitelten – Buch ein Kapitel (20) über die Führung geschrieben. Es trägt den Titel ‚Thou Our Guide’ [Du, unser Führer] und wurde ursprünglich als Broschüre unter dem Titel ‚Guidance and Wisdom’ [Führung und Weisheit] veröffentlicht. Packer meint, dass Weisheit und Führung nicht voneinander zu trennen sind, und diese Auffassung wird im Buch der Sprüche ebenfalls vertreten. Indem ihr Zweck darin besteht, den Menschen zur Weisheit zu verhelfen, bestätigen die Sprüche doch gleichzeitig auch, dass Weisheit eines der Hauptmerkmale ist, durch die Gott Seinen Willen zu erkennen gibt:

Die Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel: um Weisheit und Ermahnung zu verstehen; um die Rede der Einsicht zu erkennen; um Anweisung zu erhalten für weises Verhalten, Gerechtigkeit, Recht und Gleichheit; um den Unerfahrenen Klugheit zu verleihen und der Jugend Erkenntnis und Urteilsvermögen; ein weiser Mann wird hören und an Wissen gewinnen und der Verständige wird weisen Rat erhalten (Spr 1:1-5).

In Vers 2 des obigen Textes beziehen sich die Worte ‚Einsicht’ und ‚erkennen’ beide auf den gleichen hebräischen Wortstamm mit der Bedeutung ‚zwischen’.60 Erkenntnisvermögen zu besitzen bedeutet, dass man fähig ist, den Unterschied zwischen zwei Möglichkeiten zu festzustellen. Weisheit versetzt einen Menschen in die Lage, zwischen Gut und Böse und auch zwischen Gut und Besser zu unterscheiden.

In Vers 4 bezieht sich der Begriff ‚Urteilsvermögen’ ebenfalls auf die Entscheidungsfindung.61 Von noch größerer Bedeutung ist aber vielleicht der Ausdruck ‚weiser Rat’ in Vers 5. Meiner Meinung nach ist es richtig, wenn die NIV das ursprüngliche Wort mit ‚Führung’ überträgt. Der entsprechende hebräische Begriff geht wohl auf ein Wort zurück, das die Seile bezeichnete, die auf den Schiffen des Altertums am Steuerruder befestigt waren und es dem Kapitän ermöglichten, den Kurs des Schiffes zu bestimmen.62

Wer ‚weisen Rat’ aus dem Buch der Sprüche zieht, hat mit Gottes Wort das Seil am Steuerruder zu fassen gekriegt, das ihn nun durch sein Leben steuern wird. Wenn Gott uns aber hauptsächlich durch Weisheit leitet, ist es wichtig zu wissen, was zur Weisheit gehört. Wir wollen das im Folgenden bei der Betrachtung der Kennzeichen göttlicher Führung berücksichtigen.

2. WEISHEIT UND GÖTTLICHE FÜHRUNG MÜSSEN AUF GÖTTLICHE OFFENBARUNG GEGRÜNDET SEIN. Viele Christen erwarten, dass Gott Seinen Willen auf spektakuläre und absonderliche Weise offenbaren wird – anstatt zu akzeptieren, dass Gott Seinen Willen (was die allermeisten Dinge betrifft) durch Sein Wort schon offenbart hat. Salomo wusste, dass das Gesetz des Alten Testamentes Gottes Maßstäbe für das menschliche Verhalten darstellte:

Als nun für David die Zeit zu sterben nahte, gebot er Salomo, seinem Sohn, und sprach: „Ich gehe hin den Weg alles Irdischen. Sei du daher stark und erweise dich als ein Mann. Und du sollst der Verpflichtung dem Herrn deinem Gott gegenüber nachkommen, dass du wandelst auf Seinen Wegen und einhältst Seine Satzungen, Seine Gebote und Sein Zeugnis, damit du Erfolg habest in Allem, was du tust, und wo immer du dich hinwendest“ (1.Kö 2:1-3).

In den Sprüchen gibt es nur wenige direkte Bezüge auf das Wort Gottes selbst – auf Seine göttliche Offenbarung für die Menschen durch die Schriften –, und doch wird diese Offenbarung vorausgesetzt und als unfehlbares, autoritatives Wort von Gott angesehen, das als Maßstab für die Gedanken und Taten der Menschen dient. Gelegentlich findet sich in den Sprüchen auch ein ausdrücklicher Bezug auf das Gesetz (28:4,7,9). Die biblische Offenbarung wird auch als „das Wort“ (13:13, 16:20) oder als „Wort Gottes“ bezeichnet.

Jedes Wort von Gott ist geläutert; Er ist ein Schild denen, die zu Ihm Zuflucht nehmen. Füge Nichts zu Seinen Worten hinzu, Damit Er dich nicht zurechtweise und du als ein Lügner überführt werdest (30:5-6).

Göttliche Offenbarung kann verschiedene Formen annehmen, darunter die Formen der Vorschrift, der Grundregel und des Musters. Vorschriften sind diejenigen Gebote Gottes, die konkret und eindeutig formuliert sind. So findet sich in den Sprüchen, wie auch an anderen Stellen, das Verbot, die Sünde des Ehebruchs zu begehen (vgl. Ex 20:14; Spr 5: 1-23, 6:29). Ebenso ist auch Lügen eine Sünde (vgl. Ex 20:16; Spr 6:19, 19:5,9). Bezüglich der Sünde lassen die Sprüche keinerlei Spielraum, denn Richtig und Falsch werden in den Schriften in ganz konkreten Begriffen festgelegt:

Wer seine Übertretungen zudeckt, wird kein Gelingen haben, Doch wer sie bekennt und von ihnen lässt, wird Barmherzigkeit finden (28:13).

Eine falsche Wägung ist dem Herrn ein Gräuel, aber ein volles Gewicht ist Sein Wohlgefallen (11:1).

In einigen Fällen sprechen die Sprüche von „dem Gebot“ und scheinen sich dabei auf das Gesetz des Mose zu beziehen:

Wer das Wort verachtet, wird in seiner Schuld sein, Aber der das Gebot fürchtet, wird belohnt (13:13).

Meistens aber, wenn in den Sprüchen von „Geboten“ die Rede ist, sind die der Eltern gemeint:

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen Und meine Gebote in dir bewahren wirst (2:1).

Mein Sohn, behalte meine Worte Und bewahre meine Gebote in dir. Halte meine Gebote, dass du am Leben bleibst, und hüte meine Lehren [wörtlich: mein Gesetz] wie deinen Augapfel (7:1-2).

Obwohl elterliche Ermahnungen nie als inspiriert, ohne Irrtum oder unfehlbar gelten konnten, waren sie doch notwendig, um jeder neuen Generation Gottes Gesetz zu vermitteln (vgl. Ex 12:26-27, 13:14-15; Deu 6:6-9,20-25). In den Sprüchen geben die Eltern (1:8, 3:1, 4:2, 6:20,23) und andere weise Menschen (z.B. 5:13, 13:14) Anweisungen. So weit ich es beurteilen kann, waren die ‚Gebote’ der Eltern Wiederholungen, Erklärungen oder praktische Anwendungen der Gebote aus dem Gesetz des Mose. Meiner Meinung nach versuchten Eltern und weise Menschen, jeder neuen Generation das Gesetz Gottes zu vermitteln und ihr Ermahnung und Anleitung auf der Grundlage der Offenbarung des göttlichen Willens in den Schriften zu geben, wie sie zu dieser Zeit verfügbar waren.

Zusätzlich zu den klar umrissenen Anweisungen der Sprüche (‚Vorschriften’) wurden auch Grundregeln festgelegt, die allgemeinerer Natur sind und eine umfassendere Anleitung für diejenigen darstellen, die den Willen Gottes kennen lernen und befolgen möchten:

Durch jederlei Arbeit ergibt sich ein Vorteil, Aber bloßes Reden führt nur zu Armut (14:23).

Eine milde Antwort wendet Zorn ab, Aber ein unfreundliches Wort rührt Ärger auf (15:1).

Das Herz des Weisen lehrt seine Zunge Und fügt seinen Lippen Überzeugungskraft hinzu (16:23).

Der Erste, der seine Sache vertritt, erscheint gerecht, Bis ein Anderer kommt und ihn befragt (18:17).

Bereite deine Arbeit draußen Und mache sie dir auf dem Feld zurecht; Danach dann baue an deinem Haus (24:27).

Zusätzlich zu den Vorschriften und Grundsätzen gibt es auch etwas in der Schrift, was wir ‚Verhaltensmuster’ nennen könnten. Ich weiß nicht, ob ‚Verhaltensmuster’ wirklich das beste Wort dafür ist – aber ich meine damit die Wahrheiten in der Schrift, die für uns zwar von großer Bedeutung sind, aber nicht so direkt wie die Vorschriften oder Grundregeln. Wenn die Schriften uns berichten, wie Gott Selbst ist – Seine Wesensart und Sein Verhalten –, dann können wir daraus schließen, dass wir wie Gott, gottgemäß sein sollten. Elterliche Zucht, beispielsweise, sollte nach dem Muster der göttlichen Zucht für Seine Kinder gestaltet werden.

Die Sprüche sagen uns, dass Gott Bosheit (6:16-19, 15:8-9), böse Absichten (12:2, 15:26), Unehrlichkeit (11:1, 20:10,23), Falschheit (11:20), Unaufrichtigkeit (12:22), Stolz (16:5) und Missachtung des Gesetzes (28:9) hasst. Sie sagen uns auch, dass Gott an Gerechtigkeit (15:8-9), Güte (12:2), Ehrlichkeit (11:1), Lauterkeit (11:20), Wahrhaftigkeit (12:22) und Weisheit (8:35) Wohlgefallen hat. Es fällt nicht schwer zu folgern, dass wir aufgeben sollen, was Gott hasst, und nach dem streben sollen, was Ihm Freude macht.

3. GÖTTLICHE FÜHRUNG KANN DURCH WEISEN RAT ERLANGT WERDEN. Führung bieten uns nicht nur die Gebote in den Schriften, sondern auch die Ratschläge der Weisen:

Glücklich ist der Mann, der nicht im Rat der Bösen wandelt Noch auf den Weg der Sünder tritt (Ps 1:1).

Bei mir ist Rat und praktische Weisheit; Ich bin die Einsicht, bei mir ist Macht (Spr 8:14).

Der Weg des Toren ist recht in seinen Augen, Aber wer auf einen Rat hört, ist weise (Spr 12:15).

Durch Anmaßung entsteht Nichts als Streit, Aber Weisheit ist mit denen, die sich raten lassen (Spr 13:10).

Es gibt zwei Arten von Ratschlägen: die Worte der Weisen und den Rat der Bösen (vgl. auch Jak 3:13-18). Die Sprüche sagen uns, dass kein guter Rat je in Widerspruch zu Gottes Wesensart oder Geboten steht:

Es gibt weder Weisheit noch Erkenntnis Noch irgendeinen Rat gegen den Herrn (21:30).

Jeder neuen Generation hat Gott ältere und weisere Menschen zur Seite gestellt, damit sie von der Erfahrung und dem Wissen derer lernen kann, die auf dem Pfad der Gerechtigkeit schon weiter fortgeschritten sind als sie selbst. Göttliche Führung ist im Ratschlag derer zu finden, die Weisheit erlangt haben.

4. GÖTTLICHE FÜHRUNG ERFORDERT VERTRAUEN UND HINGABE. Bevor wir auf die Frage „Was soll ich tun?“ eine Antwort finden können, müssen wir uns zuerst fragen: „Auf wen verlasse ich mich?“ Eine selbstbewusste und selbstgerechte Haltung ist das größte Hindernis, das der Suche nach dem Willen Gottes und dem Bestreben, ihn zu erfüllen, entgegen steht. Die Sprüche lehren uns, dass ein böser Mensch arrogant und anmaßend ist. Er kann die Gerechtigkeit nicht erfassen und wird nicht nach ihr streben. Wer aber den Weg der Weisheit zu betreten wünscht, wird zu allererst das Vertrauen auf sich selbst, auf seine naturgegebenen Beweggründe aufgeben:

Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, Und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Denke an Ihn auf all deinen Wegen, Und Er wird deine Wege gerade machen. Dünke dich nicht weise, Sondern fürchte den Herrn und kehre dich ab vom Bösen (3:5-7).

Niemals wirft Gottvertrauen jede Vernunft über den Haufen, aber jede rein menschliche Vernunft muss davor beiseite stehen (z.B. Mat 16:23). Wir können nur dann Weisheit erlangen und Gottes Willen erkennen, wenn wir nicht mehr unserer eigenen Vernunft vertrauen, die ja durch die Auswirkungen des Sündenfalls beeinträchtigt ist, sondern dahin gelangen, dass wir uns voll und ganz auf Gottes Offenbarung, auf Seine Weisheit verlassen und nicht auf unsere eigene.

Zudem erfordert die göttliche Führung unsere Zuversicht. Die menschliche Vernunft ruht nur auf dem, was wir sehen können, auf unserer eigenen Wahrnehmung der Dinge, wie wir unter den gegebenen Umständen sehen. Göttliche Führung dagegen beruht auf den Verheißungen Gottes, auf den „Dingen, die man nicht sieht“ (vgl. Heb 11:1). Das ist der Kernpunkt des 11. Kapitels des Hebräerbriefes. Männer und Frauen des Glaubens sind diejenigen, die ihr Leben im Lichte von Gottes Verheißungen leben, obwohl diese erst noch eintreffen müssen. Den Willen Gottes erkennen nur diejenigen, die bereit sind, ihre Zukunft in die Hand des Gottes der Bibel zu legen.

Das hilft uns zu verstehen, warum der Wille Gottes nicht immer leicht zu erkennen ist. Er gewährt Seine Führung großenteils auf dem Wege der Weisheit; und so ist diese Führung nicht ohne Weiteres zu haben, weil auch die Weisheit nicht ohne große Anstrengungen zu erwerben ist. Wiederholt sagen uns die Sprüche, dass Weisheit nur demjenigen zukommt, der mit Fleiß nach ihr sucht:

Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen und meine Gebote in dir bewahren wirst, Leihe der Weisheit dein Ohr und neige dein Herz der Erkenntnis zu; Denn wenn du nach Unterscheidungsvermögen rufst und deine Stimme für die Erkenntnis erhebst, Wenn du dich um sie bemühst wie um Silber und nach ihr suchst wie nach verborgenen Schätzen, Dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen und die Erkenntnis Gottes finden (Spr 2:1-5).

Gott wirft Seine Perlen nicht vor die Schweine. Er macht die Weisheit nicht leicht verfügbar, und nur der Ausdauernde wird sie erwerben. So schwierig es aber schon ist, Weisheit zu erwerben, so ist es doch noch schwieriger, sie in die Tat umzusetzen. Wir sollten nicht erwarten, dass uns die göttliche Führung mit Leichtigkeit zufällt, noch sollten wir uns darüber hinweg täuschen, dass wir ihr nur unter Opfern und durch Hingabe folgen können. Je länger ich mich mit dem Thema der göttlichen Führung in den Schriften beschäftige, umso klarer wird mir, dass unser größtes Problem in der Hingabe liegt: darin, dass wir das auch tun, von dem wir erkannt haben, dass es richtig ist.

Diese Woche las ich im 42. Kapitel des Buches Jeremia von einem Ereignis, anhand dessen sich das Problem verdeutlichen lässt, das die meisten von uns mit der göttlichen Führung haben: Ein kleiner Rest des jüdischen Volkes war im Land Kanaan verblieben, nachdem das Volk in die Gefangenschaft nach Babylon fortgeführt worden war. Diese Übrigen kamen zum Propheten und forderten von ihm, dass er für sie um göttliche Führung nachsuche:

„Bitte lass doch unser Anliegen vor dir gelten und bete für uns zum Herrn deinem Gott, für diesen ganzen Überrest – da nur Wenige von den Vielen übrig geblieben sind, wie deine Augen uns hier sehen -, dass der Herr dein Gott uns den Weg zeigen möge, auf dem wir wandeln sollen, und die Dinge, die wir tun sollen“ (Jer 42:2-3).

Nach zehn Tagen wurde Gottes Wille dem Jeremia bekannt gemacht: Dieser Überrest sollte nicht nach Ägypten in Sicherheit fliehen, sondern auf Gott vertrauen und im Gelobten Land bleiben. Wie groß die Gefahr in Kanaan auch erschien, versprach Gott doch, die dort Verbleibenden zu beschützen und zu segnen, und sagte all denen die Vernichtung voraus, die bei irgendjemandem oder irgendetwas außer Ihm Schutz suchen sollten. Trotz dieser eindeutigen Anweisung von Gott durch den Propheten Jeremia wanderte aber der Überrest nach Ägypten aus, weil sie auf den ‚Arm des Fleisches’ statt auf Gott vertrauten.

Ist das nicht das Problem, das wir alle haben? Wir wollen göttliche Führung, aber wir wollen auch, dass sie mit unserer eigenen Einschätzung, was zu tun ist, übereinstimmt. Am Anfang der göttlichen Führung steht das Misstrauen unserer menschlichen Vernunft gegenüber und das Vertrauen auf göttliche Offenbarung und Verheißungen. Göttliche Führung setzt voraus, dass wir uns darauf festlegen, den Willen Gottes sorgfältig zu erforschen und ihn dann auch zu befolgen – egal ob er unser eigenen Meinung entspricht oder nicht.

5. GÖTTLICHE FÜHRUNG IST EINE FRAGE DES CHARAKTERS. Wir hören oft die Redensart: „Wie Jemand denkt, so ist er auch.“ Das ist sogar eine biblische Weisheit (Spr 23:7). Aber die Bibel hat noch weit mehr als das über das Verhältnis zwischen Charakter und Taten eines Menschen zu sagen. Soviel ich weiß, fährt die Schrift hier fort und sagt: „Wie ein Mensch ist, so denkt er und so handelt er auch.“ Das heißt, der Charakter eines Menschen bestimmt sein Denken und sein Handeln. Ich möchte diese grundlegende Voraussetzung zunächst begründen und im Weiteren dann ihre Auswirkungen untersuchen.

Wenn ich vom Charakter eines Menschen spreche, so meine ich damit seine moralische Einstellung, die auf seinem Weg überall und in vorhersehbarer Weise Ausdruck findet. Der Ausdruck ‚Weg’ oder ‚Wege’ wird in den Sprüchen oft gebraucht, um Jemandes Charakter zu beschreiben. Auch Tiere haben ihren ‚Weg’, nämlich vorhersehbare und in sich schlüssige Verhaltensmuster, die Teil ihrer Natur sind:

Drei Dinge gibt es, die mir zu wunderbar sind, Und vier, die ich nicht erfassen kann: Der Weg eines Adlers am Himmel, Der Weg einer Schlange auf einem Felsen, Der Weg eines Schiffes mitten auf dem Meer, Und der Weg eines Mannes bei einem jungen Mädchen. So ist der Weg einer ehebrecherischen Frau: Sie isst und wischt sich den Mund ab und sagt: „Ich habe nichts Unrechtes getan“ (Spr 30:18-20).

Geh zur Ameise, du Fauler, Sieh ihre Wege und werde weise (6:6-8).

Wie Sprüche 30:19-20 (s.o.) ausweist, haben auch Menschen ihren ‚Weg’. Jemandes Charakter, sein ‚Weg’, kann anhand seiner Verhaltensmuster erkannt werden:

Den Pfad des Lebens betrachtet sie [die Ehebrecherin] nicht; Ihre Wege sind unstet, sie weiß es nicht (5:6).

Verkehre nicht mit einem Mann, der voller Wut ist, Noch mit einem jähzornigen Mann, Damit du nicht seinen Weg lernst Und dir selber eine Schlinge legst (22:24-25).

Gib nicht den Frauen deine Kraft, Noch deine Wege dem, was Könige vernichtet (Spr 31:3).

In diesen wie in zahllosen anderen Textstellen wird der Charakter eines Menschen als sein ‚Weg’ oder seine ‚Wege’ bezeichnet. So lesen wir im 2. Buch der Chronik von den ‚Wegen Josaphats’ und den ‚Wegen Asas’ (21:12), womit Bezug auf den Charakter dieser Männer genommen wird. Jede einzelne Tat in unserem Leben ist Teil eines Verhaltensmusters, das unseren ‚Weg’, unseren Charakter darstellt.

Auch Gott hat Seine ‚Wege’, und diese sind immer vollkommen:

„Der Fels! Vollkommen ist Sein Werk, denn alle Seine Wege sind Gerechtigkeit; Ein Gott der Treue, ohne Ungerechtigkeit, aufrecht und gerecht ist Er“ (Deu 32:4).

Ich will nachdenken über alle Deine Werke und nachsinnen über Deine Taten. Dein Weg, o Gott, ist heilig; wo ist ein so großer Gott wie Du, unser Gott? (Ps 77:13).

Der Herr ist gerecht in allen Seinen Wegen und freundlich in allen Seinen Taten (Ps 145:17).

Gottes Wege sind unendlich gerechter als die des Menschen:

„Denn Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, noch sind eure Wege Mein Weg,“ spricht der Herr. „Denn wie die Himmel höher sind als die Erde, so sind Meine Wege höher als eure Wege und Meine Gedanken höher als eure Gedanken“ (Jes 55:8-9).

Wenn Menschen vertrauten Umgang mit Gott haben wollen, müssen sie ihre Wege den Seinen anpassen. Wie Gott zum Volk Israel sagte:

„Denn Ich bin der Herr euer Gott. Darum sollt ihr euch heiligen, damit ihr heilig werdet, denn Ich bin heilig“ (Lev 11:44, vgl. 1.Pe 1:16).

Dementsprechend hat Gott den ‚Weg’ vorgeschrieben, auf dem wir in unserem Leben gehen sollen, die Anforderungen an unseren Charakter und an unser Verhalten. Dieser ‚Weg’ wird durch Gottes Wort festgelegt:

Weise mir Deinen Weg, o Herr; ich will wandeln in Deiner Wahrheit; Erhalte mein Herz bei dem Einen, damit ich Deinen Namen fürchte (Ps 86:11).

Ich habe den Weg der Treue gewählt; ich habe Deine Weisungen vor mich gestellt. Ich halte an Deinen Mahnungen fest; o Herr, lass mich nicht zuschanden werden! Ich werde den Weg Deiner Gebote gehen, denn Du wirst mein Herz weiten. Lehre mich, o Herr, den Weg Deiner Satzungen, und ich werde sie bis ans Ende bewahren. Gib mir Erkenntnis, dass ich Dein Gesetz befolge und es von ganzem Herzen halte. Lass mich auf dem Pfad Deiner Gebote wandeln, denn ich habe Gefallen daran. Neige mein Herz zu Deinen Mahnungen und nicht zu unehrlichem Gewinn. Wende meine Augen ab, dass sie nicht auf Eitelkeiten schauen, und lass mich auf Deinen Wegen zu neuem Leben erwachen (Ps 119:30-37).

Unter dem Strich gibt es nur zwei ‚Wege’; und die Sprüche weisen uns andauernd auf diese zwei ‚Wege’ des Lebens hin: den Weg des Bösen, der zu Tod und Vernichtung führt (z.B. 2:12, 4:14,19, 8:3, 10:29, 12:15, 15:19, 16:25, 22:5, 28:10), und den Weg von Weisheit und Gerechtigkeit, der zum Leben führt (z.B. 4:11, 6:23, 9:6, 12:28, 15:10, 16:13, 21:16, 22:6). Weise ist der Mensch, der seine Wege in Einklang mit den Wegen Gottes bringt.

Ich denke, die Sprüche lehren uns, dass der Charakter eines Menschen sein typisches Verhalten bezeichnet. Der Faule hat bestimmte verräterische Eigenschaften, genauso wie auch der Einfältige oder der Tor. Und entsprechend können auch bei einem Weisen kennzeichnende Verhaltensweisen beobachtet werden. Ein Weiser ist langsam zur Rede und wägt seine Worte wohl ab. Ein Weiser bedenkt – im Gegensatz zum Toren – die Folgen seiner Handlungen. Ein Weiser hört auf einen Rat, wohingegen der Tor in seinem Tun verharrt, ohne der Weisheit oder irgendwelchen Warnungen Beachtung zu schenken. Der Charakter eines Menschen (was er ist) wird an dem erkennbar, was er tut.

Im weitesten Sinne besteht Gottes Willen für den Menschen darin, dass der Mensch auf dem Weg gehe, den Er in Seinem Wort vorgeschrieben hat. Der Charakter eines Menschen beschreibt nicht nur allgemein seinen Lauf auf dem Weg des Lebens, sondern beeinflusst auch seine Reaktion auf den offenbarten Willen Gottes. Der Charakter bestimmt, woran einem Menschen gelegen ist: Der Böse hat Gefallen an Schlechtigkeit, während der Gerechte sich an dem erfreut, was heilig, rein und weise ist:

Ein Begehren, das verwirklicht wird, ist der Seele angenehm, Aber vom Bösen zu weichen, ist dem Toren ein Gräuel (Spr 13:19).

„Wie lange wollt ihr Unerfahrenen die Unerfahrenheit lieben? Und ihr Spötter euch am Spott erfreuen, Und ihr Unvernünftigen die Erkenntnis hassen?“ (Spr 1:22).

Die sich freuen, Schlechtes zu tun, Und frohlocken über die Verrücktheit des Bösen (Spr 2:14).

Ein Törichter findet keinen Gefallen am Verstehen, Sondern nur an der Enthüllung seiner eigenen Gedanken (18:2).

Das Begehren der Gerechten ist nur gut, Doch die Erwartung der Bösen ist Zorn (Spr 11:23).

Gib mir dein Herz, mein Sohn, Und lass deine Augen an meinen Wegen Gefallen finden (Spr 23:26).

Eines Menschen Charakter ist, was er selbst ist, und bestimmt, was er denkt, auf wen er hört und was er tut. In Sprüche 17:4 lesen wir:

Ein Übeltäter hört auf böse Lippen, Ein Lügner schenkt zerstörerischer Zunge Gehör (17:4).

Ein Lügner (Charakter) hört nicht auf weisen Rat, sondern schenkt seine Aufmerksamkeit nur denen, deren Ansichten mit seinen eigenen übereinstimmen (Unmoral).

Auch das Neue Testament lehrt diese Tatsache. Im Epheserbrief lesen wir:

Auch ihr wart tot in euren Übertretungen und Sünden, in denen ihr früher wandeltet nach dem Lauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Macht der Lüfte und des Geistes, der nun sein Werk treibt in den Söhnen des Ungehorsams. Unter ihnen lebten auch wir alle früher nach den Lüsten unseres Fleisches und frönten dem Verlangen des Fleisches und der Sinne und waren von Natur aus Kinder des Zorns, gleich den Anderen (Eph 2:1-3).

Von Natur aus waren wir verloren, tot in unserer Sünde. Wir kannten Gott nicht noch dienten wir Ihm. Statt dessen waren wir Nachfolger Satans und ließen unsere Gedanken wie auch unser Fleisch in der Sünde schwelgen.

Im Epheserbrief wie auch in anderen Briefen ermahnt Paulus die Christen, ihren Charakter mit ihrer Berufung und ihrem Glaubensbekenntnis in Einklang zu bringen (vgl. Eph 4:1-6:20; Kol 3:1-4:6). Jakobus schreibt, dass er sich wenig um das Bekenntnis eines Menschen kümmere, da doch allein durch unser Verhalten und unseren Charakter echte Bekehrung offenbar wird. Unser Charakter formt unser Denken und unser Handeln. Was wir sind, bestimmt, wass wir denken und was wir tun:

Den Reinen ist Alles rein; aber den Befleckten und Ungläubigen ist Nichts rein, sondern sowohl ihr Sinn als auch ihr Gewissen sind befleckt. Sie bekunden Gott zu kennen, doch mit ihren Taten verleugnen sie Ihn, weil sie verabscheuungswürdig und ungehorsam sind und nicht zu gebrauchen für irgendein gutes Werk (Tit 1:15-16).

Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass der Charakter eines Menschen eine der mächtigsten Einflusskräfte auf seine Entscheidungen darstellt. Deshalb würde ich sagen, dass kein Faktor wichtiger für die göttliche Führung ist als der Charakter desjenigen, der nach Führung sucht. Wie wir in Sprüche 17:4 sahen, wird der Lügner auf Niemanden hören als auf den Bösen, und das aus dem einfachen Grunde, weil ein böser Mensch keinerlei Neigung und Absicht hat, etwas Reines und Gerechtes zu tun. Der bloße Gedanke, dass er vom Bösen ablassen und Gutes tun könnte, ist dem Bösen zuwider, weil er seine Freude daran hat, Schlechtes zu tun

Um göttliche Führung zu erlangen ist es nach den Sprüchen Ausschlag gebend, einen gottgemäßen Charakter zu entwickeln. Deshalb verwendet das Buch so viel Mühe darauf, die schlechten Charaktere des Faulen, des Einfältigen, des Spötters und des Toren zu beschreiben. Die Sprüche suchen zu unserer charakterlichen Entwicklung beizutragen, indem sie uns anleiten, wie wir weise und gottgemäß werden können. Fromme Männer und Frauen werden nicht nur nach Gottes Willen forschen und ihn finden – sie werden ihn auch tun. Böse Menschen suchen gar nicht erst nach göttlicher Führung, noch würden sie ihr folgen, wenn sie sie gefunden hätten.

Der Charakter eines Menschen kann ihn also zu bestimmten Entscheidungen veranlassen. Zusätzlich gibt es aber mindestens noch zwei weitere Arten, auf denen Charakter und göttliche Führung miteinander zu tun haben. Gottes Charakter nämlich sollte den Gläubigen unbedingt dazu bewegen, nach göttlicher Führung zu suchen und ihr zu folgen. Gottes Charakter ist das Vorbild für unsere Gedanken und Taten, aber er ist auch die Basis für unser Vertrauen darauf, dass Er uns auf dem rechten Weg führen wird. So wie mein Vertrauen auf den Arzt mich dazu bringt, seinen medizinischen Rat zu befolgen, inspiriert mich mein Vertrauen auf Gott dazu, Seinen Willen zu erforschen und ihn zu befolgen.

Und dann gibt mir auch der Charakter anderer Menschen Anhaltspunkte für die göttliche Führung. Eines der besten Kriterien für die Auswahl eines Lebensgefährten ist ein gottgemäßer Charakter (vgl. Spr 31:10-31). Der Charakter soll Ausschlag gebend für die Wahl unserer Freunde und Gefährten sein (Spr 20:19, 22:24, 24:21). Wie ich auf einen Menschen reagiere, soll ich, so sagen mir die Schriften, anhand meiner Einschätzung von dessen Charakter festlegen. Beispielsweise werde ich angehalten, einen weisen Menschen zurechtzuweisen, dagegen soll ich keinen Toren oder Spötter zu verbessern versuchen (vgl. Spr 12:15, 13:1, 14:16, 15:12, 17:10, 23:9, 26:4-5).

Weisen Menschen wird geraten, einen Toren nicht zu belehren oder zu verbessern, weil er den weisen Rat missachten und das richtige Handeln verachten wird. Sehen Sie, was ich meine? Man kann einen Toren nicht anleiten, weil ein Tor keine Anleitung erhalten will. Daher ist der Charakter Ausschlag gebend, was die göttliche Führung anbelangt. Nur der Fromme wird auf den Pfaden von Gerechtigkeit und Weisheit geleitet werden. Der Tor wird unweigerlich zum Weg der Torheit zurückkehren, wie der Hund zu seinem Erbrochenen (Spr 26:11).

Schlussfolgerung

Vieles, was ich über die göttliche Führung gesagt habe, ist nichts Neues, aber es muss trotzdem immer wieder zur Erinnerung gesagt werden (vgl. 2.Pe 3:1). Führung erkennt man vor Allem durch Weisheit, und Weisheit erhält man durch die Gebote aus dem Wort Gottes, durch den Ratschlag der Weisen und durch die hingebungsvolle Suche nach dem Willen Gottes.

Zudem haben wir gelernt, dass unser Charakter wohl der entscheidende Faktor für unsere Reaktion auf die göttliche Führung ist. Wer weise ist, wird die Führung Gottes erkennen (Spr 1:1-6), während die Törichten es versäumen, danach zu suchen. Deshalb konzentrieren sich die Sprüche so sehr auf unseren Charakter. Das Böse entspricht in den Sprüchen den Charakterzügen, die mit Weisheit und Gottgemäßheit unvereinbar sind, wie zum Beispiel Einfalt, Torheit, unkontrollierte Launen, Unmoral und Faulheit.

Während ich das Verhältnis zwischen Charakter und göttlicher Führung untersuchte, fiel mir auf, dass wir hier – wie auf vielen anderen Gebieten des christlichen Lebens – uns schuldig gemacht haben, „die Mücken auszusieben, aber das Kamel herunterzuschlucken“ (Mat 23:24). Wir haben unsere Aufmerksamkeit auf die Einzelheiten von Gottes Willen gerichtet, dabei aber die Wege vernachlässigt, die das Wort Gottes so deutlich vorzeichnet.

Ich glaube, viele von uns fragen nach göttlicher Führung, wenn sie irgendeine bestimmte Entscheidung auf dem Weg unseres Lebens zu treffen haben, wenn sie auf dem falschen Weg sind. Unsere Suche nach der göttlichen Führung entspricht dann ungefähr der des Jona, der zu Gott betete, ihn ein Schiff nach Tarsis finden zu lassen, obwohl Gott ihm doch aufgetragen hatte, nach Ninive zu gehen. Wir müssen gar nicht versuchen herauszufinden, ob es Gottes Willen entspricht, dass Sally unsere Frau wird, wenn Sally ungläubig oder bekanntermaßen von schlechtem Charakter ist.

Ich bin überzeugt davon, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Entscheidungen, die wir als Christen aufgerufen sind zu treffen, anhand des Weges getroffen werden kann, auf dem wir uns befinden, anhand des Weges, der in den Schriften so deutlich vorgezeichnet wird. Ich glaube außerdem, dass Einzelentscheidungen, die keinerlei moralische Dimension haben, die weder ‚gut’ noch ‚schlecht’ sind, deshalb der Freiheit des Christen anheim gestellt sind und für Gott nicht von Wichtigkeit sind. Wenn das nicht der Fall sein sollte, kann Gott uns mit Sicherheit dabei lenken, so wie Er Seine Kinder immer gelenkt hat. Wenn es für Ihn einen Unterschied macht, ob wir dieses Haus kaufen oder jenes, dieses Auto oder ein anderes, dann wird Er sicherlich mithilfe der göttlichen Vorsehung intervenieren.

Wenn ich die in den Schriften aufgezeichneten schlechten Entscheidungen der Menschen überdenke, stelle ich fest, dass diese eher aus einem nicht-gottgemäßen Charakter als aus ungenügender oder unklarer Führung resultieren. Simson, beispielsweise, war ein Mensch mit charakterlichen Schwächen, wenn es um Frauen ging. Er ging immer wieder ausländischen, gottlosen Frauen nach, auch wenn das Gesetz etwas Anderes vorschrieb und auch seine Eltern ihn darauf aufmerksam machten (Ri 14:3).

Davids Sünde mit Bathseba war ebenfalls auf eine Charakterschwäche seinerseits zurückzuführen. In 2.Samuel 11:1 wird uns gesagt:

Und es geschah im Frühjahr, zu der Zeit, da Könige in die Schlacht ausziehen, dass David Joab aussandte und mit ihm seine Knechte und ganz Israel, und sie vernichteten die Söhne Ammons und belagerten Rabba. David aber blieb in Jerusalem.

Im zweiten Vers eben dieser Stelle erfahren wir, dass David nicht nur zu Hause geblieben war, als er hätte in den Krieg ziehen sollen – nein, er schlief zudem bis spät in den Nachmittag hinein. Nun muss ich sagen, dass Davids Charakter sich drastisch verschlechtert hatte seit den Tagen, als er durch Saul verfolgt worden war. David geriet eher durch den Wohlstand in Versuchung als durch die Verfolgung. Er war ein so großer Anführer, muss er sich wohl gesagt haben, dass er den Krieg auch von seinem Bett aus führen konnte. Bathseba hätte nicht in Davids Bett liegen sollen – aber er selbst auch nicht. Darauf bezog sich in Wirklichkeit auch die treffende Zurechtweisung aus dem Munde Urias, der Davids loyaler Untertan und Bathsebas Ehemann war (2.Sa 11:11). Davids Sünde mit Bathseba geschah nicht einfach so; sie war das Ergebnis einer ernsthaften charakterlichen Verfehlung in Davids Leben. Übrigens war Bathsebas Sünde vielleicht von der gleichen Art wie die Davids. Sollte sie wirklich irgendwo gebadet haben, wo sie von Anderen gesehen werden konnte?

Ich möchte behaupten, dass die meisten schlechten Entscheidungen unseres Lebens wie bei David die Folge unseres Charakters sind. Denken Sie einen Moment darüber nach. Welche Versuchungen quälen Sie am meisten im Leben? Sind es nicht gerade die Versuchungen, die die schwächsten Seiten Ihres moralischen Bewusstseins betreffen? Wenn sie Schwierigkeiten haben, sich selbst zu beherrschen – ein Charakterfehler, der an vielen Stellen in den Sprüchen beschrieben wird (19:19, 22:24, 29:22) –, dann werden Sie immer wieder dagegen ankämpfen müssen, nicht zu explodieren. Je mehr Sie diesen Fehler hätscheln, umso größer wird die Versuchung sein und umso sicherer ein Straucheln beim nächsten Mal. Wenn Jemand zulässt, dass sich seine (oder ihre) Gedanken immer mit unmoralischen Dingen beschäftigen, so wird er oder sie sich bald einer moralischen Versuchung gegenüber sehen. Wenn nur genügend Zeit vergeht und sich eine passende Gelegenheit ergibt (wie bei David), so wird derjenige, der unmoralische Gedanken hegt, schließlich einer moralischen Sünde verfallen.

Gottes Willen leitet uns zwar ganz konkret an, bis hin zu winzigen Details unseres Lebens, am meisten und am stärksten offenbart sich Sein Wille aber in Bezug auf den Weg, den wir gehen: „Er erquicket meine Seele; Er führet mich auf den Pfaden der Gerechtigkeit um Seines Namens Willen“ (Ps 23:3).

Gottes Wille ist es, dass wir moralisch rein sind:

Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung; das heißt, dass ihr euch von geschlechtlicher Unmoral enthaltet (1.Th 4:3).

Ob wir die Prüfung wahrer Geistlichkeit und Reife bestehen, hängt von unserem Charakter ab. Die Ältesten und Gemeindevorsteher mussten Männer von gottgemäßem Charakter sein (1.Tim 3; Tit 1). Die Frucht des Geistes ist die Ausbildung eines gottgemäßen Charakters (Gal 5:22-23); und die Dinge, nach denen alle Christen streben sollen, stellen verschiedene Aspekte des gottgemäßen Charakters dar (2.Pe 1:5-11). Die Reife eines Heiligen ist eine Frage seines Charakters:

Denn obwohl ihr mittlerweile Lehrer sein solltet, habt ihr doch selber wieder Jemanden nötig, der euch die maßgeblichen Grundlagen der Sprüche Gottes lehrt, und ihr seid dahin gekommen, dass ihr wieder Milch braucht statt feste Speise. Denn Jeder, der nur Milch zu sich nimmt, ist unbewandert im Wort der Gerechtigkeit, denn er ist ein kleines Kind. Feste Speise aber ist für den Reifen, der durch Übung seine Sinne geschärft hat, dass sie das Gute und das Böse unterscheiden können (Heb 5:12-14).

Es sind die Unreifen, denen der gottgemäße Charakter fehlt, die wanken und schwanken, wo sie weise Entscheidungen treffen sollten:

Auf dass wir nicht länger wie die Kinder seien, die hierhin und dorthin geworfen werden von den Wellen und davongetragen werden von jedem Hauch einer Lehre, von den Betrügereien der Menschen, vom einem geschickt täuschenden Plan (Eph 4:14).

Er bitte aber ohne jedes Zweifeln und im Glauben; denn wer zweifelt, ist gleich der Meereswoge, die vom Wind umhergetrieben und umhergeworfen wird. Denn ein Solcher denke nicht, dass er irgendetwas vom Herrn empfangen wird, da er doch ein unentschlossener Mensch ist und unbeständig auf allen seinen Wegen (Jak 1:6-8).

Vor allem Anderen lassen Sie uns danach streben, einen gottgemäßen Charakter zu entwickeln und zu bewahren. Mehr als alles Andere wird uns das dazu bringen, der Führung gehorsam zu sein, die Gott Seinen Kindern zuteil werden lässt.

Gut und aufrecht ist der Herr; darum weist Er Sündern den Weg. Er führt den Demütigen in Gerechtigkeit, und Er lehrt den Demütigen Seinen Weg. Alle Pfade des Herrn sind Güte und Treue für die, die Seinen Bund und Seine Gebote halten. Um Deines Namens Willen, o Herr, vergib mein Vergehen, denn es ist groß. Wer ist der Mann, der den Herrn fürchtet? Er wird ihm den Weg weisen, den er wählen soll (Ps 25:8-12).


60 „Sowohl das Verb als auch das Substantiv sind mit einer hebräischen Proposition mit der Bedeutung ‚zwischen’ verwandt und bezeichnen die Fähigkeit, angemessene Unterscheidungen zu treffen. In diesem Falle ist die Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch gemeint.“ A. Cohen, Proverbs [Die Sprüche], London: Soncino Press, 1967, S. 1.

61 McKane nennt das ‚Urteilsvermögen’ ‚Findigkeit’ und sagt im Weiteren über den Erziehungsprozess, durch den sie entwickelt werden sollte: „Wichtig war dabei, dass Verhandlungsgeschick vermittelt und ein solides Urteilsvermögen genährt werde, damit ein Individuum von Einfluss und Gewicht daraus hervorgehe.“ William McKane, Proverbs [Die Sprüche], Philadelphia: Westminster Press, n.d., S. 265.

62 „Es ist also der Begriff für eine Art nautischer Expertise, für die Fähigkeit, inmitten der offenen See einen Kurs zu halten; und man kann es leicht zu einer Metapher weiterentwickeln für das Geschick, ein Problem zu bewältigen, indem man Anfang und Ende des Problems zu erkennen und jede Handlung am richtigen Ort und zur richtigen Zeit durchzuführen in der Lage ist.“ Ibid, S. 266.

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