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Where the world comes to study the Bible

4. Die ersten Jünger (Johannes 1:35-51)

Einleitung

Wie so viele andere auch wurden meine Frau und ich ursprünglich durch einen Verwandten zusammengebracht. Meine spätere Frau Jeannette war College-Studentin in Seattle, während ich noch bei meinen Eltern lebte. Meine Schwester Ruth wohnte im Studentenwohnheim auf dem gleichen Flur wie Jeannette, und sie wurden Freundinnen. Als meine Schwester David Harrison heiratete (den ich versucht hatte mit Jeannette zusammenzubringen), fand die Hochzeit in Shelton statt, wo ich lebte, und Jeannette übernahm eine Rolle im Rahmen der Hochzeitszeremonie. Ein oder zwei Jahre später wurde Jeannette und ich dann gute Freunde, als wir beide eine leitende Position innerhalb unserer jeweiligen College-Klasse in der Kirche innehatten. Ich lieh mir sogar einmal Jeannettes Auto aus, um „Nancy“ bei einer Verabredung auszuführen. Schließlich wurde es für Jeannette und mich offensichtlich, dass wir viel mehr – aber auch niemals weniger – als „befreundet“ sein sollten. Dank meiner Schwester Ruth begann für Jeannette und mich eine lebenslange Beziehung.

Beziehungen kommen oft mithilfe eines Freundes oder Verwandten zustande; und wenn eine solche Beziehung beginnt, hat man noch keine Ahnung, wohin sie führen könnte. Ganz sicher traf das für meine Beziehung mit Jeannette zu. Ich erhielt viel mehr als ich erwartet hatte, ja sogar das allerbeste! Und dasselbe traf auf die Jünger Jesu zu, von denen die ersten auch durch einen Freund oder Verwandten zu Ihm gebracht wurden.

Die Jünger unseres Herrn spielen im Neuen Testament eine sehr wichtige Rolle. Jedes der drei synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas)66 beinhaltet zwei „Rufe“. Der erste „Ruf“67 ist vorläufig, geschieht sehr früh im Verlauf des Dienstes unseres Herrn und scheint nicht für die Dauer gewesen zu sein. Zu diesem Zeitpunkt werden erst einmal zwei Bruderpaare gerufen: Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und Simon und Andreas. Im Matthäus- und im Markus-Evangelium wird der Ruf an die vier Fischer jeweils nur recht kurz beschrieben.

Einen ausführlicheren Bericht über diesen ersten Ruf finden wir im Kapitel 5 des Lukas-Evangeliums. Lukas holt weit aus und erläutert näher, was bei Matthäus und Markus nur knapp berichtet wird: Jesus kam zum See Genezareth68 und begann vor der Menge zu lehren, die sich dort versammelt hatte, um Ihn zu hören. In der Nähe lagen zwei Boote; eines davon gehörte Jakobus und Johannes und das andere Petrus und Andreas. Jesus kam in Petrus’ Boot und bat ihn vom Ufer abzulegen, damit Er leichter zu den Menschen am Ufer sprechen konnte. Als Jesus seine Lehren beendet hatte, wies er Petrus an, in tieferes Wasser hinauszufahren und die Netze zum Fang herabzulassen. Nicht dass Er ihnen vorschlug, dass sie versuchen sollten, Fische zu fangen – nein, Er sprach davon als von einer Gewissheit. Petrus und sein Partner waren die ganze Nacht erfolglos zum Fischen unterwegs gewesen und wenn es etwas gab, worin Petrus sich kompetent fühlte, dann war es das Fischen. Er brachte also Jesus gegenüber zum Ausdruck, dass er dessen Plan für nicht sehr gelungen hielt, tat aber dann doch, was Jesus ihm aufgetragen hatte. Als sie tieferes Wasser erreichten und dort das Netz einholten, war es so voll, dass Petrus Jakobus und Johannes zuhilfe rufen musste. Diese brachten ihr Boot längsseits und beide Boote waren anschließend so voller Fische, dass sie unterzugehen drohten. Da erkannte Petrus plötzlich, dass Jesus viel größer war, als er angenommen hatte, und fiel vor Ihm nieder. Petrus forderte Jesus auf, von ihm, dem sündigen Menschen, fortzugehen. Und Jesus ruft daraufhin die Männer dazu auf, Ihm zu nachfolgen, weil sie von nun an „Menschen fischen“ werden (Lukas 5:10). Lukas erzählt uns weiter, dass sie ihre Boote auf das Ufer zogen und alles verließen, um Jesus zu folgen. Dieser erste „Ruf“ wird bei Johannes überhaupt nicht erwähnt.

Wie wir wissen, geschah es erst beim zweiten „Ruf“, dass Jesus die Zwölf zu Seinen Jüngern ernannte. Dieser spätere Ruf ist in den synoptischen Evangelien aufgezeichnet69, aber im Johannes-Evangelium ist er wiederum nicht zu finden. Tatsächlich gibt es bei Johannes gar keinen „Ruf“ an die Jünger, außer dem „Ruf“ an Philippus70 in unserem heutigen Text. Es gibt im Johannes-Evangelium noch nicht einmal eine Aufzählung der Namen der zwölf Apostel. Nur viermal werden „die Zwölf“ erwähnt, dreimal davon im selben Kapitel (Johannes 6:67,70,71) und das letzte Mal in Kapitel 20, Vers 24. Die ausführlichste Aufzählung von Jüngern unseres Herrn finden wir bei Johannes im allerletzten Kapitel: „Danach offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal am See von Tiberius. Und so offenbarte er sich ihnen: Simon Petrus, Thomas (genannt Didymos), Nathanael (aus Kana in Galiläa), die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren beisammen“ (Johannes 21:1-2).

Drei Jünger werden hier namentlich genannt: Simon Petrus, Thomas und Nathanael. Jakobus und Johannes werden indirekt als die „Söhne des Zebedäus“ angeführt, und zwei andere Jünger werden als anwesend erwähnt, aber nicht näher bezeichnet. Im gesamten Johannes-Evangelium wird Jakobus nicht mit Namen genannt, und auch die inneren Drei (Petrus, Jakobus und Johannes) werden nicht erwähnt. In den Schlussversen von Kapitel 1 findet sich die einzige Beschreibung davon, wie Jesus Jünger gewann. Von Kapitel 2 an lesen wir nur noch von „Jesus und Seinen Jüngern“ (2:2) oder schlicht von „Seinen Jüngern“. Lassen Sie uns also einen Blick auf diese Verse werfen, die beschreiben, wie Jesus einen Seiner Jünger gewann.

Jesus und die zwei Jünger des Johannes
(1:35-39)

35 Am nächsten Tag stand Johannes wieder da mit zweien seiner Jünger. 36 Er sah auf Jesus, der vorbeiging, und sagte: „Siehe, das Lamm Gottes!“ 37 Als seine zwei Jünger ihn das sagen hörten, folgten sie Jesus. 38 Jesus wandte sich um und sah, dass sie ihm folgten, und sprach zu ihnen: „Was wollt ihr?“ Da sagten sie zu ihm: „Rabbi“ (das bedeutet übersetzt: Lehrer), „wo hältst du dich auf?“ 39 Jesus sprach zu ihnen: „Kommt, und ihr werdet sehen.“ So kamen sie und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben an diesem Tag bei ihm; es war etwa vier Uhr am Nachmittag (Johannes 1:35-39).

Einen Tag hören wir Johannes vom Messias sprechen als von Einem, der irgendwo in Israel unter Seinem Volk weilt, aber noch nicht erkannt worden ist (1:26-27, 30-31), und am folgenden Tag schon verkündet er Jesus als den verheißenen Messias (1:29-30). Die Identität Jesu als der Messias wird Johannes bei der Taufe des Herrn offenbart (1:31-34), und sofort beginnt Johannes kundzutun, dass Jesus Der ist, von dem er die ganze Zeit gesprochen hat. Kurz darauf geht der Herr an Johannes und zweien von dessen Jüngern vorüber. Während Er sich entfernt, sagt Johannes zu seinen zwei Jüngern, dass Jesus das „Lamm Gottes“ sei (Vers 35). Die Jünger verlassen Johannes und laufen hinter Jesus her. Als sie näher kommen, dreht Er sich um, sieht, dass sie Ihm folgen, und fragt sie: „Was sucht ihr?“

Jesus fragt sie nicht „Wen sucht ihr?“, sondern Was sucht ihr?“ Diese Frage ist nicht unfreundlich gemeint, um die Jünger abzuweisen. Vielmehr soll die Frage sie offenbar dazu ermutigen, in Worte zu fassen, was sie von Ihm wollen, und auf den Punkt zu bringen, was sie da eigentlich tun. Die zwei Männer werden vielleicht auf dem falschen Fuß erwischt, denn sie antworten: „Rabbi, wo hältst du dich auf?“ Ich muss zugeben, dass ich das anfangs für eine ziemlich dämliche Antwort hielt, von der Art, wie ich sie selbst schon gegeben habe, wenn ich auf dem falschen Fuß erwischt wurde und nicht wusste, was ich sagen sollte. Diese Antwort könnte aber mehr enthalten, als ich zunächst dachte. Es ist möglicherweise eine höfliche Anfrage an Jesus, ob sie Seine Jünger werden könnten.

Die Antwort unseres Herrn ist ermutigend: „Kommt, und ihr werdet sehen“ (Vers 39). Das ist eine ganz andere Antwort als die, die Jesus bei anderer Gelegenheit jemandem gab, der sich Ihm antrug: „Als sie die Straße entlang gingen, sagte jemand zu ihm: ‚Ich will dir folgen, wo immer du auch hingehst.’ Jesus aber sprach zu ihm: ‚Füchse haben ihren Bau und die Vögel der Lüfte haben ihre Nester, aber der Menschensohn hat nichts, um sein Haupt niederzulegen’“ (Lukas 9:57-58).

Wenn Jünger-Sein buchstäblich bedeutete, seinem Meister zu folgen, dann musste man auch mit diesem Meister zusammenwohnen. Wenn Jesus also diesem „Möchtegern“-Jünger sagt, dass er nirgendwo wohnen könne, war das möglicherweise eine höfliche Absage unseres Herrn an das Angebot, dass der andere Sein Jünger werden wollte. Wenn Jesus andererseits die Jünger des Johannes einlädt zu sehen, wo Er wohnt, lädt Er sie wohl ein, Ihm als Seine Jünger zu folgen. Manche Bibelstudierende fassen das so auf, dass die zwei Männer, die Jesus ja um 4:00 nachmittags begegnen, die Nacht in Seinem Haus verbringen71.

Andreas bringt Simon zu Jesus
(1:40-42)

40 Einer der beiden Jüngern, die Johannes’ Worte gehört hatten und Jesus nachfolgten, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. 41 Er suchte zuerst72 seinen Bruder Simon auf und sagte zu ihm: „Wir haben den Messias gefunden“ (was übersetzt ‚Christus’, der Gesalbte, bedeutet). 42 Andreas brachte Simon zu Jesus. Jesus schaute ihn an und sprach: „Du bist Simon, der Sohn des Johannes. Du wirst Kephas genannt werden“ (was übersetzt ‚Petrus’, der Fels, bedeutet).

Aus Vers 40 erfahren wir, dass Simons Bruder Andreas einer der beiden Jünger war, die Jesus nach Hause folgten. Wie viele andere auch gehe ich davon aus, dass der andere Mann, der Johannes den Täufer verließ, um Jesus zu folgen, der Apostel Johannes war. Andreas suchte unverzüglich seinen Bruder Simon auf und erzählte ihm: „Wir haben den Messias gefunden“ (Vers 41). Der Ausdruck „Messias“ ist die Wiedergabe eines hebräischen Wortes mit der Bedeutung „gesalbt“. Dieses hebräische Wort wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (der Septuaginta) sonst immer mit Cristo („Christos“) übersetzt. Priester (Exodus 28:41, 40:15 etc.), Propheten (1. Könige 19:16) und Könige (1. Samuel 9:16, 16:3; 2. Samuel 12:7) wurden mit Öl gesalbt, um sie so für ihr Amt und ihre Verpflichtung zu weihen. Von all den „Gesalbten“ des Alten Testaments hebt sich eine Gestalt ab, die über allen anderen steht: „Du liebst die Gerechtigkeit und hasst das Böse; / daher hat Dich Gott, Dein Gott, / mit dem Öl der Freude gesalbt über alle Deine Gefährten“ (Psalm 45:7; siehe auch Psalm 2:2, NKJV).

Im Alten Testament wurde dieser Begriff („Christos“, „der Christus“) zu einem der Namen, mit denen der verheißene Erlöser (Daniel 9:25-26) bezeichnet wurde. Nur zweimal kommt das Wort „Messias“ im Neuen Testament vor, und zwar beide Male im Johannes-Evangelium:

Er suchte zuerst seinen Bruder Simon auf und sagte zu ihm: „Wir haben den Messias gefunden“ (was übersetzt ‚Christus’, der Gesalbte, bedeutet) (Johannes 1:41).

Die Frau sagte zu ihm: „Ich weiß, dass der Messias kommt (der da Christus genannt wird). Und wenn er kommt, wird er uns alles kundtun“ (Johannes 4:25).

Meistens wird der erwartete Messias (um hier den hebräischen Begriff für „der Gesalbte“ zu gebrauchen) als „der Christus“ bezeichnet. Dieser Ausdruck erscheint 56 Mal im Neuen Testament, davon 17 Mal im Johannes-Evangelium73. Seine Leser davon zu überzeugen, dass Jesus von Nazareth „der Christus“ ist – das ist die Absicht, die Johannes bei der Abfassung seines Evangeliums verfolgt: „Diese aber sind aufgeschrieben worden, auf dass ihr glaubet, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und dass ihr durch den Glauben in Seinem Namen Leben haben möget“ (Johannes 20:31; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Als nun Andreas zu seinem Bruder Petrus kommt, teilt er ihm mit, dass sie „den Messias“, „den Christus“ gefunden haben. Mit dem, was er sagt, hat Andreas natürlich Recht – aber er sagt viel mehr, als er selbst an diesem Punkt im Leben zu erfassen in der Lage ist. Er hat Recht mit seiner Interpretation, dass Jesus „der Messias“ ist. Was es aber bedeutet, „der Messias“ zu sein, müssen er und die anderen Jünger erst noch lernen. Ihre Auffassung ist diesbezüglich begrenzt und gelegentlich auch verzerrt. So kann es geschehen, dass Petrus einerseits sein „großes Bekenntnis“ über Jesus als „den Christus“ ablegt (Matthäus 16:16), und andererseits unmittelbar anschließend „den Christus“ zurechtweist, weil Er von Seinem bevorstehenden Leiden und Tod am Kreuz von Golgatha spricht (Matthäus 16:21-23).

Petrus geht mit Andreas, und sie machen sich auf den Weg zu Jesus. Unser Herr sieht Petrus an und gibt ihm einen neuen Namen: „Kephas“, das aramäische Äquivalent von „Petros“ (Petrus) mit der Bedeutung „Fels“. Interessanterweise „ruft“ Jesus Petrus an dieser Stelle nicht, und Petrus bietet sich ihm auch nicht an (allerdings könnte Johannes solche Einzelheiten schlicht weggelassen haben). Statt dessen gibt Jesus Simon einen neuen Namen und nennt ihn Petrus, „der Fels“. Jemandem einen Namen zu geben, hat in der Bibel weitreichende Bedeutung. Adam gab den Tieren, die Gott geschaffen hatte, ihre Namen: darin drückt sich die Tatsache aus, dass Gott ihn dazu ernannt hatte, über Seine Schöpfung zu „herrschen“. Gott gab einer Reihe von Menschen neue Namen, unter anderem wurde Abram zu Abraham, Sarai zu Sarah und Jakob zu Israel. Darin spiegelt sich Gottes Souveränität wider, denn mit dem Namen wird Er auch das Schicksal dessen ändern, dessen Namen Er geändert hat74. Simon ist alles andere als ein „Fels“, als Jesus ihm zum ersten Mal begegnet. Bei seinem „großen Bekenntnis“ (Matthäus 16:15-19) beginnt er felsenhafte Eigenschaften an den Tag zu legen, aber erst nach der Auferstehung unseres Herrn und nach Pfingsten wird Petrus wirklich zu einem „Fels“. Ich glaube nicht, dass unser Herr „felsenhafte“ Neigungen oder ein entsprechendes Potenzial in Simon sah. Vielmehr glaube ich, dass unser Herr beabsichtigte aus Simon einen Fels zu machen und dass Er Seine Absicht dann auch ausführte. Dieser Grünschnabel hat nichts Felsenhaftes; erst unser Herr macht einen Fels aus dem Mann. Simons Umbenennung ist damit prophetisch75.

In den synoptischen Evangelien erfahren wir nie, wie oder wann Simon den Namen „Petrus“ erhielt. Wir erfahren nur, dass sein Name Petrus war. Überall in diesen Evangelien wird er entweder „Simon“ oder „Petrus“ oder „Simon Petrus“ genannt. Allein unser Text versieht uns mit Informationen darüber, wie Petrus zu seinem Namen kam. Wieder einmal sehen wir hier den einmaligen Beitrag, den das Johannes-Evangelium zum Schriftenkanon leistet.

Der Ruf an Philippus
und das Bekenntnis des Nathanael
(1:43-51)

43 Am folgenden Tag wollte Jesus76 nach Galiläa aufbrechen. Er77 fand Philippus und sagte zu ihm: „Folge mir nach.“ 44 Philippus aber kam aus Bethsaida78, der Stadt des Andreas und des Petrus. 45 Philippus fand Nathanael und sagte zu ihm: „Wir haben den gefunden, über den Moses im Gesetz schrieb und über den auch die Propheten schrieben – Jesus von Nazareth, den Sohn Josephs79.“ 46 Nathanael sagte zu ihm: „Was kann aus Nazareth denn Gutes kommen?” Philippus erwiderte: „Komm und sieh.“ 47 Jesus sah Nathanael herankommen und sagte über ihn: „Siehe, ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist!“ 48 Nathanael fragte ihn: „Woher kennst du mich?“ Jesus erwiderte: „Bevor Philippus dich rief, sah ich dich, als du unter dem Feigenbaum warst.“ 49 Nathanael antwortete ihm: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes; du bist der König von Israel!“ 50 Jesus sprach zu ihm: „Weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah, glaubst du? Du wirst noch größere Dinge sehen als das.“ 51 Und er fuhr fort: „Ich sage euch die tiefe Wahrheit: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes zu des Menschen Sohn auf- und niederfahren sehen80.“

Als Jesus nach Galiläa kommt, begegnet Er zunächst Philippus und ruft ihn als Jünger zu sich81. Interessanterweise ist es in diesem Evangelium nur Philippus, den unser Herr so einlädt. In den synoptischen Evangelien gibt es, wie erwähnt, noch andere Rufe zur Jüngerschaft. Aber im Johannes-Evangelium wird nur Philippus eingeladen, Jesus „nachzufolgen“, und zwar an dieser Stelle in unserem Text. Das ist ausgesprochen interessant, denn Philippus scheint gar nicht die Art Mensch zu sein, von dem man erwarten würde, dass er so durch unseren Herrn herausgehoben wird.

In den synoptischen Evangelien kommt Philippus einmal pro Evangelium vor, und zwar dort, wo die zwölf Männer namentlich aufgezählt werden, die Jesus zu Seinen Jüngern ernannt hatte. Ansonsten wird über ihn selbst als Individuum bei den Synoptikern nichts gesagt. Auf die Frage, was Philippus denn für ein Mensch war, wüssten wir allein aus den synoptischen Evangelien nichts zu sagen. Im Johannes-Evangelium erscheint Philippus’ Name 12 Mal, und es werden verschiedene Ereignisse beschrieben, die etwas über ihn aussagen:

4 (Das jüdische Passahfest war aber nahe.) 5 Als Jesus dann den Blick erhob und sah, dass eine große Volksmenge zu ihm kam, sagte er zu Philippus: „Wo können wir Brot kaufen, damit diese Menschen essen können?“ 6 (Jesus sagte dies aber, um ihn zu prüfen, denn er wusste wohl, was er tun wollte.) 7 Philippus erwiderte: „Für zweihundert Silbermünzen Brot wäre nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme“ (Johannes 6:4-7).

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um auf dem Fest anzubeten. 21 Die traten dann an Philippus heran, der von Bethsaida in Galiläa war, und baten: „Mein Herr, wir möchten gerne Jesus sehen.“ 22 Philippus ging hin und sagte es Andreas, und sie beide gingen hin und sagten es Jesus. 23 Jesus erwiderte: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde“ (Johannes 12:20-23).

6 Jesus erwiderte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich. 7 Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“ 8 Philippus sagte: „Herr, zeige uns den Vater und wir werden es zufrieden sein.“ 9 Jesus erwiderte: „So lange bin ich bei euch gewesen und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen! Wie kannst du sagen ‚Zeige uns den Vater’? 10 Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch spreche, sage ich nicht aus eigener Autorität heraus, sondern der Vater, der in mir wohnt, tut seine wunderbaren Werke. 11 Glaubt mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist; wenn ihr aber mir nicht glaubt, so glaubt es um der wunderbaren Werke selbst willen“ (Johannes 14:6-11).

Ich muss immer lachen, wenn ich Leon Morris’ ironischen Kommetar lese, dass Philippus in diesen Texten „etwas unsicheren Boden unter den Füßen“ zu haben scheint82. Philippus scheint nicht gerade der Typ zu sein, der in der Schule aus seinem Abschlussjahrgang zum „Most likely to succeed“ gewählt worden wäre. Ihm fehlten vielleicht das Selbstvertrauen und die Eigeninitiative, um sich selbst zu behaupten und Christus ohne entsprechende Einladung zu folgen. Der Ruf an Philippus illustriert also ein Prinzip, das in der Bibel oftmals zutage tritt, am deutlichsten aber von dem Apostel Paulus ausgesprochen wurde:

26 Bedenkt die Umstände eurer Berufung, Brüder und Schwestern. Nur wenige waren weise nach menschlichen Maßstäben, nur wenige waren mächtig, nur wenige gehörten zur Oberschicht. 27 Aber Gott erwählte, was die Welt für töricht hält, um die Weisen zu beschämen, und Gott erwählte, was die Welt für schwach hält, um die Starken zu beschämen. 28 Gott erwählte, was niedrig und verachtet ist in der Welt, was als Nichts erachtet wird, und ließ außer Acht, was als Etwas erachtet wird, 29 damit sich niemand in seiner Gegenwart rühmen kann. 30 Er allein ist der Grund dafür, dass ihr Gemeinschaft habt mit Christus Jesus, der für uns zur Weisheit von Gott geworden ist, und zur Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung, 31 damit es so sei, wie es geschrieben steht: „Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn“ (1. Korinther 1:26-31).

Nachdem wir alle Fakten berücksichtigt haben, wollen wir uns aber auch daran erinnern, dass Philippus auf die Einladung unseres Herrn hin zu einem der wenigen Privilegierten wurde, die Jesus als die Zwölfe folgen durften. Dieser Mann brachte außerdem, trotz seiner Begrenztheit, andere Menschen zum Erlöser, wie wir in Kürze für uns selbst sehen werden.

Als Nächster kommt Nathanael, ein ausgesprochen interessanter Charakter. Sein Name wird nur im Johannes-Evangelium genannt, fünf Mal in Kapitel 1 und einmal in Kapitel 21. Weder in den anderen Evangelien noch im restlichen Neuen Testament wird er je erwähnt. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Nathanael der „Bartholomäus“ der synoptischen Evangelien ist83. Nathanael kommt im Johannes-Evangelium ganz anders daher als Philippus. Wo Philippus ein Mann mit offenbar „unsicherem Grund unter den Füßen“ ist, scheint Nathanael, mehr als die anderen, ein Mann von tief gründender Spiritualität zu sein.

Es ist Philippus, der Nathanael Jesus vorstellt: „Wir haben den gefunden, über den Moses im Gesetz schrieb und über den auch die Propheten schrieben – Jesus von Nazareth, den Sohn Josephs“ (Vers 45). Philippus stellt Jesus dar als die Erfüllung sämtlicher Prophezeiungen, die sich auf den Messias beziehen – von Moses angefangen bis hin zu den Propheten. Damit hat er natürlich vollkommen recht. Das erinnert mich an die folgenden Worte am Ende des Lukas-Evangeliums:

25 Also sprach er zu ihnen: „Ihr törichten Leute, die ihr trägen Herzens seid, an all die Dinge zu glauben, die die Propheten geredet haben! 26 Musste nicht der Christus alle diese Dinge erleiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ 27 Und ausgehend von Moses und all den Propheten legte er ihnen aus allen Schriften die Dinge aus, die über ihn geschrieben waren (Lukas 24:25-27).

Etwas von dem, was Nathanael hört, macht ihm sehr zu schaffen. Es ist nicht, dass Jesus „der Sohn Josephs“ ist, sondern dass Er „Jesus von Nazareth“ ist. Wir erkennen an dieser Stelle, dass es zu Jesu – geradeso wie in unserer eigenen – Zeit Vorurteile über bestimmte Orte gab. In den Vereinigten Staaten gibt es zum Beispiel noch immer Ressentiments zwischen den Nord- und den Südstaatenbewohnern. Es gibt bestimmte Vorurteile Menschen gegenüber, die in den Ozarks oder den Appalachen leben. Man geht davon aus, dass große Persönlichkeiten aus bestimmten Gegenden kommen müssen, während Menschen aus anderen Gebieten eher irgendwie zurückgeblieben sind. Solche „geographischen“ Vorurteile existieren, wenn auch vielleicht nur unterschwellig.

Galiläa scheint zu Jesu Zeiten so etwas wie „die Ozarks“ gewesen zu sein, und als Galiläer charakterisiert zu werden scheint kein Kompliment gewesen zu sein (siehe Markus 14:69-70). Auch für unseren Herrn scheint es kein Kompliment gewesen zu sein, dass Er als Nazarener (einer aus Nazareth, einer Stadt in Galiläa) bekannt war. Zumindest in Nathanaels Augen spricht es – was den Anspruch betrifft, der Messias zu sein – nicht für Jesus, dass Er aus Nazareth kommt. Der Apostel Johannes hat diese Worte aus gutem Grund eingefügt, und zwar um zu zeigen, wie skeptisch Nathanael Jesus gegenübersteht. Von dem Wenigen her, was er über Ihn weiß, ist Nathanael nicht geneigt zu akzeptieren, dass Jesus der Messias sein könnte. Die radikale Sinneswandlung, die wir dann innerhalb weniger Verse sehen, ist also ein Hinweis darauf, wie zwingend und gewichtig die Beweise sein müssen, die Nathanael dazu bringen, Jesus als den Messias zu bekennen. Johannes spart hier offensichtlich das Beste bis zum Schluss auf, denn Nathanaels Bekenntnis ist das tiefste und umfassendste: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ (Vers 49). Lassen Sie uns nun betrachten, wodurch Nathanaels Meinung so rasch und so durchgreifend verändert wurde.

Um die Ausgangssituation klar zu machen, müssen wir ganz bis zum Buch Genesis im Alten Testament zurückgehen und das folgende Ereignis im Leben Jakobs nachlesen, dessen Namen Gott in „Israel“ umbenannte:

10 Und Jakob zog von Beerscheba fort und machte sich auf den Weg nach Haran. 11 So kam er an eine Stätte und blieb dort über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen von den Steinen an diesem Ort und setzte ihn als Kopfstütze hin und legte sich dort zum Schlafen nieder. 12 Da träumte ihm, und siehe, da wurde eine Leiter auf die Erde gestellt und ihre Spitze reichte bis zum Himmel, und die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und siehe, der Herr stand oben und sprach: „Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks; das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 14 Auch sollen deine Nachkommen wie die Staubkörner auf der Erde sein; du sollst dich ausbreiten zum Westen und zum Osten, zum Norden und zum Süden; und in dir und deinem Samen sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden. 15 Siehe, ich bin bei dir, und ich will dich behüten, wo immer du hingehst, und ich will dich zurück in dieses Land bringen; denn ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan habe, was ich zu dir geredet habe.“ 16 Da erwachte Jakob aus dem Schlaf und sagte: „Wirklich, der Herr ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht.“ 17 Und er fürchtete sich und sprach: „Wie Ehrfurcht gebietend ist dieser Ort! Dies ist nichts anderes als das Haus Gottes und es ist das Tor zum Himmel!“ (Genesis 28:10-17, NKJV).

Jakob war ein Intrigant und Betrüger. Es war ihm gelungen, seinen älteren Bruder und seinen Vater zu hintergehen, indem er Esau um sein Erstgeburtsrecht brachte (Genesis 25) und von Isaak und Esau einen Segen ergaunerte (Genesis 27). Er floh aus Kanaan, und insbesondere vor Esau, unter dem (teilweise zutreffenden) Vorwand, dass er eine Frau unter seinen Verwandten in Paddan-Aram suchen wolle. Auf seinem Weg nach Paddan-Aram verbrachte Jakob die Nacht unter freiem Himmel. In dieser Nacht hatte er einen Traum, in dem er eine Leiter sah, die sich von der Erde bis in den Himmel erstreckte. Auf dieser Leiter stiegen Engel auf und nieder. Dann sprach Gott zu Jakob und erneuerte den Bund, den Er mit Jakobs Vorfahren Abraham und Isaak geschlossen hatte. Gott verhieß Jakob, dass Er ein großes Volk aus ihm machen werde, und auch, dass Er ihn sicher in das Land zurückbringen werde, das er im Begriff war zu verlassen.

Als Jakob am Morgen erwachte, erinnerte er sich noch lebhaft an den Traum, den er in der Nacht geträumt hatte. Interessant an seiner Reaktion ist es, welche Aspekte dieses Traumes er als wichtig und eindrucksvoll empfand: Jakob war ganz auf den Ort fixiert, an dem ihm der Traum geschenkt worden war (Genesis 28:16-17). Er war vollkommen überwältigt von der Tatsache, dass Gott an diesem Ort gegenwärtig war und dass er das (bis zu seinem Traum) gar nicht erkannt hatte. Sein Sinn fixierte sich auf diesen Ort als einen Ort der Gegenwart und Wohnung Gottes, einen Ort, wo Himmel und Erde, Gott und Mensch zusammenkamen. Mit Jakobs Worten gesagt, war dieser Ort das Tor zum Himmel.

Der Traum hatte ganz unmittelbare Auswirkungen für Jakob, weil er die Wiederholung des Abrahamischen Bundes war – nur dass es dieses Mal Jakob war, durch den die Segnungen verliehen werden würden. Was aber vielleicht (zu diesem Zeitpunkt) noch wichtiger für Jakob war: der Traum stellte für ihn einen ganz realistischen Anreiz dar, nach Israel zurückzukehren. Wie leicht wäre es für Jakob gewesen, nach Paddan-Aram zu fliehen und niemals wieder in das verheißene Land zurückzukehren. Nun erkannte Jakob nicht nur, dass Gott ihm seinen Segen verheißen hatte, sondern auch, dass Er ihn letztendlich an diesem Ort segnen würde. Das Land Israel war, in gewisser Hinsicht, das Tor zum Himmel, ein besonderer Ort, wo Gott und die Menschen sich begegnen konnten, wo auch Himmel und Erde sich begegneten. Er konnte diesen heiligen Ort eine Zeit lang verlassen, aber er musste zurückkehren. So geschah es, dass Jakob schwor zurückzukehren und Gott den Zehnten zu geben, solange Gott ihm Schutz und Gedeihen gewährte.

Was hat all das mit unserem Text im Johannes-Evangelium zu tun und damit, dass Nathanael an Jesus als den verheißenen Messias glaubte? Eine ganze Menge! Ich beziehe mich dabei auf die Worte, die unser Herr in den Versen 47-51, insbesondere in Vers 51, zu Nathanael spricht: „Ich sage euch die tiefe Wahrheit: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes zu des Menschen Sohn auf- und niederfahren sehen.“ Diese Worte können nichts anderes sein als eine Anspielung auf die Episode aus Genesis 28, die wir gerade gelesen haben. Ich möchte Ihnen also einen Vorschlag machen, wie sich die Dinge zugetragen haben mögen. Es kann natürlich sein, dass sie sich nicht genau so zugetragen haben – aber sie könnten sich doch so ähnlich zugetragen haben.

Wir wissen mit Sicherheit, dass Nathanael, als (oder unmittelbar bevor) Philippus ihn aufsuchte, „unter dem Feigenbaum“ war (Vers 48). Manche meinen, dass dies ein Ort war, den Nathanael, wie andere Israeliten auch, aufsuchte, um zu meditieren und zu beten:

Der Feigenbaum war fast so etwas wie ein Symbol für zuhause (vgl. Jes 36:16, Mi 4:4, Sach 3:10). Für spätere Zeiten steht fest, dass sein Schatten als Ort für Gebet und Meditation und Studium genutzt wurde; und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass solche Gewohnheiten nicht auch bis in diese Zeit zurückreichten. Wahrscheinlich hatte Nathanael in der Abgeschiedenheit seines Zuhause irgendeine außerordentliche Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott gemacht, und dies war es, worauf Jesus sich bezog. Was immer es war: Nathanael erkannte die Anspielung.84

Ich neige zu der Ansicht, dass Nathanael unter dem Feigenbaum über Jakob, und insbesondere über den Text im Buch Genesis, gelesen und meditiert hatte (ähnlich wie der äthiopische Eunuch gerade im Buch Jesaja gelesen hatte, bevor Philippus zu ihm kam – Apostelgeschichte 8:26-40). Jakob war ein Mensch voller Falschheit. Die meiste Zeit seines Lebens intrigierte und manipulierte er, um auf Kosten anderer voranzukommen. Jakob war auch der erste „Israelit“, insofern als Gott ihn in Kürze in „Israel“ umbenennen würde (Genesis 32:28). Er war der erste „Israelit und voller Hinterlist“.

Nachdem Philippus auf Nathanael getroffen ist und ihm erzählt hat, dass sie den Messias gefunden haben, Den, der im Gesetz des Moses und der Propheten verheißen wurde, macht sich Nathanael auf den Weg, um diesen Jesus selbst in Augenschein zu nehmen. Als Nathanael näher kommt, spricht Jesus zu anderen Menschen über ihn, und er überhört die Worte: „Siehe, ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist!“ Diese Worte lassen Nathanael auf dem Fleck stehenbleiben. Er hat noch nicht Jesu Bekanntschaft gemacht, noch nicht einmal mit ihm gesprochen, und doch beschreibt Jesus sein Herz und seinen Charakter ganz genau. Wenn Jesus so etwas von mir gesagt hätte, hätte ich geantwortet: „Wer? Ich?“ Nathanael aber akzeptiert die Worte unseres Herrn als die Wahrheit und daher antwortet er: „Woher kennst du mich?“ Anders ausgedrückt: „Woher weißt du, dass ich ein Israelit ohne Falsch bin?“

An dieser Stelle sollten verschiedene Dinge festgestellt werden. Erstens: Jesus sagt nicht: „Siehe, ein Israelit, in dem keine Sünde ist.“ Nathanael ist ein Sünder, wie jeder andere Mensch auch (mit Ausnahme unseres Herrn). Zweitens: Wenn die Worte unseres Herrn auch zutreffend und ein Lob für Nathanael sind, so sind sie doch nicht unbedingt ein Lob für die Juden im allgemeinen. Bestimmte Rassen haben bestimmte sündige Neigungen (siehe Titus 1:12-13), und Jesus spielt darauf an, dass Betrug bei den Israeliten vielleicht allzuoft anzutreffen ist. Drittens: Die Worte unseres Herrn schätzen Nathanaels Charakter in gewisser Weise so zutreffend ein, als könne unser Herr in seine Seele hineinschauen und ihn beurteilen, ohne ihn auch nur persönlich zu kennen. Das ist es, was Nathanael offensichtlich beeindruckt.

Und noch ein vierter Faktor sollte beachtet werden: Unser Herr gibt mit seinen Worten nicht nur eine zutreffende Beurteilung von Nathanaels Charakter ab, sondern er spricht wohl zudem genau das an, worüber Nathanael unter dem Feigenbaum meditiert hatte, als er Jesus noch gar nicht begegnet war. Jesus „sah“ Nathanael kommen (Vers 47), aber schon davor „sah“ Er Nathanael unter dem Feigenbaum, wo dieser dachte, dass niemand ihn sehen könne (Vers 48). Und um der Sache die Krone aufzusetzen, spricht Jesus Nathanael auch noch mit genau dem Text und Thema an, worüber dieser zuvor meditiert hatte. War Jakob, der erste Israelit, ein Intrigant, ein Mann voller Falschheit? Nathanael ist ein wahrer Israelit ohne Falsch. Er ist ein Mensch, der geradezu handelt und nicht unter der Hand taktiert.

Ich glaube, Johannes sagt hier sogar noch mehr. Nathanaels erster Eindruck von Jesus ist falsch. Er bezweifelt, dass aus Nazareth irgendetwas Gutes kommen könnte. Nathanael stellte Philippus’ Empfehlung allein aufgrund von Jesu Geburtsort infrage. Ist es nicht bemerkenswert, dass der „Ort“ auch das war, was Jakob in seinem Traum über die Leiter am meisten beeindruckt hatte? Jakob stellte fest, dass dieser „Ort“ heilig war, dass dort Gott den Menschen begegnete; er war das Tor zum Himmel. Das stimmte natürlich, aber es war doch nur ein Teil der Botschaft, die Gott Jakob vermitteln wollte.

Um Nathanael an Jesus glauben zu lassen, braucht es nicht mehr als dass unser Herr in seine Seele hineinsieht, seinen wahren Charakter ermisst, ihm sagt, dass Er ihn gesehen hat, wo ihn seines Wissens niemand gesehen hat, und ihm genau das Thema und den Text offenbart, über die er zuvor meditiert hat. Nathanael erwidert enthusiastisch: „Du bist der Sohn Gottes; Du bist der König von Israel.“ Als wäre das nicht genug, fährt Jesus fort: Davon ist Nathanael beeindruckt? Es ist dies nur die Spitze des Eisbergs, der Vorbote größerer Dinge, die erst noch bevorstehen. Nathanael wird noch viel größere Dinge erleben als dies.

Jesu nächste Aussage stellt den Höhepunkt seiner Rede an Nathanael dar und Er leitet sie ein mit den Worten: „Ich sage euch die tiefe Wahrheit…“ (wörtlich: „wahrlich, wahrlich,“; Vers 51). Was darauf folgt, sind Worte von großer Wichtigkeit, die mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit gehört werden sollten. Der Ausdruck „wahrlich“ entspricht wörtlich der griechischen Übersetzung des hebräischen „Amen“. Faszinierend ist hierbei, dass Jesus diesen Ausdruck nimmt und ihm eine einmalige und besondere Bedeutung verleiht. Er modifiziert die übliche Bedeutung. Morris hat das am besten ausgedrückt:

‚Wahrlich’ ist nicht die Übersetzung eines griechischen Wortes, sondern die Übertragung eines aramäischen (oder hebräischen) Wortes, nämlich Amen. Es ist dies das Partizip eines Verbs mit der Bedeutung ‚bestätigen’, und es wurde benutzt, um Zustimmung auszudrücken. Beispielsweise war (und ist) es die Antwort der Gemeinde auf das Gebet dessen, der den Gottesdienst anführt; und sie macht es auf diese Weise zu ihrem eigenen Gebet (1. Ko 14:16). Nur sehr selten ist es auch der Abschluss des eigenen Gebets (z.B. Tobit 8:7f.), wenn dieses den Charakter eines Wunsches hat. In dieser Form wird es aber wirklich selten gebraucht; üblicherweise ist es die Zustimmung zu etwas, was ein anderer gesagt hat. In den Evangelien wird es nur von Jesus alleine benutzt, und zwar immer als Vorsatz zu einer wichtigen Äußerung. Vermutlich geschieht dies, um eine solche Äußerung als tiefgründig und wahr und wichtig zu kennzeichnen. Dieser Gebrauch von Amen als Einleitung seiner eigenen Worte scheint nur Jesu eigen zu sein; es kann keine wirkliche jüdische Parallele dazu angeführt werden.85

Hat Nathanael, in ähnlicher Weise wie Jakob, eine Affinität zu bestimmten Orten? Glaubt Nathanael, dass Gott den Menschen nur an einem bestimmten Ort begegnen will? Das stimmt ja in gewisser Weise, insbesondere in der Vergangenheit Israels. Von nun an aber geht es nicht mehr um den Ort, sondern um die Person86. Fixiert Jakob seine Aufmerksamkeit auf das Land, auf das die Himmelsleiter gestellt wurde? Nun gut. Jesus aber gibt Nathanael zu verstehen, dass er mit der Zeit erkennen wird, dass Jesus Selbst die Leiter ist. Den Zugang von der Erde zum Himmel gibt es durch Jesus Christus, Israels Messias. Durch Jesus Christus, Gottes einzigen Mittler, können Menschen in eine Beziehung zu Gott treten und den Weg in den Himmel finden. Es ist, als wolle unser Herr sagen: „Sieh nicht auf den Boden, auf den die Leiter gestellt ist; sieh auf die Leiter. Ich bin diese Leiter. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Kein Mensch kommt zum Vater außer durch Mich.“

Schlussfolgerung

Unser Text lehrt uns viel über das Thema der Jüngerschaft. Als unser Herr auf die Erde kam, kam Er als Mensch dorthin. Er kam, um unter den Menschen zu leben und insbesondere um mit einigen Menschen enge Gemeinschaft zu pflegen. Die Marines hätten es sicher gerne, wenn wir sagen würden: „Er pflegte Gemeinschaft mit ‚einigen guten Menschen’.“ Das trifft aber eigentlich nicht zu. Es waren zwar einige Menschen, aber sie waren überhaupt nicht das, was man gute Menschen nennen würde. Sie waren nicht alle Spitzenklasse, nicht die Art von Menschen, denen alles gelingt, was sie in die Hand nehmen. Die ersten vier Männer, die Jesus in den synoptischen Evangelien zu sich ruft, sind Fischer, und der Apostel Johannes ist einer von diesen Männern. Simon ist dazu bestimmt, „der Fels“ zu werden; das liegt aber nicht in irgendwelchen Eigenschaften begründet, die schlafend und unberührt in ihm liegen und durch die Verbindung zu unserem Herrn beschleunigt entwickelt werden. Petrus wird zwar zum „Fels“ – dies aber größtenteils trotz seiner Anlagen. Es ist das Resultat dessen, was Gott in ihm und durch ihn wirkt.

Auch Philippus scheint nach dem, was wir im Johannes-Evangelium über ihn erfahren, nicht gerade ein „Schnäppchen“ gewesen zu sein. Vielleicht hatte er „keinen festen Boden unter den Füßen“. Verlieren Sie aber nicht den Boden unter den Füßen, wenn sie versuchen Zeugnis abzulegen, wenn Sie versuchen die Befehle Christi auszuführen, wenn sie sich darum bemühen, Ihre Feinde zu lieben? Unser Herr erwählte die „Schwachen“ dieser Welt zu Seinen Jüngern, damit es ganz klar würde, dass Er die Grundlage ihres späteren Erfolges ist (siehe Apostelgeschichte 4:13, 1. Korinther 1:26-31). Aber auch in einem anderen Sinne erwählte Er Menschen, einfach und souverän, trotz ihrer Schwächen und ihrer Fehler, um ihnen Seine Liebe und Gnade zuteil werden zu lassen.

Dieser und andere Texte, die vom „Ruf“ an die Zwölf sprechen, sollten unseren Glauben infrage stellen, dass Jesus diese Männer auf der Grundlage dessen zu Seinen Jüngern erwählte, was sie für Sein Königreich tun könnten und würden. Ich höre viel zu oft sagen: „Wenn der und der gerettet werden sollte – denk doch nur, was er (oder sie) für die Sache Christi tun könnte.“ Drei von den zwölf Männern, die Jesus erwählte, waren Petrus, Jakobus und Johannes. Diese Männer gehörten alle zu dem „inneren Kreis“ aus dreien der Jünger unseres Herrn. Jakobus und Johannes waren Brüder. Sie hatten denselben Background, dieselben Erfahrungen in der Nachfolge unseres Herrn. Und doch war Jakobus der erste und Johannes der letzte, der starb. Erwählte Jesus Jakobus zu den Zwölfen und zu den Dreien wegen des Beitrags, den er leisten würde? Wohl kaum87. Jesus erwählte Jakobus vielleicht allein deswegen zu den Inneren Drei, um ihm so das Privileg engster Gemeinschaft mit Ihm Selbst zu gewähren. Wenn Jesus die Zwölf danach aussuchte, was sie für das Königreich tun würden – warum sehen wir dann im Buch der Apostelgeschichte so wenig von den meisten von ihnen? Warum spielen Männer wie Stephanus und Philippus (und andere, die noch nicht einmal namentlich genannt werden; vgl. Apostelgeschichte 11:20-21) eine solch herausragende Rolle bei der Ausbreitung der Kirche? Gottes Erwählung der Zwölf war Seine souveräne Wahl, so wie Er immer diejenigen souverän erwählt, die mit Ihm in Gemeinschaft treten sollen. Es gibt also keinerlei Grund, sich dessen zu rühmen.

Ich hätte gedacht, dass Jesus Nathanael und nicht Petrus dazu erwählt hätte, „der Fels“ zu werden. Nathanael scheint der „geistlichste“ all derer zu sein, die Jesus in diesem Kapitel des Johannes-Evangeliums nachfolgen, und doch hören wir im restlichen Neuen Testament nirgendwo von irgendeinem wesentlichen Dienst oder Beitrag, den er (oder Bartholomäus, der wohl dieselbe Person war) geleistet hätte. Wir sind, glaube ich, gezwungen, unsere vorgefassten Meinungen über die zwölf Jünger unseres Herrn – vielleicht sogar die über die Inneren Drei (Petrus, Jakobus, Johannes) – teilweise zu überdenken. Meiner Erfahrung nach gibt es überall in der Gemeindeführung ein verbreitetes Missverständnis darüber, dass Führerschaft auf der Basis der Spiritualität verteilt würde – je höher jemand in der christlichen Leitung aufsteigt, umso spiritueller muss er wohl sein88.

Aber wenn man so in den Evangelien liest, erscheint es recht eindeutig, dass einige Frauen, die in Verbindung mit Jesus standen, ein wesentlich größeres spirituelles Verständnis für unseren Herrn und Seinen Dienst hatten als die Männer, die ihm nachfolgten. Es gibt zwar bestimmte spirituelle Qualifikationen, die jeder Älteste erfüllen sollte, aber ich möchte trotzdem nicht sagen, dass die Ältesten (allein aufgrund der Tatsache, dass sie Älteste sind) die spirituellsten Menschen in der Gemeinde sind. Um dieses Argument noch auf ein wichtiges Gebiet innerhalb der heutigen Kirche auszuweiten: einer der Irrtümer, die in der frühen Kirche (besonders in der Gemeinde von Korinth) vorherrschten, war das Missverständnis, dass der Besitz bestimmter geistlicher Gaben Beweis für eine besonders tiefe Spiritualität wäre. Man kann aber, glaube ich, nicht sagen, dass die Jünger deswegen ausgewählt wurden, weil sie spiritueller als andere gewesen wären.

Statt an ihre Qualitäten sollten wir vielleicht lieber an die Mängel denken, die die Jünger aufwiesen. Ein Gesichtspunkt bei ihrer Berufung war vielleicht reines Erbarmen. Haben Sie je einen Wurf junger Hunde betrachtet und versucht, einen davon für Sie selbst herauszusuchen? Erinnern Sie sich an den „Zwerg“ in diesem Wurf, wie klein er war, wie er vielleicht von den anderen herumgeschubst wurde, sich ängstlich duckte? Hatten Sie den Wunsch, genau diesen kleinen Welpen herauszugreifen und ihm ganz besonders viel Liebe und Zuneigung zukommen zu lassen um alldessen willen, was ihm fehlte? Ich glaube, etwas davon findet sich auch darin, wie unser Herr die Menschen erwählt; nicht nur die, die Seine Jünger werden sollen, sondern auch die, die Er Sich zu retten entschließt.

Als unser Herr diese Männer zu Sich holte, gab es keine Überraschungen. Er wusste genau, wen Er sich erwählte. An Simon Petrus’ Stelle wäre ich ausgesprochen erleichtert gewesen, dass Jesus sich entschieden hatte, den innersten Kern von Nathanael zu enthüllen und nicht meinen eigenen. Er hätte von mir wohl nicht gesagt: „Siehe, ein Mann, in dem kein Falsch ist.“ Ich glaube, ich möchte lieber nicht hören, was Er über mein Inneres sagen würde. Und ganz sicher würde ich nicht wollen, dass Sie hören, was Er über meinen Charakter und meine Eigenschaften sagt. Andererseits wollen Sie, glaube ich, auch nicht, dass ich höre, was Er über Sie zu sagen hätte.

Über die Jahre habe ich viele junge Paare sich verlieben und heiraten sehen. Manche schaffen es nicht, ihre „Liebe“ so zu sehen, wie er/sie wirklich ist. Andere scheinen ihren Geliebten oder ihre Geliebte gut zu kennen. Manchmal geht alles gut, wenn sie heiraten – zumindest eine Zeit lang. Ich weiß nicht, wie oft ich erlebt habe, dass ein oder beide Ehepartner irgendwann einmal eine radikale Wesensänderung durchmachten und scheinbar zu einem vollkommen anderen Menschen wurden. Manchmal ist das die Folge einer Belastung oder eines tragischen Erlebnisses, manchmal aber auch nicht. Ganz plötzlich fühlt sich einer der Ehepartner, als wäre er mit einem Fremden verheiratet, den er gar nicht mehr als den Menschen erkennt, den er einmal kennengelernt und zu heiraten beschlossen hat. Das ist tragisch, und es geschieht öfter, als wir das wahrhaben wollen.

Jesus ist niemals überrascht über die, die Er für die Erlösung und Nachfolge ausgewählt hat. Er wusste, was Er mit Simon (Petrus) bekam, weil Er wusste, was Simon war, und weil Er wusste, was Er in und durch Simon vollbringen würde. Er wusste, was in Philippus und Nathanael war, in Jakobus und Johannes. Er weiß, was in uns ist, wenn Er uns errettet. Er weiß auch, was Er in und durch uns tun wird, durch Seine Gnade und Macht. Gott wird niemals überrascht, weil Er alles weiß. Er kennt unseren Charakter und unsere Schwächen und Stärken. Vor allem aber weiß Er, was Er in uns zu vollbringen beabsichtigt, und Er wird es auch vollbringen. „Denn darüber bin ich voll Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch begonnen hat, es auch zur Vollendung bringen wird bis an den Tag Christi Jesu“ (Philipper 1:6).

Wie leicht könnten uns einreden, dass die Aufnahme dieser Jünger unter die Nachfolger Jesu in unserem Text wenig oder gar nichts mit uns selbst zu tun hat. Schließlich waren das Jünger. Elf von ihnen würden zu den Aposteln unseres Herrn werden, zur Grundlage der Kirche. Das stimmt wohl. Zuerst und vor allem wurden sie aber ausgewählt, um an Jesus als den Messias zu glauben, dann, um Ihm nachzufolgen und bei Ihm zu sein. Am Ende würden einige von ihnen dann auch große Dinge für Ihn vollbringen. Vor allem aber sollten sie Ihm einfach nachfolgen.

Für die Menschen heute ist es nicht anders. Jesus ruft uns zuerst, damit wir an Ihn als den Sohn Gottes glauben, als das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Aber Er ruft uns auch, damit wir Ihm nachfolgen, damit wir bei Ihm sind, in Seiner Gesellschaft und Gemeinschaft. Johannes scheint die Gesellschaft unseres Herrn am meisten genossen zu haben. Er ist wohl derjenige gewesen, der beim Abendmahl „an Jesu Brust lag“. Er ist wohl derjenige, der in der Nähe bleibt, selbst als unser Herr festgenommen, vor Gericht gestellt und ans Kreuz gehängt wird. Das ist es, was unser Herr uns alle einlädt zu tun: näher zu kommen und in enge Gemeinschaft mit Ihm einzutreten. Was für ein Privileg wir doch darin haben, Seine Jünger zu sein! Um Sein Jünger zu sein, musst du zuallererst an Ihn als den Messias glauben, als Gottes einziges Mittel zur Errettung der verlorenen Sünder. Er ist das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Er ist es, der anstelle des Sünders am Kreuz von Golgatha starb und der von den Toten auferweckt wurde. Er trug die Strafe für all unsere Sünden und Er versieht uns mit der Gerechtigkeit, die wir selbst nicht haben und die Gott von jedem fordert, der in Sein Himmelreich eintreten will. Wir müssen an Ihn glauben, um Seine Kinder zu werden und in Sein Reich einzugehen. Wir haben nicht nur das Privileg, an Ihn zu glauben, sondern auch das Privileg, Ihm als Seine Jünger zu folgen und jeden Tag in Seiner Gesellschaft zu gehen. Ich bete darum, dass du deinen Glauben in Ihn gesetzt hast und nun Sein Jünger bist und in Seiner Gesellschaft wandelst.


66 Die „synoptischen Evangelien“ betrachten das Leben Christi alle mehr oder weniger aus derselben Perspektive. Johannes dagegen hat einen ganz anderen Ansatz. Dies wurde im Detail in der Einleitung zu dieser Reihe dargelegt.

67 Matthäus 4:18-21; Markus 1:16-20; Lukas 5:1-10.

68 Auch als das „Galiläische Meer“ (Markus 1:16) oder der „See von Tiberias“ (Johannes 5:1) bezeichnet.

69 Matthäus 10:1-4; Markus 3:13-19; Lukas 6:12-16.

70 Bei Johannes geschieht es allein Philippus gegenüber, dass unser Herr die Worte spricht „Folge Mir nach“ (Johannes 1:43). Die anderen werden sicherlich dazu ermutigt, Jesus zu folgen, aber sie werden nicht in der technischen Bedeutung des Wortes „gerufen“.

71 Ich sehe keinen Widerspruch zwischen unserem Text in Johannes 1:39 und dem in Lukas 9:57-58. In der ersten Zeit Seines Dienstes hatte Jesus eine Wohnung (siehe Johannes 2:12); als aber Sein Dienst sich ausweitete und an mehreren verschiedenen Orten stattfand, hatte Er keinen ständigen Wohnsitz mehr. Das erschwerte es übrigens auch den Gegnern unseres Herrn, Ihn „bevor Seine Zeit gekommen war“ gefangen zu nehmen oder zu töten, denn sie wussten nie, wo sie Ihn am nächsten Tag finden würden. Als er dem „Möchtegern“-Jünger in Lukas 9 sagte, dass Er keinen Ort habe, den er Sein Zuhause nennen könne, entsprach das nicht nur der Wahrheit, sondern es war auch alles, was es brauchte, um den Burschen abzuschrecken.

72 Da der Begriff, der hier mit „zuerst“ übersetzt wird, in den griechischen Manuskripten nicht einheitlich steht, gibt es Diskussionen darüber, welches Wort eigentlich benutzt wurde und wie es übersetzt werden sollte. Falls Sie es lohnend finden, diesen Punkt weiter zu verfolgen, möchte ich Sie an die exegetischen Kommentare verweisen. Aber ehrlich gesagt ändert es nicht viel an Sinn und Bedeutung des Textes.

73 1:20,25,41, 3:28, 4:29,42, 6:69, 7:26,27,31,41(2x),42, 10:24, 11:27, 12:34, 20:31.

74 „Die Verleihung eines neuen Namens durch einen Menschen ist Ausdruck der Autorität des Verleihenden (z.B. II. Könige 23:34, 24:17). Wo sie durch Gott geschieht, kündigt sie einen neuen Charakter an, in dem der entsprechende Mensch fortan erscheinen wird (z.B. Gen. 32:28).“ Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., 1971), S.160.

75 Das trifft auch für andere Umbenennungen in der Bibel zu. Gott änderte den Namen einer Person nicht, nachdem Veränderungen stattgefunden hatten, sondern bevor diese eintraten. Abram (was „erhabener Vater“ bedeutet) wurde vor der Geburt von Isaak in „Abraham“ („Vater einer großen Menge“) umbenannt (Genesis 17:5).

76 Wörtlich: „er“. „Jesus“ wird hier in der NET-Bibel aus Gründen der Klarheit ergänzt (siehe die Anmerkung zur Übersetzung). Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob dieses „er“ sich tatsächlich auf Jesus bezieht. D.A. Carson (The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], S. 157-158) vertritt die Meinung, dass das „er“ („Jesus“ in der NET-Bibel) sich nicht auf Jesus, sondern auf Andreas bezieht. Wenn man diese Ansicht akzeptiert, ist es Andreas, der nun Nathanael aufsucht.

77 Die Anmerkung des Übersetzers in der NET-Bibel weist darauf hin, dass der Text wörtlich lautet: „und Jesus sprach zu ihm: ‚Folge mir nach.’

78 Wissenschaftler streiten darüber, ob es zwei Bethsaidas gab oder nicht. Ich glaube nicht, dass das Thema es wert ist, in dieser Lektion vertieft zu werden, wenngleich dieser Punkt in den Kommentaren recht ausführlich diskutiert wird. Die Anmerkung des Übersetzers in der NET-Bibel schlägt vor, dass die griechische Präposition, die an dieser Stelle mit „aus“ übersetzt wird, im Sinne von „herstammend aus“ verstanden werden sollte.

79 Mir gefällt Carsons Kommentar hierzu: „Philippus macht hier genau die Angaben, die im Palästina des ersten Jahrhunderts einen Mann eindeutig identifizierten: der Name seines Heimatortes und der Name seines (als solcher angesehenen) Vaters.“ Carson, S. 159. Manche haben Probleme damit, dass Philippus von Joseph als dem Vater Jesu spricht. Diesbezüglich gibt es hauptsächlich zwei Möglichkeiten: Erstens könnte Philippus tatsächlich angenommen haben, dass Joseph im biologischen Sinne der Vater unseres Herrn war. In diesem Falle würde er sich zwar irren, aber nicht deswegen, weil er die Jungfrauengeburt unseres Herrn bestritt, sondern weil er sie noch gar nicht in Betracht gezogen hatte. Wie alle seine Mitapostel hatte er am Anfang viele falsche Vorstellungen über Jesus. Zweitens könnte es sein, dass er Jesus einfach so definiert, wie man es eben normalerweise tut. Dann würde er Joseph im Hinblick darauf als den Vater Jesu bezeichnen, wie er allgemein wahrgenommen wurde. So würde er Jesus von anderen unterscheiden, die denselben Namen, aber nicht denselben (als solchen angesehenen) Vater haben.

80 Dies ist vermutlich nicht der richtige Ort und Zeitpunkt, um sich näher über Engel auszulassen. Ich möchte Ihnen aber einfach einmal einen Gedanken für die weitere Betrachtung nahelegen: Wir leben in einer Zeit, in der das Thema „Engel“ sehr populär ist. Dabei sollten wir aber daran denken, dass Engel nicht nur niedriger stehen als unser Herr Jesus Christus (Hebräer 1), sondern dass auch ihr Dienst eng mit dem unseres Herrn verbunden und ihm untergeordnet ist. Engel fahren auf und nieder zu Jesus: Wenn wir anfangen, die Engel unabhängig von unserem Herrn zu sehen, entfernen wir uns von dem Bild, das unser Herr hier zeichnet, und von dem, was die Bibel an anderen Stellen lehrt.

81 Carson (S. 154) weist darauf hin, dass „nachfolgen“ üblicherweise mehr bedeutet als nur jemandem „hinterherzulaufen“. Unser Herr bezeichnet damit die Jüngerschaft. Das trifft nicht immer zu, aber gewöhnlich schon. An dieser Stelle ist möglicherweise etwas von Beidem gemeint. Jesus lädt Philippus ein „mitzukommen“ und „sich Ihm als Sein Jünger anzuschließen“.

82 Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], S. 162.

83 „Andere … schlagen vor, dass Nathanael mit Bartholomäus identisch ist, einem Apostel, der bei Johannes nie erwähnt wird – wie auch Nathanael nirgendwo bei den Synoptikern erwähnt wird. Bartholomäus hat in allen drei synoptischen Evangelien eine Verbindung zu Philippus (Mat 10:3, Mar 3:18, Luk 6:14). Eine andere Entsprechung besteht darin, dass er in Apostelgeschichte 1:13 unmittelbar nach Thomas aufgeführt wird und sich Nathanael in Johannes 21:2 in derselben Position findet. Zudem ist ‚Bartholomäus’ eigentlich kein Eigenname, sondern ein Patronym mit der Bedeutung ‚Sohn des Tolmai’ (vgl. Barjona = ‚Sohn des Jona’). Der Mann, der diesen Namen trug, hatte mit großer Sicherheit noch einen anderen Namen. Alle anderen Jünger, die in diesem Kapitel erwähnt werden, wurden zu Aposteln, und das legt die Vermutung nahe, dass entsprechend auch Nathanael wahrscheinlich einer geworden ist. Wenn er aber identisch mit einem der Apostel ist, dann ist wahrscheinlich Bartholomäus unser Mann.“ Morris, S. 164.
Ich sollte wohl noch darauf hinweisen, dass Morris diese Auffassung nicht vorbehaltlos teilt. Carson scheint da überzeugter zu sein: „Die wahrscheinlichste Interpretation ist die, dass Nathanael der Eigenname von Bartholomäus ist, was dann als aramäisches Patronym aufgefasst werden muss (d.h. als ein Name, der die Person als den Sohn von jemandem identifiziert: ‚der Sohn des Tholomäus’ oder so ähnlich).“ Carson, S. 159.

84 Morris, S. 167.

85 Morris, S. 169.

86 Diese Tatsache wird in Johannes 4 mit Nachdruck gelehrt.

87 Durch seinen Tod leistete Jakobus natürlich einen großartigen Beitrag.

88 Die Pharisäer verfielen eben diesem Irrtum in Bezug auf den Reichtum. Sie dachten wohl, dass jemand umso geistlicher sein musste, je reicher er war. Umgekehrt war ein Armer für sie ungeistlich. Diese Auffassung griff Jesus mit Seinen Worten über den Reichen und Lazarus in Lukas 16 an. Siehe auch die Seligpreisungen, in denen die gesegnet werden, die „verflucht“ erscheinen. Auch Psalm 73 befasst sich mit diesem Thema.

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