MENU

Where the world comes to study the Bible

3. Das Zeugnis des Johannes (Johannes 1:19-37)

Einleitung

Vor nunmehr dreißig Jahren kamen meine Frau Jeannette und ich zu dem Schluss, dass Gottes Führung uns zum Dallas Theological Seminary [Priesterseminar und theologische Hochschule in Dallas; Anm. d. Ü.] wies. Nach dem College war ich Lehrer in Gig Harbor geworden, einer Kleinstadt, die nur durch die Narrows Bridge vom gegenüber gelegenen Tacoma/Washington getrennt wird. Gott führte uns einer wunderbaren kleinen Gemeinde zu und einem frommen Pastor, der eine Leidenschaft für die Darlegung von Gottes Wort hegte. Als wir von dort fortgingen, hatten wir ein einjähriges Kind und ein weiteres war unterwegs. Mit einem tränenreichen Abschied von Familie und Freunden machten wir uns auf in ein Abenteuer, von dem wir annahmen, dass es vier Jahre dauern würde. Am Ende wurden es viel mehr als nur vier Jahre. In Dallas erwartete uns ein Teilzeitjob als Verwalter eines Apartment-Komplexes, wodurch zumindest für unsere Unterkunft gesorgt war. Ob wir noch irgendeine weitere Arbeitsstelle finden würden, wussten wir nicht sicher; und selbst als sich herausstellte, dass Gott noch eine andere Stelle für mich bereitet hatte, reichte unser Einkommen gerade einmal für die Hälfte unserer monatlichen Ausgaben. Ich bin mir sicher, dass mancher der Meinung war, wir hätten mit dem Umzug nach Dallas lieber warten sollen, bis wir die Mittel sicher hatten, um das auszuführen, von dem wir meinten, dass Gott uns dazu berufen hatte – nämlich die Ausbildung am Seminar in Dallas48. Die Seminarjahre waren dann mit die spannendste und reizvollste Zeit in unserem Leben, denn wir erfuhren bei vielerlei Gelegenheiten Gottes Fürsorge und Vorsorge für uns.

Wir sind nicht die einzigen, die eine solche Erfahrung machten. Denken Sie daran, wie Abraham seine Familie und seine Heimat verließ, um sich an einen unbekannten Ort weit weg von zuhause aufzumachen. Oder stellen Sie sich vor, was Moses empfand, als er die Herden seines Schwiegervaters in der Wildnis zurückließ und nach Ägypten ging, um Pharao mit der Forderung gegenüberzutreten, dass er Gottes Volk ziehen lassen solle. Bedenken Sie, was es für die israelitischen Priester bedeutet haben mag, in das Rote Meer hineinzutreten und dabei darauf zu vertrauen, dass Gott ihnen irgendwie einen Weg durch das Meer bis hin zum anderen Ufer bereiten würde. Oder stellen Sie sich vor, Sie würden sich mit Ihrer Familie und mit all Ihrer Habe auf den Weg in die Wüste machen und dabei darauf vertrauen, dass Gott Sie mit allem Nötigen versorgt, bis Sie das verheißene Land Kanaan erreicht haben.

Und nun versetzen Sie sich in die Lage von Johannes dem Täufer; ziehen Sie seine Sandalen an und sein Kleid aus Kamelhaar. Gott befiehlt Ihnen hinauszugehen, das Volk Israel zur Buße zu rufen und anzukündigen, dass der Messias in Kürze offenbart werden wird. Zu diesem Zeitpunkt sind Sie sich nicht einmal im Klaren darüber, wer denn der Messias ist – oder auf welche Weise er offenbart werden soll. In der Wildnis sollen Sie predigen, so dass alle, die Sie hören wollen, aus den Städten in die Wildnis kommen müssen. Sie haben noch nie auch nur ein einziges Wunder vollbracht. Können Sie sich vorstellen, die Botschaft von der Umkehr und Vorbereitung auf den Messias so getreulich zu verkünden, wie Johannes der Täufer es tat, ohne auch nur den Namen dessen zu kennen, über den Sie predigen?

Johannes der Täufer ist wahrhaftig ein bemerkenswerter Mann, und Jesus wusste nur Gutes über ihn zu sagen:

7 Während sie49 fortgingen, hob Jesus an, zu der Menge über Johannes zu sprechen: „Was zu sehen, seid ihr hinaus in die Wildnis gegangen? Ein Rohr, das vom Wind hin und her bewegt wird? 8 Was zu sehen, seid ihr denn hinausgegangen? Einen Mann, der in weiche Stoffe gekleidet ist? Die weiche Gewänder tragen, befinden sich doch in den Häusern der Könige. 9 Aber was zu sehen, seid ihr hinausgegangen? Einen Propheten? Ja, weit mehr als einen Propheten, sage ich euch. 10 Dieser ist es, über den geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der dir den Weg bereiten wird.’
11 Nun sage ich euch wahrlich: Unter allen, die von Frauen geboren wurden, ist keiner größer erstanden als Johannes der Täufer; doch im Königreich des Himmels ist der Geringste größer als er. 12 Von den Tagen Johannes’ des Täufers bis jetzt hat das Königreich des Himmels Gewalt erlitten und ungestüme Menschen ergreifen es. 13 Denn all die Propheten und das Gesetz prophezeiten bis zum Erscheinen des Johannes. 14 Und wenn ihr willens seid, es zu akzeptieren: Er ist Elia, der kommen soll. 15 Wer Ohren hat, der höre!“ (Matthäus 11:7-15, NET)50

Nicht nur unser Herr hatte eine hohe Meinung von Johannes dem Täufer. Auch Herodes hatte großen Respekt vor Johannes und seiner Predigt, obwohl Johannes die Hochzeit des Herodes mit der Frau seines Bruders verurteilt hatte. Er beschützte ihn sogar:

17 Denn Herodes selbst hatte Männer ausgesandt, um Johannes ergreifen und ihn im Gefängnis binden zu lassen, wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, weil er sie geheiratet hatte. 18 Denn Johannes sagte zu Herodes: „Es ist gegen das Gesetz, dass du die Frau deines Bruders hast.“ 19 Deshalb hegte Herodias einen Groll gegen ihn und wollte ihn töten, aber sie konnte es nicht tun, 20 denn Herodes fürchtete Johannes, weil er ihn als einen gerechten und heiligen Mann kannte, und er beschützte ihn. Als er ihn hörte, war er sehr verwirrt, und doch hörte er ihm gerne zu (Markus 6:17-20).

Welchen Maßstab man auch anlegt: man wird wohl immer zugeben müssen, dass Johannes „einmalig“ ist. Er kleidete sich eigenartig, trug ein Gewand aus Kamelhaar und einen Ledergürtel. Seine Nahrung bestand aus Heuschrecken und wildem Honig (Markus 1:6). Er hielt das Gelübde der Nasiräer ein und entsagte dem Wein und starken Getränken (Lukas 1:15, 7:33-34). Von Mutterleib an vom Heiligen Geist erfüllt (Lukas 1:15,40-41), war er ein Mann des Gebets, der auch seine Jünger beten lehrte (Lukas 5:33, 11:1).

Johannes war von seiner Geburt an „das Stadtgespräch“. Sein Vater Zacharias (ein Priester) und seine Mutter konnten keine Kinder bekommen, schon gar nicht, als sie alt geworden waren (Lukas 1:5-25,59-66). Johannes’ Geburt war etwas Übernatürliches. Als er zu predigen begann, kamen die Menschen in großer Zahl, um ihn zu hören:

Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem gingen hin zu ihm und bekannten ihre Sünden und wurden von ihm im Jordan getauft (Markus 1:5).

„Er war eine brennende und leuchtende Lampe und ihr wolltet für eine kurze Zeit sehr fröhlich sein in seinem Licht“ (Johannes 5:35).

Johannes’ Popularität setzte sich selbst nach seinem Tode fort. Johannes’ Dienst und Botschaft waren weit reichend und weit verbreitet. Petrus gebrauchte ein Wort von Johannes, um zu rechtfertigen, was er im Haus des Cornelius tat (Apostelgeschichte 10-11, siehe insbesondere 11:15-18). Botschaft und Amt des Johannes waren Teil des Evangeliums, das Paulus predigte (Apostelgeschichte 13:23-25). Apollos war ein „in den Schriften gut bewanderter“ Mann, aber bis er Aquila und Priscilla begegnete, wusste er nur von der Taufe des Johannes (Apostelgeschichte 19:1-7). Als Paulus in Ephesus eintraf, begegnete er dort Jüngern, die nur die Taufe des Johannes kannten (Apostelgeschichte 19:1-7).

Johannes gewann seine Popularität nicht dadurch, dass er seinen Zuhörern etwas bot. Seine Zentrale war kein entzückendes Kirchengebäude in Jerusalem mit vollem Serviceprogramm; er bot weder Kinderbetreuung noch Gratismahlzeiten an. Tatsächlich zog Johannes die Massen auch niemals durch Wundertaten an (Johannes 10:41-42). Aus dem, was Lukas schreibt, entnehmen wir, dass die Botschaft von Johannes nicht an fleischliche Bedürfnisse appellierte:

7 Daher sagte Johannes zu der Menge, die herausgekommen war, um von ihm getauft zu werden: „Ihr Natternbrut! Wer hat euch gewarnt, vor dem kommenden Zorn zu fliehen? 8 Bringt also Früchte hervor, die Ausdruck eurer Reue sind, und hebt nicht an zu sagen: ‚Wir haben Abraham zum Vater.’ Denn ich sage euch: Gott kann Abraham aus diesen Steinen hier Kinder erwecken. 9 Schon ist die Axt auf die Wurzel der Bäume ausgerichtet51; und so wird jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, umgehauen und ins Feuer geworfen werden.“ 10 Da fragte ihn die Menge: „Was also sollten wir tun?“ 11 Johannes antwortete ihnen: „Wer zwei Kittel hat, muss sie mit dem teilen, der keinen hat, und wer etwas zu essen hat, muss entsprechend handeln.“ 12 Auch Steuereinnehmer kamen, um von ihm getauft zu werden, und sie sagten zu ihm: „Lehrer, was sollten wir tun?“ 13 Er sagte zu ihnen: „Nehmt nicht mehr ein, als ihr müsst.“ 14 Dann fragten ihn auch einige Soldaten: „Und wir – was sollten wir tun?“ Er sagte ihnen: „Nehmt von niemandem Geld mit Gewalt oder durch falsche Anschuldigungen und seid zufrieden mit eurem Lohn.“ 15 Während die Menschen nun voller Erwartung waren und alle in ihrem Herzen erwogen, ob wohl Johannes der Christus sein könnte, 16 gab Johannes ihnen allen zur Antwort: „Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der mächtiger ist als ich es bin und dem die Riemen seiner Sandalen zu lösen ich nicht wert bin. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. 17 Er hat die Schaufel zum Worfeln schon in der Hand, um seine Tenne zu säubern und den Weizen in seinem Vorratshaus zu sammeln; die Spreu aber wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.“ 18 So verkündete Johannes mit vielen weiteren Ermahnungen dem Volk die gute Botschaft (Lukas 3:7-18).

Der Apostel Johannes, der Verfasser des Johannes-Evangeliums, scheint zuvor ein Jünger von Johannes dem Täufer gewesen zu sein. Es muss aus großer Zuneigung und großem Respekt heraus geschehen sein, was der Apostel im ersten Kapitel seines Evangeliums über den Täufer schreibt. Wir finden in diesem ersten Kapitel Dienst und Botschaft von Johannes dem Täufer und von Jesus im Wechsel und miteinander verwoben vor. Johannes war bestrebt, sich mit Jesus zu identifizieren, und Jesus war sicher bestrebt, sich mit Johannes und seiner Botschaft zu identifizieren. Wie der Apostel Johannes in diesem Kapitel deutlich macht, gab es aber einen großen Unterschied zwischen den beiden Individuen. William Hendriksen52 lenkt die Aufmerksamkeit auf die folgenden Gegensätze:

Christus

Johannes

a. war von aller Ewigkeit her

a. kam

b. ist das Wort

b. ist ausschließlich Mensch

c. ist selbst Gott

c. wurde von Gott beauftragt

d. ist das wahre Licht

d. kam, um über das wahre Licht Zeugnis abzulegen

e. ist Gegenstand des Glaubens

e. ist das Mittel, durch das die Menschen zum Glauben an das wahre Licht kamen, selbst Christus

Wenn ich hier diesen Text über Johannes den Täufer darzulegen versuche, fühle ich mich fast so, wie ich mich wohl auch fühlen werde, wenn ich in einiger Zukunft beim Begräbnis meiner Großmutter predigen muss. Vor fast 20 Jahren schrieb mir Oma Deffinbaugh und bat mich, bei ihrem Begräbnis die Grabrede zu halten. Inzwischen ist sie fast 99 Jahre alt und immer noch recht gut beieinander für ihr Alter, und sie hat mir jetzt die Texte gegeben, die in der Rede vorkommen sollen. Im Wesentlichen hat sie mich angewiesen, das Evangelium zu predigen und nicht allzu viele Worte über sie selbst zu verlieren. Ein edles Ansinnen – nur ist dem schwer nachzukommen, vor allem bei ihrem eigenen Begräbnis!

Ganz offensichtlich bemüht sich der Apostel Johannes, die Leitlinie des Täufers zu respektieren, der Christus erhöhen will und nicht sich selbst. Dennoch werden wir weder unserem Text noch Johannes dem Täufer gerecht, wenn wir nicht über die Dinge sprechen, die diesen Mann von anderen abheben. Schließlich sprach unser Herr Selbst von dem Täufer als von dem größten alttestamentarischen Heiligen (Matthäus 11:11). Es empfiehlt sich also, die Größe von Johannes dem Täufer, dem letzten alttestamentarischen Propheten, näher zu betrachten.

Unser Text beginnt zwar bei Vers 19 von Johannes 1; aber wir müssen noch einmal dahin zurückgehen, wo Johannes der Täufer zum ersten Mal erwähnt wird, um etwas über und von diesem großartigen Propheten zu lernen.

Vers 6-8

6 Ein Mann kam, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Er kam als ein Zeuge, um Zeugnis abzulegen über das Licht, damit jeder durch ihn zum Glauben käme. 8 Er selbst war nicht das Licht, sondern er kam, um über das Licht Zeugnis abzulegen.

Das Wort war; Johannes kam. Das Wort war das Licht; Johannes kam, von Gott gesandt, um über dieses Licht Zeugnis abzulegen. Johannes war der Zeuge; und der Herr Jesus war Der, über den Johannes Zeugnis ablegte. Johannes war nicht das Licht, sondern ein Zeuge, der aussagen sollte, dass das Licht kommen würde. Uns mögen diese Worte als überflüssige Wiederholung erscheinen – altbekannte Sachen. Sie waren und sind aber revolutionär. So etwas wie die Herabkunft unseres Herrn in menschlichem Fleisch war nie zuvor geschehen – und wird auch nie wieder geschehen. Johannes spielt dabei eine wichtige und doch untergeordnete Rolle. Niemand weiß das besser als Johannes. Was der Apostel Johannes in Vers 6-8 schreibt, wiederholt und unterstreicht der Täufer53 in seinem eigenen Zeugnis.

Vers 15

Johannes legte Zeugnis über ihn ab und rief aus: „Dieser war es, von dem ich sagte: ‚Der nach mir kommt, ist größer als ich es bin54, denn er existierte schon vor mir.’“

Die ersten Worte des Täufers, die der Apostel Johannes in Vers 15 aufgezeichnet hat, betreffen gleich seinen untergeordneten Status gegenüber dem Wort, gegenüber Dem, über den er Zeugnis ablegt. Beachten Sie, dass der Täufer Jesus nicht mit Namen nennt. Wie könnte er das auch? Er weiß ja noch gar nicht sicher, wer „Der, der kommt“ ist. Unter anderem daran liegt es, dass Er das „Wort“ (Vers 1) und „Der nach mir kommt“ (Vers 15) genannt wird. Die Identität des Messias wird Johannes erst noch offenbart werden. Was er aber schon weiß, sagt er uns: „Der, der kommt“ steht höher als er selbst, weil Er schon vor ihm existierte (Vers 15).

Vers 19-28

19 Dies war nun das Zeugnis des Johannes, als die Anführer der Juden Priester und Leviten von Jerusalem aus zu ihm sandten und ihn fragten: „Wer bist du?“ 20 Er bekannte – ja, er leugnete nicht, sondern bekannte –: „Ich bin nicht der Christus.“ 21 Also fragten sie ihn: „Wer bist du dann? Bist du Elia?“ Er sagte: „Ich bin es nicht.“ „Bist du der Prophet?“ Er antwortete: “Nein.” 22 Da sagten sie zu ihm: „Wer bist du? Sage es uns, damit wir denen Antwort geben können, die uns ausgesandt haben. Was sagst du von dir selbst?“ 23 Johannes sagte: „Ich bin die Stimme von einem, der in der Wüste ruft: ‚Richtet den Weg des Herrn’, wie es der Prophet Jesaja gesagt hat.“ 24 (Nun waren sie von den Pharisäern ausgesandt worden.) 25 So fragten sie Johannes: „Warum taufst du dann, wenn du nicht der Christus bist und auch nicht Elia oder der Prophet?“ 26 Johannes antwortete ihnen: „Ich taufe mit Wasser. Unter euch steht Einer, den ihr nicht erkennt, 27 der nach mir kommt. Ich bin nicht würdig, ihm den Riemen seiner Sandale zu lösen!“ 28 Dies geschah in Bethanien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte.

Wir sahen bereits, dass Johannes ausgesprochen populär ist. Die ungewöhnlichen Umstände seiner Geburt erweckten Interesse und Neugier, wenn nicht sogar Hoffnung (Lukas 1:65-66), und sein öffentlicher Dienst nährte die Flamme der messianischen Hoffnungen Israels: „Während die Menschen nun voller Erwartung waren und alle in ihrem Herzen erwogen, ob wohl Johannes der Christus sein könnte“ (Lukas 3:15).

Johannes zieht große Volksmassen an und viele gehen zu ihm, um sich taufen zu lassen. Johannes erkennt, dass einige dieser Taufkandidaten nicht aufrichtig sind, und weigert sich anscheinend, sie zu taufen (Lukas 3:7-9). Johannes kommt aus einem Priestergeschlecht; dennoch ist sein Dienst sicherlich unabhängig von der offiziellen Hauptströmung des Judaismus. Früh in der Jugend zieht er sich in die Wüste zurück und lebt dort, bis die Zeit für ihn gekommen ist, sein öffentliches Dienstamt aufzunehmen (Lukas 1:80). Selbst diesen Dienst aber führt er in der Wildnis durch und nicht in Jerusalem oder irgendeiner anderen Stadt (Lukas 3:1-3). Während wohl nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen in der Menge vertreten sind, die Johannes hören und sich von ihm taufen lassen will (siehe Lukas 3:10-14), fehlt doch eine Gruppe unübersehbar: „Die Pharisäer jedoch und die Gelehrten des religiösen Rechts verschmähten, was Gott ihnen zugedacht hatte, denn sie waren von Johannes nicht getauft worden“ (Lukas 7:30).

Gehören diese Pharisäer zu den Menschen, die zu taufen er sich weigerte? Das ist wenig wahrscheinlich. Lukas sagt nicht, dass Johannes sich weigerte, sie zu taufen, sondern dass sie die Taufe des Johannes verweigerten. Ich neige daher zu der Auffassung, dass diese Pharisäer und Rechtsgelehrten gar nicht erst in die Wildnis hinausgingen, um Johannes zu hören. Ja, ich neige zu der Auffassung, eben diese Pharisäer und Rechtsgelehrten waren es, die die Delegation zu Johannes sandten, um zu erfragen, wer er zu sein behauptete und worum sein Dienst sich eigentlich drehte.

Aus den späteren Aussagen unseres Herrn wissen wir, dass es den Schriftgelehrten und Pharisäer gefiel, eine eigene Anhängerschaft zu haben: „Wehe euch, ihr Gelehrten des religiösen Rechts und ihr Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr durchquert Land und Meer, um einen einzigen Proselyten zu machen, und wenn ihr einen bekommt, so macht ihr ihn doppelt so sehr zu einem Kind der Hölle wie ihr selbst es seid!“ (Matthäus 23:15).

Nach den Aussagen des Evangeliums zu schließen waren die Pharisäer wohl auch nicht geneigt, die Stellung aufzugeben, die sie sich selbst geschaffen hatten: „47 Dann riefen die Oberpriester und die Pharisäer den Rat zusammen und sagten: ‚Was sollen wir tun? Denn dieser Mann vollbringt viele Wunderzeichen. 48 Wenn wir ihn weiter gewähren lassen, wird jeder an ihn glauben und die Römer werden kommen und unser Heiligtum und unsere Nation wegnehmen’“(Johannes 11:47-48). Es ist weder Orthodoxie noch die Liebe zur Wahrheit, die diese religiösen Führer bewegt, sondern ganz gewöhnliche Eifersucht (siehe Matthäus 27:18).

„Die Juden“, die die Delegation zur Befragung von Johannes dem Täufer aussenden, stellen die religiöse Elite jener Tage dar, Juden in Machtpositionen, die nicht gewillt sind, irgendetwas aufzugeben – weder für Johannes noch für Jesus. Diese Männer kommen nicht selbst zu Johannes, denn damit würden sie ja seine Bedeutung anerkennen. Statt dessen schicken sie eine untergeordnete Delegation aus „Priestern und Leviten“55 zu Johannes, tragen diesen genau auf, was sie fragen sollen, und geben Johannes auf diese Weise zu verstehen, dass sie diejenigen an der Macht sind: Sie sind es, die das Amt anderer akkreditieren, sie haben ihrer Ansicht nach an Menschen wie Johannes religiöse Lizenzen zu vergeben, und er darf nur mit ihrer Zustimmung und unter ihrer Autorität handeln. Johannes wird befragt wie einer, der gerade das Priesterseminar beendet hat und nun die Prüfung für die Ordination ablegt.

Die erste Frage der Delegation lautet: „Wer bist du?“ (Vers 19). Keinem in der Delegation scheint das Wort „Messias“ über die Lippen kommen zu wollen. Sie fragen nicht direkt: „Bist du der Messias?“ Aber Johannes weiß, dass das der eigentliche Kern ihrer Frage ist56, und so antwortet er: „Ich bin nicht der Christus“ (Vers 20) und löst damit eine ganze Kette von Nachfragen aus. Wenn Johannes nicht der Christus ist – ist er dann Elias (Vers 21)? Diese Frage ergibt sich aus der Prophezeiung des Maleachi:

4 „Gedenket des Gesetzes, das Ich Moses, Meinem Knecht, / am Horeb für ganz Israel gegeben habe, / mit seinen Bestimmungen und Rechten. 5 Siehe, Ich will euch Elia senden, den Propheten, / ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. 6 Und er wird die Herzen der Väter den Kindern zuwenden / und die Herzen der Kinder ihren Vätern, / damit ich nicht komme und die Erde mit dem Bann schlage“ (Maleachi 4:4-6, NKJV).

Johannes’ Antwort auf die Frage nach Elia mag für manche Menschen problematisch sein im Hinblick auf das, was Lukas und unser Herr über Johannes sagen:

15 „denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein oder starke Getränke darf er niemals zu sich nehmen, und er wird selbst vor seiner Geburt schon vom Heiligen Geist erfüllt sein. 16 Er wird viele vom Volk Israel zum Herrn, ihrem Gott, bekehren. 17 Und er wird vor dem Herrn hergehen in Geist und Kraft des Elia, um die Herzen der Väter wieder ihren Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen der Weisheit der Gerechten, um dem Herrn ein Volk bereit zu machen, das für ihn vorbereitet ist“ (Lukas 1:15-17).

11 „Nun sage ich euch wahrlich: Unter allen, die von Frauen geboren wurden, ist keiner größer erstanden als Johannes der Täufer; doch im Königreich des Himmels ist der Geringste größer als er. 12 Von den Tagen Johannes’ des Täufers bis jetzt hat das Königreich des Himmels Gewalt erlitten und ungestüme Menschen ergreifen es. 13 Denn all die Propheten und das Gesetz prophezeiten bis zum Erscheinen des Johannes. 14 Und wenn ihr willens seid, es zu akzeptieren: Er ist Elia, der kommen soll“ (Matthäus 11:11-14).

Wie kann Johannes der Täufer sagen, er sei nicht Elia, wenn Jesus sagt, dass er es ist? Die Antwort ist möglicherweise ganz einfach. Sie erinnern sich vielleicht, dass Elia nicht starb, sondern in einem Feuerwagen in den Himmel hinweggenommen wurde und sein Leichnam nirgendwo aufzufinden war (siehe 2. Könige 2:1-17).Manche Menschen scheinen erwartet zu haben, dass Elia persönlich wiederkommen würde. Johannes bestreitet zu Recht, dass er Elia in Person sei. Doch wir lesen im Lukas-Evangelium, dass Johannes der Täufer dem Messias „in Geist und Kraft des Elia“ vorangehen wird (Lukas 1:17). Jesus sagt Seinen Jüngern dann, dass Johannes „Elia, der kommen soll“ ist (Matthäus 11:14) und leitet seine Aussage ein mit „wenn ihr willens seid, es zu akzeptieren“. Also ist Johannes ein Elia, der in Geist und Kraft des Elia kommt und damit die Prophezeiung aus Maleachi 4 erfüllt (oder teilweise erfüllt). Johannes ist Elia und er ist es nicht. Er ist Elia im Geiste, und er ist nicht buchstäblich Elia im Fleische57.

Wenn Johannes nicht Elia ist, ist er dann „der Prophet“58? „Der Prophet“ muss sich hier auf den „Propheten wie Moses“ beziehen, der im alttestamentarischen Buch Deuteronomium prophezeit wird:

15 „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern – und auf Ihn sollt ihr hören –, 16 so wie du es erbeten hast vom Herrn, deinem Gott, am Horeb am Tage der Versammlung, wo du sagtest: ‚Lass mich nie wieder die Stimme des Herrn, meines Gottes, hören noch dieses große Feuer sehen, damit ich nicht sterbe.’ 17 Und der Herr sprach zu mir: ‚Sie haben gut daran getan, so zu reden. 18 Einen Propheten gleich dir will Ich aus ihren Brüdern erwecken, und Ich werde Meine Worte in Seinen Mund legen, und Er soll zu ihnen alles reden, was Ich Ihm gebiete. 19 Und es soll geschehen, dass Ich es von einem jeden einfordern werde, der nicht auf Mein Wort hören wird, das Er in Meinem Namen spricht’“ (Deuteronomium 18:15-19, NKJV).

Dieser Prophet wie Moses ist nicht Johannes der Täufer, sondern Er ist Der, dem Johannes vorangeht, der Messias. Und so antwortet Johannes rasch „Nein“ auf die Frage, ob er dieser Prophet sei (Johannes 1:21). Wir sehen hier einen Mann vor uns, der gar nicht viele Worte macht. Seine Antworten werden immer kürzer. Die längere Antwort in Vers 23 ist ein Schriftzitat aus Jesaja 40, Vers 3.

Die Delegation aus nicht ganz so wichtigen jüdischen Amtspersonen wird allmählich unruhig. Sie sind ausgesandt worden, damit sie Johannes mit der Forderung nach Zeugnissen und einem Lebenslauf in Verlegenheit bringen. Aber als sie ihn mit allen möglichen Optionen bedrängen, sind seine Antworten durchweg negativ. Er ist nicht der Messias, nicht Elia, nicht der Prophet. Wer ist er dann? Diese Leute müssen in Jerusalem Bericht erstatten, wenn sie zurückkommen, und bisher können sie dem jüdischen Sanhedrin noch fast gar nichts berichten. Sie müssen ihre „Formulare ausfüllen“, und Johannes ist ihnen dabei überhaupt keine Hilfe. Also bedrängen sie Johannes, ihnen endlich zu sagen, wer er denn sei. Seine Antwort ist nicht wirklich das, was sie hören wollen, denn es ist nur das Zitat eines Textes aus dem Propheten Jesaja: „Ich bin ‚Die Stimme von einem, der in der Wüste ruft: „Richtet den Weg des Herrn“’, wie es der Prophet Jesaja gesagt hat“ (Jesaja 40:3, NKJV).

Johannes’ Antwort ist noch immer nicht zufriedenstellend. Hier ist ein Mann, der sich buchstäblich weigert, etwas über sich selbst zu sagen. Vers 24 bereitet den Bibelwissenschaftlern dann einige Schwierigkeiten, denn es ist nicht ganz klar, ob Johannes uns hier sagt,

  • dass eine zweite Delegation anwesend ist, die von den Pharisäern geschickt wurde, oder
  • dass einige aus der ersten Delegation von den Pharisäern geschickt wurden oder
  • dass die ganze Delegation, von der bisher die Rede war, von den Pharisäern geschickt wurde.

Es macht eigentlich keinen großen Unterschied. Wir wissen, dass die Frage, die dann gestellt wird, die Sorge der Pharisäer ausdrückt: Wenn Johannes nicht der Messias, nicht Elia und nicht der Prophet ist – warum, um alles in der Welt, führt er dann Taufen durch (Vers 24)?

Die Taufe war kein neues oder neuartiges Ritual für die Israeliten. Die Taufe war eines der Rituale59, durch die Heiden als Proselyten zum Judentum gebracht wurden60. Im Hinblick auf die Bedeutung und den Einsatz der Taufe im Judaismus hatte die Taufe des Johannes etwas Beunruhigendes. Nicht Heiden wurden hier getauft, sondern Juden. Nicht Heiden wurden für ihre Sünden angeklagt und vor Gottes kommendem Zorn gewarnt, sondern Juden. Johannes behandelte die Juden so, als wären sie verlorene, erlösungsbedürftige Sünder. Und das Irritierendste daran war, dass viele Juden Johannes glaubten und zu ihm kamen, um sich taufen zu lassen. Die religiösen Führer der Juden hatten ihre jüdischen Anhänger davon überzeugt, dass Jude-Sein und die Einhaltung des Gesetzes (in der Form, wie sie es interpretierten) schon allein ausreichten, um gerettet zu werden. Dienst und Botschaft von Johannes sagten aber etwas ganz anderes. Das Glaubenssystem der Juden befand sich im Belagerungszustand, und im Moment sah es so aus, als hätte Johannes die Oberhand. Und Johannes nahm sich bevorzugt für seine Drohungen die legalistischen Pharisäer (geminsam mit den ihnen ähnlichen Sadduzäern) heraus (siehe Matthäus 3:7-9).

Die von den Pharisäern Ausgesandten fordern eine Rechtfertigung von Johannes darüber, dass er seine Anhänger tauft. Wenn er nicht der Messias ist und auch nicht Elia oder der Prophet – warum tauft er dann? Der Täufer beantwortet diese Frage eigentlich nicht, zumindest nicht in seiner unmittelbaren Erwiderung61. Wir neigen leicht dazu, das Ende seiner Antwort vorwegzunehmen. Nach der Art, wie er beginnt: „Ich taufe mit Wasser, aber ...“ ergänzen wir sofort das, was wir anderswo gelesen haben: „... Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (siehe Matthäus 3:11-12, Lukas 3:15-16). Der Apostel Johannes aber schließt diese Worte nicht an. Der Täufer will sich nicht auf eine Diskussion über das Taufen einlassen, weder über seines noch über das des kommenden Messias. Der Täufer kommt immer wieder auf den Punkt zurück, den der Apostel Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums hervorhebt: die Überlegenheit Christi und die Unterordnung von Johannes, Seinem Vorläufer.

Die Delegation will, dass Johannes über sich selbst und sein Amt spricht. Johannes’ Amt aber besteht darin, den Christus zu rühmen und Israels Aufmerksamkeit auf Ihn zu lenken. Das kann er nicht, indem er über sich selbst spricht, und deshalb beantwortet er die Frage nach der Taufe, indem er noch einmal die Überlegenheit des Kommenden betont, der höher stehen wird als er selbst es tut. Dieser Kommende ist dort irgendwo unter ihnen, aber noch nicht benannt worden. Und sie haben Ihn auch noch nicht erkannt (Vers 26).

Dieser Eine steht höher als Johannes der Täufer, weil Er schon vor ihm existierte62. Johannes beginnt sein Evangelium mit der Erklärung, dass das Wort Gott ist und schon existierte, bevor Zeit und Schöpfung begannen. Ebendiese Tatsache will nun der Täufer in seiner Antwort auf die Befragung deutlich machen. Der, der am Anfang „war“, ist Der, der unter ihnen ist und bald als der Messias bekanntgegeben werden wird. Dieser Eine „war“, während Johannes „kam“. Dieser Eine ist Gott, während Johannes von sich sagt, dass er nur ein Mann sei, der von Gott ausgesandt wurde. Dieser Eine ist so viel größer als der Täufer, dass Johannes sagt, er sei unwürdig auch nur die Riemen Seiner Sandalen aufzubinden (Vers 27)63.

Wir erfahren, dass „dies“ in Bethanien (NIV, NAV, NAB) oder Betharaba (KJV, NKJV) geschah. Wo dieser Ort ist – oder war –, weiß aber niemand genau. Es kann sich nicht um das Bethanien bei Jerusalem gehandelt haben, wo Martha, Maria und Lazarus lebten (Johannes 11:1,18, 12:1). Das „Bethanien“, über das Johannes schreibt, liegt nämlich „jenseits des Jordan“. Es könnte sein, dass mehrere Städte in Israel den gleichen Namen trugen; also ist es eigentlich kein Problem, wenn es auch zwei Bethanien gab. Selbst die Tatsache, dass die Lage dieses Ortes nicht bekannt ist, sollte nicht weiter überraschen. Als die Juden Jesus steinigen wollten, ging Er, so wird gesagt, „über den Jordan an den Ort, wo Johannes der Täufer zuerst getauft hatte“ (Johannes 10:39-40). Sicher darf man annehmen, dass Jesus zu einem ganz abgelegenen Ort aufbrach, wo Er nicht so leicht aufgespürt werden konnte. Wenn das das „Bethanien“ aus unserem Text war, sollte man wohl erwarten, dass es damals nur wenige kannten und heute niemand mehr weiß, wo es einst lag.

Vers 29-34

29 Am nächsten Tag sah Johannes Jesus kommen und er sagte: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt! 30 Dieser ist es, von dem ich sagte: ‚Hinter mir her kommt ein Mann, der größer ist als ich es bin, weil er vor mir existierte.’ 31 Ich kannte ihn nicht, sondern damit er Israel offenbart werden könne, kam ich, um mit Wasser zu taufen.“ 32 Dann bezeugte Johannes: „Ich sah den Geist als eine Taube vom Himmel herabkommen, und er blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht; aber der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, sprach zu mir: ‚Der, auf den du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.’ 34 Ich habe es gesehen und ich habe es bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist.“

Wenn das Johannes-Evangelium einerseits einen großen Teil neuen Materials umfasst, gibt es andererseits doch auch eine Menge Material in den synoptischen Evangelien, das bei Johannes nicht enthalten ist. Die synoptischen Evangelien berichten über die Taufe unseres Herrn durch Johannes den Täufer:

13 Dann kam Jesus von Galiläa her zu Johannes, um sich von ihm im Jordan taufen zu lassen. 14 Johannes aber versuchte ihn davon abzuhalten und sagte: „Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und stattdessen kommst du zu mir?“ 15 Da erwiderte ihm Jesus: „Lass es diesmal geschehen, denn es ist recht für uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Da gab Johannes nach. 16 Als Jesus, nachdem er getauft worden war, aus dem Wasser heraufkam, öffneten sich die Himmel und er sah den Geist Gottes als eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und eine Stimme vom Himmel sprach: „Dies ist der Sohn, der geliebte, an dem ich große Freude habe“ (Matthäus 3:13-17).

9 In diesen Tagen kam nun Jesus von Nazareth in Galiläa her und wurde von Johannes im Jordan getauft. 10 In dem Moment, wo er aus dem Wasser heraufkam, sah er die Himmel sich auftun und den Geist gleich einer Taube auf sich herabkommen. 11 Und eine Stimme kam vom Himmel: „Du bist mein Sohn, den ich liebe. Ich habe großen Gefallen an dir“ (Markus 1:9-11).

21 Als nun alle Menschen getauft waren und Jesus auch getauft worden war und betete, öffnete sich der Himmel 22 und der Heilige Geist kam in leiblicher Gestalt auf ihn herab, wie eine Taube. Und eine Stimme kam vom Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“ (Lukas 3:21-22).

Matthäus hebt in seinem Evangelium hervor, welche Bescheidenheit Johannes an den Tag legte, als er unseren Herrn taufte. Wenn, wie Johannes immer wieder gesagt hat, unser Herr ihm doch so weit überlegen ist – warum sollte Johannes dann Jesus taufen? Sollte nicht vielmehr Jesus ihn taufen? Matthäus’ Worte beinhalten aber noch mehr als das; sie sagen uns, dass Johannes schon vor dieser Taufe ahnte, dass Jesus der Messias sei. Johannes wehrt sich dagegen, Jesus zu taufen, weil Jesus der Größere ist. Jesus überzeugt Johannes davon, dass er Ihn taufen solle, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Matthäus 3:15). Dadurch, dass er Sich taufen lässt, identifiziert Sich Jesus mit Johannes und damit auch mit dessen Amt und Botschaft.

Wichtiger als das ist aber für Johannes, dass Gott Jesus im Verlaufe dieser Taufe als den verheißenen Messias bezeugt. Alle synoptischen Evangelien sprechen davon, dass der Heilige Geist wie eine Taube herabkommt und auf Jesus bleibt. Alle Evangelien erzählen vom Zeugnis Gottes des Vaters, der aus dem Himmel herab Jesus als Seinen geliebten Sohn bezeichnet, an dem Er Wohlgefallen hat.

Allein das Evangelium des Johannes aber erläutert, welche Bedeutung die Taufe unseres Herrn für Johannes den Täufer hat. Die ganze Zeit hat Johannes gepredigt und den Israeliten erzählt, dass der Messias kommen werde, ohne dass der Täufer selbst die Identität des Messias sicher kannte. Wie erwähnt hatte Johannes vielleicht bei sich einen Verdacht, aber er hatte keinen eindeutigen Beweis. Dieser Beweis kommt nun mit der Taufe Jesu. Einen Tag verkündet Johannes der Täufer dem Volk Israel, dass der Messias unter ihnen weile – aber noch nicht bezeichnet worden sei. Und am anderen Tag zeigt Johannes auf Jesus und bezeugt, dass Er der Messias sei – Der, von dem er immer gesprochen hat – und ruft aus: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt“ (Johannes 1:29)64.

Was bewirkt den dramatischen Unterschied, der in der Predigt des Täufers von einem Tag auf den nächsten eintritt? Es ist das, was Johannes der Täufer bei der Taufe unseres Herrn sieht und hört. Als Johannes Jesus – unter Protest – tauft, sieht er den Geist auf Ihn herabkommen und auf Ihm verbleiben. Er hört die Stimme des Vaters vom Himmel, der Jesus als Seinen geliebten Sohn bezeichnet, an dem Er Wohlgefallen habe. Jetzt weiß er gewiss, wer der Messias ist, und von diesem Zeitpunkt an spricht er von Jesus als von Gottes Messias, dem Sohn Gottes (Vers 34).

Vers 35-37

35 Am nächsten Tag stand Johannes wieder da mit zweien seiner Jünger. 36 Er sah auf Jesus, der vorbeiging, und sagte: „Siehe, das Lamm Gottes!“ 37 Als seine zwei Jünger ihn das sagen hörten, folgten sie Jesus.

Technisch gesehen, gehören diese drei Verse zu dem Text, den wir erst in unserer nächsten Lektion betrachten werden, aber sie sagen eine ganze Menge über Johannes’ Charakter aus. Johannes hat keinen anderen Ehrgeiz als den, den Messias zu verherrlichen und die Menschen dazu zu bringen, dass sie sich auf Seine Ankunft vorbereiten. Er lehnt es ab, viele Worte über sich selbst zu machen, und spricht immer wieder über Den, der größer ist, der nach ihm kommt. Er weist die Männer und Frauen andauernd auf Christus hin statt auf sich selbst.

Man sagt oft, dass „Worte nichts kosten“, und das mag wohl auch so sein. Die Worte Johannes’ des Täufers aber sind kraftvoll, so dass sie selbst die Aufmerksamkeit des mächtigen heidnischen Herrschers Herodes fesseln. Wann immer Johannes spricht, verherrlicht er Christus und nicht sich selbst. Ein Beweis für Johannes’ Größe findet sich in der Art, wie er auf das Erscheinen Christi reagiert: Johannes spielt seine Botschaft daraufhin nicht herunter, um seine Anhänger bei sich zu halten, nein, er macht geradezu Werbung für Jesus als den verheißenen Messias. Johannes nennt Ihn das „Lamm Gottes“ (Vers 29, 35), und als solches wird Er sich auch erweisen.

Am großartigsten zeigt sich Johannes’ Charakter vielleicht darin, wie er seine Jünger ermutigt, nicht länger ihm zu folgen, sondern stattdessen Jesus als dem Messias zu folgen. Als Johannes der Täufer Jesus sieht, bezeichnet er Ihn seinen zwei Jüngern gegenüber als das „Lamm Gottes“. Die zwei Jünger, die zu diesem Zeitpunkt zu Johannes gehören, verlassen Johannes und laufen hinter Jesus her. Und genau das hatte Johannes beabsichtigt. Es könnte ihm nichts Besseres passieren, als dass Jesus einige „seiner“ Jünger übernimmt. Er weiß, dass er genau dazu aufgerufen wurde – die Menschen darauf vorzubereiten, dass sie von ihm weggehen und dem Messias nachfolgen. Johannes hat seine Aufgabe nahezu vollendet. Nur wenig später wird Gott ihn nach Hause holen durch die unfreiwillige Hand eines Herodes.

Schlussfolgerung

Wir können dem nur zustimmen, was unser Herr über die Größe dieses Mannes, die Größe von Johannes dem Täufer, sagt. Lassen Sie uns innehalten, um einige der Dinge zu resümieren, die Johannes’ Größe ausmachen:

Johannes gibt ein Vorbild für Demut und treue Diensterfüllung ab. Johannes ist ein großartiger Mensch, und doch ein Mann der Demut. Er erfasst, was seine Lebensaufgabe, seine Berufung und sein Dienstamt sind, und gibt sich ganz ihrer Ausführung hin. Er zermartert sich nicht den Kopf darüber, warum er nicht berühmter ist. Er freut sich daran, den Erlöser zu verherrlichen, und versucht nicht, seine eigenen Interessen zu verfolgen.

Als der Apostel Paulus an die Philipper schreibt, spricht er davon, dass er vor seinem eigenen Besuch seinen „Sohn“ Timotheus zu ihnen schicken wolle. Leider trifft es zu, dass es damals wie heute nur wenige Menschen wie Timotheus oder Johannes gibt:

19 Nun hoffe ich im Herrn Jesus, in Kürze Timotheus zu euch zu senden, damit auch ich erquickt werde, wenn ich Nachricht über euch bekomme. 20 Denn es gibt hier eigentlich niemanden wie ihn, der sich so aufrichtig um euch sorgt. 21 Andere verfolgen ihre eigenen Angelegenheiten und nicht die des Herrn. 22 Ihr aber wisst, dass er sich bewährt hat, dass er so, wie ein Sohn mit seinem Vater zusammenarbeitet, mit mir zusammen für die Verbreitung des Evangeliums gedient hat (Philipper 2:19-22).

Menschen „verfolgen“ normalerweise „ihre eigenen Angelegenheiten“ statt diejenigen Gottes oder anderer Menschen. In dieser Hinsicht stellen Timotheus und auch Johannes Ausnahmen dar. Johannes lehnt es ab, sein eigenes Nest auf Kosten des Evangeliums auszupolstern. Selbst als er nicht sicher weiß, wer der „Kommende“ ist, erhebt er Ihn doch über sich selbst.

Viele verfolgen ihre eigenen Vorteile; und es ist nicht schwer, dafür Beispiele zu finden. Der Haupt-Vorteilssucher ist Satan (siehe Jesaja 14:12-14, Hesekiel 28:11-17). Wann immer er die Menschen versucht, will er sie dazu bringen, ihre eigenen Interessen zu verfolgen, wie wir schon im Garten Eden (Genesis 3) sehen. Selbst bei unserem Herrn in der Wildnis versucht er die gleiche Strategie (Matthäus 4:1-11, Lukas 4:1-12). Die Schriftgelehrten und Pharisäer waren gegen Jesus, weil sie ihre eigenen Interessen wahren wollten. Und in den Evangelien wird man ohne weiteres feststellen, dass die Jünger ihre eigenen, individuellen Interessen verfolgten und den Entschluss unseres Herrn gar nicht wahrnahmen, der am Kreuz von Golgatha für die Sünder sterben wollte. Später warnte Paulus vor Kirchenführern, die sich in dem Bestreben verfangen, eine persönliche Anhängerschaft zu gewinnen:

28 Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, zu deren Aufsehern euch der Heilige Geist gemacht hat, damit ihr die Kirche Gottes weidet, die er mit dem Blut seines eigenen Sohnes erkauft hat. 29 Ich weiß, dass, wenn ich einmal nicht mehr bin, wilde Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. 30 Selbst aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen und die Wahrheit in verdrehter Form lehren, um die Jünger fort- und an sich selbst zu ziehen. 31 Darum seid wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang, Tag und Nacht, nicht aufgehört habe, einen jeden von euch unter Tränen zu ermahnen (Apostelgeschichte 20:28-31; Hervorhebung von B. Deffinbaugh).

Johannes der Täufer ist in diesem Evangelium das für Jesus, was Barnabas in der Apostelgeschichte für Paulus ist65. Beide Männer haben ihre Zeit, in der sie sichtbar hervorragen. Beide bereiten den Weg für den, der nach ihnen kommt und der sie selbst übertrifft. Am besten lässt es sich vielleicht so ausdrücken, dass Johannes seinem Herrn, dem Herrn Jesus Christus am allernächsten kommt, der das Vorbild für jeden ist, der anderen in Demut dienen möchte:

1 Wenn es irgendeinen Trost in eurer Beziehung zu Christus gibt, irgendeine Tröstung in der Liebe, irgendeine Gemeinschaft im Geist und irgendeine Zuneigung und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude vollkommen, indem ihr eines Sinnes seid und die selbe Liebe habt, indem ihr im Einklang und – jeder seinerseits – der Einheit verpflichtet seid. 3 Statt Dinge aus selbstsüchtigem Ehrgeiz oder persönlicher Eitelkeit heraus zu tun, sollte sich jeder von euch durch Demut auszeichnen und den anderen als wichtiger denn sich selbst behandeln. 4 Sorgt nicht nur für euch selbst, sondern achtet vielmehr auch auf das Wohlergehen anderer. 5 Diese Gesinnung solltet ihr gegeneinander haben, die auch Jesus Christus hatte, 6 der, obwohl er in Gottesgestalt existierte, nicht nach der Gottgleichheit zu greifen bestrebt war, 7 sondern sich entäußerte, indem er die Gestalt eines Sklaven annahm, eines Menschen, der aussah, wie andere Menschen auch, indem er die menschliche Natur mit uns teilte. 8 Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis hin zum Tod – ja selbst zum Tod an einem Kreuz Philipper 2:1-8).

In einer Zeit, in der Individualität, Konkurrenz und Erfolg unsere Leitlinien im Leben, bei der Arbeit und selbst im christlichen Dienst sind, täten wir gut daran, einmal über den Geist der Demut nachzudenken, der im Leben Johannes’ des Täufers so offensichtlich wird.

Johannes der Täufer verkündet mutig die Wahrheit des Evangeliums. Johannes zeichnet sich durch Demut aus, aber das hindert ihn nicht daran, mit Kühnheit zu predigen. Johannes verwässert seine Botschaft nicht, um seiner Zuhörerschaft zu gefallen. Er redet gegen die Sünde, sei es die der Steuereinnehmer, der Soldaten oder selbst die von Herodes. Er nennt die Sünde eindeutig beim Namen, verurteilt sie und ruft zur Buße auf. Sein Mut steht nicht im Widerspruch zu seiner Demut, sondern ist Ausdruck seiner Demut. Er ist seinem Herrn, dem Messias, unterlegen und untergeordnet. Er wurde von Gott gerufen und ihm wurde eine Botschaft übergeben, die er verkünden soll. Und er wird diese Botschaft ohne Abstriche mutig und klar verkünden. Ohne Zweifel spielte das eine Rolle für die machtvolle Wirkung dieser Botschaft auf alle diejenigen, die sie hörten. Heutzutage – wie auch schon immer – gibt es Menschen, die das Evangelium verwässern. Sie lassen die harten Worte lieber weg, mit denen die Sünde beim Namen genannt und verurteilt wird und mit denen zur Buße aufgerufen wird. Diese Menschen glauben, dass sie dem Evangelium damit einen Gefallen täten, weil sie seine Botschaft ansprechender gestalteten. In Wirklichkeit aber verweichlichen sie es nur. Trachten wir also niemals danach, die Wahrheit von Gottes Wort zu verwässern, wenn wir es den Menschen verkünden.

1 Als ich zu euch kam, Brüder und Schwestern, kam ich nicht mit überlegener Redekunst oder Weisheit bei der Verkündigung des Zeugnisses von Gott. 2 Denn ich hatte beschlossen, mich bei euch um nichts zu bekümmern als um Jesus Christus als den, der gekreuzigt worden ist. 3 Und ich war bei euch in Schwäche und Angst und mit viel Zittern. 4 Meine Rede und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung von Geist und Kraft, 5 damit euer Glaube nicht auf menschliche Weisheit gegründet sei, sondern auf die Kraft Gottes (1. Korinther 2:1-5).

Denn wir sind nicht, wie so viele andere, Hausierer, die mit dem Wort Gottes Geschäfte machen; sondern wir sprechen in Christus vor Gott, als aufrichtige Menschen, als von Gott ausgesandte Menschen (2. Korinther 2:17).

1 Darum dass wir dieses Dienstamt innehaben, weil Gott uns Barmherzigkeit erwiesen hat, lassen wir uns nicht entmutigen. 2 Vielmehr haben wir uns von den schändlichen, heimlichen Taten losgesagt und verhalten uns nicht mit List oder indem wir Gottes Wort verfälschen, sondern wir empfehlen uns jedermanns Gewissen vor Gott an, indem wir offen die Wahrheit verkünden. 3 Doch selbst wenn unsere gute Botschaft verhüllt ist, ist sie doch nur für die verhüllt, die dem Untergang geweiht sind, 4 unter denen der Gott dieses Zeitalters den Sinn der Ungläubigen blind gemacht hat, dass sie das Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, der das Bild Gottes ist, nicht sähen. 5 Denn wir verkünden nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn und uns als eure Leibeigenen um Jesu willen. 6 Denn Gott hat gesagt „Aus der Finsternis soll ein Licht aufleuchten“, und er selbst ist es, der in unseren Herzen aufgeleuchtet hat, um uns das Licht der herrlichen Wahrheit Gottes durch das Angesicht Jesu Christi zu schenken (2. Korinther 4:1-6).

1 Ich beauftrage dich feierlich vor Gott und Christus Jesus, der über die Lebenden und die Toten richten wird, und bei seinem Erscheinen und seinem Reich: 2 Predige die Botschaft, sei ausdauernd – ob es gelegen oder ungelegen kommt –, weise zurecht, tadele, ermahne mit vollkommener Geduld und Belehrung. 3 Denn es wird eine Zeit kommen, wo die Menschen die gesunde Lehre nicht ertragen werden. Stattdessen werden sie ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen und sich eigene Lehrer versammeln, weil sie eine erbärmliche Begierde danach haben, neue Dinge zu hören. 4 Und sie werden sich abwenden und nicht mehr auf die Wahrheit hören, aber andererseits werden sie sich Mythen zuwenden. 5 Du aber sei bei allem voller Selbstbeherrschung, ertrage Ungemach, tu das Werk eines Evangeliumsverkünders und erfülle dein Dienstamt (2. Timotheus 4:1-5).

Johannes der Täufer geht nicht davon aus, dass ein Mensch gerecht sei, nur weil er religiös (selbst ein religiöser Führer) ist. Johannes geht nicht davon aus, dass ein hingebungsvoll religiöser Mensch ausgenommen sei von der Botschaft des Evangeliums und der Notwendigkeit zur Buße und Sündenvergebung. Seine heftigsten Worte richtet Johannes unter anderem an diejenigen, die davon überzeugt sind, dass sie im Reich Gottes an der 50-Yard-Linie sitzen werden [wo nämlich die begehrtesten Sitzplätze bei einem Football-Spiel sind; Anm. d. Ü.] (siehe Lukas 3:7ff.). Weder die liberalen (aber mächtigen) Sadduzäer noch die konservativen und strengen Pharisäer waren von Johannes’ Kritik ausgenommen (Matthäus 3:7). Wie der Herr Jesus, dem er diente, erkannte Johannes einen Heuchler, wenn er ihn sah. Beide fanden äußerst harte Worte für „religiöse“ Heuchelei. Religiös sein allein bringt niemanden in den Himmel. Und sich religiös vorkommen, ist genau dass, was Satan von dir will, damit du in dein Verderben rennst, während du die ganze Zeit annimmst, dass Gott doch zufrieden sein müsste mit dir und deiner Religion. Wie Johannes zu ihnen sagte: Der Tag des Gerichts rückt rasch näher (siehe Matthäus 3:7-12).

Von Johannes können wir viel über das Zeugnis-Geben lernen. Das Johannes-Evangelium spricht von Johannes dem Täufer nicht als von einem Taufenden, sondern als von einem Zeugen. Er ist ein Zeuge, desses Zeugnis getreu und kraftvoll ist. Wir können sowohl aus seiner Botschaft als auch aus seiner Methode etwas lernen. Johannes verherrlicht immer den Messias und hält den Scheinwerfer auf Ihn gerichtet. Er vermeidet es, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken oder auch nur über sich selbst zu sprechen. Ständig bringt er die Sprache wieder auf Jesus und darauf, was die Menschen tun müssen, um gerettet zu werden. Ich möchte den Wert eines persönlichen Zeugnisses keineswegs herabsetzen (schließlich wird das persönliche Zeugnis des Paulus dreimal in der Apostelgeschichte wiedergegeben), aber Johannes’ Dienst mahnt uns, nicht selbst zu sehr in den Vordergrund zu treten, so dass am Ende der Herr Jesus nur eine „ehrenvolle Erwähnung“ bekommt, während wir selbst den „ersten Preis“ erhalten. Johannes hält Christus immer im Brennpunkt.

Johannes ist ein beispielhafter Mann des Glaubens; er ist ein Mensch, wie jeder Christ es sein sollte. Der Glaube vertraut dem, was Gott verheißen hat, statt dem, was wir momentan vor uns sehen. Der Glaube lebt in der Gegenwart, im Lichte der Zukunft, die nach Gottes eigener Aussage sicher kommt. Der Glaube ist bereit, im Jetzt zu leiden, damit er für alle Ewigkeit in Gottes Herrlichkeit eingehen kann. Johannes verwendet einen großen Teil seiner Zeit in seinem öffentlichen Dienstamt darauf, über jemanden zu sprechen, dessen Identität er nicht sicher kennt. Er spricht viel über Einen, der kommen wird, der zu diesem Zeitpunkt sogar schon da ist, aber noch nicht benannt wurde, und vertraut darauf, dass Gott Ihn offenbaren wird. Das ist Glaube. Und es ist genau der Glaube, zu dem jeder von uns aufgerufen ist. Glaube ist es, worum sich alles in Hebräer 11 dreht – und Glaube ist auch das, worum sich das ganze christliche Leben dreht.

16 Daher verzweifeln wir nicht; denn selbst wenn unser äußerlicher Leib verfällt, wird unser innerer Mensch doch von Tag zu Tag erneuert. 17 Denn unser gegenwärtiges leichtes Leiden schafft uns ein ewiges Gewicht der Herrlichkeit, die alles übertrifft, 18 weil wir unseren Blick nicht auf das richten, was sichtbar ist, sondern auf das, was unsichtbar ist; denn was sichtbar ist, ist zeitlich, aber was unsichtbar ist, ist ewig. ... 5:7 denn wir leben durch Glauben und nicht durch Schauen (2. Korinther 4:16-18, 5:7)

Johannes ist ein Beispiel für wahre Spiritualität. Ich möchte dies nur sehr vorsichtig sagen, aber ich glaube, der Apostel Johannes stellt Johannes den Täufer als einen geistlichen (oder sagen wir „geisterfüllten“) Mann Gottes dar. Wir wissen, dass der Heilige Geist über ihn kam, während er noch im Mutterleib war. Wir können in seinem Leben zahlreiche Hinweise auf die Frucht des Geistes sehen. Aber er ist auch der Mann, der niemals irgendein Wunder vollbracht hat. Seine Spiritualität erwies sich nicht durch ungewöhnliche Erscheinungen, durch Zeichen und Wunder oder Heilungen, denn davon gab es keine (siehe Johannes 10:41). Seine Spiritualität erwies sich durch seinen Glauben, seine Integrität, seine Demut und seine Botschaft. Seien wir also vorsichtig im Hinblick auf das, was wir als Beweise für Frömmigkeit ansehen.

Durch sein Beispiel erteilt uns Johannes eine Lektion darüber, wie man den Willen Gottes erkennt. Insbesondere meine ich damit den „Willen Gottes“ bei der Identifizierung des Messias. Johannes war von Gott angewiesen worden, die Botschaft vom Kommen des Messias zu verkünden. Johannes erhielt das Privileg kundzutun, wer der Messias war. Einen großen Teil seines Dienstes hindurch aber wusste Johannes noch nicht, wer dieser Mensch war. Er erfuhr die Identität des Messias, indem er getreulich seiner „Arbeit“ (seinem Werk) nachging; und während er seiner Arbeit nachging, offenbarte ihm Gott, dass Jesus der verheißene Messias war. Mancher ist vielleicht versucht, die täglichen Routinen und Pflichten des Lebens aufzugeben, um Gottes Willen zu finden. Nicht so Johannes. Er erlernte den Willen Gottes, indem er den Willen Gottes tat, den er schon kannte – die Botschaft vom Kommen des Messias und vom göttlichen Gericht zu predigen, die Menschen in Vorbereitung auf Sein Kommen zur Buße aufzurufen, und zu taufen.

Möge uns Gott gewähren, dass wir Johannes dem Täufer ähnlicher werden, dass wir gehorsam und erwartungsvoll leben, dass wir den Menschen das Kommen des Erlösers verkünden und sie in dem Wissen, dass der Tag des Gerichts kommen wird, dazu aufrufen, ihre Sünden zu bereuen. Von der Identifizierung Jesu als des verheißenen Messias an konzentrierte sich Johannes’ Botschaft auf Jesus als das „Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinweg nimmt“. Hast du schon dein Vertrauen in Gottes Lamm gesetzt? Jesus war Gottes vollständiges und endgültiges Sündopfer. Auf Seinen Opfertod für deine Sünden zu vertrauen bedeutet, in das ewige Leben einzugehen. Ich bete dafür, dass du, wenn du es noch nicht getan hast, heute noch dein Vertrauen in das setzt, was Jesus Christus für dich getan hat.


48 Bei einigen wenigen Gelegenheiten in meinem Leben bin ich Verpflichtungen eingegangen, obwohl ich in dem Moment noch nicht wusste, auf welche Weise Gott dafür Sorge tragen würde – aber ich war überzeugt davon, dass Er es tun würde. Durch meinen Bericht möchte ich Sie nicht dazu anhalten, „Gott auf die Probe zu stellen“, indem Sie irgendeine gewagte Handlung unternehmen und davon ausgehen, dass Gott Ihnen schon aus der Klemme helfen wird. Andererseits mag es sehr wohl sein, dass Gott Ihnen Gelegenheit gibt, Ihren Glauben zu beweisen, indem Sie handeln, ohne zu wissen, wie Gott es einrichten wird, wenn Sie nur davon überzeugt sind, dass Gott Sie zu diesem Handeln hingeführt hat.

49 Das heißt, die Delegation, die Johannes zu Jesus gesandt hatte (siehe 11:2ff.).

50 Wenn nicht anders vermerkt, stammen alle Schriftzitate aus der NET-Bibel.

51 Als alter Landmensch würde ich nicht „ausgerichtet“ sagen, sondern „einsatzbereit“.

52 William Hendriksen, Exposition of the Gospel According to John [Darstellung des Evangeliums nach Johannes], 2 Bd., (Grand Rapids: Baker Book House, 1953-1954), S. 76. Ich habe die Worte etwas modifiziert, aber im Wesentlichen entstammt die Tabelle der Gegensätze seinem Werk.

53 Ich bezeichne Johannes den Täufer als den „Täufer“, um eindeutig zwischen dem Apostel Johannes und Johannes dem Täufer zu unterscheiden. Ich weiß wohl, dass der Titel „Johannes der Täufer“ im Evangelium des Johannes gar nicht vorkommt, sondern nur in den synoptischen Evangelien.

54 Ich finde den Ausdruck „steht höher als ich“ besser, dem die Übersetzungen der NAS, NAB und NRS sehr nahe kommen.

55 Dass die Priester kamen, ist nur folgerichtig, denn Johannes der Täufer kam aus einer Priesterfamilie (Lukas 1:5). Die Leviten waren fast so etwas wie der Sicherheitsdienst für den Tempel. Von den hochrangigen jüdischen Autoritäten scheint niemand anwesend gewesen zu sein. Sie blieben in Jerusalem, denn von dort aus hatten sie die Delegation losgeschickt, die den Dienst von Johannes erkunden sollte.

56 Wenn ich über die Ankunft dieser Delegation und ihre Fragen an Johannes lese, habe ich deutlich den Eindruck, dass sie Johannes niemals persönlich sprechen gehört haben. Wie könnten sie ihm sonst solche Fragen stellen?

57 Ein anderes Beispiel für das, was ich meine, könnte man in Brot und Wein sehen, die wir bei der Kommunion essen und trinken. Symbolisch ist das Brot der Leib unseres Herrn und der Wein Sein Blut; in Wirklichkeit sind sie es nicht, sondern sie sind nur Symbole (siehe Lukas 22:17-20, Johannes 6:51-66).

58 Es ist wohl offensichtlich, dass damals – wie heute – die verschiedenen Elemente der Prophezeiung miteinander vermischt wurden. Der Prophet und der Messias waren ein und dieselbe Person, „Elia“ aber nicht. Im Rückblick auf die erfüllte Prophezeiung ist das leicht einzusehen, in der Vorausschau war es das allerdings gar nicht.

59 Die Beschneidung war ein weiteres erforderliches Ritual für jüdische (oder zum Judentum konvertierte) Männer (siehe Apostelgeschichte 15:1, 16:3).

60 Hierbei mag es sich um Selbsttaufe gehandelt haben, dennoch aber war es eine Taufe.

61 Die Verse 29-34 nennen uns dann natürlich einen der Gründe, warum Johannes taufte – um Gott zu gehorchen und so erkennbar zu machen, wer der Messias ist.

62 Sie erinnern sich wohl, dass Johannes der Täufer vor unserem Herrn geboren wurde (siehe Lukas 1&2). Insofern kann die Aussage, dass Er vor ihm existierte, nicht so verstanden werden, dass Jesus älter (früher geboren) wäre als Johannes. Zudem weiß Johannes noch nicht, dass Jesus dieser Kommende ist. Es muss daher so sein, dass er über die Präexistenz (d.h. die Existenz vor der Inkarnation) unseres Herrn als Gott spricht.

63 „Die Sandalen aufzubinden war Sklavenarbeit; von einem Jünger konnte man nicht erwarten, dass er eine solche Aufgabe übernahm. Um die volle Tragweite dessen zu erfassen, müssen wir berücksichtigen, dass es durchaus etliche Dienstleistungen gab, die ein Jünger für seinen Lehrer ausführte. Im alten Palästina wurde ein Lehrer nicht bezahlt (es wäre schrecklich unanständig gewesen, für das Lehren Geld zu fordern!) Statt dessen erfolgte das Entgelt teilweise dadurch, dass Jünger kleinere Dienstleistungen für ihre Rabbis übernahmen. Aber alles hat seine Grenzen, und darunter fielen niedrige Aufgaben wie das Lösen der Sandalenriemen. Es gibt einen rabbinischen Spruch (der in seiner heutigen Form auf das Jahr 250 v.Chr. zurückgeht, wahrscheinlich aber noch viel älter ist): ,Ein Jünger soll jeden Dienst für seinen Lehrer tun, den ein Sklave für seinen Herrn tut, außer ihm die Sandalenriemen aufzubinden’ (SBk, I, S. 121). Genau diese Aufgabe, die der Rabbinerspruch ausdrücklich als zu niedrig für einen Jünger ansieht, nimmt Johannes heraus und erklärt sich für unwürdig, sie durchzuführen.“ Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., 1971), S. 141.

64 Über diesen Vers ist viel geschrieben worden. Es ist richtig, dass Johannes’ Worte wohl mit keinem Vers oder Abschnitt der Schrift eindeutig in Verbindung gebracht werden können (z.B. mit dem Passah-Lamm in Exodus oder mit dem „Lamm, das zur Schlachtung geführt wird“ in Jesaja 53), aber sie fassen doch die alttestamentarischen Hinweise auf das Opfer des Messias gut zusammen. Die Worte Johannes’ des Täufers sind bedeutungsschwer in einem Ausmaß, wie er es selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste (siehe Lukas 7:18-19ff., 1. Petrus 1:10-12).

65 Zu Beginn der Apostelgeschichte (siehe Apostelgeschichte 4:36-37, 9:26-29) ist Barnabas die herausragende Person und der Anführer, wenn er und Paulus zusammen predigen (Apostelgeschichte 11:19-30, 13:1). Dann aber tritt plötzlich Paulus als der Führende hervor und überflügelt Barnabas von diesem Zeitpunkt an (Apostelgeschichte 13:9ff, siehe insb. Vers 13). Barnabas nimmt das nicht nur großzügig hin, sondern man hat den Eindruck, dass er es sogar von Anfang an darauf angelegt hatte.

Related Topics: Christology, Revelation

Report Inappropriate Ad